Inside Nintendo 202: Der Wii-U-Report, Teil 2: Vom Konzept zum Produkt

Mit der Wii U wollte Nintendo die Stärken der Wii fortführen, zugleich aber auch ihr Konzept weiter ausbauen. Das Ziel war eine flexiblere Konsole, die nicht mehr völlig auf den Fernseher angewiesen sein sollte. Zentral dafür war die Idee eines Zweitbildschirms, die schließlich im Wii U GamePad mündete. Die Geschichte hinter diesem Konzept haben wir uns im ersten Teil der Reportage ausführlich angeschaut. Doch die Wii U war viel mehr als eine Wii mit Tablet-Controller; die Verwirklichung des Vorhabens war mit jeder Menge Arbeit verbunden. In diesem Teil des Wii-U-Reports wird es um die konkrete Umsetzung des GamePad sowie um die Entstehung der Wii-U-Konsole gehen. Wir beginnen mit einem wichtigen Aspekt des Wii-U-Konzepts, der im ersten Teil noch nicht angesprochen worden war.

Bis aus dem Konzept einer Heimkonsole mit einem zweiten, vom Fernseher unabhängigen Bildschirm ein markttaugliches Produkt wurde, war viel harte Arbeit vonnöten (Bildquelle: Wikimedia Commons).

Jenseits des Blauen Ozeans

Nachdem sich die Wii im allgemeinen Bewusstsein zu einer nur an Gelegenheitsspieler gerichteten und nicht wirklich ernstzunehmenden Konsole entwickelt hatte, war es für Nintendo ein wichtiges Anliegen, mit der Nachfolgekonsole auch Intensivspieler wieder mit an Bord zu holen. „Kurz nach dem Erscheinen der Wii-Konsole begannen die relevanten Medien und Spielbegeisterten die Wii-Konsole als Freizeitgerät für Familien einzuordnen“, äußerte Nintendo-Präsident Satoru Iwata Mitte 2011, „wogegen die Konsolen von Microsoft und Sony gemeinsam in eine Kategorie von Geräten für leidenschaftliche Spieler eingeordnet wurden. Damit wurde eine Unterscheidung zwischen ‚Gelegenheitspielen‘ und ‚ernst zu nehmenden Spielen‘ getroffen.“

Iwata bekundete sein Unbehagen an dieser zu künstlichen Unterscheidung, räumte allerdings auch ein: „Andererseits glaube ich nicht, dass wir mit Wii den Anforderungen aller Spieler entsprechen konnten.“ Intensivspieler wieder verstärkt anzusprechen, ohne dabei Gelegenheitsspieler zu vergraulen, war somit eine weitere Möglichkeit, das Konzept der Wii in Richtung größerer Vielfalt fortzuführen. Schon bei der Enthüllung der Wii U auf der E3 2011, mit der wir uns im dritten Teil noch ausführlich befassen werden, sollte dieses Anliegen deutlich werden. Dazu nutzte Nintendo den Slogan „Deeper and Wider“ („Tiefer und Weiter“).

Anpassung an den neuen Standard

Einer der Hauptgründe dafür, dass die Wii wenig Anklang bei Intensivspielern und namhaften Drittherstellern gefunden hatte, war der Verzicht auf den damals neuen HD-Standard – eine der umstrittensten und meistdiskutierten Entscheidungen der Spieleindustrie überhaupt. Nintendo-Chefproduzent Shigeru Miyamoto räumte in einem „Iwata fragt“-Sonderinterview zur E3 2011 sogar ein, dass dies entscheidend zum Image der Wii als sogenannter „Casual-Konsole“ beigetragen hat. Um die ambitionierte Zielsetzung, mit dem Wii-Nachfolger mehr als „nur“ die breite Masse anzusprechen, überhaupt erreichen zu können, musste sich Nintendo dem neuen Grafikstandard anpassen.

