Inside Nintendo 97: Hinter den Kulissen des GameCube, Teil 2: Vom Delfin zum Spielwürfel

Zwischen der ersten Ankündigung unter dem Projektnamen „Dolphin“ und der Markteinführung des finalen GameCube lagen über zwei Jahre, und währenddessen ist viel passiert. Damit und mit Aspekten wie der Technik der Konsole sowie Nintendos damaliger Third-Party-Politik setzen wir uns in diesem zweiten Teil unserer GameCube-Reportage auseinander.

Farbenfroh: Der GameCube-Controller (Bildquelle)

Neues aus der Gerüchteküche

Anfang 1999 kamen die ersten konkreten Gerüchte zu Nintendos N64-Nachfolger auf. Neben grundlegenden technischen Informationen drang durch, dass das Gerät nicht mehr auf Cartridges setzen solle. Ein ganz zentrales Thema der Gerüchteküche war natürlich, wie leistungsfähig die neue Konsole im Vergleich zu Sonys kommender PlayStation 2 sein werde.

Die Spielepresse bezeichnete den N64-Nachfolger als „N2000“. Angeblich war dies Nintendos interner Codename, ein Hinweis auf die geplante Veröffentlichung Ende 2000. Nintendo selbst hat den Namen „N2000“ aber nie öffentlich verwendet.

Dolphin wird angekündigt – aber nicht gezeigt

Am 13. Mai 1999 schließlich kündigte Howard Lincoln von Nintendo of America (NoA) im Rahmen von Nintendos E3-Pressekonferenz die neue Konsole offiziell an. Der vorläufige Name des Geräts laute „Dolphin“, verkündete Lincoln. Die Inspiration für diesen Namen ist zwar nicht bekannt, doch für die neue Konsole beschäftigte sich Nintendo besonders mit realistischer Wasserdarstellung – davon zeugen spätere GameCube-Spiele wie „Wave Race: Blue Storm“ und „Super Mario Sunshine“.

Wie dem auch sei – Lincoln gab außerdem nähere Details zu GPU und CPU der Konsole und den dahinterstehenden Partnerschaften mit ArtX und IBM bekannt. Beide Komponenten seien die stärksten ihrer Art, die bis dahin in einer Spielekonsole verbaut wurden, versprach er. „Wir sind absolut zuversichtlich, dass die Grafikleistung von Dolphin allem, was unsere Freunde bei Sony mit der PlayStation 2 hervorbringen, mindestens ebenbürtig sein wird.“

Dolphin werde Ende 2000 weltweit erscheinen, kündigte der damalige NoA-Vorstand an. Als er bestätigte, dass Dolphin keine Cartridges mehr als Speichermedien nutzen werde, brandete Applaus durch die Menge. Doch welche Medien stattdessen zum Einsatz kämen, blieb auf der E3 1999 unklar – ebenso wurden weder die Konsole selbst noch ihr Controller oder erste Spiele gezeigt.

In dieser Präsentation am 24. August 2000 enthüllt Chefentwickler Genyo Takeda den GameCube. Dieses seltene Video bietet sogar eine – wenn auch qualitativ sehr schlechte – englische Tonspur zu Takedas japanischem Vortrag.

Dolphin wird verschoben und bleibt der E3 fern

Für Nintendo war es wichtig, Dolphin in etwa gleichzeitig zur PlayStation 2 herauszubringen – doch diese Mission scheiterte. Denn während Sony den Dolphin-Konkurrenten bereits im März 2000 in Japan veröffentlichte, musste Nintendo zu dieser Zeit eine Verschiebung vermelden: In Nordamerika werde Dolphin nicht wie geplant Ende 2000, sondern erst 2001 erscheinen. In Japan wolle man das System noch 2000 herausbringen, sei sich aber höchst unsicher, ob dies wirklich gelinge. „So ist es immer bei Nintendo: Die Hardware ist bereits fertig, aber die Software nicht“, erklärte Hiroshi Imanishi, die weitestgehend unbekannte rechte Hand von Konzern-Chef Hiroshi Yamauchi, auf der Pressekonferenz.

Spätestens als auf der E3 2000 keine Spur von Dolphin zu sehen war, wurde deutlich, dass das Gerät nicht mehr im selben Jahr auf den Markt kommen könne. Auch den Game Boy Advance, der ebenfalls von Ende 2000 auf 2001 verschoben worden war, hatte Nintendo nicht mit auf die Spielemesse genommen. Stattdessen beschränkte sich der Mario-Konzern auf wenige neue Spiele für das kurz vor seinem Ende stehende N64.

