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Once Upon a Jester

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Once Upon a Jester

Im Niederländischen gibt es ein Wort, für das es vielerlei Bedeutungen gibt und was sehr gern von meinen Verwandten dort verwendet wird. Das Wort „Gezellig“ könnte man mit „eine gute Zeit haben“, „gemütlich“ oder sogar „angenehm“ beschreiben. Es bedeutet die meisten dieser Dinge zusammen, ist aber ein sehr kraftvolles Wort um eine bestimmte Gefühlslage zu beschreiben. Über das in der letzten Indie World angekündigte komödiantische Indie-Spiel „Once Upon A Jester“ des niederländischen 4-Mann-Studios Bonte Avond kann man ebenfalls vieles sagen. Es ist ein kurzes Rhythmusspiel, in dem Improvisation das zentrale Thema ist. Aber vor allem hatte ich das Gefühl, dass die Entwicklung des Spiels und das Team aus vier Musikern, das daran gearbeitet hat, unglaublich „gezellig“ waren. Auch wenn es manchmal etwas klobig wirkt, steckt doch so viel Herz und Freude in diesem Spiel, dass man es sich nicht entgehen lassen sollte, wenn man auf der Suche nach einem wirklich heilsamen Erlebnis für die eigene Seele ist.

Kampf um Blumensträuße

Im Spiel übernimmt man die Rolle von Jester, der zusammen mit seinem besten Freund Sok beschließt, an dem „Königlichen Theaterspektakel“ teilzunehmen. Bei diesem Wettbewerb, der von Prinzessin Kirstina – ja, sie wird tatsächlich so geschrieben - organisiert wird, konkurrieren Theatergruppen in drei verschiedenen Städten um 15 Blumensträuße, um eine Show für den König selbst spielen zu können.

Jester und Sok sehen darin jedoch eine perfekte Gelegenheit, den königlichen Diamanten, das funkelndste Objekt im ganzen Land, zu stehlen. Es ist nun Aufgabe der Spielenden, Improvisationsshows aufzuführen, die auf Themen basieren, die den Bewohnern der Stadt an dem jeweiligen Tag gefallen werden. Nachdem ein Plakat entworfen wurde, muss eine Show aufgeführt werden und man muss an kleinen rhythmischen Minispielen teilnehmen, um mit Sok auf der Bühne zu interagieren und so das Publikum zu begeistern um für möglichst hohe Wertungen zu sorgen.

Begeisternde niederländische Fazetten

Das Gameplay ist zugegebenermaßen sehr einfach und teils repetitiv. Man läuft durch die Stadt, spricht mit den Bewohnern sowie Bewohnerinnen und erfährt mehr über ihre Wünsche. Und all dies passt wunderbar zur simplen grafischen Präsentation, die dennoch farblich begeistert und mit ihrer fehlenden Komplexität nur gewinnt. Es sind im Gegensatz zum simplen Gameplay letztlich die Charaktere und Texte, die den unglaublichen Charme von „Once Upon A Jester“ ausmachen. Die Dialoge reichen von Wortspielen über Kommentare zur Absurdität der Welt bis hin zu den Veränderungen, die Jester und seine Freunde auf ihrer Reise durchmachen.

Das macht jede kleine Hintergrundfigur außerordentlich einprägsam, vom wandelnden Baum Boom Stam, der nach seinen Wurzeln sucht, über den Fischer am Meer, Jan den Zauberer, die drei kleinen Eisverkäufer und Bürgermeister Kletsmajoor. Wie man schon an den Namen erkennen kann, sind die Charaktere sehr niederländisch, und aufgrund persönlicher Verbindungen in die Niederlande, war es eine Freude, all die schrulligen kleinen Wortspiele zu sehen, die das Team ins Englische übersetzt hat, ebenso wie das Design der Welt. Dazu gehören auch Städtenamen wie Dorp Town (Städtische Stadt), Woud Woods (Wald Wald) und Zeehaven Harbour (Seehafen Hafen) sowie andere kleine Details wie die charakteristischen holländischen Laternen und das ganze Hintergrundgeplapper während der Lieder und in der Oberwelt, die uns immer wieder zum Lachen gebracht haben. Letztlich muss aber niemand ein Kenner der Niederlande sein, um die Faszination der Spielwelt und seiner Bewohner lieben zu lernen.