Glücklicherweise hat der Konzern das bereits früh erkannt. Hardware-Chefproduzent Genyo Takeda berichtete: „Das Wii U-Projekt nahm seinen Ursprung, als wir begannen, darüber nachzudenken, unsere Technologie an den neuen HD-Standard der heimischen Fernsehgeräte anzupassen.“ Als konkreten Grund für die Entscheidung, nun endlich auf HD-Grafik zu setzen, gab Takeda an, dass HD-Fernseher in Japan inzwischen nahezu komplett etabliert seien. „Unsere Philosophie ist es, etwas zu erstellen, das jeder in allen Haushalten auf die gleiche Weise und unter den gleichen Umständen genießen kann.“ Zur Zeit der Wii hätten weder in Japan noch global genug Haushalte in den Genuss von HD-Grafik kommen können, nun aber könne man sagen, „dass HD die neue SD [Standard Definition] ist.“

Ein Blick auf das Motherboard der Wii U und insbesondere GPU und CPU, die technischen Herzstücke der Konsole. Foto aus dem „Iwata fragt“-Interview zur Konsole.

Ein großer Schritt für Nintendo – ein kleiner Schritt für die Industrie

Mit der höheren HD-Auflösung musste auch eine im Vergleich zur Wii massive Steigerung der Rechenleistung einhergehen. Wie viel Nintendos erste HD-Konsole tatsächlich unter der Haube hatte, war daher rückblickend betrachtet in der Zeit von der Ankündigung bis zu den ersten Monaten auf dem Markt wohl das in Onlineforen meistdiskutierte Thema rund um die Wii U. Rasch kristallisierte sich heraus, dass sich die Leistung grob auf dem Niveau von PlayStation 3 und Xbox 360 befindet, ohne diese stark zu überbieten. Dies wiederum rief die Befürchtung auf den Plan, dass sich mit den unausweichlichen Nachfolge-Konkurrenzkonsolen von Sony und Microsoft die Situation der Wii wiederholen könnte, dass also die Wii U ebenfalls schon bald technisch veraltet sein würde.

Technisches Herzstück der Wii U ist ein mit 1,24 Gigahertz getakteter Dreikern-Prozessor, der auf der IBM-PowerPC-Architektur basiert und den Namen „Espresso“ trägt. Der Grafikprozessor „Latte“ basiert auf AMDs Radeon-Architektur und ist mit 550 Megahertz getaktet. Die Namen der beiden Chips passen zum Arbeitstitel der Konsole, „Project Cafe“. Der Arbeitsspeicher umfasst zwei Gigabyte, wovon die Hälfte stets für das Betriebssystem reserviert ist. Spielesoftware steht damit lediglich ein Gigabyte Arbeitsspeicher zur Verfügung.

Nintendo äußert sich selber meist nur sehr vage zum technischen Innenleben seiner Konsolen. Auf die Spezifikationen der Wii U und ihre präzise Einordnung gehen wir hier daher nicht näher ein. Stattdessen möchten wir den Blick auf einen kaum beachteten Aspekt richten, in dem Nintendo sehr wohl auf der Höhe der Zeit war, nämlich die Streaming-Technik hinter dem GamePad.

Auf der Suche nach einer lagfreien Streaming-Technologie

Das Konzept des GamePad sieht vor, dass von der Wii-U-Konsole generierte Inhalte nicht nur an den Fernsehbildschirm, sondern auch drahtlos an den in den Controller integrierten Bildschirm übertragen werden. Was dies konkret bedeutet, macht man sich beim Spielen meist kaum bewusst. „Die Software muss auch dann noch gut funktionieren, wenn ein gewisser Teil der Daten gestört oder verfälscht wird“, erklärte Iwata. „Diese Eigenschaften muss gewöhnliche Software nicht haben.“

Es muss gewährleistet sein, dass per Drahtlosverbindung große Datenmengen ohne Unterbrechungen und nahezu in Echtzeit ans GamePad übertragen werden. Denn anders als beim Streamen von Filmen können die Videodaten nicht im Voraus geladen werden; Videospiele sind ein interaktives Medium, bei dem die Auswirkungen einer Steuereingabe in Sekundenbruchteilen von der Konsole berechnet und mit möglichst geringer Verzögerung über den Bildschirm ausgegeben werden müssen.

