Inside Nintendo 140: Der Wii-Bericht – Teil 6: Veni, Vidi, Wiici – die Bilanz eines Welterfolgs

Keinem Spielefan wird entgangen sein, dass die Wii ein großer Erfolg war. Doch mit dieser einfachen Feststellung wollen wir uns nicht begnügen. Im sechsten Teil unserer Reportagereihe setzen wir uns genauer mit dem Welterfolg Wii auseinander: Wie entwickelten sich die Verkaufszahlen der Konsole, welche Spiele brachte sie hervor, welchen Einfluss übte sie aus? Um unsere Bilanz graphisch zu veranschaulichen, haben wir die wichtigsten Daten in Diagramme gekleidet. Bereit? Dann kann es ja losgehen!

Dank der Wii hielten Videospiele Einzug in Altenheime und Pflegeeinrichtungen. Selbst Queen Elizabeth konnte der Bewegungskonsole nicht widerstehen. Und natürlich machte die Wii-Euphorie auch vor den Simpsons nicht Halt.

Wie geschnitten Brot

Als erstes kam die Wii am 19. November 2006 in den Vereinigten Staaten auf den Markt, gefolgt von Japan am 2. Dezember, und in Europa erschien Nintendos Heimkonsole erst am 8. Dezember. An jenen Tagen bildeten sich vor den Elektronikfachgeschäften jeweils exorbitant lange Warteschlangen. Nintendo lieferte jedoch weniger Exemplare der Konsole aus als angekündigt; für Amerika etwa hatte der Konzern eine Million Konsolen versprochen, doch verkauft wurden dort im November letztlich „nur“ über 600.000. Nichtsdestotrotz verdiente Nintendo allein innerhalb der ersten acht Tage der Wii in Amerika zusammen mit Spiele- und Zubehörverkäufen 190 Millionen US-Dollar – es war Nintendos bis dahin erfolgreichster Konsolenstart in Amerika.

Auch auf der globalen Ebene hatten die Japaner nichts zu beklagen: Ende 2006 war die Wii die einzige Konsole, die sich in allen drei großen Märkten gut schlug – die Xbox 360 war in Japan bekanntlich sehr unbeliebt und die PS3 war damals in Europa noch nicht erhältlich. Tatsächlich war die Nachfrage nach der Wii so hoch, dass Nintendo mit der Herstellung neuer Konsolen kaum hinterherkam. Bis März 2007 sollten sechs Millionen Konsolen verfügbar sein, doch das reichte noch lange nicht aus. Das ganze Jahr 2007 über konnte man nur mit Glück eine Wii-Konsole ergattern.

Erfolgsmeldungen wie am Fließband

Im September 2007 verbreitete sich die Meldung, dass die Wii die Verkäufe der Xbox 360 übertroffen hat, obwohl diese mit einem Jahr Vorsprung auf den Markt gekommen war. Die Wii, deren Erfolgschancen selbsternannte wie professionelle Analysten vor allem wegen der fehlenden HD-Bildausgabe als gering eingestuft hatten, übertraf die Konkurrenz. Das bedeutete, dass Nintendo zum ersten Mal seit der SNES-Ära wieder zum Marktführer der Heimkonsolenbranche aufstieg. Nintendos Strategie – nicht auf schnellere Rechenleistung, sondern auf neue Konzepte setzen, um mit Videospielen wieder mehr Menschen anzusprechen – ging voll auf.

Die Erfolgsmeldungen und Rekordverkäufe rissen noch lange nicht ab. Von März 2008 bis März 2009 verkaufte Nintendo sagenhafte 26 Millionen Exemplare der Wii – es war das erfolgreichste Jahr der Motion-Control-Konsole. Im März 2009 schließlich fand die fünfzigmillionste Wii ihren Besitzer. Diesen Meilenstein hatte Nintendo in bloß zwei Jahren und fünf Monaten erreichen können, so schnell, wie es bis dahin keiner anderen Heimkonsole gelungen war. Die Wii versprach damals also noch erfolgreicher zu werden als die PlayStation 2.

