Ich liebe „Deadly Premonition“. Obwohl das Spiel in unserem Review keinen Award erhielt, halte ich es für eines der besten Werke aller Zeiten. Das liegt an den wahnsinnig interessanten Gameplay-Ideen, dem speziellen Konzept der offenen Welt, dem einzigartigen Stil und der überragenden Geschichte, die einen nicht loslässt. Umso erfreuter war ich, als ein Nachfolger angekündigt wurde – etwas, mit dem ich nie gerechnet hätte. Und es tut schon fast weh, es zu sagen, aber „Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise“ ist eine peinliche Katastrophe, die sich nicht einmal Fans antun sollten.
Zwischen York und Zach
Die Geschichte wird anhand von Flashbacks erzählt, wobei das eigentliche Geschehen in 2019 spielt. Dort steuern Spieler die FBI-Agentin Aaliyah Davis, die die Entführung einer jungen Frau aufklären will. Die Lösung scheint Francis Zach Morgan zu sein, der nach den Ereignissen von „Deadly Premonition“ nun seine eigene Person sein sollte. Tatsächlich haben der tragische Tod von Emily sowie seine Trennung von York aber zu einem waschechten Trauma geführt, weshalb er isoliert lebt und seinen Körper durch Drogen zerstört hat.
Morgan in diesem Zustand zu sehen mag für Fans schockierend sein, doch hätte die Geschichte in eine interessante Richtung lenken können. Zach weicht Fragen aus, versucht das Gespräch unter seine Kontrolle zu bringen und möchte beim Geheimnis rund um das vermisste Mädchen scheinbar kaum helfen. Dass mehr dahintersteckt, ist klar – leider aber so klar, dass man 80% der großen Twists nach dem ersten Kapitel erahnen kann. Zudem sollte man Geduld mitbringen, denn die erste halbe Stunde besteht ausschließlich aus Dialogen.
Ein gigantischer Rückschritt
„Deadly Premonition“ war ein technisch grausames Werk, doch es hatte einen gewissen Stil, der die miese Bildrate, die Tonfehler und die veraltet animierten Bewegungen überraschenderweise wett machen konnte. Genau das fehlt in „Deadly Premonition 2“, denn das Spiel gehört zu den hässlichsten Titeln für Nintendo Switch. Der Wechsel zu Cel-Shading ist keine pauschal schlechte Entscheidung, in diesem Fall wurde es aber katastrophal umgesetzt. Die klare Linie zwischen Objekten verwischt, die Kantenglättung gibt es einfach nicht – obwohl sie bei diesem Stil so wichtig ist – und die Texturen sind derart niedrig aufgelöst, dass viele Flächen aus sichtbar großen Quadraten bestehen.
Noch schlimmer sind leider die Charaktermodelle. Diese sehen so aus, als ob sie zwei Konsolengenerationen vor dem ersten Teil erschienen wären und bewegen sich kaum. Konnte der Erstling noch Dynamik in die Animationen bringen, fehlt sie nun komplett. Manchmal bleiben Charaktere über ein gesamtes Gespräch hinweg wie eine leblose Puppe stehen, manchmal wechseln sie zwischen drei Posen und niemals vermitteln sie den Eindruck, dass sie wirklich animiert wurden. So etwas erwartet man aus den Tiefen von Steam, nicht aber auf Nintendo Switch.
Mehr Bilder als Videos
Als ob die grausame Grafik und Inszenierung nicht schon schlimm genug wären, hilft diesen Einschränkungen nicht einmal die Bildrate. Diese ist in Innenräumen relativ stabil, solange die Räume nicht zu groß sind und sich keine Gegner bewegen. Doch in der offenen Welt, wo man die meiste Zeit verbringen wird, wirkt die Kritik gegenüber Titeln wie „Saints Row The Third“ plötzlich wie Meckern auf hohem Niveau. Wer die Kamera dreht, darf sich auf Bildraten im EINSTELLIGEN Bereich einstellen – und das kontinuierlich. Es gibt kaum einen Ort, in dem auch nur ansatzweise die für das Auge deutlich angenehmeren 30 Bilder pro Sekunde erreicht werden.
Zwar gewöhnt sich das Auge nach einiger Zeit an dieses Ruckelfest, doch wir mussten häufig Pausen einlegen, da Kopfschmerzen nicht ausbleiben. Selbst der Vorgänger war technisch ein meilenweit besseres Paket, denn „Deadly Premonition 2“ wirkt wie ein Spiel, das noch nicht einmal für den Early Access geeignet ist. Die starren Figuren, die ständig nachladende Welt, die grausame Bildrate, die langen Ladezeiten, die lieblosen Animationen – all das sorgt dafür, dass das Spiel seine technischen Probleme eben nicht durch die Liebe zum Detail – die sich auf wenige Räume beschränkt – wett machen kann.
