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Little Town Hero

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Little Town Hero (eShop)

Wenn GameFreak an einem Rollenspiel arbeitet, in dem sich nicht alles um Pokémon dreht, ist das Interesse vieler Genre-Fans geweckt. Dabei wagt sich das Studio immer wieder an Experimente, sei es Metroidvania, Musikspiele oder Action-Plattformer. „Little Town Hero“ soll aber kein typischer Genre-Ableger sein, sondern mit den Genre-Standards spielen. Wieso das Spiel definitiv aus der Masse heraussticht, verraten wir im Test.

Das einsame Dorf

Der Protagonist Axe hat es nicht leicht. Tagsüber muss er in einer Mine arbeiten, um seiner alleinstehende Mutter auszuhelfen, in ihm steckt aber das Herz eines Abenteurers. Tragischerweise kann er die Welt nicht bereisen, denn sein Dorf ist vollständig von der gefährlichen Außenwelt abgeschottet. Der Ausgang wird durch ein Schloss blockiert, dessen Regenten das Dorf vor den Gefahren beschützen wollen. Eines Tages greift ein Monster die Bewohner dennoch an, und statt dem erfahrenen Ritter schafft es ausgerechnet Axe, das Wesen zu töten. Was ein mysteriöser Stein damit zu tun hat, und was die Bewohner des Schlosses wirklich vorhaben, erfährt der Spieler im Laufe des rund 13 Stunden langen Abenteuers.

Pacing-Chaos

Leider dauert es viel zu lange, bis die Geschichte in Fahrt kommt. Stattdessen besteht die gesamte erste Stunde aus inhaltsleeren Dialogen, die viel zu langsam abgespielt werden. Die Charaktere wirken direkt charmant, bleiben aber oberflächlich und reden häufig um den heißen Brei, anstatt sich auf ein Thema zu konzentrieren. Dadurch ziehen sich vor allem die Momente, in denen es ausschließlich um die Handlung geht. Erst in den späteren Kapiteln ändert sich das, und das Tempo wird dann hochgefahren. Dann werden auch die Wendungen offenbart, die sich bereits früh andeuten und für einige schöne Szenen sorgen. Zudem ist es schön, dass Axe nicht etwa das Dorf hinter sich lassen, sondern schlichtweg wissen will, was sich hinter den Bergen befindet.

Gleichzeitig gibt dieses Intro den Ton an. Hier wird keine epische Geschichte erzählt, sondern die eines kleinen Dorfes sowie seiner eng geschnürten Gemeinde. Diese Leichtherzigkeit ist eine gelungene Abwechslung zum Standard, schließlich wird hier nicht das typische Abenteuer des Auserwählten erzählt. Axe ist ein Grünschnabel, seine Freunde ebenso noch Kinder, und dennoch werden sie unfreiwillig zu den Helden gegen eine Gefahr, von der sie niemals geglaubt hätten, dass sie existiert. Wer nicht zu viel erwartet, wird demnach auch nicht enttäuscht.

Das Herz der Ideen

Ein weiterer Gegensatz zu ähnlichen Spielen ist das Kampfsystem. Es gibt nur wenige Schlachten gegen Monster, diese können dann aber gut und gerne zehn Minuten dauern, da es sich immer um großartig designte Bosse handelt. In jeder Runde zieht der Spieler zufällige Ideen, die man sich wie Karten vorstellen kann. Alle verfügen über einen Angriffs- sowie Verteidigungswert, während einige noch besondere Effekte aktivieren. Zudem gibt es blaue Ideen, die keinen Angriff starten, sondern passive Effekte auslösen, die einen Kampf maßgeblich beeinflussen. Allerdings verbraucht jede Idee Aktionspunkte, die stets bedacht werden müssen. Nach drei Runden erhält der Spieler einen zusätzlichen Punkt, wobei sechs die Höchstgrenze darstellen.

Die Grundregeln wirken anfangs kompliziert, lassen sich aber überraschenderweise mit Kartenspielen, allen voran „Hearthstone“, vergleichen. Der Spieler zieht statt Karten die runden Blasen, stimmt die Werte miteinander ab und versucht somit, alle Ideen des Feindes zu besiegen. Interessanterweise muss jede Blase nur einmal aktiviert werden, denn solange sie nicht zerstört wird, kann sie im Anschluss immer wieder genutzt werden.

Unerwartete Tiefe

Somit löst sich „Little Town Heroes“ von typischen Rollenspielen und bietet eine Eigenart, die wohl kaum jemand erwartet hätte. Das Ziel einer jeden Runde ist es nämlich, alle Ideen des Gegners zu zerstören, während selbst noch zumindest eine rote aktiv bleibt – alternativ reicht es auch, wenn im Anschluss mit den übrigen Aktionspunkten eine aktiviert werden kann. Ist die Zahl über den drei Herzen verschwunden, was ebenfalls über Angriffe geschieht, kann dann ein Herz angegriffen werden. Sind alle drei weg, ist der Kampf beendet – dasselbe gilt aber auch, wenn Axe seine Leben verliert.

