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Donkey Kong Country (VC)

Mehr zum Spiel:

Inside Nintendo 215: Donkey Kong Country: So entstand Rares vorberechnetes Affentheater (Teil 2)

Wie es dem in einem winzigen britischen Dorf untergebrachten Entwicklerstudio Rare gelang, eine der ersten Dritthersteller-Kooperationen mit Nintendo einzugehen und ein Comeback des ersten großen Nintendo-Erfolgs entwickeln zu dürfen; wie sich das in einer ehemaligen Scheune untergebrachte Team für High-End-Grafik rüstete; wie ein gerade erst Anfang-20-jähriger Designer die Grundlagen für das bis heute gültige Design von Donkey Kong schuf; wie zentrale Elemente wie der ständige Begleiter Diddy Kong entstanden – all dem und mehr sind wir im ersten Teil der Reportage zu „Donkey Kong Country“ nachgegangen. Damit ist die Geschichte hinter dem SNES-Megahit von 1994 aber noch nicht abschließend erzählt. Da wäre etwa noch eine ziemlich verrückte alternative Hintergrundgeschichte für das affenstarke Abenteuer …

Wario’s Time Machine

In einem klassischen Jump’n’Run ist die Handlung in der Regel nicht mehr als eine schlichte Hintergrundgeschichte, die das Abenteuer der Hauptfigur ins Rollen bringt. Auch in „Donkey Kong Country“ ist es kaum anders, wenn sich der Primat aufmacht, um die von King K. Rool und den Kremlins gestohlenen Bananen zurückzuholen. Eine frühere Idee für die Handlung drehte sich jedoch um einen ganz anderen Ausgangspunkt, wie Spieldesigner Gregg Mayles im Gespräch mit GameXplain verriet. Demnach sollte der erst 1992 in „Super Mario Land 2“ etablierte Mario-Gegenspieler Wario eine zentrale Rolle einnehmen.

Dieses Konzept sah vor, dass Wario eine Zeitmaschine von Mario stiehlt, in die Zukunft reist und sich dort Technologie beschafft, mit der er Mario in der Gegenwart schrumpft, um ihn zu entführen. Marios früherer Gegenspieler Donkey Kong kann dies nicht auf sich sitzen lassen und macht sich auf, um den Klempner zu retten. Der Gedanke hinter dieser ausgefallenen Idee bestand wohl darin, dass Rare das Nintendo-Universum etwas stärker auszureizen suchte. Nintendo aber wollte lieber, dass das britische Studio neue Figuren erschafft, als bereits bekannte einzubinden.

Piraten-Krokodile gegen Primaten-Clan

So wich die Handlung rund um Mario, Wario und eine Zeitmaschine dem simpleren Konzept mit Donkey Kong, den Kremlins und den gestohlenen Bananen. Die krokodilartige Piratenbande und ihr Anführer King K. Rool waren dabei ursprünglich gar nicht für dieses Spiel, sondern für ein ganz anderes Projekt entworfen worden. Es handelte sich um ein im Weltraum angesiedeltes Point-&-Click-Abenteuer für Macintosh mit dem Namen „Jonny Blastoff & the Kremling Armada“, das aber nie auf den Markt kam.

Ungeachtet ihres Ursprungs fügten sich die Kremlins ideal in die Welt von „Donkey Kong Country“ ein. Sie waren nur einige der vielen neuen Figuren, mit denen Rare das bis dahin im Wesentlichen nur aus dem titelgebenden Gorilla und seinem Sohn Donkey Kong Jr. bestehende „Donkey Kong“-Universum bereichert hat. Im Laufe der Jahre etablierte das Studio in der „Donkey Kong Country“-Trilogie eine umfangreiche Kong-Familie. Den Anfang machten im ersten Teil von 1994 neben Diddy Kong, mit dessen Ursprüngen wir uns in Teil 1 der Reportage befasst haben, sowie Candy und Funky Kong vor allem der alte, mürrische Cranky Kong. Er brachte mit seinen sarkastischen Sprüchen eine Prise britischen Humors in das Spiel.