Der Le Carré-Clan
Die Geschichte kann passenderweise nur am Charme des Vorgängers kratzen, scheitert aber beim Versuch, von selbst Spannung aufzubauen. Im Zentrum steht die Droge Saint Rouge, die aber nur Mittel zum Zweck ist, um ein Familiendrama zu enthüllen. Eine junge Frau wird nämlich auf bestialische Weise ermordet, doch ihre reiche Familie ist nicht dazu bereit, mit den Behörden zu kooperieren. Wir können an dieser Stelle nicht zum Spoilern übergehen, doch bereits am Ende des ersten Kapitels wird das Mysterium zum Großteil gelüftet. Anschließend gibt es über den restlichen Spielverlauf ein wenig Kontext, zusätzliche Informationen und Ereignisse, die man erahnt, finden dann auch statt.
Wer ein Beispiel braucht: „Deadly Premonition 2“ fühlt sich so an, als ob im Vorgänger der Mörder bereits nach dem dritten Kapitel enthüllt worden wäre. Die Spannungkurve fällt flach, auch weil das Familiengeheimnis einfach nicht interessant ist. Die Charaktere sind gnadenlose Stereotypen, ohne Tiefe oder vielschichte Motivationen. Recht schnell wird deutlich, was vor sich geht, doch die Frage nach dem Warum bleibt zumindest länger. Leider ist der Plan dahinter derart dumm, dass es sich gar nicht lohnt, die Zeit zu investieren. Von den bombastischen Momenten des Vorgängers ist das Spiel meilenweit entfernt und wäre spektakulärer inszeniert, wenn es sich um ein Visual Novel handeln würde. Und wenn wir schon über Klischees sprechen: Es macht wütend, dass dieses Spiel ausgerechnet vom Macher von „The Missing: J.J. Macfield and the Island of Memories“ stammt.
Der Fetch Quest-Simulator
Spielerisch wird ein sehr langweiliger Mix geboten. Die meiste Zeit über muss York stupide Aufträge erfüllen, davon gibt es jeweils zwei große pro Kapitel, deren Reihenfolge man selbst bestimmen darf. Einen Unterschied macht das am Ende aber nicht, denn jede Aufgabe besteht darin, Charakteren etwas zu bringen oder schlicht zum nächsten Questmarker zu fahren. Ein Auto gibt es diesmal nicht, dafür aber ein Skateboard, das ein ähnlich grausames Geräusch macht – hier kommt der verrückte Charme zumindest ein bisschen durch. York kann sogar Tricks anwenden, und obwohl er sich auf dem Brett sehr hölzern steuert, und sich die Fahrten schnell abnutzen, funktioniert das besser als das Auto des Vorgängers. Man kann sogar einige Tricks lernen, bis auf einen ist das aber rein optional.
Die Aufgaben dienen eigentlich nur dazu, York zu Charakteren zu führen. In den Momenten, in denen Materialien gesucht werden müssen, kommt deshalb große Langeweile auf, denn durch die offene Welt zu fahren wird nicht nur durch die Bildrate zur Qual, sondern auch durch ständig aufploppende Texturen. Es gibt Strafen, wenn man Passanten anfährt, doch wie soll man das verhindern, wenn sie einen Meter vor dem Aufprall erst aus dem Nichts auftauchen?
Same Procedure as last Chapter
Häufig muss der Spieler nur zum Ziel laufen oder fahren, um dort dann etwas per Fokus-Blick zu suchen. Dadurch werden alle interessanten Punkte in der Umgebung auf der Karte eingezeichnet, von für Missionen wichtige Orte bis hin zu den zahlreichen Items. Wirklich notwendig ist das aber nicht, denn wer genügend Heilmittel, Nahrung, Munition und Gegengift kauft, ist bis zum Ende bestens für alle Gefahren gerüstet.
Das Problem besteht nicht nur in den langweiligen, monotonen Aufgaben, sondern auch in den damit verbundenen Szenen. Die Charaktere sind verrückt, doch bieten sie keinerlei Tiefe. Optionale Gespräche lassen sich freischalten, bis auf die eigentliche Familie im Kern sind die Figuren aber nicht gerade ausgearbeitet. Es wird lediglich an der Fassade gekratzt, und das obwohl genügend Potential vorhanden wäre. Genaue Beispiele müssen an dieser Stelle leider ausbleiben.
