Inside Nintendo 49: Alles Gute zum 125. Geburtstag, Nintendo!

Alles Gute, Nintendo! Heute vor genau 125 Jahren wurde jenes Unternehmen gegründet, dem diese Website gewidmet ist. 125 Jahre, so alt wird kein Schwein – 125 Jahre, das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Nintendo ist älter als seine direkten Konkurrenten Microsoft und Sony zusammen. Dabei können selbst diese auf recht lange Historien zurückblicken.

Verglichen mit den 125 Jahren wirkt die Zeit, die Nintendo im Videospielsektor verbracht hat, geradezu wie ein Katzensprung: Vor nicht einmal 35 Jahren gelang dem damaligen Familienunternehmen der Einstieg in die Videospielbranche. Doch was war in den Jahrzehnten davor? Manche von euch werden antworten: Spielkarten. Doch in Wahrheit war Nintendo in den ersten 90 Jahren seiner Existenz viel mehr als bloß irgendein japanischer Spielkartenfabrikant. Anlässlich des heutigen runden Festtages wagen wir einmal einen Blick auf die Frühgeschichte Nintendos, die zu häufig sträflich unterschätzt wird!

Das alte Nintendo-Logo, wie wir es kennen und noch immer lieben

Aller Anfang ist klein

Durch europäische Einflüsse ab dem 14. Jahrhundert kam Japan in Kontakt mit der westlichen Welt – unter anderem Spielkarten schafften es so in das Land der aufgehenden Sonne. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts begann dann eine lange Zeit der Isolation. Westliche Unterhaltungsformen, eben auch die Spielkarten, wurden verboten. Erst etwa 250 Jahre später wurde dieses Verbot aufgehoben, die bis dahin illegal hergestellten und heimlich gespielten Karten durften wieder offiziell verkauft werden.

In diesem Kontext tritt Fusajiro Yamauchi auf (ausgesprochen „Jama-Utchi“). Geboren am 22. November 1859, war er ein passionierter Hanafuda-Spieler – Hanafuda ist eine besondere, in Japan entstandene Form des Kartenspiels. Er konnte bereits Erfahrung in der Fabrikation von Hanafuda-Karten sammeln, und nun, da die Verbannung der Kartenspiele aufgehoben wurde, versuchte er sich selbst als Unternehmer. So gründete er am 23. September 1889 in Kyoto einen kleinen Laden, in dem er selbst produzierte Hanafuda-Karten verkaufte.

Zu diesem Zeitpunkt kann man noch nicht von einem Unternehmen sprechen. Es war zunächst nichts Weiteres als ein Lädchen, bezeichnet als „Nintendo“. Was dieses „Nintendo“ überhaupt bedeutet, ist heute unbekannt – selbst Yamauchis Urenkel Hiroshi Yamauchi konnte diese Frage nicht mehr beantworten. Normalerweise wird der Ausdruck übertragen mit „sein Glück in die Hände des Himmels legen“. Aufgrund der Vielseitigkeit der japanischen Sprache kann der Terminus aber ganz andere Bedeutungen haben. So lässt sich der Name etwa auch übersetzen mit „die Firma, die Hanafuda herstellen/verkaufen darf“, oder auch mit „arbeite hart, aber letztlich liegt es in den Händen des Himmels“. Die wahre Bedeutung des Namens wird für immer ungeklärt bleiben müssen.

Nintendos erste Krise

Die verkauften Karten stellten Yamauchi und ein kleines Team in Handarbeit her. Nintendos erstes Kartenset hört auf den Namen „Daitoryo“, „Präsident“, und wurde von einem Bildnis Napoleons geschmückt. Obwohl Yamauchi seine Karten zu recht hohen Preisen verkaufte, erfreuten sie sich aufgrund ihrer Qualität hoher Beliebtheit. 1890 folgte ein neues Kartenset, eine Mischung als Gedächtnis- und Gedicht-lern-Spiel. Zunächst ebenfalls erfolgreich, waren die Karten bald aufgrund überlegener Konkurrenz aus Kyoto nur noch schlecht verkäuflich.