Unlängst bestätigte das Entwicklerteam übrigens, was viele Fans schon vermutet hatten: Cranky Kong ist eine gealterte Version des ursprünglichen Donkey Kong aus der Arcade-Trilogie, sodass Rares Donkey Kong tatsächlich die erwachsene Version von Donkey Kong Jr. ist. Das wird zwar angedeutet, wenn Cranky von seinen alten Abenteuern erzählt und im Intro die Titelmelodie des Arcade-Klassikers spielt. Explizit hat Rare das aber nicht im Spiel klargestellt. Man wollte nicht riskieren, dass Nintendo diesen doch sehr deutlichen Eingriff in das Design der Figur ablehnte, wie es ja bereits beim Neudesign von Donkey Kong Jr. der Fall gewesen war.

Artworks für die Kremlins aus dem unveröffentlichten „Jonny Blastoff and the Kremling Armada“, 2015 von Gregg Mayles via Twitter veröffentlicht.

Zu viel 3D?

Einige Wochen nach Start der Arbeiten an „Donkey Kong Country“ hatte das Rare-Team einen ersten Prototyp zusammengestellt, in dem Donkey Kong durch eine Testumgebung lief. Mit dieser Demo im Gepäck reisten Tim Stamper und Gregg Mayles zu Nintendo nach Japan. Das Meeting war so hochrangig besetzt, wie es der Bedeutung des Spiels für den Konzern nur angemessen war. Zu den Teilnehmenden gehörten unter anderem Shigeru Miyamoto, Genyo Takeda – der bereits zuvor Teil der Nintendo-Abgesandtschaft an Rare gewesen war und nun mit Hochdruck am N64 arbeitete – und Game-Boy-Erfinder Gunpei Yokoi. „Es war für viele Leute bei Nintendo das erste Mal, dass sie das Spiel sahen“, erinnerte sich Mayles zurück, „und unser radikaler Ansatz mit den Grafiken kam zunächst nicht sonderlich gut an.“ Namentlich Yokoi habe sich skeptisch geäußert. Er war sich unsicher, ob Leute das Spiel auch wirklich spielen könnten; es sehe zu sehr nach 3D aus.

Da Yokoi damals an einer Spielekonsole mit echter, autostereoskopischer 3D-Darstellung arbeitete, dem spektakulär gefloppten Virtual Boy, mutet seine Negativ-Rückmeldung überaus ironisch an. Ob er sich mit seiner Skepsis auf die vorgerenderten Grafiken an sich bezog oder ob er nicht eher die realistische Levelgestaltung meinte, die die Jump’n’Run-Parcours von „Donkey Kong Country“ unbestreitbar weniger übersichtlich als in den simpleren „Super Mario“-Spielen macht, muss offen bleiben. Jedenfalls blieb es zum Glück nicht bei dieser verhaltenen Rückmeldung, wie Mayles fortfuhr: „Miyamoto war viel schneller bereit, unsere Arbeit zu würdigen und seine Zustimmung zu geben. Er und seine Mitarbeitenden nutzten ihre unvergleichliche Erfahrung, um uns Anregungen zu geben, wie wir ein paar Ecken und Kanten glätten können.“

Ein affenstarkes Team

Stamper und Mayles, denen als Director respektive Game Designer die kreative Leitung des Projekts oblag, waren die einzigen Teammitglieder, die direkten Kontakt mit Nintendo hatten. Tim Stampers älterer Bruder und Mit-Rare-Begründer Chris wird im Abspann in einer unterstützenden Rolle erwähnt – er hatte maßgeblich die Arbeit mit den Silicon-Graphics-Computern ermöglicht.

