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Donkey Kong Country

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Inside Nintendo 214: Donkey Kong Country: So entstand Rares vorberechnetes Affentheater (Teil 1)

„Es kommt nicht nur auf die Grafik an!“, so rechtfertigen sich Nintendo-Fans gerne, seit sich ihr Lieblingskonzern spätestens mit DS und Wii vom Technik-Wettrüsten verabschiedet hat. Es gab aber eine Zeit, in der dieser Leitsatz für Nintendo ganz und gar nicht galt, der Konzern vielmehr bewusst den Maßstab für Spielegrafiken anhob und dies auch aggressiv im Marketing betonte. Eines der besten Beispiele dafür feiert dieses Jahr seinen 30. Geburtstag: „Donkey Kong Country“.

Mit diesem erfolgreichen Klassiker brachte das britische Studio Rare, damals in einer ehemaligen Scheune in einem kleinen Dörflein untergebracht, erstmals vorberechnete Grafik auf das SNES. Das Resultat war ein damals atemberaubender Schritt hin zu realistischer Optik. Doch nicht nur äußerlich konnte „Donkey Kong Country“ beeindrucken. Auch mit seinem Spiel- und Leveldesign sowie seiner Musik schrieb es Jump’n’Run-Geschichte, sodass es bis heute als einer der besten Genreableger aller Zeiten gilt. Wie gelang Rare diese spielerische und technische Meisterleistung und wie kam es überhaupt zu dieser engen Kooperation mit Nintendo?

Klasse statt Masse

„Donkey Kong Country“ sollte der bis dahin größte Erfolg des britischen Entwicklerstudios Rare werden. In den Jahren zuvor hatte das Studio mit einer regelrechten Flut an Spieleproduktionen jede Menge Erfahrung sammeln können. Das immense Talent der Brüder Tim und Chris Stamper, die Rare gegründet hatten und einen Großteil der Entwicklungsarbeit selbst übernahmen, machte sich dabei schnell bezahlt. Es gelang ihnen, als eines der ersten westlichen Unternehmen von Nintendo eine Dritthersteller-Lizenz zu erhalten – ein großer Erfolg für ein Studio mit Sitz in einem Dörfchen, das so klein ist, dass es nicht einmal einen Artikel in der deutschsprachigen Wikipedia hat.

Von der Lizenz machte Rare reichlich Gebrauch: Allein für das NES veröffentlichte das 1985 gegründete Studio im Laufe der Jahre nicht weniger als 50 Spiele. 1991 setzte das sehr beliebte und erfolgreiche sowie technisch fortschrittliche „Battletoads“ einen vorläufigen Schlussstrich unter diese Entwicklung. Es stand ein Generationenwechsel zu den 16-Bit-Konsolen wie dem SNES an. Die Stampers nutzten diesen Zeitpunkt für eine strategische Neuausrichtung. Rare wollte künftig weniger, dafür aber aufwändigere Produktionen hervorbringen – Klasse statt Masse sollte nun die Devise lauten. Dazu investierten die Brüder in sündhafte teure Computer, mit denen sie den neuesten Stand der Technik in das beschauliche Twycross brachten.

Die ersten Schritte

Bei den Geräten, die sich die Stampers beschafften, handelte es sich um Computer von Silicon Graphics (SGI). Rechenmaschinen dieses Herstellers kamen damals unter anderem für die Spezialeffekte von Hollywood-Erfolgen wie „Jurassic Park“ zum Einsatz. Komponist David Wise bezifferte die damaligen Kosten für eines dieser Geräte mit etwa 80.000 Pfund. Der Plan war, mit diesen High-End-Rechnern hochwertige 3D-Grafikmodelle zu entwerfen, die dann in herkömmliche Pixelgrafiken umgewandelt und so in Videospiele eingebunden werden sollten.

Die Stampers und ihr Team tüftelten einige Zeit mit dieser neuartigen Technik. Sie versuchten sich schließlich an einem Box-Spiel, das realistische dreidimensionale Grafiken nutzen sollte. Wie Wise äußerte, lag zwischen der Grafik des Prototyps und jener zeitgenössischer Spiele ein Unterschied wie Tag und Nacht. Viel ist über dieses Projekt namens „Brute Force“ allerdings nicht bekannt. „Bevor die Arbeit an ‚Donkey Kong Country‘ begann, experimentierten wir mit einer sehr frühen Form von 3D-Technologie“, erinnerte sich Gregg Mayles, der spätere Spieldesigner des affenstarken Jump’n’Runs, zurück. „Es war aber schwierig, die ambitionierte Methode tatsächlich in eine wirkliche Spielsituation einzubinden.“

„Brute Force“ sollte zwar nie fertiggestellt werden. Das Experiment sicherte Rare allerdings den wohl wichtigsten Deal in der Geschichte des Studios.