Yamauchis gerade erst gegründeter Laden stand somit schon vor einem großen Problem. Da er seine Karten nur lokal verkaufte, war der Markt viel zu schnell gesättigt. Das heißt, so gut seine Karten auch sein mochten – sobald sie die ganze Umgebung besaß, konnte Yamauchi kaum noch weitere absetzen. Seine Lösung bestand darin, weitere Kartensets unterschiedlicher Klassen zu produzieren. So kam etwa ein günstiges, dafür aber auch qualitatives minderwertigeres Set auf den Kyotoer Markt.

Gedenktafel am ersten Nintendo-Hauptquartier (Bildquelle)

Glorreicher Aufstieg dank Glücksspiel, Kriegswirren und Tabak

Außerdem knüpfte Yamauchi Verbindungen zur florierenden Glücksspiel-/Yakuza-Szene in Kyoto. Etwa 70 Spielhallen orderten so bei ihm ihre Karten, und aus Furcht vor Betrügern wurde bei jedem Spiel in der Szene ein komplett neues Set verwendet. Dadurch wurde Yamauchi lokaler Marktführer auf diesem Gebiet. Dieser Erfolg erlaubte es dem jungen Unternehmer, sein Geschäft zu erweitern. Schließlich tätigte er einen weiteren Schachzug, indem er entschied, die bis dato teuer importierten westlichen Spielkarten einfach ebenfalls selbst zu produzieren. Dies geschah entweder 1902 oder 1907 – das Datum ist nicht mehr eindeutig bestimmbar. Eine importierte Druckmaschine aus den USA produzierte schnell und günstig eine hohe Anzahl dieser westlichen Spielkarten. Nintendo war damit der erste japanische Hersteller westlicher Spielkarten.

Während des Russisch-Japanischen Krieges erlegte die japanische Regierung den lokalen Spielkartenproduzenten eine besondere Steuer auf. Diese trieb kleine Unternehmen und Läden in den Ruin; allein im Kansai-Bezirk verloren 5000 Menschen in der Branche ihren Beruf. Yamauchi hingegen blieb im Geschäft. Nintendo ging gestärkt aus der Krise hervor und sah sich nun in einer Monopolstellung, die dem Unternehmen mächtig Geld in die Kassen spülte.

Trotz allem war Yamauchis Erfolg aufgrund der lokalen Distribution überschaubar und vor allem beschränkt, da er seine Karten nur in seinem Laden in Kyoto sowie bei befreundeten Händlern in Osaka verkaufte. Da ihm selbst die Ressourcen für eine nationale Verbreitung fehlten, verbündete er sich mit Japan Tobacco. Fortan wurden Yamauchis Spielkarten zusammen mit Tabak in ganz Japan verkauft. Nintendo wurde national – mit großem Erfolg.

Die Staffel wird weitergegeben

Als Fusajiro Yamauchi Ende der 1920er Jahre bereit war, nach etwa drei Jahrzehnten den Posten als Präsident von Nintendo abzugeben, brummte das Geschäft förmlich und Nintendo war der größte Spielkartenproduzent Japans geworden. Allerdings hatte Fusajiro keinen Sohn. Damit das Unternehmen trotzdem in Familienhand bleiben konnte, verheiratete er seine Tochter Tei mit Sekiryo Kaneda, einem seiner Mitarbeiter. Dieser übernahm den Nachnamen Yamauchi und 1929 die Leitung von Nintendo.

Sekiryo Yamauchi expandierte das Geschäft weiter und meldete es schließlich 1933 ganz offiziell als privates Unternehmen unter dem Namen „Yamauchi Nintendo“ an. Da das bisherige Hauptgebäude zu klein geworden war, ließ er nebenan ein neues errichten – ein großes, edles, dreistöckiges Gebäude. Heute beherbergt es ein Archiv – und die Asche Sekiryo Yamauchis.