Atmosphärische Musik für ausdrucksstarke Charaktere

Auch die Musik ist ein sehr wichtiger Aspekt des Spiels. Oft fühlten wir uns an klischeehafte Serien erinnert, in der die Charaktere in kurzen, komödiantischen Liedern über ihre Gefühle oder Ereignisse singen. Wer die amerikanische Serie  „Infinity Train“ kennt, weiß wovon wir sprechen. Die trockene und direkte Ausdrucksweise von Charakteren wie Jester und Sok steht in krassem Gegensatz zu den ausführlichen Monologen, wodurch sich die Welt sehr abstrakt und vielschichtig, aber auch einladend und angenehm anfühlt. Dies ist eine meisterhafte Verbindung zu dem Gefühl, tatsächlich Improvisationstheater zu spielen. Es gibt zwar nur eine Handvoll Shows und begrenzt viele Sticker um die Plakate zu gestalten, aber die Entscheidungen, die man auf dem Weg dorthin trifft, verändern das Ergebnis jeder Aufführung. Dadurch fühlt sich das Spiel erstaunlich erfrischend an, selbst wenn man „Statue Sok“ zum vierten Mal aufführt.

Perfekte Unvollkommenheit

Das Gleiche gilt auch für die Sprachausgabe. Während der Text auf dem Bildschirm immer perfekt lesbar ist, wird jeder Charakter und jede Interaktion vom Entwicklerteam vollständig vertont. Man hört oft, dass sich das Team bei der Aufnahme direkt für den ersten Take entschieden hat und ich finde diese Unvollkommenheit funktioniert hervorragend. Man hört das Lachen, wenn Zeilen falsch ausgesprochen werden oder wenn bestimmte Akzente oder Wortspiele geäußert wurden. Es ist fast so, als wäre man mit dem Team in einem Raum und sie würden sich alles selbst ausdenken kurz bevor sie es aufnehmen, ohne zu viel zu perfektionieren.

Kultur mehr in den Fokus von Spielen setzen?

Niederländische Kultur in (internationalen) Spielen zu sehen, ist immer noch eine Seltenheit, aber es war eine Freude zu sehen, wie gut Entwickler Bonte Avond die niederländische Kultur und vor allem ihren Humor in einen interaktiven Titel übertragen hat. Die trockenen und direkten Antworten der Charaktere sind unverkennbar niederländisch. Und selbst wenn man keine besondere Verbindung zur niederländischen Kultur hat, fühlt sich das Spiel so ehrlich und selbstbewusst an, wie ein Improvisationsschauspieler auf der Bühne agieren würde.

Das Spiel lässt in seiner kurzen, aber qualitativ hohen Laufzeit nichts aus, und gerade das macht es zu einem ganz besonderen Erlebnis, wie es die Videospielelandschaft schon lange nicht mehr gesehen hat. Es ist vielleicht einer der besten Titel, den man mit jemandem spielen kann, der mit Spielen nicht so vertraut ist. Der Humor, die niedrige Einstiegshürde und das leicht verständliche Gameplay machen es zu einem großartigen Einstieg in die Welt der Videospiele.

Kleine Video-Probleme

Ein kleiner Kritikpunkt ist leider, dass die abgespielten Videos in der Spielgrafik auf der Nintendo Switch leichte Performanceprobleme haben. Der Abspann und ein großartiger Cut-Away-Gag wurden durch eine abgehackte Performance auf dem System kurz in ihrem Moment unterbrochen. Und während der Wiederspielwert der Shows ziemlich abwechslungsreich ist, hätte ich gerne weitere Shows mit zusätzlichen kreativen Bühnenobjekten gesehen.

Tatsächlich spricht dies aber nur für „Once Upon A Jester“ da man solche Zusätze perfekt als Zusatzinhalte in der Zukunft vorstellen könnte und dies seit langem ein Titel ist, bei dem ich mir einfach nur mehr von allem wünsche.

Weiterführende Links: Forum-Thread

Fazit & Wertung

Egal ob man Hardcore-Gamer oder Gelegenheitsspieler ist, wer „Once Upon A Jester“ erst gestartet hat, kann bis zum Ende des knapp vierstündigen Events nicht die Finger davon lassen und will danach nur noch mehr von Jester und Sok erleben und weiter über die vielen witzigen Momente schmunzeln. Auch wenn das Gameplay sehr simpel gehalten ist, begeistern die Spielwelt und ihre Bewohner so sehr, dass die Durchführung der kleinen Minispiele auf der Bühne sowieso zum Nebenwerk mutieren, während wir die vielen Dialoge, Monologe und Einwürfe der Zuschauer begeistert aufnehmen. Selbst wer keine niederländischen Verbindungen hat, sollte „Once Upon A Jester“ ausprobieren und einfach nur sein Herz an dieses besondere Kunstwerk verlieren.

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