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Bayonetta 3

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Bayonetta 3

Im Jahr 2009 erschien mit „Bayonetta“ das wohl wegweisendste Spiel von Platinum Games. Die rasante und präzise Action der selbstbewussten Hexe begeisterte die Presse und Spielende zugleich - zumindest diejenigen, die dem Titel eine Chance gegeben haben. Leider konnten die Verkaufszahlen die Erwartungen nicht einhalten, weshalb Sega keinen zweiten Teil bestellte - einige Jahre später aber Nintendo, die mit der Ankündigung von „Bayonetta 2“ für Wii U für eine der größten Überraschungen der Videospielgeschichte sorgten. Obwohl das Lob sogar noch größer ausfiel, konnte auch die Fortsetzung 2014 nicht zum Verkaufsschlager werden, selbst nach der Veröffentlichung auf Nintendo Switch. Doch weil Nintendo nunmal eine unberechenbare Firma ist, geht Cereza in die dritte Runde. Ob diese von Kontroversen überschattet wird, oder die Vorgänger übertroffen werden, verraten wir euch im Test.

Multiverse of Sassyness

Wer darüber besorgt war, dass Bayonetta ihre ikonische Attitüde verloren haben könnte, wird bereits nach wenigen Minuten eines besseren belehrt. Bayonetta gibt Enzo Befehle, beweist ihre Position als Modeikone und kämpft gegen gigantische Monster - und damit wäre auch schon der größte Bruch der Reihe da. Statt gegen Engel und Dämonen - obwohl diese auch eine Rolle spielen - geht es gegen Homonculi, eine mysteriöse Schöpfung, die sowohl als Menschen-artige Gegner und gigantische Monster auftreten kann. Bayonetta, Jeanne und Rodin schlagen sich zwar gut, können gegen die Übermacht aber nicht ankommen. Den Grund dafür verrät Neuling Viola, die aus einer anderen Realität kommt und miterleben musste, wie diese von den Homonculi zerstört wurde. Um die neueste Gefahr endgültig zu vernichten, müssen die sogenannten Chaos Gears gesammelt werden, von denen es nur eine pro Realität gibt. Glücklicherweise bietet eine alte Insel der Umbra-Hexen und Lumen-Weisen Portale in diese, sodass Bayonetta nicht nur alternative Welten besucht, sondern auch auf verschiedene Versionen ihrer Selbst trifft.

Im Gegensatz zum zweiten Teil, spielt die Handlung von „Bayonetta 3“ recht losgelöst von den Vorgängern. Zwar ist es ein Vorteil, diese gespielt zu haben, die Charaktere werden aber auch ohne Vorwissen gut eingeführt, sodass sich jeder schnell zurechtfindet. Dadurch, dass der Umbra-Lumen-Konflikt, sowie die Eyes of the World nun keine Rolle mehr spielen, ist die Geschichte auch sehr viel simpler geraten und dürfte wohl niemanden mehr verwirren, auch wenn übertriebene Dialoge, gigantische Spektakel und Chaos an der Tagesordnung stehen.

Ein großer Schritt

Dennoch dürfte die Handlung bei einigen Fans für Stirnrunzeln sorgen. Die genaue Erklärung dafür soll aus Spoiler-Gründen nicht genannt werden, aber Fans der Reihe müssen sich damit anfreunden, dass einige der Helden sich etwas anders verhalten, als man es gewohnt ist. Mit dem dritten Teil wollte man alles vorherige überbieten, und das hat das Team von Platinum Games definitiv geschafft. Wer überrascht werden will, wird definitiv bedient.

Gleichzeitig kann vor allem Viola punkten, die wie das Gegenstück zu Bayonetta wirkt. Sie ist chaotisch, unerfahren und lebt ihren Punk-Rock-Lebensstil, ist sich zugleich aber der großen Verantwortung bewusst, das Multiversum retten zu müssen. Und dann wären da noch die alternativen Versionen von Bayonetta, die allesamt durch ihre Eigenarten begeistern, zugleich aber den Stil der Doppelgängerin perfekt verkörpern. Jede von ihnen ist mächtig, selbstbewusst und voller One-Liner, die ins eigene Zitat-Lexikon wandern.

Gewohnt genial

Worum sich wohl niemand gesorgt hat, ist das eigentliche Kampfsystem. Dabei hat sich so einiges verändert: Es lassen sich nur noch komplette Waffensets anlegen, eine Anpassung für Hände und Füße entfällt. Das ist aber nicht schlimm, denn jedes Set kommt mit eigenen Kombos, einem angepassten Kampftempo und dermaßen vielen Eigenheiten, dass sie sich allesamt sehr unterschiedlich spielen. Puristen dürfen natürlich mit den normalen Pistolen genau die Kombos erleben, die man schon aus den Vorgängern kennt. Doch auch Neulinge brauchen keine Angst zu haben: Jede Angriffskette besteht nur aus der Kombination von zwei Knöpfen, und da das Timing sehr zugänglich ist und jede Ladezeit in einem Trainingsbildschirm stattfindet, darf sich jeder mit den Feinheiten im eigenen Tempo vertraut machen.