Insgesamt umfasste das Entwicklerteam hinter „Donkey Kong Country“ etwa zwölf Personen und war damit so groß wie bei keiner vorherigen Rare-Produktion. Viele Mitwirkende haben das Unternehmen seither verlassen, darunter Programmierer Chris Sutherland, die Charakter-Grafiker Steve Mayles und Kevin Bayliss sowie Objekt-Grafiker Mark Stevenson – alle vier gehörten in den letzten Jahren zu den Köpfen hinter dem Indie-Erfolg „Yooka-Laylee“. Die 1995 veröffentlichte Fortsetzung „Donkey Kong Country 2: Diddy’s Kong Quest“ entstand mit beinahe demselben Kernteam wie der Erstling. Am dritten Teil von 1996 hingegen waren wichtige Leute wie Gregg Mayles oder Sutherland nicht beteiligt – sie arbeiteten damals am N64-Jump’n’Run-Klassiker „Banjo-Kazooie“.

Bemerkenswert ist, wie jung das „Donkey Kong Country“-Team damals war. Die meisten Mitwirkenden waren erst in ihren frühen Zwanzigern, und etwa für Steve Mayles und Stevenson war es das erste Spieleprojekt überhaupt. Gregg Mayles, der trotz seiner damals erst 22 Jahre als einziger Game Designer eine besondere Verantwortung trug, äußerte später in einem Interview: „Ich war jung und naiv genug, nicht zu begreifen, wie bedeutend dieses Spiel für Rare war. Alles, was ich wollte, war, ein Spiel zu erschaffen, an das man sich erinnern würde.“

Donkey Kong und der Wise-Mann

Nicht nur mit seiner Grafik sorgte „Donkey Kong Country“ für Aufsehen und blieb im Gedächtnis der Spielenden, auch der Soundtrack trug erheblich dazu bei. Für Musik und Ton zeichneten drei hauseigene Komponistinnen und Komponisten verantwortlich, David Wise, Eveline Novakovic und Robin Beanland. Während „Donkey Kong Country“ für Novakovic und Beanland, die je sieben bzw. ein Stück beisteuerten, das erste Spieleprojekt überhaupt war, kann man Wise als wahren Veteranen bezeichnen. Bis dahin war er der einzige Komponist für Rare gewesen; innerhalb von sieben Jahren hatte er die Soundtracks für knapp 60 (!) Spiele geschrieben.

Allerdings war Wise damals nicht bei Rare angestellt, sondern freiberuflich tätig. Als er für „Donkey Kong Country“ zu komponieren begann, nahm er daher an, dass seine Musik es gar nicht ins fertige Spiel schaffen und dass Nintendo stattdessen auf einen hauseigenen Komponisten setzen würde. „Tim [Stamper] sagte, er benötigte eine Demo von mir, und schlussendlich machte ich drei verschiedene Stücke, drei Demos“, erzählte Wise. „Ihm gefielen alle drei und er bat mich, sie zusammenzufügen.“ Daraus wurde „DK Island Swing“, quasi das musikalische Markenzeichen der „Donkey Kong Country“-Reihe. „Rare versandte die Demo und irgendjemandem bei Nintendo muss sie gefallen haben, denn wir wurden gebeten, auch mit dem Rest des Soundtracks weiterzumachen.“

Zeitlos atmosphärische Musik

Von nun an arbeitete Wise hauptberuflich bei Rare. Er war isoliert vom Rest des Teams in einem früheren Hühnerstall untergebracht und stand hauptsächlich mit Tim Stamper im Austausch, manchmal täglich, manchmal nur alle paar Wochen. In dieser konzentrierten Atmosphäre gelang es Wise, dem SNES bis dahin ungehörte Klänge zu entlocken. Er kreierte zusammen mit Novakovic und Beanland eine Reihe an ungemein atmosphärischen Stücken, die mit ihrem Klang beinahe CD-Qualität erreichten und vergessen ließen, dass es sich technisch gesehen um herkömmliche 16-Bit-Musik handelte. Um dieses Ergebnis zu erreichen, war jedoch mehr Programmier- als eigentliche Komponierarbeit erforderlich. Wie damals üblich, musste die Musik händisch in Form von Hexadezimalcodes programmiert werden.

