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Pokémon Schild

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Pokémon Schild

Es gab wohl noch nie einen dermaßen großen Aufschrei vor der Veröffentlichung eines „Pokémon“-Spieles. Die immens beliebte Reihe entschied sich nämlich zum bislang drastischsten Schritt: Der nationale Pokédex wird erstmals nicht verfügbar sein, wodurch einige beliebte Monster selbst durch den Tausch nicht in der neuen Generation erhältlich sind. Zumindest war das der Anfang einer langen Liste an Kritikpunkten, die Fans bereits vor der Veröffentlichung wütend machte. Nun haben wir uns in das Abenteuer in der Galar-Region gestürzt um herauszufinden, ob der Wechsel auf die Heimkonsolen ein Erfolg ist.

Ein Spiel, zwei Editionen

Wie jedes Mal wurden auch für die achte Generation zwei Spiele veröffentlicht. Statt beide Titel in einem Testbericht zu behandeln, haben wir uns für zwei entschieden. Das bedeutet nicht, dass die Unterschiede groß sind oder eine Version besser als die andere ist. Allerdings wird uns so ermöglicht, zwei unterschiedliche Ansichten zu präsentieren. Wer den Testbericht zu „Pokémon Schwert“ lesen möchte, findet ihn hier.

Keine Augenweide

Es fällt schwer, das Schaf im Raum zu umgehen: Technisch gesehen ist „Pokémon Schild“ leider völlig veraltet. Das beginnt schon bei der Welt, in der matschige Texturen sowie eine vollständig fehlende Kantenglättung dafür sorgen, dass die stilistisch schönen Orte niemals glänzen können. Vielmehr ist das Bild stets unruhig, egal ob am TV oder im Handheld-Modus. Hinzu kommen sichtbar aufploppende NPCs sowie eine in Zwischensequenzen nicht immer konstante Bildrate, weshalb sich das Gesamtpaket sehr unsauber anfühlt. Statt die Hardware vollends auszunutzen, wagen sich die Entwickler lediglich in Babyschritten heran, weshalb der direkte Vergleich mit den 3DS-Ablegern effektiver ist, als mit „Pokémon: Let’s Go Pikachu & Evoli“.

Im starken Gegensatz dazu stehen die Pokémon selbst. Diese sehen durch die Bank weg großartig aus, voller Details und liebevoller Animationen, zumindest, wenn sie sich nicht um die eigene Achse drehen. Genau so muss ein moderner Ableger aussehen, allerdings sind die Angriffe sehr durchwachsen. Insbesondere die neuen sehen großartig aus, doch manchmal bewegt sich schlicht das gesamte Monster-Modell, was überhaupt nicht in das Gesamtpaket passt. Die Enttäuschung ist deshalb definitiv vorhanden, insbesondere aufgrund der verschenkten Möglichkeiten. Das Spiel sieht nicht unbedingt schlecht aus, bleibt aber derart hinter den meisten anderen Nintendo-Spielen auf der portablen Heimkonsole zurück, dass man sich fragt, wieso hier nicht dieselbe Qualität geboten werden kann.

A Very British Tour, aye

Ist der optische Schock überwunden, geht es an das Abenteuer. Die Geschichte ist überaus konservativ gehalten, denn es geht schlichtweg um den Traum, der allerbeste zu werden. Die Galar-Region behandelt die klassischen Arenen etwas anders, denn jeder Trainer muss Orden sammeln, um an einem großen Turnier teilzunehmen. Das erinnert etwas an die Fußball-Kultur, denn das Vorbild der Galar-Region ist passenderweise Großbritannien. Natürlich lernt der Held jede Menge Charaktere kennen – von dem großen Bruder des besten Freundes, einer Professorin sowie dem Präsidenten der mächtigsten Firma Galars bis hin zu Fieslingen und Team Yell.

Leider traut sich die Handlung zu keinem Zeitpunkt, Maßstäbe zu setzen. Vielmehr wird der Spieler stiefmütterlich behandelt, muss die einzelnen Stationen linear abarbeiten und sich von einem Dialog zum anderen klicken, ohne die interessanten Ansätze vollends zu erforschen. All das endet in einem Finale, das sehr abgehetzt wirkt, wenig dynamisch daherkommt und das Potential der Region lediglich ankratzt. Das Fehlen eines echten Antagonisten über eine lange Zeit ist dabei nicht einmal ein Kritikpunkt, denn Team Yell verkörpert auf lustige Weise die Hooligan-Kultur des Rasensports. Diese kleinen Einschübe helfen bei dem dünnen roten Faden dann aber leider auch nicht.

