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The Stretchers (eShop)

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The Stretchers

Was geschieht, wenn man die Koop-Erfahrung eines „Overcooked“ mit dem Gameplay von „Crazy Taxi“ allein lässt? So oder so ähnlich könnte eine Frage lauten, mit der man sich nach der Spielerfahrung von „The Stretchers“ informiert. Das von Tarsier Studios entwickelte und von Nintendo veröffentlichte Nindie-Spiel stammt von den gleichen Entwicklern, die auch hinter „Little Nightmares“ stehen und wir wollen sehen, wie viel Spielspaß in der kreativen Idee des Spiels steckt.

Und zwischen uns die Bahre

Die titelgebenden Bahren spielen in „The Stretchers“ eine wortwörtlich tragende Rolle, auch wenn sie von den Übersetzern bei der Umsetzung ins Deutsche als einziges Wort im Spiel vernachlässigt wurden. Dazu aber später mehr.

„The Stretchers“ ist ein Action- und Puzzlespiel, in dem zwei Sanitäter gespielt werden, um die Bewohner der Grünschnabelinsel vor dem Bösewicht Dr. Brain zu retten, welcher dafür sorgt, dass allen Bewohnern plötzlich wirr im Kopf wird. Dazu müssen die vom Spieler gesteuerten Sanitäter über die Straßen einer offenen Welt in ihrem Krankenwagen zu bestimmten Orten düsen, in denen die Kranken auf sie warten. Vielmehr muss zur nicht vertonten Story auch nicht gesagt werden, da diese eigentlich nur Mittel zum Zweck ist, als wirklich tiefgehend oder unvorhersehbar zu sein. Fans einer intensiven Story gehen bei „The Stretchers“ genauso leer aus wie Fans einer spannenden Charakterentwicklung. Sowohl die spielbaren Figuren als auch alle an der Story beteiligten Charaktere bleiben bis zum Ende jeglicher Tiefe und Entwicklung fern und wirken insgesamt mehr als austauschbar. Jeder Ort ist nach einem ähnlichen Prinzip konzipiert, bietet aber jedes Mal genügend Abwechslung im Vergleich zu seinem regionalen Nachbarn. Zuerst müssen die Kranken gefunden werden, normalerweise sind es sechs pro Mission, dann müssen die richtigen Wege gefunden werden um die Kranken entlang von Laufbändern, Hebeln und Plattformen zum Krankenwagen zu transportieren. Dafür benötigt man nicht unbedingt die namensgebende Krankentrage. Mit dem Wissen, dass wir die Patienten auf ihr stapeln können, ist sie aber in allen Fällen die bessere Wahl. Und da jeder der beiden Sanitäter eine ausfahrbare Trage in seinem oder ihrem Rucksack bei sich trägt, ist sie immer in Reichweite. Es sollte klar sein, dass der Weg zum Krankenwagen nicht die einzige Herausforderung im Spiel darstellt.

Besser zweisam als einsam

Die eigentliche Herausforderung des Spiels besteht darin, die Bewegungen beider Sanitäter aufeinander abzustimmen, entweder allein oder zu zweit. „The Stretchers“ ist ein Titel, der in erster Linie für zwei Spieler entwickelt wurde, was außerdem dadurch ersichtlich wird, dass dies die erste Option ist, die beim Starten des Spiels angeboten wird. In diesem Fall nimmt jeder Spieler einen Joy-Con horizontal und steuert einen Charakter, entweder Mann oder Frau, mit weiteren Anpassungsmöglichkeiten. Die Nutzung anderer Controllerarten, wie zum Beispiel des Pro Controllers, ist nicht möglich. Was durchaus fragwürdig ist, da keine explizite Eigenschaft der Joy-Con genutzt wird, welche es nicht erlauben würde auch eine Alternative zu nutzen. Je nachdem wie gut sich die beiden Spieler kennen und wie viel Erfahrung sie mit ähnlichen Spielen haben, kann es anfangs ein wenig Zeit und Nerven kosten, die Bewegungen aufeinander abzustimmen. Beide Charaktere werden auf dem gleichen Bildschirm gesteuert und es muss abgestimmt werden, wer was tut. Zum Beispiel bedient einer einen Mechanismus, der den Zugang zu einem Patienten ermöglicht, so dass der andere ihn retten kann. Manchmal sind einige Patienten zu schwer, um von einem einzelnen Sanitäter getragen beziehungsweise gezogen zu werden. Dann ist es nötig, dass ein Sanitäter die Arme des unglücklichen Patienten und der andere die Füße greift, wobei alle greifbaren Bereiche mit farbigen Kreisen markiert werden. In diesen Fällen ist es empfehlenswerter, die Krankentrage zu benutzen, was außerdem eine schnellere Bewegungsmöglichkeit der Sanitäter mit sich bringt. Im Gegenzug muss darauf geachtet werden, den Patienten auf dem Weg zurück nicht zu verlieren. Dies wird neben der verpflichtenden Absprache der beiden Spieler auch durch die sehr sensible Steuerung erschwert, welche kleine Fehler direkt bestraft.

