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The Witcher 3: Wild Hunt - Complete Edition

2017 hätte niemand damit gerechnet, eines Tages „The Witcher 3: Wild Hunt“ auf einer portablen Konsole zu spielen. Selbst mit grafischen Einschränkungen schien die Spielwelt zu groß, zu episch, zu lebendig, um jemals auf Nintendo Switch zu laufen. CD Project Red möchte nun aber allen beweisen, dass es eben doch geht, einen der beeindruckendsten Titel der sich dem Ende nähernden Konsolengeneration auf Nintendos Plattform zu bringen. Ob die Portierung bewundernswert ist, oder doch eher die Grenzen des Systems aufzeigt, haben wir für euch herausgefunden.

Das Ende einer Reise

Gehen wir einen Schritt zurück: 2015 erschien „The Witcher 3: Wild Hunt“ als Finale der Videospiel-Trilogie rund um den Hexer Geralt von Riva. Dementsprechend werden bekannte Charaktere nicht ausführlich eingeführt, glücklicherweise werden Neulinge aber keine Probleme damit haben, die Handlung zu verstehen. Das liegt an vielen Erklärungen sowie einem kurzen Rückblick zu Beginn des Spiels, in dem die Entscheidungen aus dem Vorgänger simuliert werden. Auf dem PC konnten die Spieler ihre Spielstände laden, hier werden die Entscheidungen nachträglich ausgewählt. Wer überhaupt kein Vorwissen hat, darf auch mit einer vorbestimmten Einstellung starten.

Die Haupthandlung ist schnell erklärt: Der Protagonist Geralt sucht nämlich nach seiner Ziehtochter Ciri. Diese verfügt aufgrund ihrer Blutlinie über einzigartige Fähigkeiten, die sie anfällig für die sogenannte Wilde Jagd machen. Diese geisterhaften Ritter könnten sich als größte Bedrohung der Welt herausstellen, doch nicht nur damit muss Geralt sich herumschlagen. Das Land Temerien wehrt sich vor der Invasion Nilfgaards, weshalb neben beeindruckenden Städten auch verwüstete Dörfer und Menschenleid hinter jeder Ecke lauern.

Mehr als nur eine Geschichte

Viel mehr soll zur Handlung gar nicht verraten werden, denn sie gehört zu den besten der Videospielgeschichte. Der Spieler findet sich in zahlreichen Dialogen und Szenen wieder, die hochwertiger kaum sein könnten. Jede Unterhaltung begeistert, egal ob es um irrwitzige Situationen, ernste Streitereien oder tragische Ereignisse geht. Deshalb erwischt sich der Spieler immer wieder dabei, sich mit jedem verfügbaren Charakter zu unterhalten, anstatt die nächste Mission anzusteuern. Selbst, wenn es gar nicht um Action geht, bleibt man gespannt an der Konsole.

Dabei profitiert das Spiel von einem bemerkenswerten Worldbuilding. Jeder Landstrich, jedes Dorf und jede Gasse versprüht Authentizität, sodass jedes Gebiet glaubwürdig im Kontext der Handlung wirkt. Mal erforscht der Spieler einen düsteren Sumpf, mal geht es in ein verlassenes Geisterhaus, mal durch eine Villa. Anstatt dort einfach nur die Mission zu erledigen, ertappt man sich ständig dabei, in der Umgebung nach Hinweisen zu suchen, was die Orte geformt hat. Ein leerstehendes Haus ist in den meisten Spielen unwichtig, hier fragt man sich, was die Einwohner dazu gebracht hat, ihr Heim zu verlassen.

Von Monstern und Jägern

Natürlich ist die Welt von „The Witcher“ nicht realistisch. Es gehört zum Handwerk eines Hexers, Monster zu töten, weshalb es zahlreiche Kreaturen gibt. Die meisten von ihnen sind ausschließlich für die Kämpfe da, doch diejenigen, die in die Geschichte eingearbeitet wurden, beeindrucken kontinuierlich. Manchmal sind es Wesen, die zahlreiche Menschenleben auf dem Gewissen haben, sich bei der Konfrontation mit Geralt aber von einer anderen Seite zeigen. Oder Kinder, die aufgrund ihrer Rasse gejagt werden, obwohl sie niemandem etwas angetan haben.