„Disney’s Aladdin“ begeisterte 1993 auf Sega Genesis insbesondere mit seiner Grafik und seinen Animationen. Als Reaktion darauf wollte Nintendo auf dem SNES noch bessere Grafik bieten und wandte sich dazu an Rare. Das Resultat ist „Donkey Kong Country“.

Besuch von Nintendo

An einem Sommertag des Jahres 1993 bekam Rare Besuch von einer Nintendo-Abgesandtschaft. Die Japaner hatten ein besonderes Anliegen mit im Gepäck. Damals hatte Sega gerade „Disney’s Aladdin“ für seine Genesis-Konsole präsentiert, das die Videospielwelt mit seiner Grafik, an der Disney-Animatoren mitgewirkt hatten, verzückte. Diesen Erfolg konnte Nintendo seinem damals ärgsten Konkurrenten Sega nicht gönnen. Es musste also ein Spiel mit noch besserer Grafik als „Aladdin“ für das SNES her.

Mit seiner neuartigen Grafiktechnologie, die unter dem Namen „Advanced Computer Modelling“ (ACM) firmierte, konnte Rare genau das bieten, wonach Nintendo suchte. Das britische Studio präsentierte das ACM anhand des auf Grundlage dieser Technik entwickelten Prototyps „Brute Force“. Chris Stamper zufolge gehörte unter anderem Genyo Takeda, der spätere Chefentwickler des N64, zur Nintendo-Abgesandtschaft. Takeda sei von dem, was er zu sehen bekommen habe, sehr beeindruckt gewesen und habe wissen wollen, wie die Demo auf dem SNES aussehen würde. Zwei Rare-Mitarbeitende begannen daraufhin sofort mit der Arbeit, um die Demo auf Nintendos 16-Bit-Konsole zu übertragen.

Bereits am nächsten Tag konnte das Rare-Team Takeda und seinen Kollegen das Ergebnis vorführen. „Als wir die Leute von Nintendo in die Grafikabteilung führten und ihnen zeigten, was wir hatten“, so erinnerte sich Tim Stamper in einem Gespräch mit Videospielhistoriker Steven L. Kent zurück, „schauten sie ständig unter den Tisch. Ich habe sie gefragt, was sie da machen. Sie sagten, dass sie nach den großen Computern schauen. Sie haben nicht verstanden, dass alles in dieser kleinen Kisten gemacht wurde.“

Die Rückkehr von Donkey Kong

Die „Brute Force“-Demo überzeugte Nintendo so sehr, dass man Rare mit der Entwicklung eines neuen Nintendo-Spiels betraute. Um was für ein Spiel es sich dabei handeln sollte, stand sehr schnell fest. Rare-Grafiker Kevin Bayliss erinnerte sich zurück, dass er schon einen Tag nach dem Treffen mit Nintendo von Tim Stamper gefragt wurde, ob er etwas mit „Donkey Kong“ machen wolle. Nintendo hatte Stamper, wie Bayliss äußerte, ein Artwork der Figur zugesandt. Ob Rare von sich aus die „Donkey Kong“-Lizenz aussuchte oder ob Nintendo sie dem Studio vorgab, ist nicht ganz klar, da es widersprüchliche Angaben dazu gibt. Die Kommunikation zwischen Rare und Nintendo erfolgte fast nur über die Stamper-Brüder, sodass nicht bekannt ist, was genau hinter den Kulissen vor sich ging. Wie Programmierer Brendan Gunn verriet, wusste das Entwicklerteam nie, ob eine Idee nun von den Stampers oder von Nintendo stammte.