Die maßgeblich von Wise verantwortete Musik für „Donkey Kong Country“ zählt zu den besten Soundtracks der Videospielwelt und ist im Vergleich zu den meisten anderen Spielen der damaligen Zeit sehr gut gealtert. Besonders „Aquatic Ambience“, das Wise selber als eines seiner Lieblingsstücke aus der „Donkey Kong Country“-Trilogie bezeichnete, sticht dabei heraus. Auch an den Soundeffekten war Wise beteiligt. Ursprünglich hatte er vor, Gorillageräusche im nahegelegenen Twycross Zoo aufzunehmen, doch dieser Plan scheiterte (Wise sprach von einer „kompletten Zeitverschwendung“). Stattdessen stammen die im fertigen Spiel zu hörenden Geräusche von Mitwirkenden.

Frühe Entwürfe für Donkey Kong von Gregg Mayles.

Von Donkey Kong’s Monkey Mayhem zu Donkey Kong Country

Ein von Gregg Mayles auf Twitter veröffentlichtes Dokument vom 8. März 1994 erwähnt mehrere nicht umgesetzte Gegner sowie zwei verworfene Tierhelfer, die Eule Hooter und den Maulwurf Miney. Einige der in dem Dokument genannten Figuren wurden in der Fortsetzung verwirklicht. Davon abgesehen scheint es aber nicht viele verworfene oder nicht umgesetzte Pläne gegeben zu haben. Auch in den Daten des Spielcodes verbergen sich nur kaum nennenswerte Überbleibsel aus der Entwicklungsphase. Der wohl interessanteste Fund sind frühere Dialogzeilen für Cranky Kong, in denen der Gorilla-Opa noch ohne seinen zum Markenzeichen gewordenen Sarkasmus auskommt.

Das Dokument vom 8. März 1994 erwähnt außerdem einen früheren Namen für das Spiel. Demnach sollte Rares Jump’n’Run ursprünglich den Namen „Donkey Kong’s Monkey Mayhem“ tragen. Woher der finale Titel „Donkey Kong Country“, der gut zu damaligen Nintendo-Spielen wie „Super Mario Land“ oder „Super Mario World“ passt, stammt, hat Mayles ebenfalls verraten. Nintendo habe wegen der ländlichen Umgebung von Entwickler Rare dem Projekt den Arbeitstitel „Country“ verliehen. Dieser Codename habe sich dann bis in den finalen Titel durchsetzen können.

Eine neue Ära

Insgesamt dauerte die Entwicklung von „Donkey Kong Country“ etwa anderthalb Jahre. Das Team und insbesondere Director Tim Stamper waren darum bemüht, das Spiel in jeglicher Hinsicht auf Hochglanz zu polieren. „Es gab natürlich ständigen Druck“, berichtete Programmierer Brendan Gunn. „Was auch immer wir gemacht hatten, es war nie gut genug, und wir mussten immer wieder nachbessern und alles noch besser aussehen lassen. Es war immer Tim Stamper.“

Nintendos Marketing prahlte damit, dass in „Donkey Kong Country“ so viele Personenstunden eingegangen seien wie in kein anderes Videospiel zuvor, nämlich 22 Personenjahre. Auch wenn diese Angabe maßlos überschätzt sein dürfte, erweckte das Ergebnis den Eindruck einer völlig neuen Generation an Videospielen. Vorberechnete Grafik war damals immerhin noch eine absolute Neuheit. Das schottische Studio DMA Design kündigte etwa zur gleichen Zeit ein SNES-Spiel mit CGI-Grafiken an, was das Rare-Team zunächst in große Aufregung versetzte, doch letztlich bot „Unirally“, so der Titel des Spiels, nur vorberechnete Grafiken für das titelgebende Einrad. „Donkey Kong Country“ hingegen besteht vollständig aus CGI-Grafik, bis hin zu den Nummernanzeigen für die Benutzeroberfläche.

Eindrücke von der Video Software Dealers Association Expo, auf der Nintendo 1994 mit großem Aufwand „Donkey Kong Country“ präsentierte – inklusive „Donkey Kong in Real Time“ (rechts): Analog zum etwas bekannteren „Mario in Real Time“ kommentierte ein von Charles Martinet gespielter und gesprochener Donkey Kong in Echtzeit das Geschehen.