Die Autoren haben es auch hier geschafft, jede Figur glaubwürdig zu gestalten. Das macht sich insbesondere in den Entscheidungen bemerkbar, die die Geschichte beeinflussen. Man kann es nie allen Recht machen, weshalb sich der Spieler ständig in moralischen Dilemma wiederfindet. Das geschieht sogar in Nebenmissionen, weshalb man sich darauf einstellen kann, ständig im Konflikt zu stehen. Und dann gibt es eine Geschichte rund um die Muhmen, die uns auch beim erneuten Durchspielen nach vier Jahren Albträume beschert hat. Jeder darf sich auf die wohl beeindruckendste Ansammlung an Geschichten freuen, die es jemals in einem Videospiel gegeben hat.

Keine typischen Quests

Eine damals eher unerwartete Meisterleistung waren die Nebenmissionen, deren Entscheidungen einen direkten Einfluss auf die Hauptmissionen hatten. Das ist aber nicht immer offensichtlich, häufig dauert es viele Stunden, bis sich die Auswirkungen bemerkbar machen. Daraus ergibt sich ein weiterer Faktor, wegen dem sich die Welt derart dynamisch anfühlt. Viele der Entscheidungen ziehen Konsequenzen mit sich, die manchmal nur wenig verändern, manchmal wichtige Mächteverhältnisse und somit ganze Dörfer beeinflussen.

Zudem gibt es keine Mission, die nicht eine eigene Geschichte erzählt. Natürlich müssen, wie im Genre üblich, ständig Objekte oder Personen gefunden, Materialien beschafft und Monster getötet werden. Es gibt aber stets einen ausgefeilten Grund dafür, passend mit Unterhaltungen und Charakteren, die Gründe dafür haben, den Hexer um Hilfe zu bitten. Wer all das ignoriert, ist selbst Schuld, denn diese Handlungen überraschen mit faszinierenden Wendungen und Geschichten, an die man sich noch lange nach der Reise erinnern wird. Das Spiel wird nicht ohne Grund als Meilenstein bezeichnet, und bis heute haben nur wenige Genrevertreter eine derartige Perfektion erreicht.

Mit Schwert und Magie

Das Gameplay kann ebenso überzeugen. Dabei sieht anfangs alles nach Standardware aus, denn der Hexer kann ausweichen, leichte und schwere Schläge ausführen und einige Zauber anwenden. Das ist keine große Vielfalt, im späteren Verlauf entwickeln sich aber insbesondere die Anwendungsmöglichkeiten, während ausrüstbare Fähigkeiten die Dynamik beeinflussen.

An den Kämpfen werden sich die Geister scheiden. Es bietet nämlich viele strategische Elemente, denn jeder Gegner verhält sich anders und kann bereits auf den niedrigeren Schwierigkeitsstufen einige Tode hervorrufen. Dafür ist das Tempo aber nicht besonders hoch und Kämpfe gegen stärkere Feinde können deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen, als man erwartet. Bereits wenige Schläge reichen derweil aus, um von großen Monstern getötet zu werden, und aufgrund des Speichersystems, das entweder manuell oder eher unregelmäßig automatisch aktiviert wird, sind Wiederholungen an der Tagesordnung. Dafür gehören die intensiven Kämpfe zu den besten Momenten des Spieles und werden durch kreative Ideen bereichert. Es bleibt Geschmacksache, doch das flüssigste Kampfsystem bietet „The Witcher 3“ nicht.

Vorbereitung in Menüs

Dafür darf man eine lange Zeit in Menüs verbringen, wenn man dies denn möchte. Ständig gibt es neue Ausrüstungsgegenstände, die verbessert werden können, während das Inventar vor Gegenständen nur so überquillt. Das Management macht überraschend viel Spaß, denn das klassische Loot-Prinzip gilt auch hier, während die Ausrüstungsgegenstände auch optisch viel hermachen. Schwerter dürfen sogar per Runen gestärkt werden, während das Crafting sehr typisch daherkommt. Zutaten zu sammeln ist kein beeindruckendes Ziel, häufig geschieht dies glücklicherweise dynamisch während der Erkundung der Welt.

Das Fähigkeitensystem wird derweil keine Faszination auslösen. Zwar können diese mit Punkten erworben und bei der richtigen Platzierung sogar verstärkt werden, meist werden aber nur die bereits vorhandenen Fähigkeiten verbessert. Neuerungen gibt es lange Zeit nicht, wodurch sich das System nach einigen Stunden eher abnutzt, als zu motivieren. Glücklicherweise ist die Spielwelt so gut, dass man all diese Aspekte gerne vergisst.