Die Jahresverkaufszahlen der Wii-Hardware in Mio. Deutlich ist zu sehen, wie die Verkäufe nach 2008 auffallend konstant nachließen. Auch zeigt die Grafik, dass sich die Wii-Begeisterung in Japan verhältnismäßig eher in Grenzen hielt.

Den Zenit überschritten?

In der Rückschau betrachtet, stellt das Jahr 2008 den Höhepunkt der Wii-Erfolgsgeschichte dar, denn von da an ließen die Verkäufe konstant nach. Das Geschäft mit der Bewegungskonsole zeigte 2009 erste Zeichen des Rückgangs. In diese Richtung deutete auch der Misserfolg von „Wii Music“, in das Nintendo als neuem Teil der überaus erfolgreichen „Wii“-Reihe große Hoffnungen gesetzt hatte. Sollte der Wii-Trend also schon vorbei gewesen sein? Doch Nintendo hatte schon neue Waffen in Petto, etwa die Wii-MotionPlus-Erweiterung, die im Sommer 2009 auf den Markt kam und eine realistischere Bewegungssteuerung ermöglicht (Näheres in Teil 5).

In erster Linie führte Nintendo die nachlassenden Verkaufszahlen auf schwache Spieleveröffentlichungen im Zeitraum Ende 2008 und Anfang 2009 zurück. Im restlichen Jahr 2009 sollten dafür große Titel folgen, um viele weitere Spieler und Nichtspieler vom Kauf einer Wii zu überzeugen. Im Rahmen dieser Bestrebungen erschienen „Wii Sports Resort“, „New Super Mario Bros. Wii“ und „Wii Fit Plus“ – bezeichnenderweise alles Fortsetzungen zu beliebten Spielen, deren Erfolg so gut wie garantiert war. Außerdem reduzierte Nintendo den Preis der Wii im September 2009 weltweit um 50 Euro auf 200 Euro, nachdem Sony und Microsoft für ihre Konsolen Preissenkungen vorgenommen hatten.

Das NES überboten: Nintendos meistverkaufte Konsole

Die Spieleoffensive und die Preissenkung zeigten Wirkung. Die Wii lief zum Weihnachtsgeschäft noch einmal zu Höchstform auf und verkaufte sich allein in Amerika im Dezember 2009 3,81 Millionen Mal – so oft wie keine andere Konsole zuvor innerhalb eines Monats. Ungefähr zu dieser Zeit überschritt die Wii auch die Marke von 62 Millionen Verkäufen weltweit. Das ist zwar kein klassischer Meilenstein, doch damit waren die Verkaufszahlen des NES überboten. Die Wii avancierte also offiziell zu Nintendos meistverkaufter Heimkonsole.

Die Wii brach also weiterhin wichtige Verkaufsrekorde, es steckte noch viel Leben in der Konsole. Von März 2009 bis März 2010 wanderten weltweit weitere 20,5 Millionen Einheiten über die Ladentheken. Bei Nintendos Handheldsparte sah es ebenfalls blendend aus, denn im Dezember 2009 stieß der Nintendo DS den Game Boy vom Thron und gilt seither als erfolgreichster Handheld aller Zeiten. Im Vergleich zu den Vorjahren sackten die Jahresverkäufe aber sowohl bei DS und Wii ab. Eine Spielekonsole lässt nun einmal irgendwann nach, und so waren die Wii-Verkäufe weiter rückläufig – wenn auch immer noch auf einem hohen Level.

Mitte 2013 – zu dieser Zeit verkaufte sich die Wii noch etwa drei Mal so häufig wie die Wii U – wurde die einhundertmillionste Wii-Konsole verkauft. Fast sieben Jahre hatte die Konsole für diesen Meilenstein gebraucht. In den fünf Jahren seitdem sind bloß 1,62 Millionen Verkäufe hinzugekommen.

