So oft Ubisoft es beteuert hat, so recht wollte man nach knapp einem halben Jahr als Nintendo-Fan nicht mehr daran glauben, dass „Watch_Dogs“ noch für die Wii U erscheint. Ubisoft hat aber sein Wort gehalten und seit kurzem ist das hoch ambitionierte Open World-Spiel für die Wii U erhältlich. Mit weitaus weniger Glamour und Aufsehen als noch im Sommer, denn bekannter Weise konnte „Watch_Dogs“ am Schluss seine Versprechungen, die es einst machte, nicht halten. Darüber wollen wir jetzt aber gar nicht mehr groß referieren, sondern uns viel lieber ein Bild davon machen, wie „Watch_Dogs“ sich auf der Wii U schlägt.
Hat sich das Warten gelohnt?
Während „Watch_Dogs“ für PlayStation- und Xbox-Plattformen und PC bereits im Juni erschien, guckten Nintendo-Fans in die Röhre. Mit dem Argument, dass man die Ressourcen für die Entwicklung für die Lead-Plattformen benötige und der Ankündigung, dass Ubisoft vorerst keine neuen AAA-Titel mehr für die Wii U plane, wurde das verantwortliche Team der Wii U-Version vorerst abgezogen. Erst nach der Veröffentlichung der anderen Fassungen beschäftigte sich das Team wieder damit.
„Watch_Dogs“ ist auf der Wii U identisch zu seinen Mitstreitern. Der einzige Unterschied, der sofort ins Auge sticht, ist die Integration des GamePads. Bis auf Karte und Wegpunkte, sowie der obligatorischen Off TV-Funktion, fehlten dem kleinen Team aber die Ressourcen für weitere Spielereien und Ansätze. Zumal man davon ausgehen kann, dass von oben ganz klar die Ansage gemacht wurde, den Aufwand gering zu halten, da man von der Wii U-Version sowieso keine hohen Absatzzahlen erwartete. Wahrscheinlich ist dies auch der Grund, weshalb man auf der Wii U nur mit einem Bruchteil der verfügbaren DLCs bedacht wurde.
Wenn man also „Watch_Dogs“ auf der Wii U mit seinen Mitstreitern vergleichen will, bleibt letztendlich nur der Blick auf die technischen Aspekte. „Watch_Dogs“ liegt hier näher an der PlayStation 3- und Xbox 360-Version. Ob es nun optisch einen Tick besser aussieht oder auf gleicher Stufe mit seinen Mitstreitern steht, lässt sich nur schwer sagen. Zumindest in rein optischer Hinsicht wurde mit dem Wii U-Port gute Arbeit geleistet. Aber längst nicht alles was glänzt, ist Gold. „Watch_Dogs“ hat auf der Wii U oft zu kämpfen, was man an Einbrüchen der Bildrate merkt. Gerade in wilden Verfolgungsjagden bricht die sonst einigermaßen konstante Bildrate zusammen. Eine Verfolgungsjagd unter Beschuss mit scharfen Kurven und gefährlichem Gegenverkehr zu fahren, wird dadurch zwar nicht leichter, aber auch nicht unbedingt schwerer. „Watch_Dogs“ fällt damit in eine Kategorie, mit all den anderen unsauberen Ports, die wir bereits zum Start der Wii U spielen durften. Kommen wir nun aber zum eigentlichen Spiel.
Willkommen in Chicago
In „Watch_Dogs“ schlüpft der Spieler in die Rolle von Aiden Pearce, vom Äußeren gesehen ein unauffälliger Durchschnittstyp, versteckt hinter tief sitzender Kappe und unter langem Mantel. Hinter dieser Kostümierung steckt jedoch ein wahres Mastermind, der mit seinen Fähigkeiten als Hacker in nahezu jedes Computer-System einbrechen kann – alles was er dazu braucht ist sein Smartphone. Möglich ist es ihm dank dem CtOS, eine Sicherheitssoftware, die ganz Chicago überwacht und kontrolliert, die Aiden jederzeit anzapfen kann. Wie es so kommt, geht während eines großen Coups etwas schief. Aiden findet sich unfreiwillig mitten in einer Verschwörung wieder und bei einem verunglückten Anschlag zahlt seine Nichte mit dem Leben für Aidens Fehler.