Verwirrt von den ganzen Namen? Unsere grobe Skizze gibt einen Überblick über den Yamauchi-Clan mit allen bekannten wichtigen Daten. Ein (?) zeigt an, dass wir den Ursprung derjenigen Angabe nicht mehr nachvollziehen und überprüfen konnten.

Der vorherbestimmte Nintendo-Erbe

So blühte Nintendo auch unter Sekiryo Yamauchis Leitung – doch auch er hatte keinen Sohn. Daher ging er wie schon sein Schwiegervater vor: Er verheiratete seine Tochter Kimi mit einem seiner Angestellten, Shikanojo Inaba, der nun den Yamauchi-Namen ererbte. Shikanojo Yamauchi war als drittes Nintendo-Oberhaupt prädestiniert, sollte sein Schwiegervater einst abtreten. Doch Shikanojo selbst wollte dies gar nicht und verließ alsbald seine Familie.

Da Sekiryos übrige Töchter bereits geehelicht hatten, gab es nur eine Möglichkeit, damit das Unternehmen nicht aus Familienhand geriet: Kimis und Shikanojos Sohn Hiroshi Yamauchi, geboren am 7. November 1927, sollte aufwachsen und den Sitz als Unternehmenschef einnehmen.

Hiroshi Yamauchis Werdegang ist eine sehr interessante Geschichte, doch würde sie hier den Rahmen sprengen. Wir verweisen für Interessierte daher noch einmal auf unseren Nachruf von 2013.

Nintendos eiserner Wille

Nach dem Zweiten Weltkrieg fand sich Nintendo erneut in einer verzwickten Situation wieder. Die Nachfrage nach Unterhaltungsprodukten wie Spielkarten war in Japan denkbar gering. Daher gründete Sekiryo eine Tochtergesellschaft namens Napoleon, die Nintendos Produkte in anderen Ländern vertreiben sollte. Dieser Schritt war jedoch nicht sehr erfolgreich. Anstelle dessen verdiente Nintendo daher zunächst sein Geld mit dem Verkauf von Spielkarten an in Japan stationierten US-Soldaten.

Doch Sekiryo Yamauchi gab nicht auf, was die Expansion seines Unternehmens betraf. 1947 gründete er eine weitere Tochtergesellschaft, Marufuku, und erneuerte den Produktionsvorgang. Die Kartenproduktion und -Distribution sollte noch effizienter ablaufen. Doch auch die Unternehmensstruktur erneuerte er und schuf eine strenge Hierarchie, unter der Nintendos Erfolg stetig wachsen sollte.

Nur kurz darauf erkrankte der hart arbeitende Sekiryo ernsthaft. So übergab er im März 1949 nach zwei Jahrzehnten die Unternehmensleitung an seinen erst 21-jährigen Enkel Hiroshi, der bis dahin als verwöhntes Kind bei seinen reichen Großeltern aufgewachsen war und alles andere als erpicht auf den Posten war. Kurz darauf starb Sekiryo.

Eine Nintendo-Hanafuda-Karte (Bildquelle)

Ein Snob und der Nintendo-Bürgerkrieg

Hiroshi war ein selbstbewusster, bisweilen hochnäsiger, aber auch humorvoller und frei handelnder junger Mann. Diese Charakterzüge übertrug er auf seinen Führungsstil. 1951 führte er die Unternehmen Yamauchi Nintendo und Marufuku zusammen unter dem Namen „Nintendo Koppai“ („Koppai“ ? „Spielkarten“). Er erweiterte die Nintendo-Gebäude, erwarb neues Land und vereinigte die Produktionsflächen.