Ein Abschied fällt nicht immer leicht

2011 schließlich war das erste Jahr, in dem die Wii hinter PS3 und Xbox 360 zurückblieb. Im Mai senkte Nintendo den Preis auf 150 Euro und auf der E3 2011 stellte der Konzern mit der Wii U das Nachfolgesystem vor. Der Marktzyklus der Wii neigte sich damit langsam dem Ende zu. Dennoch: Im Finanzjahr bis März 2012 konnten noch knapp zehn Millionen Wiis abgesetzt werden – das ist nicht weit von den Gesamtverkaufszahlen der Wii U entfernt! Mit der Wii Family Edition und der Wii mini erschienen zum Lebensabend der Konsole noch zwei Hardware-Revisionen – mehr dazu in der vorherigen Reportage –, doch da anders als bei Handhelds in der Regel eine Heimkonsole für die ganze Familie genügt, konnten diese Revisionen kaum nennenswerte Verkaufszahlen einfahren.

Wie bei vielen Konsolen folgte in den nächsten Jahren ein langsamer und zäher Abschied. Anders als die PlayStation 2 konnte die Wii nach der Veröffentlichung des Nachfolgers kein gewisses konstantes Level an Verkäufen halten. Daher wurde die Produktion der Konsole ab Oktober 2013 eingestellt. Die Online-Funktionen waren nur noch ein halbes Jahr lang verfügbar, denn am 20. März 2014 zog Nintendo der WiFi-Connection den Stecker. Die letzten neuen Wii-Konsolen fanden 2016 ihre Käufer. Und bald schließt auch der Wii-Shop-Kanal die Pforten: Wie im September 2017 angekündigt, wird es am 31. Januar 2019 so weit sein; bereits seit März 2018 lässt sich das Guthaben nicht mehr aufladen.

Zehn Jahre Wii – die Bilanz

In ihrem gesamten Lebenszyklus, der sich wohlwollend mit den Jahren 2006 bis 2016 beziffern lässt, wurde die Wii weltweit 101,63 Millionen Mal verkauft. Knapp hinter der ersten PlayStation kann die Konsole somit den fünften Platz auf der Liste der meistverkauften Spielekonsolen für sich beanspruchen. Von den anderen Nintendo-Heimkonsolen vermag ihr keine auch nur annähernd das Wasser zu reichen – und die Verkaufszahlen ihres Vorgängers, des GameCube, übertraf die Wii gleich um das Fünffache.

Zweifelsohne war die Wii also eine überaus erfolgreiche Hardware für Nintendo. Doch der Erfolg war doch zeitlich recht kurzlebig: Nach dem Rekordjahr 2008 nahmen die Jahresverkaufszahlen konstant ab, im Grunde stellt unser Diagramm oben einen sehr schnellen Aufstieg zu Beginn und direkt danach eine ungebremste Talfahrt dar. Ganz anders sah es beim DS aus, dessen Jahresverkaufszahlen graphisch annähernd parabelförmig verliefen! Auch war die Wii nicht überall auf der Welt gleich beliebt. In ihrem Heimatland fand Nintendos Bewegungskonsole deutlich weniger Anklang als im Westen, denn etwa 90 Prozent der verkauften Einheiten gingen in Europa und Nordamerika über die Ladentheken.

Diese Grafik zeigt, wie viele Millionen Wii-Spiele pro Finanzjahr weltweit über die Ladentheken gingen. Wie auch bei den Hardwareabsätzen liegt Amerika knapp vor Europa, weit abgeschlagen waren die Verkaufszahlen auf dem japanischen Markt.

13.793 Kilometer Wii-Spiele

Würde man alle je verkauften Spiele für die Wii stapeln, so hätte man einen Turm, der höher als der Durchmesser unseres Planeten wäre. Denn auf der ganzen Welt sind 919,54 Millionen Wii-Spiele über die Ladentheken gegangen. Knapp hinter dem DS ist die Wii damit die Nintendo-Konsole mit den zweitmeisten Software-Verkäufen. Im Durchschnitt kamen neun Spiele auf jede Wii, ein sehr gutes Verhältnis. Ihren Höhepunkt erreichten die jährlichen Spieleverkaufszahlen im Finanzjahr bis März 2009, in dem über 200 Millionen Wii-Spiele einen Käufer fanden.