Zwischen Korruption, Gewalt und Verrat
„Watch_Dogs“ hatte das Potenzial, mit seiner Handlung und Setting den Nerv der Zeit zu treffen. Sicherheitsbehörden, die aus Sammelwut das gesamte Internet abhorchen, mit dem Vorwand potenzielle Straftaten zu verhindern – das erinnert doch an einen gewissen Herrn Snowden und dem wohl größten Thema des letzten Jahres. Doch schnell kristallisiert sich heraus, dass „Watch_Dogs“ eine andere Geschichte erzählt. Viel eher geht es um Themen wie Rache, Schuldgefühle oder Selbstjustiz; im Mittelpunkt ein verbitterter, zynischer Antiheld, dem jedes Mittel Recht ist und zu dem man nur schwer einen persönlichen Zugang finden kann. Der Umstand, dass ganz Chicago von einem gigantischen Sicherheitsapparat überwacht wird, an dem sich auch noch jeder bedient wie es ihm gerade passt, wird als selbstverständlich betrachtet und dient eher als Rahmen statt Mittelpunkt. Mit „Watch_Dogs“ bekommt man einen spannenden Rache-Thriller geboten, der zwar nur langsam seine Fahrt aufnimmt, den Spieler aber in Chicagos düstersten Ecken und Geheimnisse einführt. Schnell findet man sich zwischen Korruption, Verrat und Gewalt wieder. Öfters sieht man sich vor die Frage gestellt, ob es das alles wert ist und der Zweck wirklich die Mittel heiligt.
Ist der Abspann schließlich über den Bildschirm gelaufen, stellt sich die Frage, welche Geschichte man hier nun erzählen wollte. „Watch_Dogs“ bedient sich an gewaltigen Themenkomplexen, schneidet sie an und schafft es leider nicht, diese zufriedenstellend zu Ende zu erzählen. Sollte „Watch_Dogs“ tatsächlich die Geschichte der persönlichen Rache Aiden Pearces sein, hätte es zumindest nicht geschadet, dem zynischen Antihelden ein wenig mehr Persönlichkeit einzuhauchen. Bis auf eine Mission, in der Aiden beim Geburtstag seines Neffen auftaucht, bleibt seine persönliche Gefühlswelt meist unbeleuchtet.
Das übliche Open World-Schema
Die Missionen erstrecken sich so, wie wir es aus vielen anderen Spielen kennen, nach einem durchlaufenden Schema. Man sucht die nächste Mission auf der Karte heraus und fährt zum Ort hin, um meist etwas zu hacken, einen Gegenstand einzusammeln oder eine Zielperson ausfindig zu machen. Das ganze endet dann entweder in einer wilden Verfolgungsjagd oder brachialem Schusswechsel. Das bewährte Schema ist zwar auch in „Watch_Dogs“ unterhaltsam, doch am Schluss bleibt wenig Abweichung und Abwechslung unter dem Strich stehen, an die man sich erinnern würde.
Inwieweit man während den Missionen auf seine Fähigkeiten als Profi-Hacker zurückgreift, bleibt dem Spieler selbst überlassen. Das Übernehmen der Kameras kann sich beim Eindringen in feindliches Gebiet als äußerst nützlich erweisen, da man auf diese Weise das Gelände überprüfen und die Gegner markieren kann. Im späteren Spielverlauf kann man hierfür aber auch ein Item fertigen oder kaufen, welches diese mühselige Aufgabe übernimmt. Natürlich kann der Spieler auch kleinschrittig seine Gegner an explosive Stromkästen locken und diese per Überspannung hochjagen – schneller geht es in vielen Fällen aber, wenn man sich von Deckung zu Deckung schleicht und Gegner mit einem gezielt platziertem, schallgedämpften Schuss ausknipst. Da Pearce aber sowieso am Abzug geübt ist, kann er auch gleich ein Feuergefecht vom Zaun brechen. Nur in seltenen Fällen ist man tatsächlich darauf angewiesen, seine Umgebung zu manipulieren. Die Hacking-Möglichkeiten stellen den Großteil der Zeit so eher ein hilfreiches Instrument dar. Zugegebener weise fühlt es sich doppelt so cool an, eine gesamte Mission zu absolvieren, indem man alles von einer Kamera aus hackt, ohne sich aus seinem Versteck zu bewegen zu müssen.