Kein Holz aus Greenvale
Ein weiteres grundlegendes Problem von „Deadly Premonition 2“ ist Le Carré selbst. Greenvale war noch ein Ort voller Persönlichkeit, man folgte Charakteren, beobachtete diese in ihren Häusern und fühlte schnell eine Verbindung mit dem von Twin Peaks inspirierten Dorf. All das fehlt in Le Carré, vielleicht auch, weil Swery, der Schöpfer des Spiels, versucht, sich von dem Vorgänger deutlich zu distanzieren. Le Carré ist farbenfroh, selbst in der Nacht hell und könnte wie eine lebendige Kulisse wirken, doch das Fehlen von sichtbaren Passanten und die sehr starre Darstellung verhindern, dass der Spieler sich für den Ort interessiert. War Greenvale noch glaubwürdig, gibt es in Le Carré kaum etwas zu sehen, die Erkundung lohnt sich nicht und Charaktere laufen lediglich von Station zu Station, anstatt einen echten Tagesablauf zu haben. Selbst wichtige Orte wie die Polizeistation bestehen aus austauschbaren Räumen, doch die meisten Gebäude lassen sich sowieso nicht betreten.
Zudem wurde die Zeitmechanik leider verschlimmert. Erneut haben viele Läden nur zu einer bestimmten Zeit geöffnet, und um die Zeit vergehen zu lassen, muss man entweder im Hotelzimmer schlafen, was eine erhebliche Summe kostet, oder rauchen, um einige Stunden vergehen zu lassen. Letzteres kann zum Problem werden, denn in der Nacht wird der Ort von bösen Geistern heimgesucht, weshalb es immer die bessere Option ist, im Hotel zu bleiben. Zwar kann man sich vor den Wesen schützen, indem man an einer Feuerstelle schläft, doch darunter leidet die Hygiene – die dann aber nur optische Auswirkungen hat. Besonders bitter wird es, wenn man mehrere Tage verstreichen lassen muss, denn die gebotenen Aktivitäten sind es nicht wert, die Welt zu erkunden.
Unwichtiger geht es kaum
Ja es gibt sie, die Nebenmissionen, die diesmal allerdings passend zum Spiel kaum dafür sorgen, dass einem die Charaktere stärker ans Herz wachsen. Waren die vorherigen Aufgaben noch mit vielen Interaktionen verbunden, geht es diesmal lediglich darum, eine bestimmte Anzahl an Gegnern zu besiegen, Items ohne Richtungsangabe zu suchen oder sich zahlreiche Dialoge anzuhören, deren Themen sich als „Nichts“ beschreiben lassen. Dabei wäre das eine wunderbare Möglichkeit gewesen, um die Nebencharaktere auszuschmücken, am Ende erhält man aber lediglich kurze Passagen, in denen sie über ihr Leben sprechen – häufig so klischeehaft, dass man sich jedes Detail schon vorher denken kann. Wenn die Geschichte es nicht schafft, ihre Hauptfiguren auszuschmücken, sollte es einen nicht wundern, dass das mit den Nebendarstellern erst recht nicht funktioniert.
Es gibt noch noch andere Aktivitäten, zum Beispiel ein Bowling Mini-Spiel, das durch die Eingabeverzögerung zum schlechtesten Bowling-Spiel aller Zeiten wird. Die Mini-Spiele aus dem Vorgänger waren bereits nichts, worüber man sprechen wollte, doch die hier vorhandenen sind erheblich schlechter. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, Objekte herzustellen, die passive Boni mitbringen, doch da das Spiel extrem einfach ist, kann man sich die Zeit auch sparen und diesen Aspekt komplett ignorieren.
Schnipp, Schnapp
Ein Kritikpunkt, der bis heute laut bleibt, sind die von „Resident Evil 4“ inspirierten Passagen des Vorgängers. Dort fand sich York ständig in einer Parallelwelt wieder, in der er gegen Geister kämpfen musste und vom Red Coat Killer verfolgt wurde. Und selbst hier schafft es „Deadly Premonition 2“, sich zu unterbieten, indem eine erheblich schlechtere Alternative geboten wird. Die Kämpfe gibt es nämlich wieder, allerdings in jeder Nacht, und da die Bildrate in der offenen Welt auch dann nicht besser wird, kennt das Ruckelfest keine Grenzen. Es wird schwierig, die Gegner zu treffen, außer mit aufgeladenen Schüssen, die diese verfolgen.
Dann wären da noch die verpflichtenden Dungeons, denn bereits zum Ende des ersten Kapitels entscheidet sich das Spiel, ein Dungeoncrawler zu werden. Es geht durch enge Gänge, die immer wieder durch kleine Räume getrennt werden, während man Gegnerwellen besiegt. Da es nicht viele Gegnerarten gibt, sie keinen Kontext in der Geschichte finden und es eine Methode gibt, um jeden Kampf zu gewinnen, ohne sich auch nur zu bewegen, beläuft sich der Spaßfaktor auf ein absolutes Minimum. Das alles ist besonders deshalb traurig, weil hier die schlechtesten Aspekte des Vorgängers in noch schlechterer Form zurückgebracht werden. Dort war es wenigstens noch interessant, die zuvor besuchten Orte in einer schaurigen Atmosphäre zu sehen und kleine Rätsel zu lösen. All das weicht stupiden Kämpfen und der immer gleichen Kulisse. Vielfalt kann man vergessen, denn obwohl wir nicht wissen, ob es mehrere Munitionstypen gibt, ist das Spiel auch mit normalen Patronen dermaßen leicht, dass man zu keinem Zeitpunkt gefordert wird – selbst bei den Bossen.