Die Marke „Donkey Kong“ war in der Videospielwelt ein großer Name. 1981 hatte der titelgebende Gorilla in den Arcade-Hallen den Grundstein für Nintendos Erfolg im Videospielbereich gelegt. Bald war er aber im Schatten der „Mario“-Spiele in Vergessenheit geraten; nach den ursprünglich 1983 veröffentlichten Titeln „Donkey Kong 3“ (Arcade) und „Donkey Kong Jr. Math“ (Famicom) sowie mehreren Game-&-Watch-Geräten 1984 hatte es keine neuen Ableger mehr gegeben. Doch die Reihe war nicht nur praktisch inaktiv, Nintendo hatte sie auch nie sonderlich groß ausgearbeitet. Die Möglichkeiten für ein kreatives Comeback waren daher groß. Daraus sollte letztlich sogar ein Doppel-Comeback werden, da 1994 parallel zu „Donkey Kong Country“ der Puzzle-Klassiker „Donkey Kong“ für den Game Boy herauskam.

Donkey Kong hatte zwar seit 1981 mehrere Auftritte, in „Donkey Kong Country“ war er aber erstmals der spielbare Protagonist. Kein Wunder also, dass besonders viel Aufwand in sein Design geflossen ist. Links: Ein früher Entwurf für das Neudesign von Donkey Kong, den Kevin Bayliss über Twitter veröffentlicht hat. Rechts: 1994 von Rare veröffentlichte Grafik, die einen Entwurf von Miyamoto (links; stark an das ursprüngliche Design von 1981 angelehnt) und einen von Rare (Mitte) sowie das finale computergenerierte Modell (rechts) gegenüberstellt.

Do the Donkey Kong

Was Handlung, Spielwelt und Figuren anbelangte, war das „Donkey Kong“-Universum damals, zumal nach den fast zehn Jahren Funkstille, nahezu ein unbeschriebenes Blatt. Das bezeichnete Gregg Mayles als einen großen Vorteil: „Es erlaubte uns im Grunde, zu tun, was wir wollten. Nintendo unterstützte das voll und ganz.“ Rare nahm sich nicht weniger vor, als Donkey Kong neu zu erfinden. Die Aufgabe, Shigeru Miyamotos Charakterdesign für den Gorilla zu modernisieren, oblag dem damals erst 21- oder 22-jährigen Bayliss.

Das Redesign der Hauptfigur erfolgte in enger Zusammenarbeit mit Nintendo. „Shigeru Miyamoto hatte sehr genaue Vorstellungen davon, wie er [Donkey Kong] aussehen sollte“, so Gunn. Dennoch trägt der finale Entwurf deutlich Bayliss’ Handschrift; so erhielt Donkey Kong etwa die gleichen Augen wie die ebenfalls von Bayliss entworfenen Battletoads aus dem gleichnamigen Rare-Erfolg. Ein geradezu zum Markenzeichen avanciertes Detail des Neuentwurfs stammt freilich vom Erfinder höchstpersönlich: Miyamoto hatte sehr spät in der Entwicklung angeregt, dass Donkey Kong eine rote Krawatte tragen sollte. Damit war das bis heute gültige Aussehen des Gorillas festgelegt. Sämtliche nachfolgenden Spiele und Spin-offs wie „Super Smash Bros.“ oder „Mario Kart“ stellen bis zum heutigen Tag Miyamotos Donkey Kong in der Rare-Version dar.

Wie Donkey Kong Jr. zu Diddy Kong wurde

Ursprünglich plante Rare, dass Donkey Kongs Sohn Donkey Kong Jr., bekannt aus dem gleichnamigen Arcade-Spiel von 1982, als Begleiter ein Comeback feiern sollte. Auch hier versuchte sich das britische Studio an einer Neuinterpretation der Figur. Diesmal aber war Nintendo nicht einverstanden. Da Rares Version zu stark vom Original abwich, bestand der Traditionskonzern darauf, dass entweder Donkey Kong Jr. in seinem ursprünglichen Design übernommen wird oder Rares Entwurf zu einer komplett neuen Figur wird. „Wir meinten, dass unser neuer Charakter perfekt zum aktualisierten ‚Donkey Kong‘-Universum passte“, so Mayles. „Daher behielten wir unseren Charakter und gaben ihm einen anderen Namen.“

Sich auf einen Namen für die neue Figur zu einigen, fiel dem Team schwer. Nach einigen – so Mayles – „wahnsinnig schlechten“ Vorschlägen wie „Diet DK“, „DK Lite“ oder „Titchy Kong“ einigte man sich auf „Dinky Kong“. Da dieser Name wiederum aus rechtlichen Gründen nicht verwendbar war, erhielt Donkey Kongs Begleiter schlussendlich den Namen „Diddy Kong“. Rares Neuschöpfung nahm übergangslos die Rolle von „Donkey Kong Jr.“ ein und verdrängte ihn im Laufe der Jahre ganz.