Die Situation auf der E3 2000 erinnert ein wenig daran, wie Nintendo 16 Jahre später die Enthüllung seiner NX-Konsole handhaben würde. Vergleichbar zur Situation Mitte 2016 waren auch damals kaum Informationen zur kommenden Konsole bekannt und die Spannung der Fans stieg ins Unermessliche.

Space World 2000: GameCube – aber ohne Spiele

Im August 2000 veranstaltete der japanische Spielehersteller seine hauseigene Messe Nintendo Space World, und zum Messeauftakt am 24. August enthüllte Chefentwickler Genyo Takeda die neue Konsole der Öffentlichkeit. Takeda beschrieb den GameCube als ultimative Spielkonsole und erzählte von der Zielsetzung seines Hardwareteams, die neue Konsole besonders für Entwickler zugänglich zu machen.

Vieles blieb aber noch unklar. Denn auf der Space World 2000 stellte Nintendo kein einziges GameCube-Spiel vor. Der eigenwillige Konzern beschränkte sich auf Technik-Demos, die die Grafikleistung der Konsole demonstrieren sollten. Neben mittlerweile berüchtigten Demos wie „The Legend of Zelda 128“ und „Super Mario 128“ wurden auch solche gezeigt, die später zu tatsächlichen GameCube-Spielen wurden, etwa „Luigi's Mansion“ und „Wave Race“.

Das angebliche Logo zum Namen „StarCube“ (links). Egal ob dieser Name wirklich im Gespräch war oder nicht, schlussendlich setzte sich „GameCube“ mit dem dazugehörigen Logo durch (rechts).

Sternwürfel statt Spielwürfel?!

Neben dem Aussehen der Konsole hatte Nintendo auf der Space World 2000 auch deren finalen Namen bekanntgemacht. Dass die Konsole die Form eines Würfels habe, davon war schon in den Gerüchten im Vorfeld der Nintendo-Messe die Rede gewesen. Der Name „GameCube“ war in jenen Gerüchten allerdings nicht aufgetaucht – stattdessen behauptete noch die Gerüchteküche, das Gerät werde „StarCube“ heißen. Angefacht worden waren die Spekulationen dadurch, dass Nintendo den Namen „StarCube“ damals tatsächlich hatte patentieren lassen. Es heißt, Hiroshi Yamauchi selbst sei ein Verfechter dieses Namens gewesen, und weil dieser sich nicht durchgesetzt habe, sei der charismatische Konzern-Chef der Space World 2000 fern geblieben.

Wie viel Wahrheit hinter diesen Gerüchten steckt, ist unklar. Fakt ist jedenfalls, dass es für Nintendo keine einfache Sache war, sich auf den endgültigen Namen des N64-Nachfolgers festzulegen. Shigeru Miyamoto etwa sagte im Oktober 1999, er sei der Meinung, der damalige Arbeitstitel „Dolphin“ sei als finaler Name für die Konsole durchaus geeignet – andere Leute im Unternehmen aber würden seine Meinung nicht teilen.

Die Nintendo-Zentrale in Japan einigte sich schließlich zusammen mit Nintendo of America in Puncto Name und Logo. Dabei standen viele Alternativen zu „GameCube“ zur Auswahl – gut möglich, dass auch „StarCube“ dazu zählte. Dem finalen Namen gelingt es jedenfalls, die markante Form der Konsole mit ihrem Fokus auf Spieleunterhaltung zu kombinieren.

Ganz ohne Mario: Die ersten GameCube-Spiele

Auf der E3 2001, die Mitte Mai stattfand, hatte Nintendo endlich die ersten GameCube-Spiele im Gepäck, darunter „Luigi's Mansion“, „Super Smash Bros. Melee“, „Wave Race: Blue Storm“, „Eternal Darkness“ und die neue Marke „Pikmin“. Nintendo-Maskottchen Mario war auffallend abwesend – zwar wurde ein kurzer Clip zum GameCube-Ableger der „Mario Kart“-Reihe gezeigt, doch von einem neuen Klempner-Hüpfabenteuer war nichts zu sehen.

Messebesucher durften erstmals selbst Hand an die finale Version des Controllers legen und die Konsole ausprobieren. Der GameCube werde, wie Nintendo ankündigte, in Amerika am 5. November 2001 für knapp 200 US-Dollar erscheinen. Auch ohne „Super Mario“-Spiel feierte der GameCube auf der E3 2001 eine erfolgreiche Premiere – zum Glück, denn Nintendo-Chef Hiroshi Yamauchi spielte im Vorfeld in Interviews mit dem Gedanken, den GameCube einfach auf Eis zu legen, sollte die Resonanz auf der US-Messe negativ ausfallen.