Für Toru Yamashita, der an der Firmware und Software für die Verbindung des GamePad zur Konsole arbeitete, waren das Drathlossystem und die Echtzeitkompression und -übertragung der Daten daher direkt die kritischsten Punkte, als er erstmals vom Konzept des späteren GamePad erfuhr. „Bei herkömmlichen Drahtlos- und Video-Enkodierungstechnologien entstehen ja Verzögerungen, deswegen konnten wir sie nicht einfach übernehmen“, schilderte er im „Iwata fragt“-Interview. Man habe mit einer ganzen Reihe an Unternehmen an diesen, wie Yamashita es nannte, „neuen Herausforderungen“ gearbeitet. Darunter befanden sich das japanische Unternehmen MegaChips Corporation sowie das US-amerikanische Unternehmen Broadcom, mit dem Nintendo ein neues Streaming-System entwickelte.

Diese Nintendo-Angestellten, die an verschiedenen Aspekten des Wii U GamePad mitgewirkt haben, waren im „Iwata fragt“-Interview zu Gast: Toru Yamashita, Kuniaki Ito, Kenichi Mae und Masato Ibuki von Nintendo Integrated Research & Development (IRD) sowie Tat Iwamoto von Nintendo Software Technology (NTD). Yamashita erklärte übrigens, dass er in den Genuss eines Privilegs kommt, von dem viele Spielerinnen und Spieler nur träumen konnten: „Mein Wohnzimmer und mein Badezimmer sind […] nur durch eine Wand getrennt, und ich kann das Wii U GamePad auch dort benutzen.“

Das Gitternetz-Grafik-Grauen

Videokompression, Streaming-Technologie, Echtzeit-Datenübertragung – Nintendo musste sich für das GamePad intensiv mit Themen beschäftigen, die bei den früheren Hardwareprodukten des Konzerns keine Rolle gespielt hatten. Es kamen verschiedene Faktoren zusammen, die dies zu einer besonderen Herausforderung machten. Neben der bereits erwähnten Interaktivität von Videospielen wäre da das Wesen computergenerierter Grafiken zu erwähnen. „In der Welt der Videokomprimierungstechnologie gibt es bestimmte Videoinhalte, die sich ideal komprimieren lassen“, erklärte Iwata, „und solche, die sich dafür nicht gut eignen.“ Computergenerierte Inhalte, wie sie eine Spielkonsole fast ausschließlich erzeugt, zählen zu dieser zweiten Kategorie. Sie sind, wie der Nintendo-Präsident erläuterte, deutlich weniger vorhersehbar als natürliches Bildmaterial und überfordern daher gängige Kompressionsalgorithmen.

Das Entwicklerteam prüfte die Videoübertragung vermittels eines besonderen Härtefalls mehrfach auf Herz und Nieren. „Zuerst war es nur das Bild eines Würfels, das sich bewegt hat, und da lief alles noch ganz gut“, beschrieb Yamashita dieses Testvideo „aber das nächste Beispielbild stellte ein Gitternetz dar, das sich vergrößert und schnell dem Betrachter genähert hat.“ Iwata kommentierte: „Ein bewegtes Gitternetz! Das schlimmste Bild, das man sich bei der Videokomprimierungstechnologie vorstellen kann!“

Alles eine Frage der Technik

Eine Reihe weiterer Schwierigkeiten wollte bedacht werden. Da das GamePad nicht ein an einem festen Ort fixierter Bildschirm ist, sondern ein Controller, der beim Spielen auch in Bewegung sein kann, musste auch der Dopplereffekt berücksichtigt werden. Diesen kennt man eher aus dem Bereich der Schallwellen, er taucht aber auch bei Funkverbindungen auf und kann daher bei raschen Bewegungen des Controllers die Verbindung zur Konsole beeinträchtigen. Immerhin ist das GamePad, mit einem Gyroskop ausgestattet, ausdrücklich auch auf Bewegungssteuerung ausgelegt. „Um ehrlich zu sein, dachte ich diesbezüglich sogar: ‚Nein, bitte nicht!‘“, meinte Kenichi Mae, der an der Technologie für die drahtlose Verbindung arbeitete.