Artworks zu Donkey Kong (1981) und Donkey Kong Jr. (1982) im Vergleich zu den Artworks von Donkey Kong und Diddy Kong aus „Donkey Kong Country“ (1994).

Zu zweit ist man weniger allein

Dass Donkey Kong sich nicht alleine auf sein Abenteuer begibt, sondern zusammen mit einem Begleiter unterwegs ist, hängt letztlich mit der besonderen Grafik von „Donkey Kong Country“ zusammen. Schon früh hatte das Team entschieden, auf Bildschirmeinblendungen, die von der Grafik ablenken und die Immersion stören würden, nach Möglichkeit völlig zu verzichten. „Das schloss eine Energieleiste aus“, erklärte Mayles. „Es musste etwas Visuelles sein. In Anlehnung an Marios ‚großer Mario wird zu kleinem Mario‘-System kamen wir auf die Idee, dass eine zweite Figur diese Funktion übernehmen könnte. Das würde visuell beeindruckend aussehen und dem Spieler das Gefühl geben, dass er nicht allein ist.“

Rein vom Gameplay-Standpunkt aus betrachtet, fungiert Diddy Kong also im Prinzip nur als zweiter Hitpoint für die Hauptfigur. Was ursprünglich einen rein ästhetischen Zweck hatte – die Spielenden sollten sich ohne störende Einblendungen besser auf die vorberechneten Grafiken konzentrieren können –, entwickelte sich zu einem Markenzeichen der „Donkey Kong Country“-Spiele.

High-End-Grafik auf dem SNES

Wie fast alle anderen Videospiele der damaligen Zeit nutzt „Donkey Kong Country“ für die Darstellung aller Figuren und Gegenstände auf dem Bildschirm herkömmliche 2D-Sprites. Die Besonderheit liegt darin, wie diese Sprites entstanden sind. Die Designer haben sie nicht klassisch von Hand entworfen; sie haben vielmehr an den SGI-Rechnern hochwertige 3D-Polygonmodelle gestaltet, mit Texturen versehen und animiert. Jedes Einzelbild einer solchen Animation wurde dann eigens berechnet und zu einer Spritegrafik herunterskaliert, wie sie das SNES würde verwenden können. Auf diese Weise integrierte Rare vorberechnete 3D-Grafik in ein herkömmliches 2D-Spiel.

Gunn erläuterte die Differenzen gegenüber der herkömmlichen Gestaltung von Videospielgrafiken folgendermaßen: „Früher wurden die Dinge von Hand auf Pauspapier gezeichnet, und dann musste jemand ein Raster darüber zeichnen und es von Hand digitalisieren. Das Rendern erspart in dieser Hinsicht ein wenig Arbeit.“ Dennoch war dies für Rare mit großem Aufwand verbunden, denn die teuren SGI-Rechner waren langsam und erforderten viel Strom. Vor 30 Jahren war die Computertechnik eben noch auf einem ganz anderen Niveau als heutzutage.

„Das Rendern eines 3D-Modells dauerte Ewigkeiten“, sagte Wise. „Wir arbeiteten bis elf Uhr abends, gingen nach Hause und am nächsten Morgen war das Bild eventuell fertig gerendert.“ Außerdem benötigte das in einer alten Scheune untergebrachte Studio mehr Strom, als das kleine Dorf Twycross üblicherweise zur Verfügung stellen konnte. Rare war daher auf eine spezielle Stromversorgung angewiesen. Gunn wies zudem darauf hin, dass die Computer eine riesige Kühlungseinheit benötigten. „Wir alle konnten im Sommer leiden, aber solange der Computer nicht überhitzte, spielte das keine Rolle.“

Einblicke in die Entstehung der Grafik von „Donkey Kong Country“ aus „Donkey Kong Country Exposed“, einer Werbe-VHS mit jeder Menge 90er-Jahre-Charme, die Nintendo an alle „Nintendo Power“-Abonnentinnen und -Abonnenten versandte.