Während die Hardwareverkäufe danach regelrecht abzustürzen begannen, konnten die Softwareverkäufe in den beiden folgenden Jahren ein sehr hohes Level halten. Noch im Finanzjahr bis März 2013 wurden weltweit über 50 Millionen Wii-Spiele erworben! Als Spieleplattform ist die Wii also ziemlich lang aktuell geblieben. Kein Wunder, dass insgesamt über 1500 Spiele für die Konsole auf den Markt gekommen sind – allein 300 davon zwischen März 2009 bis März 2010, dem Finanzjahr mit den meisten Wii-Spieleveröffentlichungen. Mit „Let's Sing 2018“ und „Just Dance 2018“ sind sogar noch 2017 zwei neue Wii-Spiele erschienen.

Die große Next-Gen-Schlacht

Jetzt können wir den Erfolg der Wii also bereits differenzierter bilanzieren: Die Hardwareverkäufe stellen mehr einen Hype als einen langfristigen und nachhaltigen Erfolg dar und in Japan blieben die Hardwareabsätze weit hinter denen in den westlichen Märkten zurück. Das Resultat war zwar ein Verkaufsschlager jenseits der 100-Millionen-Marke, doch dieser Erfolg war zeitlich und räumlich eher begrenzt. Langfristiger war die Konsole als Spieleplattform profitabel, denn Wii-Software verkaufte sich selbst dann noch blendend, als die Wii-Hardware bereits obsolet war.

Dass der Erfolg der Wii als Hardware eher punktuell und nicht sehr nachhaltig war, zeigt auch ein Blick auf die Konkurrenzkonsolen. Nintendos Konsole lag zu Beginn des Rennens zwar tatsächlich deutlich vor PS3 und Xbox 360, womit kaum jemand gerechnet hatte, weil sich die Wii doch gegen viele Trends der sogenannten „Next Gen“-Konsolen richtete. Später aber, als der Wii die Puste ausging, konnten Sony und Microsoft punkten. Insgesamt mag die Wii den Sieg im Kampf um die sechste Konsolengeneration davongetragen haben, doch der Abstand zu PS3 und Xbox 360 ist niedriger, als es in den ersten Jahren des Rennens den Anschein hatte.

Die Wii hat den Abwärtstrend in den Verkaufszahlen von Nintendos Heimkonsolen aufgehalten und gewann trotz ihrer Außenseiterposition den erbitterten Kampf um die Marktführung in der sechsten Konsolengeneration – allerdings kam schließlich auch die Konkurrenz auf sehr hohe Zahlen.

Ein Leben in der Casual-Blase

Nintendo konnte sich also im Rennen gegen die sogenannten „Next Gen“-Konsolen durchsetzen, doch um einen hohen Preis: Nintendo begann sich immer mehr zu isolieren. Dies zeigte sich besonders in der Dritthersteller-Situation – neben der leidigen Technik-Diskussion das wohl größte Problem, das die Wii in ihrem Lebenszyklus begleitete. Trotz der riesigen Erfolge der Konsole fanden nur wenige große und namhafte Multiplatform-Spiele à la „Call of Duty: Modern Warfare 3” ihren Weg auf die Wii. Exklusive Ableger bekannter Third-Party-Reihen wie „Monster Hunter Tri“ sucht man sogar fast vergeblich. Die Beziehungen zu den Drittherstellern waren noch nie Nintendos Steckenpferd gewesen, doch nun war vorerst ein Tiefpunkt erreicht.

Das wurde oft mit der schwächeren Technik im Vergleich zur PS3 und Xbox 360 begründet – und mit der anderen Zielgruppe. Denn da sich Gelegenheitsspiele angefangen bei Nintendos „Wii“-Reihe wie geschnitten Brot verkauften, kam es zu einer wahren Flut an qualitativ teilweise sehr fragwürdiger Lizenz- und Kindersoftware, die sich guten Gewissens unter der „Casual“-Bezeichnung subsumieren lässt. Namen wie „Hannah Montana: Spotlight World Tour“ oder „Action Girlz Racing“ vermögen einen Eindruck davon zu vermitteln. Daher wurde die Wii vorherrschend als Konsole für Kinder und Gelegenheitsspieler wahrgenommen – so wie auch der DS –, und viele Intensivspieler fühlten sich nicht mehr von Nintendo angesprochen.