Von einer Nebensache zur nächsten
Open World-typisch gibt es aber noch genügend, was der Spieler abseits der Hauptmissionen erleben kann. Wer die 100 Prozent Marke knacken möchte, bekommt einiges geboten. Etliche sammelbare Gegenstände, Verbrechen, die verhindert werden wollen, wilde Verfolgungsjagden, Aussichtspunkte in Form von Antennen, die weitere Nebenmissionen freischalten oder Freizeitvertreibe wie besinnliches Schach oder im direkten Kontrast: ein sinnfreies Trinkspiel. Dennoch bleibt es bei Nebensächlichkeiten, die ganz unterhaltsam sind, aber stets dem gleichen Schema folgen. Spätestens wenn man die dritte oder vierte Antenne zur Umgebungserschließung gehackt hat, hat man das Schema erkannt. Wie schon bei den Hauptmissionen gibt es enorm wenige Abweichungen, die einem im Gedächtnis bleiben.
Dabei gibt es einige Features, denen ich spannend entgegen gesehen hatte, die sich jedoch in der Beiläufigkeit verlaufen. Bestes Beispiel hierfür ist das Ruf-System, das rechtmäßiges Handeln belohnen und Verbrechen bestrafen soll. Zeigt man sich gegenüber den Bewohnern Chicagos hilfreich und verhindert Verbrechen steigt der Ruf unter den Bewohnern an und sie unterstützen den Spieler. Bei Verbrechen, wie das Ausrauben von Läden oder Töten von Passanten – es sei dahingestellt ob mutwillig erschossen oder unabsichtlich unter die Räder gekommen – sinkt das Ansehen bei den Bewohnern. Das soll zur Folge haben, dass man auf der Straße von Passanten erkannt wird und diese dann die Polizei alarmieren – das klingt zumindest in der Theorie spannend. Solange man nämlich nicht wie ein Berserker durch die Straßen zieht, hat das Ruf-System keinerlei nennenswerten Einfluss auf das Spielerlebnis.
Weniger ist manchmal mehr
Ähnlich verhält es sich mit Geld oder Fahrzeugen. Beiläufig kann man während des Spielverlaufs ein kleines Vermögen anhäufen, indem man die Konten jedes vorbeilaufenden Passanten mit einem einzelnen Knopfdruck hackt und sich das Geld anschließend am Automaten auszahlen lässt. Anfangs mag man sein Erspartes noch ausgeben wollen, doch schnell stellt sich die Frage: wofür überhaupt? Fahrzeuge braucht man nicht freischalten, denn viel einfacher geht es, wenn man sie sich einfach auf der Straße stiehlt. Ebenso verhält es sich mit Waffen, die man wunderbar seinen erledigten Gegnern abluchsen kann. Die Motivation hinter den diversen Minispielen geht letztendlich deswegen verloren, weil das zu gewinnende Preisgeld wertlos ist. Man merkt, dass in „Watch_Dogs“ viele gute Ideen stecken, doch es wohl schlauer gewesen wäre, sich auf weniger zu konzentrieren. So werden viele spannende Einfälle mit großem Potenzial zu vielen – bloß – unterhaltsamen Nebensächlichkeiten.
Wer tatsächlich nicht weiß was er anstellen soll, der sollte sich die Zeit nehmen und einmal in Ruhe die Passanten beobachten. Es ist beachtlich, dass man tatsächlich jedem Bewohner Chicagos in Form eines kleinen Satzes einen eigenen Hintergrund verliehen hat, der durch SMS und Telefonate, die abgehört werden können, weiter vertieft wird. Böse Zungen würden behaupten, dass die Personen auf der Straße durch ihre alltäglichen Handlungen mehr Persönlichkeit haben, als der schweigsame und kalte Protagonist Aiden Pearce.