All das kratzt nur an der Oberfläche. Es gibt noch spezielle Punkte, mit denen Ideen ausgetauscht oder nachgeladen werden können. Zudem ist es eine strategische Option, ein Herz zu verlieren, um alle Ideen kostenlos zurück in das imaginäre Deck zu mischen. Und dann wäre da noch die Tatsache, dass Axe sowie sein Gegner sich nach jeder Runde wie auf einem Spielfeld bewegen. Da einige Felder besondere Boni mit sich bringen, kommt ein interessantes Glückselement hinzu.

Schlechtes Tutorial

Wie auch bei der Geschichte, dürften viele Spieler aber erst abgeschreckt werden. Es gibt zwar ein Tutorial, das startet aber in extrem kleinen Schritten, nur um den Spieler dann ins kalte Wasser zu werfen. Der erste lange Kampf ist eine unangenehme Überraschung, was hauptsächlich daran liegt, dass zu viele Mechaniken noch unbekannt sind. Es wirkt regelrecht abschreckend, und man ist früh dazu geneigt, das Spiel wegzulegen.

Innerhalb der ersten zwei richtigen Kämpfe ist dann aber etwas geschehen, das sich als magisch beschreiben lässt. Setzt man sich mit den Mechaniken auseinander, und versteht die strategischen Elemente sowie den Spielfluss, macht es Klick. Dann werden die Schlachten zu intensiven Gefechten, in denen man über jeden Schritt nachdenkt und eigene Strategien entwickelt, um jede Runde zu überstehen. Das bedeutet zwar, dass verlorene Kämpfe lange Wiederholungen mit sich bringen, dafür lernt man aus seinen Fehlern. Hier gibt es keine Mobs zum Aufleveln, sondern nur Hauptkämpfe.

Füller-Episoden

Die Spielwelt ist lediglich das Dorf, das aber für sich recht groß ausgefallen ist. Dort lassen sich allerlei Aktivitäten erledigen, denn es gibt mehrere Shops sowie zahlreiche NPCs, von denen einige Nebenquests parat haben. Man sollte diese auch erledigen, denn die Belohnungen sind es wert. Zudem sind einige von ihnen zeitlich begrenzt, die damit verbundenen Geschichten sind es aber nicht unbedingt wert, „Little Town Hero“ vollständig zu beenden.

Auf dem Papier gut, in der Ausführung mäßig sind leider die Rätselpassagen. Dort geht es hauptsächlich darum, in einem Gebiet herumzulaufen, sich mit Leuten zu unterhalten und Stichwörter zum Schluss einzusetzen, um die Geschichte voranzutreiben. Diese Aufgaben sind langatmig, ziehen das Spiel in die Länge und lassen einen wünschen, dass man sich häufiger in die intensiven Kämpfe stürzen könnte.

Ein Ohrenschmaus

Optisch sieht das Spiel dank seiner kräftigen Farben und atmosphärischen Kulissen erstklassig aus, die Details sowie die Kantenglättung sehen aber insbesondere im Handheld-Modus unschön aus. Dort kommt es auch zu häufig zu Rucklern, während die verzögerten Eingaben einen unsauberen Eindruck hinterlassen. Nichts davon stört den Spielfluss, hier muss aber ein Patch Abhilfe schaffen.

Vielleicht der bemerkenswerteste Aspekt des Spieles ist aber der Soundtrack. Als Witz sagte der Game Director Masao Taya, dass er Angst davor habe, dass sich der Soundtrack häufiger verkaufen würde, als das Spiel selbst. Das ist aber nicht unbegründet, denn die Stücke sind derart perfekt, dass sie den ganz Großen Konkurrenz machen. Jedes Lied, egal ob in den Kämpfen oder während der Erkundung im Dorf, kann zu einem Ohrwurm führen, während jede Situation perfekt untermalt wird. Man sollte diese definitiv zum ersten Mal im Spiel selbst hören, doch die Stücke werden einem noch lange nach dem Finale im Ohr bleiben. Wir hoffen, dass das nicht die letzte Zusammenarbeit von Hitomi Sato und Toby Fox bleibt.

Weiterführende Links: Forum-Thread

Fazit & Wertung

„Little Town Hero“ ist ein interessantes Rollenspiel, das vor allem durch sein Kampfsystem fesseln kann. Die langen Schlachten mögen zwar ungewöhnlich für das Genre sein, punkten dadurch aber mit taktischer Tiefe. Es ist schade, dass sowohl die Geschichte, als auch die Quests im Dorf nicht mithalten können und das Spiel eher strecken, anstatt ebenso zu begeistern. Zumindest der Soundtrack darf als perfekt bezeichnet werden und rundet ein unterhaltsames Spiel ab, dessen Ecken und Kanten den Spielspaß nicht verhindern.

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