Die wohl ikonischste Mechanik ist ebenfalls unverändert dabei: Die Hexenzeit. Weichen Spielende im letzten Moment, bevor der Schlag eines Gegners die Hexe trifft, aus, beginnt eine Zeitlupe, während der sich Bayonetta im normalen Tempo bewegen darf. Somit lassen sich Kombos ungestört ausführen, und wer die Mechanik effektiv nutzt, braucht keine Sorge vor Gegenschlägen zu haben. Natürlich ist es nicht immer einfach, das Gegnertiming perfekt zu erahnen, doch genau darin liegt die Herausforderung, deren Belohnung immens ist. Da das im Sekundentakt passieren kann, bleiben die Kämpfe extrem schnell und Action-reich, ohne jemals zu langweilen.

Ein traumhaftes Arsenal

Die Waffenauswahl gehört zu den beeindruckendsten Elementen des Spiels. Anfangs erhält die Heldin die Colour My World-Pistolen, und kann mit denen die klassischen Angriffe ausführen. Im weiteren Verlauf erhält sie dann aber auch Yo-Yos, die Gegner auch auf größerer Entfernung treffen können, den langsameren G-Pillar, der stärkere Angriffe ausführt und viele weitere in regelmäßigen Abständen. Somit möchte man jede Waffe auskosten, bevor die nächste eingeführt wird, denn alle verfügen über eigene Mechaniken und Kombos, sodass sie sich nur selten ähneln. Glücklicherweise können stets zwei ausgerüstet werden, zwischen denen man dann sogar mitten in einer Kombo wechseln kann. Die Vielfalt ist riesig und es bleibt immer motivierend, auch zu älteren Waffen zurückzugreifen.

Auch bei der Erkundung spielen die Waffen eine Rolle. Jede von ihnen ist nämlich mit einem Dämonen verbunden, sodass Bayonetta sich während einer Kombo verwandeln kann. Ist sie im letzten Teil noch während des Laufens zum Panther geworden, verwandelt sie sich nun ebenfalls in eben jenen Dämonen - was besonders beim Dead End Express sprachlos macht, denn mit dem Bayonetta-Zug dürften nur die wenigsten rechnen. Doch auch der Doppelsprung wird davon beeinflusst, sodass sich die aktuelle Waffe nicht nur auf die Kämpfe, sondern auch auf die Erkundungen auswirkt und einige Orte sogar nur dann erreicht werden können, wenn die richtige Waffe in der Hand ist.

Haustiere im Freilauf

Bayonetta kontrollierte durch ihre Haare schon immer Dämonen, die meist in Zwischensequenzen auftauchten, um gigantische Feinde zu besiegen. Im dritten Teil lassen sie sich nun per Knopfdruck beschwören, solange die Magieleiste voll ist, welche sich recht schnell füllt. Einmal beschwört, können Lady Butterfly, eine Spinne oder auch ein Zug frei gesteuert werden und mächtige Angriffe austeilen, allerdings bleibt die Kamera stets hinter Bayonetta, die durch ihre halbnackten Tänze die riesigen Wesen steuert. Zudem sollte man die Umgebung weiterhin beachten, denn die Hexe ist in diesem Zustand wehrlos und kann nicht selbst angreifen. Was anfangs hölzern klingt, fügt sich bestens in die Spielerfahrung ein, denn die Beschwörungen können ebenso blitzschnell gestartet wie beendet werden, sodass der Kampffluss nicht unterbrochen wird. Die Dämonen lassen sich auch für den Abschluss der meisten Kombos beschwören, was nicht nur fantastisch aussieht, sondern auch großen Schaden anrichtet.

Bemerkenswert ist diese Design-Weiterentwicklung definitiv, denn die Monster sind so stark, dass man fast das Gefühl hat, sie wären übermächtig. Doch genau das macht „Bayonetta 3“ aus: Die Heldin ist zu Beginn bereits stärker als in den Vorgängern und gibt Fans genau die Fortsetzung, die sie spielerisch erwarten. Da sich jederzeit drei Dämonen ausrüsten und per Knopfdruck abändern lassen, wird auch hier die Vielfalt groß geschrieben. Das ist auch notwendig, denn die Gegner bleiben abwechslungsreich, werden immer Größer und spätestens in den gigantischen Bosskämpfen kommen ihre Fähigkeiten vollständig zum Einsatz.