Eine Konsole im Spiegel ihrer Spiele

Ein genauerer Blick auf das Spieleportfolio der Bewegungskonsole straft solche Pauschalurteile Lügen. Freilich, die erfolgreichsten Wii-Spiele richteten sich eher an Gelegenheitsspieler – und gehören zu den erfolgreichsten Spielen der Branche. Der Spitzenreiter „Wii Sports“ ist mit sensationellen 82,83 Millionen Verkäufen das meistverkaufte Spiel, das nur auf einer Plattform erhältlich war, allerdings wurde der Launchtitel überwiegend im Bundle zusammen mit der Wii erworben. Aber auch „Mario Kart Wii“, „Wii Sports Resort“, „New Super Mario Bros. Wii“, „Wii Play“ und die beiden „Wii Fit“-Teile gelangten auf sagenhafte Verkaufszahlen jenseits der 20-Millionen-Marke. So viele Megaerfolge in dieser Größenordnung gab es auf dem DS nicht.

Der Zuwendung zur Zielgruppe der Gelegenheitsspieler fielen anspruchsvollere Titel aber eben nicht völlig zum Opfer, und auch von diesen verkauften sich viele prächtig. Man denke nur an „The Legend of Zelda: Twilight Princess“, die zwei „Super Mario Galaxy“-Spiele, „Metroid Prime 3: Corruption“, „Super Smash Bros. Brawl“, „Animal Crossing: Let's Go to the City“, „Donkey Kong Country Returns“ oder „Xenoblade Chronicles“. Das Ende 2011 veröffentlichte „The Legend of Zelda: Skyward Sword“ gilt als Schwanengesang der Wii und vereint gekonnt wie kaum ein anderes Wii-Spiel die Bewegungssteuerung mit den klassischen Mechaniken eines Intensivspiels.

Und dann war da ja noch der Wii-Shop-Kanal, der besonders Retro- und Indie-Freunde ansprach. In der Virtual Console erschienen zahlreiche Klassiker von Konsolen wie NES, SNES, N64 und sogar Sega Mega Drive oder PC Engine von NEC. Nach einigen Jahren waren fast 400 Retro-Spiele erhältlich. Das Öffnen der Retro-Archive war für Nintendo ein voller Erfolg, denn allein bis Ende 2007 sind 7,8 Millionen Virtual-Console-Spiele verkauft worden und haben dem Konzern etwa 3,5 Milliarden Yen in die Kassen gespült. Daneben wurden im Wii-Shop-Kanal unter dem Label „WiiWare“ auch Neuentwicklungen wie „World of Goo“, „Cave Story“, „Pokémon Rumble“, „Art of Balance“, „FAST Racing League“ oder „Final Fantasy Crystal Chronicles“ angeboten, die teils von kleinen unabhängigen Entwicklern stammten.

In diesem Diagramm sehen wir, wie viele Wii-Spiele pro Jahr insgesamt und von Nintendo auf den Markt gekommen sind.

Nintendos zweite goldene Ära

Zum Abschluss unserer Reportage werfen wir einen Blick auf den langfristigen Einfluss der Wii. Zunächst einmal hat Nintendos Konsole Bewegungssteuerung in Videospielen salonfähig gemacht und die Branche dadurch – so viel wird man gewiss festhalten können – nachhaltig bereichert. Zusammen mit dem DS konnte die Wii die Zielgruppe der Gelegenheitsspieler etablieren und dadurch dem Videospielmarkt zu einem neuen Aufschwung verhelfen – genau so, wie der Konzern es mit seinen ersten Überlegungen für den GameCube-Nachfolger angestrebt hatte. Ohne Zweifel sähe der heutige Markt mit Mobilespielen anders aus, hätte es die Wii – und natürlich den DS – nie gegeben!