Halboffene Weiten

Die Welt von „The Witcher 3: Wild Hunt“ ist in mehrere Gebiete unterteilt, die von Ladebildschirmen unterbrochen werden. Das klingt schlimmer, als es ist, denn die Gebiete selbst sind sehr groß und unterschiedlich geraten. Egal ob weite Wiesen, das dichte Novigrad oder die Sümpfe von Velen, Abwechslung steht auf dem Tagesprogramm. Besonders beeindruckend ist die Tatsache, dass jeder Landfleck mit Details gefüllt wurde. Die dunklen Gassen wirken ständig bedrohlich, die Wiesen regelrecht idyllisch. Steht Geralt auf dem Gipfel eines Berges auf Skellige, ergibt sich ein wunderschönes Panorama.

Das bedeutet aber nicht, dass hier ein Paradies geboten wird. Die Welt ist trist und brutal, denn auf einem gut gefüllten Marktplatz kann mitunter auch eine verkohlte Leiche liegen. Die Welt behandelt zahlreiche Themen, vor allem aber Rassismus und die Schere zwischen Arm und Reich werden in den Fokus gerückt. Auch nach fünfzig Stunden gibt es noch neue Szenerien, die man gerne erkunden möchte und die einen aufs Neue beeindrucken. Deshalb passen auch die Missionen gut in das Spiel, in denen Geralt mithilfe seiner Hexersicht nach Hinweisen suchen muss. Das wiederholt sich leider zu oft, doch die Entlohnung in Form neuer Handlungen ist es wert, roten Spuren zu folgen.

Immer Zeit für ein Duell!

Keine Besprechung über „The Witcher 3“ darf ohne Gwint auskommen. Dabei handelt es sich um ein Kartenspiel, in dem Einheiten in drei Reihen platziert werden müssen. Anhand von Sonderkarten sowie besonderen Eigenschaften muss der Spieler versuchen, eine höhere Punktzahl als der Gegner zu erreichen, das ganze kommt aber mit einem Twist daher. Geralt muss nämlich zwei Runden gewinnen, zwischen den Runden werden aber keine neuen Karten gezogen. Die Runden dauern nicht besonders lange, doch eben diese Kurzweiligkeit macht das Spielprinzip so faszinierend, dass es mittlerweile als eigenständiges Spiel erschienen ist.

Zudem darf Geralt gegen zahlreiche NPCs spielen, um als Belohnung neue Karten zu erhalten. Dadurch ergibt sich die wohl beste Nebenaufgabe, denn über die gesamte Reihe gibt es neue Gegner, um das eigene Deck immer stärker zu machen. Die Spielmechaniken sind für ein Einzelspielerabenteuer abgestimmt, sodass es eindeutig bessere Karten gibt, anstatt jede für ihren eigenen Zweck nützlich zu machen.

Vollgepackt

Als ob das Spiel, für dessen Hauptgeschichte alleine man über 50 Stunden einplanen sollte, noch nicht groß genüg wäre, enthält die Nintendo Switch-Fassung auch die beiden Erweiterungen. In „Hearts of Stone“ wird die Welt erweitert, was neue Geschichten, Gegner und Bosse bedeutet. Insbesondere die großartigen Charaktere sowie unerwarteten Situationen bereichern die Handlung enorm und sollten definitiv in Angriff genommen werden. Natürlich wird die erwartete Qualität geboten, während nun auch Waffen verzaubert werden können.

Die Show stielt aber „Blood and Wine“, das Geralt in das malerische Toussaint führt. Hier gibt es kräftige Farben, helle Städte und märchenhafte Monster, was wohl einen Kulturschock für den an triste Gebiete gewöhnten Protagonisten darstellt. Die Geschichte ist aber nicht weniger großartig, und schnell wird deutlich, dass hinter der Fassade deutlich mehr steckt, als es den Anschein hat. All das ergibt rund 25 Stunden zusätzliche Spielzeit für diejenigen, die den Hauptmissionen folgen – nimmt man noch alle Nebenmissionen hinzu, wünscht man sich eine längere Lebenszeit, um alles zu genießen, was die Macher bieten.

Notwendiges Downgrade

All das trifft natürlich auch auf die bisherigen Versionen zu – doch wie schlägt sich das Spiel auf Nintendo Switch? Nicht schlecht, wie sich bereits nach wenigen Stunden herausstellt. Bei einem Titel, der aber bereits auf PlayStation 4 unter technischen Problemen litt, darf niemand Perfektion erwarten. Das beginnt mit dem sehr unruhigen Bild, denn die Auflösung ist sichtbar niedrig, die Texturenqualität wurde stark heruntergeschraubt und aufgrund von einigen aufploppenden Objekten sowie der schwachen Kantenglättung ergibt sich ein sehr unruhiges Bild, weshalb der Blick in die Landschaft lange nicht so schön ist, wie bei der Konkurrenz. Auch die Schatten wirken sehr simpel, während die Lichteffekte positiv auffallen, und auch die Charaktermodelle sowie Rüstungen sehen gut aus.