Ein Abstecher in den Zoo

Für Donkey Kongs Animationen versuchten sich die Designer zunächst an den Bewegungen realer Gorillas zu orientieren. Geeignetes Anschauungsmaterial hatten sie fast buchstäblich vor ihrer Haustür, denn wie es der Zufall will, gibt es im kleinen Dorf Twycross einen Zoo mit einer der größten Sammlungen an Affen auf der ganzen Welt. „Ja, wir sind zum Zoo gegangen und haben die Gorillas beobachtet“, bestätigte Mayles. „Aber wir bemerkten, dass ihre Bewegungen völlig ungeeignet für ein so rasantes Videospiel waren. Daher mussten alle Animationen von Hand gemacht werden.“

Trotz der modernen Technologie war dies kein einfaches Unterfangen. Insgesamt sind Donkey Kongs Animationsmuster etwa 15 verschiedene Versionen durchlaufen. Die finalen Animationen lehnen sich, wie Mayles verriet, grob an die Bewegungen eines Pferdes an. „Ich erinnere mich, dass ich über einige der anderen tierbasierten Versuche gelacht habe – darunter ein Kaninchen und ein Frosch.“ Da Donkey Kongs Design spät in der Entwicklung noch um die markante rote Krawatte ergänzt wurde, werden die Designer sämtliche Einzelbilder erneut angepasst und neu gerendert haben müssen.

Hintergrundarbeit

Auch die Levelhintergründe basieren auf vorberechneten Grafiken und erhielten so ein hochwertiges und realistisches Aussehen. Dazu griffen die Designer, wie Journalist Kent in einer oft zitierten Passage berichtete, auf Objekte aus dem beschaulichen Umfeld ihres Arbeitsplatzes zurück. „Wenn sie Texturen für Bäume benötigten, zupften sie Blätter von einem Baum. Wenn sie eine Textur für einen Karren benötigten, die nach rostigem Metall aussieht, scannten sie eine alte Schaufel ein.“

Ohne eine wohldurchdachte Vorgehensweise bei der Implementierung wäre es allerdings nicht möglich gewesen, die vorberechneten Hintergründe auch tatsächlich im Spiel zu verwenden. Eine einzige dieser Hintergrundgrafiken erforderte mehr Speicherplatz, als ein gesamtes SNES-Modul umfasste. Die Designer nutzten daher nur kleine Bestandteile der gesamten Grafik und wiederholten sie immer wieder. Das Geheimnis lag darin, die Einzelteile so zu arrangieren, dass die Wiederholungen nicht auffallen. So konnten auch die Hintergründe von „Donkey Kong Country“ deutlich komplexer und realistischer aussehen, als in damaligen Spielen üblich.

Einblicke in den Prozess des Leveldesigns. Die Verwendung von Post-its geht darauf zurück, dass das Rare-Team ein Gerücht gehört hatte, wonach Shigeru Miyamoto mit einer ganz ähnlichen Vorgehensweise Level gestalte.

Immersives Leveldesign

Der realistische Grafikstil zog ein realistisches Leveldesign nach sich. Während in den „Mario“-Spielen mit ihrer stilisierten Grafik in der Luft schwebende Blöcke an der Tagesordnung sind, war das „Donkey Kong Country“-Team darum bemüht, alle Plattformen sinnvoll und organisch in die Umgebung einzubinden. Die Entwickler achteten sogar darauf, dass die Abfolge der Level und ihrer Thematiken Sinn ergibt, sodass eine glaubwürdige, zusammenhängende Spielwelt entstand. All dies trug stark dazu bei, dass sich der Titel deutlich von der damaligen Videospielwelt abhob und eine bis dahin ungeahnte Immersion bot.

Das Leveldesign an sich erfolgte angesichts all der – für damalige Verhältnisse – High-End-Technologie, die in der Entwicklung von „Donkey Kong Country“ zum Einsatz kam, unspektakulär altmodisch. Das Team plante die Level ganz analog mithilfe von Post-it-Zetteln. Man überlegte sich einzelne interessante Aktionen für einen Level, die sich etwa um ein bestimmtes Spielelement drehen. Dann ordneten die Designer diese Einzelteile sinnvoll an und füllten die Lücken dazwischen mit weiteren Inhalten aus. Dank der Post-its konnten sie an der Positionierung der einzelnen Elemente immer weiter feilen. Der Leveldesign-Prozess muss insgesamt sehr sorgfältig und durchdacht erfolgt sein, denn anders als bei vielen anderen Jump’n’Runs sind im Spielcode von „Donkey Kong Country“ keine verworfene Level oder frühere Entwürfe enthalten.