Hiroshi Yamauchi führte Nintendo mit eiserner Faust, um das Unternehmen seinen Vorstellungen anzupassen und die strickten Regelungen seines Großvaters, die er selbst nicht unterstützte, aufzuheben. Alles andere als begeistert, riefen einige seiner Mitarbeiter zum Streik auf – selbst zu einem Hungerstreik soll es gekommen sein. Auf der anderen Seite formierte sich eine Gruppe, die Yamauchis Ansichten teilte. Wie der Nintendo-Historiker Florent Gorges beschrieb, entfachte Yamauchi einen wahren Bürgerkrieg unter den damals etwa 100 Nintendo-Angestellten. Als Lösung feuerte der zielstrebige Mann viele seiner Mitarbeiter und einen Großteil des Managements – auch seit Jahrzehnten angestellte Menschen verschonte er nicht. Er wollte seine Autorität festigen.

Nintendo erntet die Früchte seiner Mühen

1953 stellte Hiroshi Yamauchi erneut Nintendos Produktion um, indem er von nun an auch Plastik-Spielkarten herstellen ließ – die schwieriger herzustellen und kostspieliger waren, sich aber dennoch zu einem Erfolg mauserten. 1959 sicherte er sich einen wertvollen Vertrag mit Disney, in Folge dessen Nintendo Karten mit Illustrationen von Micky Maus und Co. herstellte. Zusammen mit einer groß angelegten Fernsehwerbe-Kampagne – für Nintendo ein Novum – avancierten auch diese Produkte zu einem Renner.

Doch die traditionellen Hanafuda-Karten verloren unterdessen an Beliebtheit, da sich ihre Hauptzielgruppe neuen Beschäftigungen zuwandte. Da die Produktion dieser Karten noch von Hand erfolgte und daher zu teuer war, ließ Yamauchi fortan Hanafuda-Karten maschinell fertigen. Es stellten sich somit immer größere Erfolge ein; Yamauchis Mühen zahlten sich aus. Derart beflügelt, meldete er Nintendo Koppai 1962 an der japanischen Börse an. Die Bilanzen stiegen gen Himmel auf: Von 1955 bis 1964 konnte Nintendo seinen Jahresumsatz um 800 % auf etwa 1,4 Milliarden Yen steigern. Innerhalb der ersten zwei Jahre nach dem Börsengang versechsfachte sich das Kapital auf 600 Millionen Yen. Inzwischen hatte das Unternehmen einen weiteren Namenswechsel hinter sich: 1963 benannte Yamauchi es schlicht in „Nintendo“ um (im Westen: „Nintendo Co. Ltd.“).

https://www.youtube.com/watch?v=hUHw5YB2Kv4

Pssst: Das einzige bekannte Videomaterial aus dem ehemaligen Nintendo-Hauptquartier. Nicht ganz legal entstanden.

Und plötzlich steht man am Abgrund

Von den Olympischen Spielen in Japan 1964 erhoffte sich Yamauchi einen weiteren Aufschwung – doch das genaue Gegenteil trat ein. Aus unerklärlichen Gründen brachen die Verkäufe der Disney-Spielkarten ein. Sowohl neue Produkte dieser Sparte als auch verstärkte Auslandsexporte konnten das Problem nicht lösen. Die bis dato auswegloseste Situation in der Geschichte Nintendos brach an.

Schon in den Jahren davor war sich Yamauchi sicher, dass der Spielkartenmarkt langfristig kein sicherer Sektor war, konnte er doch nicht beliebig expandieren und sogar irgendwann völlig zusammenbrechen. Diese Gewissheit sowie die Krise, mit der sich Nintendo nun konfrontiert sah, veranlassten Yamauchi, die Segel zu setzen und den sicheren Hafen der Spielkarten zu verlassen.