Eine zweite Protagonistin

In einigen Kapiteln steuern Spielende Viola, die sich stark von Bayonetta unterscheidet. Bei ihr dreht sich alles um ein Katana, das natürlich eigene Kombos mitbringt, die Waffe lässt sich aber nicht wechseln. Das wäre bei ihren Fähigkeiten auch unmöglich, denn obwohl sie einen Ausweichschritt beherrscht, löst dieser keine Hexenzeit aus. Vielmehr muss sie Angriffe im letzten Moment abwehren und kann auch sonst mit ihrem Schwert blocken. Das mag zuerst wie eine kleine Abwandlung klingen, bereits in den ersten Kämpfen ergibt sich aber ein völlig anderes Kampftempo. Das Parieren benötigt ein deutlich besseres Timing als das Ausweichen, und wer dieses nicht verinnerlicht, dürfte regelmäßig getroffen werden. Bis zum Schluss bleibt Bayonetta deshalb die spaßigere Protagonistin, denn ihre Vielfalt ist schlichtweg größer. Wer Violas Schwert-Mechaniken perfektioniert, wird zwar einen ebenso rasanten Spielfluss erreichen, dahin zu kommen, ist aber deutlich schwieriger.

Auch die junge Hexe darf einen Dämonen beschwören, der jedoch nicht durch Haare kontrolliert wird und über eine eigene Persönlichkeit verfügt. Cheshire ist eine riesige Katze, die per Knopfdruck beschworen wird und dann sogar eigenständig kämpft. Zwar verliert Viola währenddessen ihr Schwert, kann dafür aber weiterhin kämpfen, was zu interessanten Situationen führt, wenn ein großer und mehrere kleine Gegner auf dem Schlachtfeld sind. Zwar ändert das nichts an ihrem recht eingeschränkten Moveset, bringt aber etwas von der Macht mit, die Bayonetta stets besitzt. Da die Titelheldin aber auch deutlich häufiger gesteuert wird, fügt sich Viola gut in das Abenteuer ein und bietet noch mehr Abwechslung in einem Titel, der sich Kapitel für Kapitel neu entdeckt.

Abwechslungsreiche Abwechslung

Bereits der erste Kampf beeindruckt durch eine Kulisse voller Details und Chaos, und das entwickelt sich dann sehr schnell zu einer Reise durch zerstörte Gebiete, in denen ständig etwas explodiert, Gebäude entzwei gerissen werden und all das nur für wenige Sekunden auf dem Bildschirm bleibt, bevor das nächste Spektakel eingeblendet wird. „Bayonetta 3“ bewegt sich in einem wahnsinnigen Tempo und obwohl die Realität nicht in jedem Kapitel gewechselt wird, bieten sie genügend Abwechslung, um durchweg interessant zu bleiben. Es ist wirklich beeindruckend, wie viel Platinum Games in die Spielzeit gesteckt haben, um ein noch rasanteres Tempo zu erreichen, als in den Vorgängern.

Glücklicherweise sind die Level diesmal auch meist weitläufiger gestaltet. Zwar gibt es immer einen klaren, linearen Pfad, wer abseits davon erkunden möchte, darf sich aber auch alternative Routen, zahlreiche Verstecke voller Sammelgegenstände und sogar viele optionale Kämpfe freuen, von denen einige unter bestimmten Bedingungen absolviert werden können. Dadurch fühlt sich der Titel offener an als jemals zuvor, während die Kulissen erneut beweisen können, wie vielfältig sie sind, egal ob in Japan oder Ägypten. Als Ruhepol dient immer wieder die Portal-Insel, die zwar auch Kämpfe bietet, insgesamt aber als halboffene Auszeit mit noch mehr Verstecken und weitläufigen Flächen verstanden werden kann.

Die Herzensdame

Natürlich wäre kein „Bayonetta“ komplett ohne Jeanne, die in den Nebenmissionen, die absolviert werden müssen, ihre Künste unter Beweis stellen darf. Sie muss den Professor Sigurd finden, weshalb sie eine riesige Fabrik infiltrieren muss, was spielerisch in 2D abläuft. Theoretisch könnte man diese Abschnitte als Stealth-Passagen beschreiben, denn solange Gegner Jeanne nicht entdecken, kann sie diese per Knopfdruck direkt erledigen oder sich in Türen und Luftschächten verstecken. Im Endeffekt macht das aber nicht wirklich viel aus, denn es gibt verschiedene Schusswaffen, Jeanne kann jeden Feind verprügeln und der Timer ist so großzügig, dass Schnelligkeit kein Thema ist.