Zudem können nervige Bugs auftauchen. Bereits das Tutorial musste neugestartet werden, weil Vesemir sich irgendwann nicht mehr gerührt hat, und auch bei einer Quest wollte ein NPC nicht mit sich reden lassen, obwohl genau das der nächste Schritt der Aufgabe gewesen wäre. Solche Fehler müssen bei einer derart großen Welt einberechnet werden, dennoch stören sie das Spielerlebnis, weshalb regelmäßiges Speichern zur Pflicht gehört.

Beeindruckend auf ganzer Linie

Das klingt bislang negativ, doch in Wirklichkeit beeindruckt die Portierung und setzt neue Maßstäbe. Natürlich sieht das Bild unruhiger aus, als gewohnt. Doch insbesondere im Handheld-Modus ergibt sich dennoch ein stimmiges Gesamtbild, sodass man die starke Differenz im Laufe der Einleitung bereits verzeihen kann. Es ist wahrlich beeindruckend, dass hier mit möglichst wenig Kompromissen gearbeitet wurde. Die Welt ist nicht etwa weniger detailliert, sondern wurde eins zu eins übernommen. Somit sind Räume bestens ausgestattet, die Städte fühlen sich lebendig an und keinerlei Inhalte wurden herausgeschnitten. Das erfordert zwar fast 32 GB, wenn man sich für den Download entscheidet. Das nimmt man aber gerne in Kauf für eine lediglich optisch abgeschwächte Variante, die im Handheld-Modus fantastisch aussieht, und auch auf dem TV keine schlechte Figur macht. Hier ist lediglich der Vergleich fairer, weshalb die Macher sicherlich ihren Fokus auf den portablen Modus gelegt haben.

Auch die Bildrate wurde im Vergleich zur Version, die wir in unserem Preview besprochen haben, verbessert. Insgesamt gibt es nun weniger Momente, in denen deutliche Einbrüche zu sehen sind, und auch das Sumpfgebiet wurde etwas stabilisiert. Konstant bleibt sie dennoch nicht, denn mitunter kann es mitten in einem Kampf zu starken Schwankungen kommen, die zumindest im Test aufgefallen sind, sich aber nicht auf den Spielspaß ausgewirkt haben. Es bleibt interessant zu sehen, ob Patches für ein flüssigeres Erlebnis sorgen werden, doch auch in seiner aktuellen Form muss man keine Angst haben, dass hier ein Ruckelfest bevorsteht. Vielmehr dauern die Einbrüche nur wenige Sekunden an und tauchen auch nicht immer auf, sodass man sie für die Gelegenheit verschmerzt, das Abenteuer überallhin mitnehmen zu können.

Gewohnt stark

Zuletzt soll auch noch die grandiose Musik gelobt werden. Egal ob epische Momente, ruhige Zwischensequenzen oder der Ritt durch die Lande, die Lieder erzeugen durchweg eine perfekte Stimmung. Zudem ist die deutsche Synchronisation sehr hochwertig und vermittelt die Charaktere bestens. Lediglich die Steuerung erweist sich als gewöhnungsbedürftig. Das liegt weniger an der Tastenbelegung, und mehr an der Eingabeverzögerung, die zwar zum Spielrhythmus passt, aber auch dafür sorgt, dass Geralt mitunter um sein Pferd tanzt, damit er aufsteigen kann.

Die Ladezeiten sind zwar lang, dafür gibt es sie nicht allzu häufig. Man wechselt die Gebiete eher selten, sodass es mitunter Stunden dauern kann, bis es den nächsten Ladebildschirm gibt – zumindest, wenn man nicht stirbt.

Weiterführende Links: Forum-Thread

Fazit & Wertung

Das Unfassbare ist geschehen: „The Witcher 3: Wild Hunt – Complete Edition“ ist eine Wucht zum Mitnehmen. Auch auf Nintendo Switch ist die Reise des Hexers ein Meisterwerk, das neue Maßstäbe für sein Genre gesetzt hat. Die beeindruckende Geschichte, die faszinierende Welt und der unfassbare Umfang wurden bestens auf die portable Konsole gebracht und haben trotz technischer Einschränkungen nichts von ihrer Qualität verloren. Wer bislang noch nicht die Chance hatte, sich in das Abenteuer zu stürzen, kommt nun nicht mehr daran vorbei, während Fans einen weiteren Grund erhalten, das Finale der Trilogie erneut in Angriff zu nehmen.

Bisher gibt es einen Kommentar

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  • Avatar von Sepp
    Sepp 14.10.2019, 18:48
    Hört sich super an!