Next-Gen-Grafik auf veralteter Hardware

Wie revolutionär die Grafik von „Donkey Kong Country“ damals war, wird besonders in einer Anekdote von Gregg Mayles deutlich. Er war vor Ort dabei, als das Spiel auf der Consumer Electronics Show im Juni 1994 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. „Die Konferenz steigerte sich bis zur Ankündigung von ‚Donkey Kong Country‘ ganz am Ende. Die Leute erwarteten irgendetwas Großes, aber sie dachten, es würde um das N64 gehen.“ Während der Trailer zum Spiel gezeigt wurde, sei das Publikum überzeugt gewesen, das erste N64-Spiel zu sehen. „Als dann verkündet wurde, dass es sich um ein SNES-Spiel handelte, gab es einen Moment verblüffter Stille, und dann fingen alle an zu klatschen – abgesehen von mir, denn ich fragte mich, wie wir es rechtzeitig fertigstellen sollten.“

Mayles’ Sorgen inmitten dieses glücklichen Augenblicks sollten sich übrigens als unbegründet erweisen, denn Nintendo verlegte die Veröffentlichung des Spiels letztlich sogar zwei Wochen nach vorne, auf den 18. November 1994. Bemerkenswert ist, dass „Donkey Kong Country“ innerhalb von nur neun Tagen in allen großen Weltregionen auf den Markt kam – damals lagen nicht selten noch mehrere Monate bis Jahre zwischen den einzelnen Veröffentlichungen. Auch daran wird deutlich, welch großen Stellenwert das Spiel für Nintendo besaß.

It’s on like Donkey Kong!

„Donkey Kong Country“ war Nintendos wichtigste Neuerscheinung des Jahres 1994. Damals stand der Konzern zunehmend wegen Konkurrent Sega, der in den letzten Weihnachtssaisons das Rennen für sich hatte entscheiden können, unter Druck. Sega sollte zwar auch 1994 insgesamt die Nase vorn haben, dafür stammte das erfolgreichste Spiel des Jahres diesmal von Nintendo.

Innerhalb der ersten Woche auf dem Markt gingen bereits 500.000 Exemplare von „Donkey Kong Country“ über die Ladentheken. Bis Jahresende konnte Nintendo weltweit 6,1 Millionen Einheiten absetzen. Der Titel knackte damit den damaligen Rekord für das schnellstverkaufte Videospiel aller Zeiten. Im Laufe der Jahre kamen noch über drei Millionen Verkäufe hinzu, sodass „Donkey Kong Country“ nach „Super Mario World“ und „Super Mario All-Stars“ den dritten Platz der meistverkauften SNES-Spiele erhielt.

In diesem Foto von 1995 feiern Howard Lincoln und Minoru Arakawa von Nintendo of America den unvergleichlichen Erfolg von „Donkey Kong Country“.

Der Mythos von Miyamotos Missgunst

Großer Erfolg zieht unvermeidlich Neid mit sich. Diesem Motto entsprechend hält sich hartnäckig das Gerücht, dass Shigeru Miyamoto „Donkey Kong Country“ öffentlich scharf kritisiert habe. „‚Donkey Kong Country‘ beweist, dass Spielende mittelmäßiges Gameplay hinnehmen, solange die Grafik gut ist“, so soll der Nintendo-Produzent und „Donkey Kong“-Schöpfer einmal gesagt haben. Das Problem: Auch wenn dieses Zitat oft wiederholt wurde, gibt es keine Originalquelle dazu.

2010 dementierte Miyamoto in einem Interview mit IGN das Gerücht folgendermaßen: „Und anscheinend kam kürzlich das Gerücht auf, dass ich dieses Spiel nicht wirklich mochte? Ich möchte nur klarstellen, dass das nicht der Fall ist, denn ich war stark daran beteiligt.“ Er verwies darauf, dass er sehr eng mit Rare an dem Titel gearbeitet und fast täglich E-Mail-Kontakt mit Director Tim Stamper gehabt habe.