Ferner erwies sich die Frage, wo die Antenne optimalerweise platziert werden sollte, als schwer zu beantworten. Da nämlich vorgesehen war, dass das GamePad auch vertikal gehalten werden kann, mussten verschiedene Positionen in Relation zur Konsole gleichermaßen berücksichtigt werden. Eine besonders harte Nuss war außerdem die integrierte Videokamera. Das GamePad kann selber keine Bilder berechnen, sodass für den integrierten Videochat die Daten in Echtzeit vom Controller zur Konsole und von der Konsole zurück zum Controller geschickt werden müssen – wohlgemerkt über dieselbe Drahtlosverbindung. Wegen dieser Herausforderung war die Videokamera Mitte 2011 sogar eine Zeit lang aus dem Konzept der Wii U gestrichen worden.

Diese durchsichtige Wii-U-Konsole diente allein internen Präsentationszwecken und war nie öffentlich erhältlich. „Die ist ja durchsichtig!", staunte Konzernchef Iwata, als ihm das Exemplar in einem Interview mit Angestellten gezeigt wurde. „Cool! Die müssen Sie mir verkaufen!“

Schneller als der Fernseher erlaubt

Eingedenk all dieser Störfaktoren muss man die Videoübertragung auf das GamePad als eine technische Meisterleistung bezeichnen. Doch noch kurz vor der E3 2011 waren die Ergebnisse, die der Prototyp des GamePad lieferte, so unzufriedenstellend, dass das Wii-U-Entwicklerteam eine Notfallsitzung einberufen musste. „[Wir] sagten: ‚Was sollen wir bloß machen?!‘“, erinnerte sich Yamashita zurück. Nachdem man der Sache unter Hochdruck nachgegangen sei, konnte die Technik schließlich so weit optimiert werden, dass Nintendo die Wii U inklusive GamePad guten Gewissens erstmals der Öffentlichkeit präsentieren konnte.

Das fertige Produkt zeigt, dass Nintendo mit dem Konzept des GamePad keine halben Sachen gemacht hat. „Das Wii U GamePad kann Grafik jetzt äußerst schnell anzeigen“, verkündete Yamashita stolz im „Iwata fragt“-Interview, „und weil viele neuere Fernseher wegen der Video-Verarbeitungskomponenten eine gewisse Latenz haben, gibt es Momente, in denen das Wii U GamePad die Bilder schneller anzeigt als der Fernseher, der ja über ein Kabel verbunden ist.“ Was wie vollmundige Versprechungen aus einer TV-Infomercial anmutet, hat sich in der Praxis rasch bewahrheitet: Wer nicht gerade über einen Fernseher mit Gaming Mode verfügte, konnte dank des Wii U GamePad in den Genuss nahezu latenzfreien Videospielens kommen.

Tablet oder Controller?

Ursprünglich hatte das GamePad ein flacheres Design ohne Griffe und mit den vom Nintendo 3DS bekannten Schiebepads anstelle der herausragenden Analogsticks. „Zu dieser Zeit war die Design-Gruppe entschlossen, ein Pad-ähnliches Gerät zu entwickeln“, erklärte Masato Ibuki, der am Industriedesign des GamePad mitwirkte. „Das Grundkonzept war ein Gerät, das jedes Wohnzimmer geschmückt hätte.“

Diese noch mehr an ein Tablet angelehnte Version des GamePad-Designs wurde auf der E3 2011 zusammen mit der Konsole erstmals der Öffentlichkeit vorgeführt. Die Resonanz fiel gemischt aus; viele Stimmen kritisierten die unbequeme Haptik. Ibuki gestand sogar rückblickend ein: „Wir hätten es bereut, wenn wir es so veröffentlicht hätten.“ In vielen Meetings musste das Designteam anschließend von neuem klären, welches Konzept es dem Äußeren des GamePad eigentlich zugrunde legen wollte. Man habe, so Ibuki weiter, „von vorne angefangen, um herauszufinden, ob ein flaches, Pad-ähnliches Gerät oder ein klassischer Controller, den die Spieler für mehr Kontrolle fest in den Händen halten können, der richtige Weg wäre.“