Mehr Technik-Demo als Trailer: Mit diesem bloß sieben Sekunden langen Video, das zudem fast nichts mit dem finalen Spiel zu tun hat, wurde „Mario Kart: Double Dash!!“ auf der E3 2001 angekündigt – erst zweieinhalb Jahre später kam der Funracer auf den Markt.

Delfin, Flipper – Gekko

Inzwischen waren auch die finalen technischen Daten des GameCube bekannt. Der von der ATI-Tochter ArtX entwickelte Grafik-Prozessor, passend zum Arbeitstitel der Konsole auf den Namen „Flipper“ getauft, läuft mit 162 MHz und ermöglicht eine Vielzahl an grafischen Rechenoperationen. Die „Gekko“-CPU von IBM war zunächst auf 405 MHz getaktet gewesen, doch Anfang 2001 wurde der Wert auf 485 MHz erhöht. Schon im Oktober 1999 hatte Nintendo Halbleiter im Wert von etwa 300 Milliarden Yen für den GameCube beordert; um diese zu produzieren, baute NEC in Südjapan eigens eine neue Fabrik zur Herstellung.

Mit 43 Megabyte Arbeitsspeicher steht dem GameCube mehr als das Zehnfache dessen zur Verfügung, was der RAM des N64 umfasst. Das ist insofern besonders wichtig, als dass Nintendo mithilfe des Arbeitsspeichers die naturgemäß längeren Ladezeiten der Disc-Medien überbrücken konnte. Zu N64-Zeiten war eine RAM-Erweiterung aufgrund der höheren Kosten noch keine realistische Option gewesen; jetzt aber war die Technik aus Nintendos Sicht bereit dafür. Dies trug sicher zu der Entscheidung des Konsolenkonzerns bei, sich endgültig von Modulen zu verabschieden.

Launch mit Mario fällt ins Wasser

Wenige Wochen vor dem japanischen Launch stellte Nintendo den GameCube im August 2001 noch einmal auf der Nintendo Space World vor und gab die genauen Pläne für die Veröffentlichung bekannt. Außerdem wurde endlich ein neues Klempner-Abenteuer für den Spielwürfel angekündigt – aber „Super Mario Sunshine“, so der Titel des potenziellen Jump'n'Run-Hits, würde erst 2002 erscheinen. Als erste große Nintendo-Konsole sollte der GameCube also ohne Begleitung eines neuen „Super Mario“-Abenteuers auf den Markt kommen. Den italienischen Klempner sollte sein Bruder mit seinem eigenen Spiel „Luigi's Mansion“ zur GameCube-Markteinführung vertreten.

Die zweite große Enthüllung auf der Nintendo Space World 2001 war „The Legend of Zelda: The Wind Waker”, und auch diese hinterließ einen faden Beigeschmack. Denn statt realistischem Grafikstil, wie ihn die Technik-Demo von der Space World 2000 den Fans schmackhaft gemacht hatte, sollte das Spiel dank Cel-Shading-Technik aussehen wie ein zum Leben erweckter Cartoon. Die „Zelda”-Fangemeinde war zutiefst empört und sprach vom „Celda-Skandal”.

Entwicklerkonsolen sehen in der Regel wenig spektakulär aus. Auch das GameCube-Dev-Kit ist nicht mehr als eine langweilige graue Kiste. Eine umfangreiche Liste mit Infos und Bildern zu Entwickler-Hardware rund um den GameCube findet ihr unter diesem Link.

Die Dritthersteller und Nintendo: Gelingt die Versöhnung?

Und wie sah es bei den Drittherstellern aus? Immerhin wollte Nintendo ja mit dem GameCube besonders die Third-Party-Studios ansprechen. – Tatsächlich erwies sich der GameCube aus technischer Sicht als sehr entwicklerfreundliche Plattform, doch ist das allein kein Garant für Dritthersteller-Unterstützung. Im Juni 2000 waren die Entwicklerkonsolen noch nicht fertiggestellt gewesen, sodass mit Ausnahme von Nintendo selbst und einigen Partnerstudios keine Unternehmen ihre Dev-Kits erhalten hatten. Hinzu kam der Umstand, dass Nintendo relativ hohe Lizenzgebühren verlangte. Beides sorgte dafür, dass zum Launch-Fenster des GameCube kaum Spiele von Drittherstellern fertig waren.