Agile Bewegungen für einen schwerfälligen Gorilla

Neben dem Immersionsfaktor legte das Team beim Entwerfen der Spielabschnitte großen Wert darauf, dass geübte Spielerinnen und Spieler alle Level flüssig absolvieren können. Sämtliche Levelbestandteile sollten nahtlos ineinandergreifen und eine durchgängige, rasante Bewegung ermöglichen. „Wenn man alles richtig abpasst, kann man effizient und beeindruckend durch die Level gelangen“, sagte Mayles. Gewissermaßen wurde „Donkey Kong Country“ also Speedrun-tauglich konzipiert – auch wenn dieses heute beliebte Konzept in dieser Form damals noch nicht existierte.

Früh stand für das Entwicklerteam außerdem fest, dass Donkey Kong neben den genreüblichen Aktionen Rennen und Springen und der Interaktion mit Levelelementen eine neue, einzigartige Spezialattacke erhalten sollte. Viele verschiedene Möglichkeiten wurden ausprobiert, darunter eine Sliding- und eine Bockspring-Attacke. Die neue Fähigkeit sollte sich ideal in die angezielte flüssige Spielweise einfügen, sodass viele der Ideen nicht näher in Betracht gezogen wurden. Schlussendlich setzte sich die Vorwärtsrolle durch. Die Spielfigur kann sie aus dem Rennen heraus vollführen, erhält einen kleinen Geschwindigkeitsschub und kann zugleich Gegner aus dem Weg räumen. Die Rolle erwies sich für den Spielfluss daher als ideal.

Diese Dokumente aus der Entwicklung von „Donkey Kong Country“ listen die einzelnen erwogenen Manöver für die Spielfiguren auf. Das Team notierte unter anderem Probleme dieser Ideen und ob sie bereits in anderen Spielen verwendet wurden. Diese Bilder hat Gregg Mayles 2019 auf Twitter veröffentlicht.

Die neuartige Grafikmethode, das stark ausgebaute und uminterpretierte „Donkey Kong“-Universum, die Begleiterfigur, das immersive Leveldesign, die Rolle: Rare drückte der alten Nintendo-Marke seinen ganz eigenen Stempel auf und schuf so die Grundlagen für eine der erfolgreichsten 2D-Jump’n’Run-Serien. Auf Aspekte wie die Hintergrundgeschichte oder die Musik sind wir bislang noch nicht zu sprechen gekommen. Ihnen widmen wir uns zusammen mit weiteren Themen wie der Ankündigung und dem überaus erfolgreichen Start des Spiels im zweiten Teil unserer großen Reportage anlässlich des 30. Jubiläums von „Donkey Kong Country“.

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Bisher gibt es vier Kommentare

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  • Avatar von Tobias
    Tobias 27.04.2024, 13:50
    Herzlichen Dank für die Rückmeldungen!
    Inside Nintendo war nie weg, es liegen nur etwa zwei, drei Monate zwischen neuen Teilen. Die Ausnahme sind natürlich mehrteilige Reportagen wie in diesem Fall. Pläne für eine weitere physische Version gibt es derzeit nicht. Die bisherigen Bücher, der aktuellste mit den Ausgaben 151 bis 200, sind aber weiterhin erhältlich.
  • Avatar von Heldengeist
    Heldengeist 26.04.2024, 21:09
    Sehr schöner Artikel! Alleine der Begriff "Donkey Kong" triggert direkt mein Interesse.

    Gibt es eigentlich Pläne, Inside Nintendo mit den neuesten Updates wieder als physisches Medium anzubieten in Zukunft?
  • Avatar von Claw
    Claw 26.04.2024, 20:35
    Sehr schöner und interessanter Artikel! Und toll, dass Nintendo Inside wieder zurück ist
    Donkey Kong war für mich früher neben Mario DAS Jump‘n‘Run, auf dessen vergleichsweise häufige Nachfolger ich stets hingefiebert habe. Interessant zu lesen, was dabei historisch hinter der Reihe steckt, danke!
  • Avatar von Garo
    Garo 21.04.2024, 10:45
    Schöner Artikel! Sehr interessant, was damals so bei Rare abging. Ich hätte mir persönlich aber gern mehr Infos von Rares Anfängen gewünscht.