Instant-Reis, Bordelle und Taxis – die verzweifelte Suche nach neuen Geschäften

Die Reise führte Nintendo durch zahlreiche Irrwege. Man versuchte sich etwa in der Lebensmittelbranche. Dazu gründete Yamauchi ein Unternehmen namens San.O Shokukin, erwarb neue Grundfläche in Uji in der Nähe von Kyoto und produzierte hier Instant-Reis. Während dieser kuriosen Ära der Nintendo-Geschichte betrieb der frühere japanische Marktführer im Bereich der Spielkarten außerdem einige der in Japan beliebten Liebeshotels, die Yamauchi selbst auch genutzt haben soll, sowie ein Taxiunternehmen namens Daiya, welches zwar kurzzeitig erblühte, aber schon nach wenigen Monaten an ein anderes Unternehmen weiterverkauft wurde und noch heute existiert.

Der legendäre Gunpei Yokoi (Bildquelle)

Der Phönix ersteht aus seiner Asche

All diese Ansteuerungsversuche scheiterten und manövrierten Nintendo in noch unsichere Gewässer. Doch Yamauchi gab nicht auf, sondern lernte aus den Rückschlägen. Hatte er bis dato allein den Kurs angegeben, würde er diese Aufgabe ab sofort mit weiteren kompetenten Leuten teilen. Außerdem besann er sich zurück auf Nintendos Stärken – denn einzig der Verkauf der althergebrachten Spielkarten erhielt das Wrack Nintendo noch am Leben.

Yamauchis Co-Kapitäne der folgenden Jahre waren Hiroshi Imanishi und Gunpei Yokoi. Letzterer baute für Yamauchi eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung auf, die mit der Erarbeitung klassischer Spiele betraut wurde. Ab Mitte der 1960er Jahre fokussierte sich Nintendo somit wieder. Fortan veröffentlichte das Unternehmen hauptsächlich Brettspiele und ausgeklügeltes Spielzeug, vieles davon direkt aus dem genialen Kopfe Yokois stammend. Um im Westen erfolgreiche Spiele in Japan zu vertreiben, wurde eine neue Nintendo-Tochter ins Leben gerufen – Nippon Game Co. Ltd. Das charakteristische NG-Logo ist auf vielen Nintendo-Spielen aus dieser Ära zu erblicken. Später stand das Akronym für Nintendo Game und fand sich auf so gut wie allen Nintendo-Verpackungen.

Nintendos zweite Blütezeit

Puh, so viel Text – könnt ihr noch weiterlesen? Damit das hier nicht zu sehr ausartet, werden wir den Rest der Nintendo-Geschichte etwas schneller durchgehen.

Gunpei Yokois Erfindungen Ultra Hand und Ultra Machine erwiesen sich mit je über einer Millionen Verkäufe als riesige Erfolge. Es folgten weitere derartige Hit-Spielzeuge: viele davon ziemlich innovativ, manche von Lizenznehmern sogar im Westen verbreitet. Um mit der Spielzeugproduktion mithalten zu können, wurde die ursprünglich in Uji für die Produktion von Instant-Reis errichtete Fabrik umfunktioniert.

1969 machte Nintendo einen Umsatz von 3,4 Milliarden Yen. Spielkarten wurden zwar nach wie vor produziert, befanden sich nun aber im Hintergrund. Nintendo hat die Krise der 1960er Jahre endlich überwunden und sich als feste Größe im Spielzeugsektor etablieren können. Mit der Zeit diversifizierte man sein Line-Up immer weiter: Mit den N&B-Blocks brachten die Japaner ihre eigene, erfolgreiche Antwort auf LEGO heraus und allmählich wagte man sich auch an elektronische Spiele. Dabei erwies sich insbesondere Masayuki Uemura von großer Bedeutung, den Nintendo nach einer lukrativen Kooperation von Sharp abwerben konnte.

links: Yokois legendäre Ultra-Hand inklusive Karton; Mitte: Yokois selbst in Deutschland verbreitete „Teufelstonne“; rechts: das klassische NG-Logo auf der Verpackung der Ultra-Hand

Evolution und Revolution

Yokoi und Uemura erfanden etwa eine Art Laser-Schießspiel, das Nintendo in zahlreichen eigens dafür angemieteten ehemaligen Bowling-Hallen betrieb – natürlich ebenfalls ein großer Erfolg. Da die Geschäfte inzwischen wieder stabil liefen, hatte Nintendo endlich auch wieder Freiraum zum Experimentieren. So kamen in den 1970er Jahren Produkte auf den Markt, die heute wirklich niemand mehr mit Nintendo assoziiert: Möbel, Drucker, Kinderwagen, Spielgeräte, und, und, und.