Die Früchte einer engen Partnerschaft

„Donkey Kong Country“ stellte alle vorherigen Erfolge des britischen Studios weit in den Schatten, belebte zusammen mit dem Game-Boy-Puzzlespiel „Donkey Kong“ Nintendos älteste Erfolgsmarke wieder und war gleichsam die Geheimwaffe im damaligen Wettstreit mit Sega. Bald erwarb Nintendo einen Anteil von 25 Prozent an Rare. Dieser engen Partnerschaft entsprangen später prägende N64-Titel wie „GoldenEye 007“, „Banjo-Kazooie“ oder „Perfect Dark“. Daneben brachte Rare natürlich auch mehrere Nachfolger von „Donkey Kong Country“ auf den Markt.

Bereits ein Jahr nach dem Erstling trumpften die Briten mit „Donkey Kong Country 2: Diddy’s Kong Quest“ auf. Der zweite Teil mag sich nicht ganz so häufig verkauft haben, gilt vielen Fans aber als das noch bessere Spiel. Wiederum ein Jahr später, am 18. November 1996 und damit wenige Monate nach Marktstart des N64, erschien dann „Donkey Kong Country 3: Dixie Kong’s Double Trouble!“ für das SNES. Drei Jahre darauf brachte Rare mit „Donkey Kong 64“ seinen letzten neuen Teil der Reihe heraus. 2002 wurde das Studio von Microsoft aufgekauft. Die de-facto-Nachfolge traten die texanischen Retro Studios an, die die Tradition von „Donkey Kong Country“ 2010 mit „Donkey Kong Country Returns“ für die Wii und 2014 mit „Donkey Kong Country: Tropcial Freeze“ für die Wii U wiederaufleben ließen.

Im Vergleich v. l. n. r.: „Donkey Kong Country“ (SNES-Version), „Donkey Kong Land“ (Game Boy), „Donkey Kong Country“ (Game Boy Color) und „Donkey Kong Country“ (Game Boy Advance).

Rückkehr ins Donkey-Kong-Land

„Donkey Kong Country“ ist mehrfach neuaufgelegt worden. Bereits kurz vor der Veröffentlichung planten Nintendo und Rare eine Portierung für den Game Boy, woraus schließlich das zwar stark an den SNES-Erfolg angelehnte, letztlich aber eigenständige „Donkey Kong Land“ wurde. Ein Team um Programmierer Paul Machacek arbeitete ein Jahr lang daran, die vorberechneten Grafiken in 8-Bit und schwarz-weiß auf den Game Boy zu übertragen. Die technischen Limitierungen der Konsole und der kleine, niedrig auflösende Bildschirm machten dabei Eingriffe in Spielprinzip und Leveldesign erforderlich. Insgesamt aber brachte „Donkey Kong Land“, das Mitte 1995 auf den Markt kam, das Spielgefühl des großen Bruders beachtenswert authentisch auf den kleinen Handheld.

Ähnlich wie „Donkey Kong Country“ eine Trilogie begründete, erhielt „Donkey Kong Land“ noch zwei Nachfolger auf dem Game Boy, die 1996 und 1997 erschienen. Eine stärker an das Original angelehnte 8-Bit-Portierung von „Donkey Kong Country“ kam dann Ende 2000 für den Game Boy Color heraus, auf dem nun farbige Grafiken möglich waren. Eine dritte und diesmal noch originalgetreuere Handheldumsetzung entwickelte Rare 2003 für den Game Boy Advance, der sich mit seiner 32-Bit-Architektur gut für Umsetzungen von SNES-Klassikern eignete. Das Studio war zwar ein Jahr zuvor von Microsoft aufgekauft worden, durfte aber noch Handheld-Spiele für Nintendo entwickeln.