In dieser schwierigen Frage kam es intern zu kontroversen Diskussionen. „Wir hatten noch einen langen Weg vor uns und dachten: ‚Wir müssen einen Controller machen!‘“, erinnerte sich Ibuki zurück, „aber gleichzeitig gab es den Konflikt mit der Meinung, dass es am besten wäre, sich für ein Pad-ähnliches Design zu entscheiden, das gut in ein Wohnzimmer passt. Es war schwierig, dabei einen guten Mittelweg einzuhalten.“

Diese frühere Version des Wii U GamePad stellte Nintendo auf der E3 2011 vor. Es gab noch Schiebepads wie beim 3DS, das Design war etwas größer und – auf vielen Bildern des Prototyps nicht gut zu erkennen – auf der Rückseite waren noch keine Griffe angebracht. Aufgrund des Feedbacks auf der Spielemesse erfuhr der Tablet-Controller in der folgenden Zeit noch deutlich spürbare Design-Änderungen.

Zurück ans Zeichenbrett

In dieser Phase wurden unterschiedliche Designentwürfe für das GamePad ausprobiert. Natürlich blieb das Kernkonzept dabei unangetastet und es ging eher um die Feinabstimmung von Aussehen und Haptik zwischen den beiden Polen „Pad“ und „Controller“. Dass sich Controller neuer Konsolen nach der ersten Enthüllung noch in Details verändern, ist nicht unüblich, wie wir etwa beim GameCube-Controller oder der Wii-Fernbedienung gesehen haben. Beim Wii U GamePad scheint die Situation nach der E3 2011 aber doch relativ chaotisch gewesen zu sein.

„Wir hatten uns zuerst mit einem flacheren, quadratischen Pad beschäftigt, dann war es eine Version mit abgestuften Griffen, und dabei haben wir auch verschiedene Versionen in Betracht gezogen“, erzählte Ibuki. „Wir haben eine interne Umfrage dazu gemacht, welcher Controller sich am besten bedienen ließ, aber die Meinungen waren unterschiedlich und wir konnten nicht direkt entscheiden, welche Variante die beste war.“ Mitunter habe Ibuki gedacht, nun endlich ein gutes Design erreicht zu haben, dann aber die Rückmeldung bekommen, dass das Resultat noch immer nicht überzeugend sei, sodass das Team erneut von vorne beginnen musste. „Ich glaube, das war die schwierigste Zeit für mich“, meinte er.

Hinzu kommt, dass neben der Optik und Haptik auch das Gewicht des Controllers berücksichtigt werden musste. Bei früheren Nintendo-Controllern hatte dieser Aspekt keine so große Rolle gespielt, da stets viel weniger Technik als im GamePad verbaut war. Das Team setzte sich ein Gewicht von etwa 500 Gramm als Ziel, das auf keinen Fall überschritten werden durfte. Was dies konkret für den Arbeitsalltag bedeutete, veranschaulichte Ibuki wie folgt: „Es lief ungefähr so ab: ‚Ich will so ein Design.‘, ‚Wie viel Gramm kommen dabei dazu?‘, ‚Fünf Gramm.‘, ‚Vorschlag abgelehnt!‘“

Passt wie angegossen

Nach einer für Ibuki nicht mehr überblickbaren Anzahl an Entwürfen einigte man sich erst sehr spät auf das finale Design des GamePad. Die Schiebepads wurden durch Analogsticks ersetzt und die Form des Ganzen wurde etwas verbreitert, dafür aber in der Horizontalen etwas gestaucht. Das grundsätzliche Pad-Design blieb bestehen, doch damit das Gerät besser in der Hand liegt, wurden ihm wie einem klassischen Controller Griffelemente angebracht. Diese seien „erst ganz am Schluss finalisiert“ worden, erklärte Ibuki.