Die Drucker-/Kopierer-Reihe jedoch war ein völliger Flop – und in Folge der japanischen Ölkrise 1973 brach auch das Geschäft mit den Laserschießhallen völlig zusammen. Mit schlimmen Folgen: Wieder einmal befand sich Nintendo in der Krise, kurz vor der Pleite. Ein neuer Ausweg musste her – und den machte man im damals aufboomenden Videospielbereich aus. So wagte Nintendo, der natürlichen Evolution folgend, ab Mitte der 1970er Jahre erste, schüchterne Versuche im Bereich der Arcade-Geräte und Videospielkonsolen.

In aller Kürze: Nintendos dritte und größte Blütezeit

Der Durchbruch in diesem Sektor gelang erst ab 1980. Zunächst erwies sich Yokois Reihe kleiner Handheld-Spiele, die Game & Watch-Serie, sehr großer Beliebtheit. Im Jahr darauf feierte Nintendo mit „Donkey Kong“ seinen ersten weltweiten Videospielerfolg, der gleichzeitig die endgültige Expansion nach Amerika ermöglichte. 1983 kam Nintendos erste Konsole mit austauschbaren Modulen in Japan auf den Markt, die ab 1985 den Westen als Nintendo Entertainment System im Sturm eroberte und in Amerika den Heimkonsolenmarkt wiederbelebte.

Der Rest der Geschichte ist bekannt: Nintendo stieg um 1990 zum weltweiten Videospielmarktführer auf, erlebte ab Mitte der 2000er Jahre einen neuen Boom und steht nun so da, wie wir es heute kennen. 2001 gab Yamauchi nach über einem halben Jahrhundert (!!!) die Konzernleitung ab und überließ den Posten erstmals jemandem außerhalb seines Familien-Clans. Letztes Jahr verstarb Yamauchi, der Nintendo mit unglaublichem Führungstalent von einem lokal bedeutenden Spielkartenhersteller zum Marktführer im Videospielbereich ausbaute.

Und trotz allem ist Nintendo seinem Ursprung immer noch treu geblieben: Noch heute werden in Japan ganz traditionell Hanafuda-Karten hergestellt und verkauft. Dort sind sie immer noch so häufig anzutreffen wie vor vielen Jahrzehnten. Darüber hinaus hat Nintendo ein gewisses Faible dafür, seine Geschichte in Videospielen wie „WarioWare“ zu rezipieren.

Noch immer bleibt Nintendo seinen Wurzeln treu: „Super Mario“-Hanafuda-Karten aus dem Club Nintendo

Was bleibt?

Das heute vor 125 Jahren gegründete Unternehmen ist sich seiner Wurzeln noch immer bewusst. In seiner Geschichte oszillierte es stets zwischen höchsten Erfolgen und ausweglosesten Krisen. Und doch hat es sich jedes Mal wieder aufrappeln können. Dieses Wissen gibt uns die Gewissheit, dass uns Nintendo noch sehr, sehr viele Jahre lang erhalten bleiben wird – obgleich, oder gerade weil es derzeit für Nintendo weniger rosig aussieht als noch vor wenigen Jahren. Angesichts dieser bewegten und bewegenden Geschichte können wir uns nur fragen: Wo wird Nintendo in weiteren 125 Jahren stehen? Zu schade, dass wir das wahrscheinlich nicht mehr erleben werden.

Unsere Quellen für diesen Bericht waren Florent Gorges: „The History of Nintendo, Vol. 1: 1889–1980: From playing-cards to Game & Watch“ sowie David Sheff: „Game Over: How Nintendo Zapped an American Industry, Captured Your Dollars, and Enslaved Your Children“. Die verwendeten Fotos stammen, sofern nicht anders angegeben, von uns.