Spannende Online-Ansätze
Außerhalb von Missionen kann es übrigens passieren, dass man von Fixern, also anderen Spielern, gehackt wird. In diesem Fall muss man seinen nun als NPC getarnten Gegenspieler finden und ausschalten, bevor dieser seinen Hack erfolgreich durchführen kann. Das erinnert zum einen an die Invasion aus „Dark Souls“ als auch dem Multiplayer-Modus von „Assassin’s Creed“, in dem es gilt in der Masse unterzutauchen. Denn ist man selbst der Hacker, sollte man sich möglichst unauffällig bewegen oder smart im Auto in einer Seitengasse verstecken. Abseits dessen gibt es noch die obligatorischen Online-Straßen-Rennen so wie Schießereien. Eine spannende Idee ist die Companion-App, die von einem Tablet oder Smartphone aus gestartet wird und sich mit dem Spiel verbindet. Auf der Konsole gilt es nun der Polizei zu entkommen, während der Spieler mit der Companion-App Fahrzeuge und Hindernisse auf der Fluchtstrecke platziert. Ein ähnliches Prinzip fand man bereits im Multiplayer von „ZombiU“.
Bisher gibt es 14 Kommentare
Es ist kein Meisterwerk, aber ich wurde sehr gut unterhalten.
Ich hoffe inständig, dass dieses Spiel, dass durchaus ein tolles Konzept hat, eine Art spirituellen Nachfolger erfährt, der die Kinderkrankheiten, die an mancher Stelle noch sind, ausbügelt.
Schade, dass Ubisoft, den Support für die WiiU langsam einstellt, zumindest im Bereich der für mich interessanten Spiele.
btw: Ich hab wohl schlechte Augen oder ähnliches. Nach AC3/4 und Watch_Dogs kann ich Framerateeinbrüche zwar bestätigen, aber was hier teilweise beschrieben wird, ist doch auch nicht mehr ehrlich, Leute..
Ja, Slowdowns, hab ich schon mal gehabt - die hatte aber auch Windwaker HD oder Bayo1/2. Die Technische Arbeit kann man hier meines Erachtens durchaus als solide betrachten. Ein wirklicher Feinschliff fehlt wohl wirklich, ja. Aber ist kein Ruckelgraus oder Diashow, wie es manche hier projizieren wollen..
Dann sollte man Spiele, wie Xenoblade Chronicles, Zelda Wind Waker HD, GTA V ( zumindest 360 und PS3 Version ) und viele weitere Spiele wohl gar nicht erst spielen...
Dieses ständige Gemeckere über Technik ist teilweise echt nicht gerecht.
Bei Spielen wie AC Unity oder Watch Dogs mag es vielleicht stimmen, dass da etwas schlampig gearbeitet wurde, aber das wird denke ich nicht für alle Ubisoft Spiele oder gar alle Videospiele, die hängen, gelten.
Man muss dabei immernoch den spielerischen Aspekt und den Inhalt beachten und dann muss man abwägen, ob es empfehlenswert oder nicht ist.
Zum Artikel: Wie immer schön geschrieben. Die Wertung ist so denke ich in Ordnung, ich finde das Spiel relativ unspektakulär, obwohl das Setting mit dem Hacken von Gegenständen eigentlich sehr viel Potenzial hätte.
Lasse mich überraschen ob ich es wie viele andere auch schrecklich finden werde oder ob es mich positiv überrascht.
Wenn es jetzt nicht im Angebot wäre hätte ich gewartet und geguckt ob ich es irgendwo billig gefunden hätte.
Hm im eShop hat es ja doch sehr viele gute Bewertungen bekommen, was irgendwie im Gegensatz zur allgemeinen Meinung steht.
Zum Review wie immer schön geschrieben