Damit der Controller perfekt in der Hand liegt, begnügte man sich nicht mit am Computer erstellten und per 3D-Drucker realisierten Modellen. „Wir haben die Objekte aus dem 3D-Drucker von Hand nachgeschnitzt und dann noch abgeschliffen“, beschrieb Ibuki diesen Prozess. „Man kann viel schneller Dinge ausprobieren, wenn man es von Hand macht, deshalb ist das die beste Möglichkeit, wenn es an die Feinabstimmung der Designs geht.“

Das finale Design musste zwar wegen seiner klobigen, Fisher-Price-artigen Optik viel Häme von Spielerinnen und Spielern über sich ergehen lassen, liegt aber in der Tat deutlich besser in der Hand als klassische Tablets. Kaum jemand wird außerdem bestreiten können, dass lange Spielesitzungen mit dem GamePad wesentlich angenehmer waren als mit den Joy-Cons der Nintendo Switch. Das GamePad verfügt über die Maße 13,5 × 25,9 × 2,3 cm und wiegt 419 Gramm. Der eingebaute 6,2-Zoll-Touchscreen bietet eine Auflösung von 854 × 480 Pixeln. Neben den üblichen Tasten und Knöpfen sind Bewegungssensor, Gyrosensor, Gyroskop und Magnetometer, ein NFC-Empfänger, Stereo-Lautsprecher sowie eine 0,3-Megapixel-Kamera eingebaut. Anders als bei Nintendos Handhelds verfügt das GamePad außerdem über eine Rumble-Funktion.

Diese Skizzen, die aus Patenteinträgen stammen, ermöglichen einen direkten Vergleich zwischen dem Prototyp des Wii U GamePad von der E3 2011 (oben) und der finalen Fassung (unten). Die Bilder wurden im Februar 2012 von der Community des NeoGAF-Forums gefunden und zusammengestellt. Damals ging man fälschlicherweise davon aus, dass das veränderte Design ein Vorläufer der bis dahin einzig bekannten Fassung von der E3 2011 gewesen sei.

Doppelter Aufwand

In „Inside Nintendo 154“ hatten wir festgehalten, dass der 3DS das für Nintendo bis dahin wohl aufwändigste Hardwareprojekt gewesen sein dürfte. Die Wii U überbot dies noch bei weitem. Ko Shiota, der als Deputy General Manager von Nintendo IRD das gesamte Wii-U-Projekt überwachte, äußerte rückblickend seinen Eindruck, „zwei Geräte gleichzeitig entwickelt zu haben – eine Heimkonsole und ein Handheld.“ Die zeitintensive und nervenaufreibende Entstehung des GamePad, mit der wir uns bislang beschäftigt haben, war ja nur ein Teil des Gesamtprojekts Wii U. Neben dem Controller, der in der Entstehungsphase beinahe so aufwändig wie ein brandneues Handheld-System war, galt es auch noch eine völlig neue Hauptkonsole zu entwerfen.

„Wir im Team der Maschinenbauer begannen schon im April 2009 mit dem Design der Wii U-Hardware“, berichtete Yasuhisa Kitano, der das mechanische Design verantwortete. „Zunächst haben wir neben der Wii-ähnlichen horizontalen Bauweise und dem würfelförmigen Aufbau des Nintendo GameCube unterschiedliche Konfigurationen in Erwägung gezogen.“ Schließlich einigte man sich auf ein Aussehen, das grundsätzlich jenem der Wii ähnelt. Anders als jene sollte die Wii-U-Konsole aber nicht vertikal, sondern horizontal ausgerichtet sein. Diese Maßnahme sollte der Abgrenzung von der früheren Konsole dienen.