Weiterführende Links: Forum-Thread

Bisher gibt es 30 Kommentare

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  • Avatar von Mc_Rib
    Mc_Rib 25.09.2014, 15:08
    Achso. Naja Business ist eben Business
  • Avatar von Tobias
    Tobias 25.09.2014, 15:05
    Mit geschmacklos meinte ich die Geschichte, dass Yamauchi Auftragsmörder auf Yokoi angeheuert haben soll.
  • Avatar von Mc_Rib
    Mc_Rib 25.09.2014, 14:58
    Wieso geschmacklos ? Hoert sich so an als waeren Yakuza was schlimmes
  • Avatar von Tobias
    Tobias 25.09.2014, 14:56
    Das ist zwar recht verbreitet, aber ziemlich geschmackloser Schmarrn (hier gibt's trotzdem Näheres dazu ).
  • Avatar von Garo
    Garo 24.09.2014, 23:44
    Zitat Zitat von rowdy007 Beitrag anzeigen
    btw. interessant Nintendo ist also mit Spielkarten für die Mafia groß gewurden.
    Man sagte Hiroshi Yamauchi auch nach, Kontakte zur Yakuza zu pfegen. Meine Freundin präsentierte mir heute eine Verwchwörungstheorie, wonach Gunpei Yokois Autounfall nach dessen Weggang von Nintendo vllt gar keiner war...
  • Avatar von rowdy007
    rowdy007 24.09.2014, 07:48
    Der Bericht ist echt super!

    Also Nintendo hat zwar gerade keinen Höhenflug aber um seine Existenz muss das Unternehmen auch noch nicht kämpfen. Bin gespannt wie es in Zukunft weiter geht wenn ihre Investition in ihr neues Gebäude, das viele neue Entwickler unterbringen kann fruchtet.

    btw. interessant Nintendo ist also mit Spielkarten für die Mafia groß gewurden.
  • Avatar von Nadine
    Nadine 24.09.2014, 02:31
    Klasse Bericht, Danke Tobias.

    @ Tiki: da kann ich dir nur zustimmen
  • Avatar von Greg
    Greg 24.09.2014, 01:43
    Danke für alles!
  • Avatar von mithos630
    mithos630 24.09.2014, 00:03
    Alles Gute!!!
  • Avatar von Minato
    Minato 23.09.2014, 23:22
    Wirklich toll, vielen Dank für die Mühe. Ich assoziiere mit keiner Firma so viel, wie mit Nintendo, das ist echt schon was für sich...
  • Avatar von Hunter 117
    Hunter 117 23.09.2014, 22:37
    Die Geschichte hab ich bereits gefühlte 125 mal gelesen, immer wieder schön.
  • Avatar von DonF204
    DonF204 23.09.2014, 20:40
    danke für den schönen bericht (=
    ich finde ihn sehr gut geschrieben
  • Avatar von whampirlo
    whampirlo 23.09.2014, 19:45
    Alles Gute Nintendo!
  • Avatar von 1UP-Maschine
    1UP-Maschine 23.09.2014, 19:35
    Hach, dieser Bericht treibt mir doch glatt Tränen in die Augen...
    AlsoTobi, wenn du mit Reports solch einer Güteklasse keine Kohle machen wirst, weiß ich auch nicht...