Die ewige Formel

Passend zur Geschichte ist auch der Ablauf so bekannt wie eh und je. Der Spieler läuft durch Höhlen und Routen, sucht in jeder Stadt die lokale Arena auf und fängt auf dem Weg zahlreiche Pokémon, die trainiert werden wollen. Die Städte selbst können definitiv überzeugen und zeichnen sich durch abwechslungsreiche Designs aus, selbst wenn einige viel zu klein geraten sind. Zudem sind viele Gebäude nicht betretbar, weshalb sie sich weniger persönlich anfühlen als zuvor. Gebäude, in denen man mehr als fünf Minuten unterhalten wird, sucht man deshalb leider auch vergebens.

Das Grundprinzip von „Pokémon“ schafft es aber auch in nahezu unveränderter Form zu begeistern. Man kämpft gegen die Monster in der Wildnis, fängt sie mit Bällen und erstellt sich entweder ein spezielles Team, oder versucht den Pokédex zu füllen. Das hat 1996 funktioniert, und sorgt auch 2019 für eine süchtig machende Spirale. Insbesondere die neuen Monster wurden derart toll ausgearbeitet, dass man all ihre Entwicklungen sehen möchte, was so einige Stunden auf die ansonsten sehr magere Dauer der Handlung packt.

Auf in die Natur

Die wohl größte und beste Neuerung ist die Naturzone. Hier lässt sich die Kamera über den rechten Stick steuern, während allerlei Pokémon herumlaufen. Je nach Wetter und Umgebung gibt es andere zu entdecken, und es kann gut sein, dass man nach zwei Stunden auf Gegner trifft, die erheblich stärker sind, als das eigene Team. Man kann sich regelrecht verlieren, denn möchte man trainieren und alle Monster fangen, wird die perfekte Spielwiese geboten. Dabei lassen sich nicht alle Wesen fangen, da man dafür erst die Orden benötigt. Das ist definitiv kein Kritikpunkt, denn somit ist das eigene Team nicht übermächtig, sondern stets ausgewogen, während es bei der Erkundung durchaus zu gefährlichen Situationen kommen kann.

Leider verbringt man gerne so viel Zeit in diesen Arealen, dass man eher unfreiwillig das eigene Team enorm stärkt. Da der EP-Teiler nun permanent aktiv ist, und das schon vom ersten Kampf an, werden die eigenen Monster schnell so stark, dass die Kämpfe fast nie eine Herausforderung darstellen. Das lässt sich halbwegs ausbügeln, wenn man sein Team regelmäßig durchwechselt, was durch den fast permanenten Zugang zur PC-Box möglich ist. Wer lieber ein einziges Team an seiner Seite hat, dürfte sich aber darüber ärgern.

Neue Größen

Die neue Mechanik, die Mega-Evolutionen und Z-Angriffe ersetzt, ist die Dynamaximierung. Einmal eingesetzt, werden die Pokémon riesig und viel stärker, was durchaus bombastisch aussieht. Einige können sogar eine noch stärkere Form annehmen und sehen dann auch optisch völlig anders aus, all das darf man aber nur in den Arenen nutzen, da sonst jeder Kampf schnell vorbei wäre. Einerseits wird das System somit eingeschränkt, doch die spärliche Nutzung macht sie gleichzeitig zum Spektakel, auf das man sich immer wieder freut.

Neben den Arenen kann man den riesigen Pokémon auch in der Naturzone angehen, nämlich in Raids, die an zahlreichen Orten bestritten werden können. Hier sollte man unbedingt die Online-Funktion nutzen, denn obwohl man drei NPC-Helfer erhalten kann, verhalten diese sich derart unlogisch, dass sie häufig nutzlos sind. Glücklicherweise bleiben die eigentlichen Kämpfe durchweg spaßig, können herausfordernd daherkommen und garantieren einen sicheren Fang im Anschluss.

Ein Hit?