Harte Arbeit für eine unauffällige Konsole

Nintendo setzte sich eine unauffällige, kleine, leise und stromsparende Konsole zum Ziel. „Zu Beginn der Entwicklung“, so beschrieb es Kitano, „stellte Mr. Takeda uns die Aufgabe, die Konsole zu einer Art helfender Hand zu machen – etwas, das unauffällig und unaufdringlich sein sollte.“ Das erinnert an die Entstehung der Wii-Konsole, wurde diesmal aber noch weiter geführt als damals. Da das GamePad ja der glänzende Star der Wii U sein sollte, wurde die Konsole bewusst so gestaltet, dass sie zugunsten des neuen Controllers in den Hintergrund rückt. „Daher haben wir die Funktionen und Eigenschaften der Hauptkonsole drastisch reduziert, sodass sie noch unauffälliger wurde“, so Kitano.

Seit dem GameCube verfolgte Nintendo die Strategie, möglichst hohe Rechenleistung bei möglichst geringem Energieverbrauch zu erzielen. In einem „Iwata fragt“-Interview schilderten die Hardwareentwickler daher ausführlich, wie sie die Wii-U-Konsole so energieeffizient wie nur möglich umsetzten. Damit wollten sie betonen, dass ihr neues Produkt durchaus auf zeitgemäße Technik setzt, nur dass dabei eben nicht die schiere Rechenleistung, sondern Energieeffizienz im Vordergrund steht – ein in der Spieleindustrie traditionell eher vernachlässigtes Thema. So fasste Iwata am Ende des Gesprächs zusammen: „Ich hoffe, dass alle […] jetzt verstehen, dass das Erstellen von Hardware in dieser Größe mit dieser Leistung und gleichzeitig minimalem Energieverbrauch – und all das zu diesem Preis – eine Menge Leute sehr viel Arbeit gekostet hat.“

Einen beispielhaften Einblick darin, mit welchen Herausforderungen all dies verbunden war, gab Kitano anhand des Lüfters der neuen Konsole. „Im Vergleich zur Wii-Konsole produziert die Wii U-Hardware etwa dreimal so viel Wärme; wir haben uns also wirklich ganz schön den Kopf zerbrochen. Wir haben erwogen, den Lüfter zu vergrößern und die Anzahl der Umdrehungen zu erhöhen. Wir haben mehrfach Erwärmungsprüfungen an den Prototypen vorgenommen und die Position der Luftlöcher optimiert.“

Die Menschen hinter Nintendos Hardware erhalten deutlich weniger Aufmerksamkeit als die Spiele-Entwicklungsteams – allein schon, da Konsolen über keinen Abspann verfügen, der alle Beteiligten auflisten würde. Hier sehen wir weitere vier Personen, die zentral an der Entstehung der Wii U mitwirkten, allesamt von Nintendo IRD: Genyo Takeda (General Manager von Nintendo IRD und bereits seit dem N64 für die Leitung der Heimkonsolen-Projekte zuständig), Ko Shiota (damals Deputy General Manager und seit 2015 Takedas Nachfolger), Yasuhisa Kitano (mechanisches Design) und Nobuyuki Akagi (Entwicklersoftware).

Nach Jahren harter Arbeit konnte Nintendo aus dem Konzept einer neuen Konsole, die erstens die Stärken der Wii fortführt und ausbaut, zweitens auch wieder Intensivspieler anspricht und drittens mit dem Touchscreen-Controller eine vielversprechende Innovation bietet, ein nicht nur funktionierendes, sondern auch überzeugendes Produkt zusammenstellen. Ohne die vereinten Kräfte einer Vielzahl von Mitarbeitenden aus Bereichen wie Industriedesign, Hardwareentwicklung, Softwareprogrammierung und so weiter wäre dies nie möglich gewesen. Und doch wird die Leistung dieser unbesungenen Helden selten angemessen gewürdigt, hat sich die Wii U doch den Ruf eines wirtschaftlichen Flops zugezogen. Wie und warum es dazu kam, werden wir beginnend mit dem dritten Teil des Wii-U-Reports unter die Lupe nehmen.

Quellen: „Iwata fragt: Sonderausgabe E3 2011“, Nintendo.de, 2011; „Iwata fragt: Wii U Hauptkonsole“, „Iwata fragt: Wii U GamePad“, Nintendo.de, 2012.

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