Es ist durchaus möglich, das Spiel auch allein zu bestreiten. Dies ist jedoch um ein Vielfaches komplizierter, da die oben erklärten Schritte von einem einzelnen Spieler mit zwei Joy-Con, diesmal vertikal, durchgeführt werden, der in diesem Fall beide Sanitäter gleichzeitig anweisen muss. Beginnt man das Spiel allein, vergehen die ersten Minuten mit einem großen Gefühl der Überforderung, da die separate Steuerung beider Sanitäter gleichzeitig sehr verwirrend sein kann. Auch wenn sich der Spieler daran gewöhnt hat, wirkt diese Art der Steuerung nie natürlich und es vergeht keine Mission ohne Ärger darüber, dass man mal wieder die Knöpfe vertauscht hat, weil man dachte es handle sich um den jeweils anderen Sanitäter. Die sensible Steuerung ist in diesem Falle erneut keine Hilfe, da die Trage inklusive Patienten auf diesem Wege sehr schnell auf dem Boden landet, wenn beispielsweise aus Versehen beide Sanitäter nicht exakt in die selbe Richtung steuern. Wenn in einem anderen Falle beide Sanitäter einen oder mehrere Patienten auf der Trage über eine schmale Brücke transportieren, ist die Nervenkrise somit vorprogrammiert. Insgesamt wäre also die optionale Steuerung des zweiten Sanitäters durch einen computergestützten Mitspieler eine vorteilhafte Idee gewesen.

Kein sorgenfreies Erlebnis

Auch wenn die Kamera gut funktioniert, kommt es durch die isometrische Perspektive zu Situationen, in denen es schwer fällt, den von oben herunter fallenden Patienten zu fangen, während man versucht die fünf Patienten auf der Trage nicht fallen zu lassen. In anderen Momenten stößt man gegen scheinbar unpassierbare Insekten und enge Passagen, die sehr viel Fingerspitzengefühl verlangen. Was sich durch die oben angesprochene sensible Steuerung ein wenig unfair anfühlt, da man offensichtlich die Hitboxen einiger Gegenstände nicht mit der gleichen Genauigkeit versorgt hat wie die Steuerung.

„The Stretchers“ ist ein Spiel, welches sich in zwei Teile aufspalten lässt. Einerseits gibt es die verschiedenen Orte mitsamt den dort stattfindenden Missionen. Andererseits die Insel, beziehungsweise die Inseln, auf denen die Handlung stattfindet und die wie eine offene Welt konzipiert sind. Hier kann man sich frei bewegen oder mit dem Krankenwagen ganz im Stile eines „Crazy Taxi“ umherfahren, um zu den Missionen zu gelangen oder kleine Nebenmissionen und Geheimnisse zu entdecken. Sorgen um das Fahrzeug sind unbegründet. Jede Kollision mit einem Haus, Auto oder der teilweise zerstörbaren Umgebung bleibt folgenlos für die Karosserie und wird, zusätzlich zu den waghalsigen Sprüngen über Rampen, teilweise mit wertvollen Punkten belohnt. Am Ende jeder Mission müssen die im Krankenwagen geretteten Patienten zurück zum Krankenhaus gebracht werden, wo eine Gruppe von sehr stylisch positionierten Ärzten darauf wartet, die Patienten in ihrer Maschine zu heilen und dabei noch gut auszusehen. Hier merkt man, dass sich das Spiel selbst nicht allzu ernst nimmt und viel Humor bietet, was sehr erfrischend zur schnell eintönig wirkenden Story ist und so den Spieler bei Laune hält. Die Orientierung fällt dabei sehr leicht. Die Inseln sind nicht sehr groß und jede Mission wird durch eine Markierung auf der interaktiven Karte eindeutig angezeigt und wird mittels dortiger Auswahl direkt aktiviert. Ein weiterer Streitpunkt kann die Wahl des Fahrers sein. Selbstverständlich kann nur eine Person den Krankenwagen steuern und somit den unterhaltsamen Fahrspaß genießen, während der Beifahrer entspannt seine Beine aus dem Fenster hängen lässt. Dabei sollte jedoch auf eine faire Verteilung der Touren zwischen den Spielern geachtet werden, da die aufregenden Fahrten des Fahrers für den untätigen Beifahrer nicht allzu spannend sind und dieser sich schnell langweilt. Die Steuerung des Krankenwagens fällt dabei sehr direkt aus und somit bleibt die Fahrphysik die einzige Herausforderung, mit der in dieser Situation umgegangen werden muss. 