Schaut man sich das Gesamtpaket an, wird deutlich, dass „Pokémon Schild“ lediglich ein Schritt in die richtige Richtung ist. Die Naturzone ist großartig, doch ist einmal die Faszination über die Größe und die vielfältigen Pokémon vorübergezogen, wird auch deutlich, dass sie sehr leer ist. Die alt bekannten Routen, Berge und andere Wege sind derweil ein extremer Kontrast, denn sie wirken leerer als jemals zuvor, sodass man sich eher wünscht, man könnte in die offene Welt zurück. Es wirkt, als ob für jeden Schritt nach vorne gleichzeitig einer zurück gemacht wurde. Das wird auch in den Aufgaben deutlich, denn abseits der eigentlichen Geschichte gibt es fast nichts zu tun. Selbst nach dem Finale werden so wenige Inhalte geboten, wie noch nie in einem Hauptteil der Reihe.

Dann wäre da auch das PokéCamp, das an vielen Orten aufgeschlagen werden kann, um andere Trainer zu treffen, mit dem eigenen Team zu spielen und somit die Bindung zu verbessern, oder Curry mit diversen Zutaten zuzubereiten. Das funktioniert gut, könnte aber noch vielfältiger und stärker ausgearbeitet sein, um für länger als wenige Minuten zu faszinieren, bevor man lediglich den praktischen Nutzen sieht.

Die umstrittene Generation

Diese Konflikte lassen sich in nahezu jedem einzelnen Aspekt des Spieles wiederfinden. Zum Beispiel ist es sehr praktisch, dass jedes Pokécenter nun auch einen Shop sowie eine Station zum Wiedererlernen und Vergessen von Angriffen besitzt. Dafür sucht man sie deutlich seltener auf, da man extrem häufig zwischen Kämpfen einen Heiler findet, der das Team wieder auf Vordermann bringt. Dann wären da die Arenen, die durchweg wunderbar gestaltet wurden und durch kreative Ideen überzeugen, allerdings stellen sie die einzigen Highlights dar. Bei einem Spiel mit einer derart interessanten Kulisse bleibt Enttäuschung zurück, wenn man die spaßigste Zeit an den Orten verbringt, die in jeder Region vorhanden sein könnten.

Dabei gibt es sie, die Neuerungen, die das Spielerlebnis erheblich verbessern. Dazu gehört die Charakteranpassung, die so vielfältig geraten ist wie niemals zuvor. Es macht Spaß, in jedem neuen Ort das Sortiment an Kleidung durchzublättern, und somit den eigenen Stil regelmäßig zu verändern. Genau in solchen Momenten geht das Spiel einen Schritt in die richtige Richtung, doch insgesamt bleibt es zu brav, um das gigantische Potential, das ein Heimkonsolen-Hauptteil haben kann, mehr als nur anzukratzen.

Weiterführende Links: Forum-Thread

Fazit & Wertung

Natürlich ist „Pokémon Schild“ ein wunderbares Abenteuer. Insbesondere die Naturzone entpuppt sich als perfekte Spielwiese, in der es nie langweilig wird, die Taschenmonster zu bekämpfen und zu fangen. Leider ist die neueste Generation lediglich eine konsequente Fortsetzung anstelle eines großen Schrittes in eine neue Ära. Viele Konzepte fügen sich gut ein, brechen aber nicht mit der bekannten Formel auf, um frischen Wind in die Reihe zu bringen. Hinzu kommt eine enttäuschende Geschichte, während es nach dem viel zu kurzen Abenteuer kaum noch Aktivitäten gibt, für die es sich lohnt, nach Galar zurückzukehren. Nichts davon macht „Pokémon Schild“ zu einem schlechten Spiel, denn der Charme sowie das grundsolide Spielprinzip begeistern durchweg. Doch die volle Begeisterung wird immer wieder durch die verpassten Chancen getrübt.

Bisher gibt es drei Kommentare

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  • Avatar von Rincewind
    Rincewind 23.11.2019, 10:36
    ein extrem gelungenes Review wie ich finde
  • Avatar von Garo
    Garo 23.11.2019, 02:04
    Das klingt tatsächlich mehr nach einer 5-6 statt nach einer 7 und ist ein krasser Kontrast zu Freddis Test.
  • Avatar von Heavydog
    Heavydog 22.11.2019, 23:15
    Pokémon Schild ist das schlechteste Pokémon das ich je gespielt habe. Was ein furchtbares Game. 7/10 ist wirklich viel zu hoch für diese Unverschämtheit.