Ein einziges Trauerspiel
Wer das „Deadly Premonition“-Universum gut kennt, dürfte häufig schief gucken, denn in vielen Aspekten widerspricht der Titel sogar seinem chronologischen Nachfolger. Dabei sind insbesondere die Momente, in denen Elemente aus dem legendären Titel vorkommen, die interessantesten – ein Payoff gibt es dann aber nicht. Selbst die Szenen in 2019 bieten viele wunderbare Puzzlestücke, die zum Finale hin dann unwichtiger kaum sein könnten. Man kann sich lediglich auf Yorks verschrobene Art freuen, denn diese bringt einen immer wieder zum Lächeln, wenn auch nicht durchgehend. Deshalb versucht man im ersten Kapitel noch, sich die Schwächen schön zu reden, im zweiten Kapitel ist das aber nicht mehr möglich.
Am besten dürften wohl die leider sehr wenigen Momente sein, in denen die Dialoge so verrückt, verwirrend und haarsträubend werden, wie man sie aus dem Vorgänger kennt. Häufig passiert das nicht, aber wenn, dann kommt es zu überschwänglicher Freude, weil man für einen kurzen Moment das Gefühl hat, die immense Zeitinvestition habe sich gelohnt. Und dann wäre da das große Finale, das plötzlich zur Höchstform auffährt – so hätte das Spiel aber schon von der ersten Sekunde an sein müssen. Am Ende kommen die guten Momente zu spät und können die regelrechten Qualen nicht wett machen. Glücklicherweise ist das Spiel auch erheblich kürzer als Teil eins, wobei wir keine genaue Angabe machen können: Stellt man die Nintendo Switch in den Schlafmodus, läuft der Timer im Spiel weiter. Und dann wäre da noch die Synchronisation, die überraschend gut geworden ist und vor allem durch die Menge an gesprochenen Zeilen überzeugt. Die Musik ist im Gegensatz zum gesamten Rest sogar grandios, egal ob bekannte oder neue Stücke.
Bisher gibt es 19 Kommentare
Deadly Promenadenmischung 2 erscheint noch dieses Jahr für Steam wird sicherlich der neue Benchmark für Gaming PC´s
Extrem schade, hätte nicht gedacht, dass sie es dermaßen verhunzen. Dennoch ließt sich dein Review so als ob du den Vorgänger wesentlich besser und hübscher in Erinnerung hast als es in Wirklichkeit der Fall war. Immerhin ist das Originalspiel bereits vor 10 Jahre erschienen.
Hab die verbesserte Switch Version erst kürzlich gespielt. Ich fand es nach ein paar Stunden richtig toll. Vor allem wegen der Story. Aber das Gameplay, die Steuerung, die Grafik, die Charakteranimationen, die Framerate, etc war dort genauso großteils schon mies und sehr überholt. Zudem war die Stadt bereits in Teil 1 wie ausgestorben, starr und lieblos. Alles sah in der offenen Stadt gleich aus und mit matschigen, billigen Texturen. Die Nebenmissionen unnötig und monoton. Die Autofahrten eine Katastrophe und die Charaktere großteils klischeehaft. Wie gesagt, einzig die Story hat alles raus gerissen. Denn das Gameplay selbst war in den "Dungeons" großteils monoton und hat sich meistens nach dem selben Muster abgespielt und war oft vorhersehbar was gleich wieder folgt. Ich weiß nicht ob du die Switch Version auch gespielt hast, aber für mich klingt es einfach nach dem typischen Problem, dass man Spiele von früher schöner und besser in Erinnerung hat als sie dann in der Realität wirklich sind/waren. Man ist über die vielen Jahre einfach anderes gewohnt, das Spiel ist aber großteils im Damals stecken geblieben.
Ok wow, diese "Framerate"
hach . einfach herrlich unterhaltsam
Und ich bin allgemein sehr Schrott Tolerant und kann auch mit Spielen, die nicht so perfekt laufen viel Spaß haben, wenn der Rest halt stimmt.
Die Lizenz der Kyle Hyde-Games liegt ja bei Nintendo.
https://www.dualshockers.com/deadly-...tion-2-review/
@Tiago: DAS wäre doch mal ein Kandidat für Eingelegt & Angezockt.