Obwohl diese Passagen wunderbar inszeniert wurden, vor allem durch ein unverkennliches Intro, kommen sie zu selten vor, als dass sich echte spielerische Tiefe ergeben könnte. Zudem gibt es bereits bei der geringen Anzahl einige Variationen, sodass das eigentliche Spielprinzip kaum zum Einsatz kommt. Dennoch lockern die Passagen den Titel auf, und wer kein tiefgreifendes Gameplay erwartet, sondern den gewohnten Wahnsinn in einer anderen Perspektive, dürfte auf seine Kosten kommen. Schade nur, dass aus dem Konzept nicht mehr gemacht wurde.

Die technischen Grenzen

Grandiose Action, einen riesigen Haufen an Effekten, abwechslungsreiche Ortschaften, an jeder Ecke neue Kämpfe und etwas zu Entdecken - klingt zu schön um wahr zu sein, doch all das bietet „Bayonetta“ mit einer bemerkenswerten Liebe zum Detail. Der Stil sieht fantastisch aus, die Animationen könnten nicht besser sein und die Charaktermodelle, egal wie viel Kleidung sie tragen, setzen für Platinum Games neue Maßstäbe.

Das sollte man im Hinterkopf behalten, denn um das zu ermöglichen musste man alles aus der Nintendo Switch rausholen, und ist dabei an die Grenzen gestoßen. Die Auflösung im TV-Modus ist in Ordnung, denn obwohl wir keine genauen Werte nennen können, kann die Action erstrahlen, und bis auf nachladende Texturen bleibt das Spiel auf dem Niveau des Vorgängers. Die Bildrate bleibt nicht bei konstanten 60, doch stören tut das nie, da sie nur für sehr kurze Momente absackt. Der Handheld-Modus ist da schon eine andere Geschichte, denn hier wird die Auflösung so stark runtergeschraubt, dass einige Szenen und Kämpfe nicht mehr ansehnlich sind. Zwar bleibt der Titel spielbar, weil auch hier die Bildrate eine bemerkenswerte Leistung hinlegt, der TV-Modus ist aber die klare Empfehlung - auch wenn sogar hier die Kamera nicht immer eine perfekte Übersicht ermöglicht.

Musikalisch wird ebenfalls eine Bombe abgefeuert, denn jeder neue Song ist schlichtweg großartig geworden und verkörpert den Stil, der „Bayonetta“ zu einer Ikone hat werden lassen. Auch die Synchronisation ist fantastisch, denn sowohl Jennifer Hale, als auch der Rest des Casts leisten einen phänomenalen Job.

Weiterführende Links: Forum-Thread

Fazit & Wertung

„Bayonetta 3“ ist ein Action-Feuerwerk der Extraklasse, das den bereits genialen Vorgänger übertrifft. Das rasante Spektakel gepaart mit dem perfektionierten Kampfsystem stellt einen neuen Genre-Höhepunkt dar, an dem sich zukünftige Titel messen müssen. Dabei ist beeindruckend, wie abwechslungsreich der Titel bleibt, sowohl durch neue Waffen, Charaktere und Dämonen, als auch durch spannende Schauplätze und Bosskämpfe. Um das zu ermöglichen, kratzt man am Limit der Konsole, doch die kleinen Kritikpunkte, und auch die etwas schwache Geschichte verzeiht man gerne, wenn die Ikone Bayonetta über den Bildschirm tanzt. „Bayonetta 3“ ist ein Meisterwerk, das niemand verpassen sollte.

Bisher gibt es vier Kommentare

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  • Avatar von BIGBen
    BIGBen 27.10.2022, 16:41
    Mal sehen, ob ich mir das diesmal wieder hole. Mit Teil 2 hatte ich zwar auch eine Zeit lang Spaß, aber habe es nicht bis zum Ende durchgezogen, weil es mir dann doch zu repititiv war.
  • Avatar von Alex
    Alex 26.10.2022, 19:31
    Danke für das ausführliche Review! Freut mich, dass das Spiel so gut weg kommt. An der Bayonetta-Reihe ist insgesamt einfach wenig auszusetzen und hält die gute Qualität bei
  • Avatar von Garo
    Garo 25.10.2022, 17:16
    Da scheint ja Platinum wieder was richtig gutes abgeliefert zu haben. Ich freue mich für die Fans!
  • Avatar von Marlonius
    Marlonius 25.10.2022, 16:47
    Das hört sich ja wirklich verdammt gut an. Klingt ja, als wäre hier ein neues Ocarina of Time erschaffen worden. Ich bin mal gespannt was die anderen hier so über das Spiel schreiben werden.