Prekär war auch Nintendos geschäftlicher Umgang mit Drittherstellern. Während sich Sony und auch Microsoft aktiv um Third-Party-Unterstützung kümmerten, war Nintendos Vorgehen die Definition von Passivität: „Wir gehen nicht zu den Drittherstellern und bitten sie, Software für Nintendo zu produzieren“, erklärte Hiroshi Imanishi im Dezember 2000. „Wenn sie GameCube-Software machen wollen, dann ist das schön, aber wir werden sie niemals dazu zwingen.“

Grundzüge von Nintendos damaliger Third-Party-Politik

Ein weiterer suboptimaler Umstand: Nintendo war nicht sehr begeistert von Multiplattform-Spielen, die inhaltlich identisch auf mehreren Konsolen erscheinen. Ein Spiel, das exakt so auch auf anderen Plattformen erhältlich ist, stellt ja keinerlei Verkaufsargument für die eigene Konsole dar – so lautete zumindest Nintendos damalige Überzeugung. Stattdessen wollte der Konzern, dass Dritthersteller den GameCube-Versionen ihrer Spiele Funktionen und Inhalte einbauen, die sie von den anderen Konsolenfassungen abgrenzen.

Überhaupt wollte Nintendo lieber kompakte und innovative Spiele auf seiner eigenen Konsole sehen; dies sollten nicht zuletzt die Mini-Discs des Spielwürfels den Entwicklern wieder ins Gedächtnis rufen. Eine realistische Grafik und übermäßig komplexe Systeme sollten nicht im Fokus der Entwickler liegen.

Grinsekatze Shigeru Miyamoto war zufrieden mit dem GameCube.

So sind wir jetzt fast bei der Markteinführung des GameCube angekommen. Darum wird es im dritten Teil dieser Reihe gehen – zusammen mit den ersten Jahren der Konsole sowie Themen wie Nintendos Online-Plänen. Auch die Frage, wie sich Nintendo im Verhältnis zum Rest der Spieleindustrie verhielt, wird in den weiteren Teilen dieser Reportage ein wichtiges Thema bleiben.

Hauptquellen: Nintendo World Report: GameCube FAQ, 23. März 2001; Emily Rogers: A Dolphin’s Tale: The Story of GameCube, Dromble, 7. Januar 2014 (verwendete Zitate dieser Quelle entnommen). Weitere Quellen im Text verlinkt.


In unserer jeden zweiten Sonntag erscheinenden Rubrik „Inside Nintendo“ berichten wir über die Geschichten hinter Spielen, Serien, Konsolen, Studios und Personen rund um Nintendo. Eine Übersicht aller bislang veröffentlichten Ausgaben ist unter diesem Link zu finden.

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Bisher gibt es fünf Kommentare

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  • Avatar von Tobias
    Tobias 24.07.2016, 19:49
    Zitat Zitat von Minato Beitrag anzeigen
    Schade, jetzt heißt es wieder zwei Wochen auf den drittel Teil warten :(
    Wieviele Teile wird die Reihe denn umfassen, denn es hat sich so angehört, als ob es nach dem dritten Teil noch mindestens einen weiteren geben wird oder irre ich mich?
    Insgesamt wirds vier Teile geben.
  • Avatar von Minato
    Minato 24.07.2016, 18:28
    Schade, jetzt heißt es wieder zwei Wochen auf den drittel Teil warten :(
    Wieviele Teile wird die Reihe denn umfassen, denn es hat sich so angehört, als ob es nach dem dritten Teil noch mindestens einen weiteren geben wird oder irre ich mich?
  • Avatar von KaiserGaius
    KaiserGaius 24.07.2016, 15:09
    Ich war damals zu einem Verbraucher Event eingeladen und konnte die Konsole zwei Monate früher anspielen. War wirklich schön gemacht die Konsole. Allerdings fiel das alles in eine Zeit, an die ich mich lieber nicht zurück erinnere. Den GC hatte ich auch schon im Jahr davor aus Nippon importiert. Leider defekt (bis heute noch).
  • Avatar von FallenDevil
    FallenDevil 24.07.2016, 13:59
    Damals war das aber etwas ungewohntes, dass Nintendo ein System auf den Markt bringt ohne gleichzeitig Super Mario bereit zu stellen. Allerdings gab es Wave Race, Lutschis Mansion, Pikmin, Star Wars: Rogue Leader und Sonic Adventure 2. Der GC hatte ein starkes launch line-up!!
  • Avatar von To0nfish Nr. 1
    To0nfish Nr. 1 24.07.2016, 12:35
    "Der Mario-Konzern", der GameCube starte ohne "Super-Mario-Abenteuer", was ist damit, Mario ist lange nicht das, wofür ich Nintendo liebe, da bin ich nicht der einzige, das muss man nicht so sehr übertreiben, als sei das eine Tragödie.
    Auffallende Parallelen zur NX (bitte sie ändern den Namen nicht).