Nintendo profitierte zwar kaum direkt von diesen langfristigen Folgen, doch für einige Jahre verhalf die Wii dem Konzern zu neuer Blüte. 2007 und 2008 gingen als die erfolgreichsten Jahre in die Annalen des seit 1889 bestehenden Unternehmens ein. Nach einem langen Abwärtstrend konnten die Japaner nämlich erstmals wieder mit großem Abstand die Marktführung auf dem Sektor der Heimkonsolen für sich beanspruchen. Die Kombination aus Wii und DS sorgte für eine zweite goldene Ära in der Geschichte Nintendos, die die glorreiche NES-Zeit sogar noch überbieten konnte.

Negative und positive Auswirkungen für Nintendo

Doch wie wenig nachhaltig diese Leistung war, zeigt uns die Geschichte der Wii U, bei der sich Nintendo zu sehr auf die vermeintliche Stärke der Wii-Marke verlassen hat. Von den einst intern angepeilten 100 Millionen Verkäufen ist die unlängst eingestellte Konsole bekanntlich meilenweit entfernt. Die Gelegenheitsspieler waren inzwischen einfach zu einem großen Teil zu anderen Plattformen weitergewandert. Außerdem forderte der ursprünglich durchaus sinnvolle Verzicht auf HD-Grafik bei der Wii seinen Tribut in Form verlängerter Entwicklungszeiten für die Wii U, sodass Nintendo diese nicht schnell genug mit neuen Spielen unterstützen konnte.

Nichtsdestotrotz war die Wii für Nintendo ein bedeutender Meilenstein, denn sie stellt letztlich den Übergang zwischen klassischen und modernen Nintendo-Konsolen dar. Erstmals hat der Konzern ein vordergründiges Betriebssystem entwickelt, das über wichtige vorinstallierte Software wie Fotoapplikation und Internetbrowser verfügt. Diese sowie der Aufbau des Hauptmenüs wurden insbesondere von DSi und 3DS übernommen. So kommt es, dass einerseits der DS in gewisser Weise auf die Entstehung der Wii eingewirkt hat, andererseits dann spätere Versionen des DS von der Wii beeinflusst wurden. Auch das jederzeit erreichbare Home-Menü ist in dieser Hinsicht eine wichtige Neuerung.

So richtig wird einem das Ausmaß des Erfolgs erst bewusst, wenn man Nintendos Finanzdaten von 1981 an betrachtet. Angesichts von Nettoeinnahmen in Höhe von 1,8 Billionen (!) Yen im Finanzjahr 2009 schossen natürlich auch Nintendos Aktien mächtig in die Höhe. Big N überstand dadurch die Finanzkrise ohne große Auswirkungen; als einziger japanischer Großkonzern konnte Nintendo sogar ein Geschäftswachstum während der Finanzkrise verbuchen. – Diese Grafik stammt aus einem NeoGAF-Thread, in dem ihr weitere spannende Statistiken findet.

Nintendo betritt Neuland

Darüber hinaus war die Wii insbesondere im Onlinebereich prägend für Nintendo, denn von Haus aus verfügbare Funktionen wie ständigen Internetzugriff, rudimentäre Kommunikation mit anderen Spielern oder einen Onlinemarktplatz hat es vorher bei Nintendo nicht gegeben und sind aus späteren Konsolen der Japaner nicht mehr wegzudenken. Zwar wird dem Konzern bis heute gern eine gewisse Rückständigkeit in Sachen Internet nachgesagt, doch andererseits wird es wohl kaum etwa den Nintendo eShop in dieser Form gegeben haben, wenn Nintendo nicht mit dem Wii-Shop-Kanal erste Erfahrungen mit einem solchen Online-Service hätte sammeln können.

Auch das Hardwaredesign der aktuellen Erfolgsgeschichte Nintendo Switch hat vielfältig von der Wii profitiert. Die Form der Controller, die unterstützte Bewegungssteuerung und die für das Hybridkonzept so wichtige strom-, lärm- und platzeffiziente Architektur geht auf die Erfahrungen der Hardwareingenieure mit der Wii zurück. In dieser Hinsicht hat die Wii also beträchtlichen Anteil am Erfolg von 3DS und Switch und konnte dem Konzern so auch langfristig von großem Nutzen sein.