In den darauffolgenden Jahren wurde „Donkey Kong Country“ noch einige Male wiederveröffentlicht. Im Rahmen des Virtual-Console-Service war es ab Dezember 2006 für Wii, ab Februar 2015 für Wii U und ab März 2016 für New Nintendo 3DS erhältlich. Außerdem ist es Teil der illustren Gruppe von 30 vorinstallierten Spielen auf dem Nintendo Classic Mini: Super Nintendo Entertainment System, das Nintendo 2017 auf den Markt brachte. Für Abonnentinnen und Abonnenten von Nintendo Switch Online ist der Titel seit Juli 2020 kostenfrei spielbar. Die Game-Boy-Umsetzung „Donkey Kong Land“ war zudem ab 2014 über die 3DS-Virtual-Console erhältlich.

„Es kommt nicht nur auf die Grafik an“?

30 Jahre nach seiner Veröffentlichung ist „Donkey Kong Country“, das große Comeback des Gorillas und der Beginn der fruchtbaren Partnerschaft zwischen Rare und Nintendo, auch heute noch gut spielbar. Es bietet einen anspruchsvollen Schwierigkeitsgrad und eine Spielerfahrung, die sich deutlich von den „Super Mario“-Jump’n’Runs abhebt. Während die spielerischen Qualitäten unbestreitbar sind, dürfte es heutzutage etwas schwieriger nachzuvollziehen sein, was für eine Revolution im Bereich der Grafik der Titel damals war. Technisch gesehen handelte es sich zwar um ein klassisches Sprite-basiertes 2D-Spiel, doch die vorgerenderten Grafiken ermöglichten einen bis dahin auf Konsolen kaum gekannten Grad an Realismus und Detailverliebtheit.

Der enorme Hype um „Donkey Kong Country“ drehte sich 1994 daher nicht zuletzt gerade um die Grafik, die Nintendo und Rare auch in der Vermarktung sowie selbstironisch in einigen Sprüchen von Affen-Opa Cranky Kong sehr selbstbewusst betonten. Als Nintendo-Fans bei der ersten Ankündigung dachten, das erste N64-Spiel zu Gesicht zu bekommen, lagen sie natürlich weit daneben. Eine gewisse Verbindung gab es aber durchaus. Denn sowohl die High-End-Rechner, mit deren Hilfe Rare die Spielgrafiken erstellte, als auch die im späteren N64 werkelnde Technik stammten vom Unternehmen Silicon Graphics. In dieser Hinsicht bot „Donkey Kong Country“ durchaus einen Ausblick in die Zukunft. Die frühe Polygon-Grafik des N64 sollte in Puncto Detailgrad und Realismus zwar einen Schritt zurück hinter die Optik eines „Donkey Kong Country“ darstellen, doch das ist eine andere Geschichte.

Quellen: Offizielle Website zu „Donkey Kong Country“ bei rare.co.uk, archivierte Version vom 29. Mai 1998 im Internet-Archiv; Steven L. Kent: The Ultimate History of Video Games, New York 2001, S. 491–497; Chris Greening: Interview mit David Wise, Square Enix Music Online, Dezember 2010, archivierte Version vom 15. Januar 2012 im Internet-Archiv; Damien McFerran: „Month Of Kong: The Making of Donkey Kong Country“, Nintendo Life, 27. Februar 2014; GameXplain: „Talking with Rare’s Creative Director for DKC’s 25th Anniversary! (Cut Content, Wario Plot, & More)“, YouTube, 16. November 2019; Shesez: „The Donkey Kong Country 25th Anniversary Interview Documentary“, YouTube, 22. November 2019; Stuart Hunt: „‚Yes, we did go to the zoo and observe the gorillas‘: The making of Donkey Kong Country“, GamesRadar, 22. Juni 2021.

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  • Avatar von Garo
    Garo 29.04.2024, 10:15
    Hätte nicht erwartet, dass der Artikel schon nach einer Woche abgeschlossen wird. Hatte mit einem Monat bis zum nächsten Teil gerechnet.
    War sehr interessant zu lesen. Danke dafür! War einiges neues dabei. Das von Gregg Mayles auf Twitter veröffentlichte Dokument habe ich ja damals selbst im Donkey-Kong-Thread geteilt, hat aber leider keinen hier wirklich gejuckt, stattdessen hat man nur über meine verhunzte Satzstellung diskutiert.