    Am besten fand' ich ja immer noch die eine Frau im Video, die einfach mal eine Spontan-Betriebsführung durchführte!
  • Avatar von Pomtri
    Pomtri 23.09.2014, 18:21
    Der Artikel war interessant und schön geschrieben
    Herlichen Glückwunsch Nintendo.
  • Avatar von 3DSgamer
    3DSgamer 23.09.2014, 17:01
    boah die Geschichte von Nintendo ist echt genial! auch schön geschrieben
  • Avatar von Shoashi
    Shoashi 23.09.2014, 15:54
    das video fand ich genial^^
  • Avatar von Tobias
    Tobias 23.09.2014, 15:51
    Zitat Zitat von kafra007 Beitrag anzeigen
    Bekommt man die Karten heute noch?
    Zitat Zitat von KollegeJansen Beitrag anzeigen
    Wo kann man die Karten in Japan kaufen? Bin gerade hier und die wären ein tolles Souvenirs.
    An allen möglichen Orten sollen sie noch zu kriegen sein, also auch kleine Läden und alles. In Japan sollen sie ja alles andere als was besonderes sein. Genaueres weiß ich leider nicht, aber ich wünsch dir viel Erfolg, vielleicht findest du ja welche!

    Zitat Zitat von tiki22 Beitrag anzeigen
    Das interessanteste war für mich das Video. Da darf niemand rein, ab aber die Frau erklärt ihm erstmal schön alles über die Karten und das Gebäude obwohl es verboten ist hier zu sein
    Jau, das Video fand ich auch super. Vor allem frag ich mich, warum in dem Gebäude eine Art Minimuseum mit "Wächterin" ist, das aber nicht öffentlich zugänglich ist. So ein Nintendo-Museum (von offizieller Seite; inoffiziell gab's ja schon welche) wäre echt was Feines und ne nette Geldquelle ^^
  • Avatar von Darth Bela
    Darth Bela 23.09.2014, 14:48
    Wirklich sehr schöner Artikel! Erhellt einige Facetten in Nintendos FIrmengeschichte, die mir nicht oder nur grob bekannt waren.
    Auf die nächsten 125!
  • Avatar von tiki22
    tiki22 23.09.2014, 14:39
    Das interessanteste war für mich das Video. Da darf niemand rein, ab aber die Frau erklärt ihm erstmal schön alles über die Karten und das Gebäude obwohl es verboten ist hier zu sein
  • Avatar von KollegeJansen
    KollegeJansen 23.09.2014, 14:25
    Wo kann man die Karten in Japan kaufen? Bin gerade hier und die wären ein tolles Souvenirs.
  • Avatar von kafra007
    kafra007 23.09.2014, 13:23
    Bekommt man die Karten heute noch?
  • Avatar von kitteycat
    kitteycat 23.09.2014, 12:58
    Wow, ich beschäftige mich ja viel mit Geschichten von Unternehmen, aber Nintendo war noch nicht dabei. Sehr interessant. Vielen Dank dafür!
  • Avatar von Garo
    Garo 23.09.2014, 12:47
    Großartiger Artikel, wie immer Tobi! Vieles wusste ich zwar, aber die Geschichte der alten Yamauchis war mir gänzlich neu.
  • Avatar von Raizo
    Raizo 23.09.2014, 12:41
    Kaum zu glauben, dass Nintendo schon 125 Jahre alt ist.
    Alles Gute Nintendo!
  • Avatar von Jinjo
    Jinjo 23.09.2014, 12:34
    Dann mal auf die nächsten 125 Jahre!
  • Avatar von XenoGuy
    XenoGuy 23.09.2014, 11:32
    Richtig schön zu lesen =)
    Gut gemacht und achja Happy Birthday Nintendo
  • Avatar von Sanku
    Sanku 23.09.2014, 10:30
    Nintendo hat mir auch schon mein Geburtstagsgeschenk gegeben. Is schon nicht schlecht am gleichen Tag zu haben :3
  • Avatar von virus34
    virus34 23.09.2014, 10:15
    Jo wie immer sehr schön geschrieben. Es macht immer wieder Spaß eure Berichte zu lesen.
    Danke dafür.
  • Avatar von Monado Boy
    Monado Boy 23.09.2014, 09:55
    Toller Bericht. Echt erstaunlich diese Geschichte. Wir sind alle gespannt wie es weiter gehen wird.

    P.s. Eshop Angebote wären doch was Feines...