Umfangreicher Spielspaß

Jede Mission ermöglicht es auch, Punkte zu sammeln, insbesondere durch Zeitboni, aber auch durch verschiedene Aktionen wie das Erschrecken von Vögeln oder das Zerstören von Fässern, oder durch das Finden von Schätzen. So ist es möglich, jede Mission zu wiederholen, um seine Punktzahl zu verbessern oder Kopfbedeckungen zu finden, um seine persönlichkeitslosen Helden zu individualisieren. Dadurch ist der Spieler motiviert, alle Kranken gleichzeitig auf einer Trage zu transportieren um Zeit zu sparen oder in jeder Ecke zu stöbern, um sicher zu sein, nichts zu vergessen. Leider muss der Spieler das ein oder andere Mal in bekannte Gebiete zurückkehren, um neue Missionen freizuschalten, da häufig bekannte Gebiete erweitert werden oder neue Orte erst freigeschaltet werden. Ein gewisses Maß an Backtracking bleibt also nicht aus, wirkt aber niemals zu ausufernd. Gleichzeitig gibt es aber auch viele Elemente, welche die Missionen variieren, indem Objekte hinzugefügt werden, wie zum Beispiel eine lange Säge um Bäume zu fällen oder ein Rasenmäher, oder indem überraschende Missionen freigeschaltet werden, wie zum Beispiel ein Traktorenrennen. Wer es darauf anlegt, kann die knapp 16 Missionen lange Hauptstory schnell hinter sich bringen, zumal der Schwierigkeitsgrad sehr gering ausfällt und das Spiel wie bereits erwähnt insgesamt nicht viel Tiefe bietet. Wer allerdings alle Boni und Erfolge freischalten will, kann allein oder zu zweit, wobei wir letzteres empfehlen, lange seine Freude haben.

Optisch ist das Spiel sehr farbenfroh, erinnert mit seinen Figuren ein wenig an die Kinderserie Bob der Baumeister und kommt mit einer seichten Handlung daher, die aus einem ähnlichen Kosmos stammen könnte. Das hier entwickelte Universum ist charmant und liebenswert und wird vor allem eine jüngere Zielgruppe ansprechen. Der Humor des Spiels überzeugt im angesprochenen Rahmen und die erwähnte Spiel-Physik erinnert stark an Spiele wie „Human Fall Flat“ oder „Octodad“.

Weiterführende Links: Forum-Thread

Fazit & Wertung

Das wie aus dem Nichts erschienene „The Stretchers“ hinterlässt definitiv einen guten Eindruck, vor allem durch seine kreative Gameplay-Idee. Wer sich im farbenfrohen Setting wohlfühlt, einen frustresistenten Spielpartner parat hat und Lust auf ein Spiel hat, welches sich selbst nicht zu ernst nimmt und keine allzu große Herausforderung darstellt, kann hier ruhigen Gewissens zuschlagen. Wer allerdings eine spannende Story oder herausforderndes Gameplay, abgesehen von der herausfordernden Steuerung, sucht, wird hier leider nicht fündig.

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