Intelligent Systems scheint mit dem Übergang zu 3D-Spielen nicht klargekommen zu sein. Immerhin hat das sonst so fleißige Nintendo-Studio bloß ein einziges N64-Spiel veröffentlicht, nämlich „Paper Mario“. Und dieses erschien am Ende des Lebenszyklus der 3D-Konsole und setzt nur auf einen technisch simplen Look, der 2D-Sprites für Figuren und Gegenstände mit polygonalen Hintergründen kombiniert.
Ein buchstäblich flaches Abenteuer
Doch das Ganze bringt einen entscheidenden Vorteil mit sich: Der künstlerisch äußerst nett umgesetzte Grafikstil von „Paper Mario“ ist exzellent gealtert. Tatsächlich ist „Paper Mario“ wohl eines der N64-Spiele, die sich über die Jahre am besten gehalten haben. Die Grafik, die wohl in erster Linie aus technischer Unerfahrenheit resultierte, sieht wirklich so aus wie ein zum Leben erwecktes Pop-up-Buch und hat auch 15 Jahre nach der Erstveröffentlichung nichts von ihrer Qualität eingebüßt. Technisch simple, dafür aber künstlerisch geniale Grafikstile sind eben nicht selten zeitlos.
Schade bloß, dass der einzigartige Papier-Look hier noch rein oberflächlicher Natur ist. Das heißt, dass er keinen Einfluss aufs Spielprinzip hat; dies sollte erst bei den Nachfolgern der Fall sein. Doch auch ohne tiefere Einbindung eines Papier-Features spielt sich das erste „Paper Mario“ hervorragend. Das Spielerlebnis lässt sich am besten als im „Mario“-Universum angesiedelte Mischung aus Rollenspiel, Action-Adventure und Jump'n'Run beschreiben. Nach und nach erkundet Mario die große Welt des Pilzkönigreichs und schart dabei mehrere Freunde mit besonderen Fähigkeiten um sich. Diese helfen ihm sowohl bei der Bewältigung von Rätseln als auch im Kampf.
Auf in den Kampf!
Wie bei jedem gepflegten Rollenspiel sind auch in „Paper Mario“ die Kämpfe ein wichtiger Bestandteil. Hier handelt es sich beim Kampfsystem um rundenbasierte Auseinandersetzungen, die mit Echtzeit-Elementen angereichert sind. Durch Druck der A-Taste im richtigen Augenblick können Angriffe verstärkt und gegnerische Attacken gekontert werden. Mithilfe sogenannter Blumenpunkte können Mario und seine Begleiter besonders starke Attacken einsetzen, und das Anlegen von sammelbaren Orden verleiht dem Klempner zusätzliche Fähigkeiten – beansprucht aber Ordenspunkte. Steigt Mario einen Level aus, darf der Spieler auswählen, welcher der drei Kampfwerte erhöht werden soll – Kraft-, Blumen- oder Ordenspunkte. Dies verleiht dem Ganzen noch eine taktische Komponente.
Das Kampfsystem wird während des Spielverlaufs immer komplexer und anpassungsfähiger. Nicht zuletzt dank seiner großen Abwechslung ist es derart gelungen, dass es nicht umsonst in den meisten „Paper Mario“- und „Mario & Luigi“-Abenteuern übernommen wurde. Die Kehrseite der Medaille aber sind viel zu häufige Button Smashing-Aufforderungen und die generell ausgedehnte und langatmige Natur der einzelnen Konfrontationen.
Wir stellen vor: Mario und die temperamentvolle Bombette, eine von mehreren sympathischen Begleitern, die der Klempner im Laufe des Abenteuers um sich sammelt.
Flacher geht’s nicht: Bowser entführt Peach
Die übrigen großen Bestandteile eines Rollenspiels sind die Handlung und die Spielwelt. Wie für ein „Mario“-Spiel zu erwarten ist, fällt die Story hinter „Paper Mario“ recht flach aus: Bowser ist in den Sternenhafen eingedrungen, hat die sieben hohen Sterne gefangen genommen und den Sternenstab entwendet. Dieser verleiht ihm unendliche Kraft. So entführt Bowser kurzerhand Prinzessin Peach samt ihrem Schloss. Mario macht sich nun auf den Weg, um der allmächtigen Riesenechse Einhalt zu gebieten, wozu er die sieben Sterne befreien muss. Jeder dieser hohen Sterne schaltet übrigens eine besondere Aktion während der Kämpfe frei, die den Spieler einzelne Segmente der sich langsam auffüllenden Sternenleiste kosten.
Trotz Papier eine lebendige Spielwelt
Außerhalb der Kämpfe steuert der Spieler Mario sowie einen seiner Begleiter. Mario kann in der Oberwelt springen und mit seinem Hammer angreifen, zudem hat jeder Begleiter eine individuelle Fähigkeit. Marios erster neuer Freund Gumbario etwa weiß über jeden Ort und Bewohner der Welt etwas zu sagen und teilt Mario auf Wunsch sein Wissen mit. Nicht zuletzt dadurch wirkt die Spielwelt von „Paper Mario“ überraschend lebendig.
Generell ist es erstaunlich, dass die Spielwelt und ihre Bewohner gleichzeitig buchstäblich wie auch metaphorisch zweidimensional sind, aber trotzdem lebendig wirken. Denn bis zum letzten Winkel steckt dieses Abenteuer voller Charme. Jeder von Marios Begleitern ist sehr nett gemacht, hinzu kommen viele weitere einprägsame Charaktere, auf die Mario im Verlauf seines Abenteuers stößt. Dörfer, die große zentrale Stadt, eine Wüste, eine Vulkan-Insel, vereiste Berglandschaften – der Klempner kommt ganz schön herum in dieser wohl ausgefeiltesten Version des Pilzkönigreiches. Es gibt immer sehr viel zu entdecken und zu sammeln, so dass Forschernaturen voll auf ihre Kosten kommen.
Hier verkloppt Mario mit seinem neuen Freund Kooper (im blauen Panzer) ein paar böse Buben.
Peach setzt sich in Bewegung
Nett sind außerdem die regelmäßigen Abschnitte, in denen der Spieler die entführte Prinzessin Peach steuert. Diese ist in „Paper Mario“ nämlich anders als bei ihren hundert letzten Entführungen durch Bowser nicht untätig, sondern versucht sich aus ihrem Gefängnis zu schleichen und Informationen zu finden, die Mario helfen könnten. Mit dem Sternenkind Twink steht ihr nämlich eine Möglichkeit zur Verfügung, mit dem Klempner zu kommunizieren. Die Peach-Segmente des Spiels bieten häufig Stealth-Gameplay, was dem Abenteuer zusätzliche Abwechslung verleiht.
Die musikalische Komponente fällt im Vergleich zu anderen großen „Mario“-Spielen fast schon belanglos aus, was aber nicht heißen soll, dass der Soundtrack des Spiels nicht atmosphärisch und eingängig sei. Übrigens bietet die VC-Version von „Paper Mario“ sogar den Rumble-Effekt, für den auf dem N64 das Rumble Pak erforderlich war. Weil das GamePad aber mehr brummt als vibriert, ist der Rumble-Effekt dieser Portierung mehr schlecht als recht.
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