Fazit

Auch wenn Nintendo die Wii durch die drei Projektsäulen Hardwaredesign, innovativer Controller und ansprechende integrierte Software einer möglichst großen Zielgruppe schmackhaft machen wollte, hat im Vorfeld kaum einer mit einem riesigen Erfolg gerechnet – auch Nintendo nicht. Doch wie wir im heutigen sechsten Teil gesehen haben, war der Erfolg der Wii doch eher punktuell, er galt nicht für den japanischen Markt und erwies sich langfristig nicht gerade als nachhaltig. Da vermochte auch Wii MotionPlus nicht viel auszurichten.

Demgegenüber war der DS nicht zuletzt dank seiner Erweiterungen ein langfristigerer Erfolg. Wii und DS schlugen sich also durchaus unterschiedlich auf dem Markt, was häufig übersehen wird. Aber obwohl die Geschichte der Wii nicht ganz reibungslos ablief, handelt es sich mit großem Abstand um Nintendos erfolgreichste Heimkonsole. Und die Kombination aus Handheld und Heimkonsole, die ungefähr zur gleichen Zeit vor allem bei derselben Zielgruppe beispiellosen Anklang fanden, hat Nintendo und die ganze Videospielbranche für immer verändert.

Die Geschichte der Wii mag damit an ein Ende angelangt sein, der Wii-Bericht aber ist noch nicht abgeschlossen. Demnächst werden wir uns mit wichtigen und interessanten Einzelthemen beschäftigen, die innerhalb des bisherigen Berichts nicht angemessen behandelt werden konnten.

Hauptquellen für den sechsten Teil des Wii-Berichts: Osamu Inoue: Nintendo Magic, New York 2010, S. 5–8, 55, 206–211; Leonard Herman: Phoenix IV: The History of the Videogame Industry, 2017. Zitierte und den Diagrammen zugrunde liegende Daten stammen aus Nintendos Investors-Relations-Datenbank. Zusätzliche Quellen sind im Text verlinkt.

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Bisher gibt es fünf Kommentare

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  • Avatar von Shodan
    Shodan 28.05.2018, 15:53
    Kann man nur immer wieder sagen: Neben dem Ramsch gabs echt super Spiele und auch um die Innovationen wie Sports oder Fit bin ich alles andere als böse.
    Warum war die Wii denn in Japan so wenig erfolgreich? Kam mir nie so vor!
  • Avatar von mithos630
    mithos630 27.05.2018, 16:30
    Super Bericht. Ich habe meine Wii immer ordentlich gefüttert und habe von 2006 bis 2015 46 Games mir geholt. Und da hatte die Wii viele Perlen: Zelda TP, Mario Galaxy 1 u 2, Okami, Fragile Dreams, Xenoblade, The Last Story, Smash Bros Brawl, No More Heroes 1 u 2, Monster Hunter, Tatsunoko vs Capcom und und und.
  • Avatar von Unnütz
    Unnütz 27.05.2018, 11:35
    Ich finde die Wii Ära recht interessant. Hatte zwar erst sehr spät eine Wii (2010) und hab kaum Spiele für die Konsole. Liegt daran dass ich nie der große Heimkonsolenfreund war und Handhelds und PCs mir einfach lieber sind. Finde es aber sehr interessant wie viele gute aber größtenteils unbekannte Nischentitel fernab von den Casual- und Nintendo-Spielen es für die Konsole gab. (Zack & Wiki, Deadly Creatures, Red Steel 2, MadWorld usw.)
  • Avatar von KaiserGaius
    KaiserGaius 27.05.2018, 09:57
    Der Erfolg war sicherlich auch mit Schuld daran, dass ich die Wii Generation auf der Xbox360 verbracht habe. Gab zwar ein paar gute Spiele auf der Wii aber ansonsten war die Konsole für mich ein totaler Flop, da halfen auch die Verkaufszahlen nichts.
  • Avatar von virus34
    virus34 27.05.2018, 08:32
    Vielen Dank wieder mal für den tollen Bericht!