Inside Nintendo 13: Die Geschichte der EAD (3)

Nintendo Entertainment Analysis & Development, oder kurz EAD, ist die bedeutendste Nintendo-Abteilung. Mit Franchises wie „Super Mario“, „The Legend of Zelda“, „Wii Sports“ und dutzenden weiteren hat das Studio einige der meistverkauften, bestbewertetsten, innovativsten und beliebtesten Spiele aller Zeiten erschaffen. Kurz, die EAD hat die Videospielindustrie geprägt wie kein anderes Studio. Daher ist es nicht verwunderlich, das die 30-jährige Geschichte der EAD eng mit der des Nintendo-Konzerns und der gesamten Industrie zusammenhängt. Im dritten Teil unserer Reportage zur Geschichte der EAD geht's um die GameCube- und DS-Ära.

Bild Ein Foto aus der Technik-Demo „Super Mario 128“

Der Spielwürfel und das verschollene Mario

Die N64-Ära nahm gegen 2000 in einer Krise für Nintendo sein Ende. Die Entwicklung neuer Titel der immer gleichen Reihen wurde immer teurer. Als Lösung produzierte die EAD unter Shigeru Miyamoto die „Mario Artist“-Spiele und Takashi Tezuka „Animal Forest“. Doch all dies half dem N64 nicht mehr. Es mangelte an Third Party-Unterstützung und abseits der brillanten Nintendo-Spiele gab es kaum nennenswerte Hits.

Eine neue Konsole sollte Nintendo wieder an die Spitze der Videospielindustrie bringen. Der GameCube erschien 2001 und übertraf die direkte Konkurrenz PlayStation 2 und Xbox an Leistung. Und wie immer lag es an der EAD, den Grundstein des Spieleangebots zu produzieren. Bereits Ende 1999 steckte die EAD mitten in der Entwicklung dieser Spiele. Doch für ein neues „Super Mario“ zum Konsolenlaunch reichte es zum ersten Mal in Nintendos Geschichte nicht. Stattdessen kam als EAD-Spiel zum Launch „Luigi's Mansion“ heraus. In diesem Action-Adventure war Mario Bruder Luigi die Hauptfigur. Doch „Luigi's Mansion“ vermochte all jene, die ein neues „Mario“ forderten, nicht zu sättigen.

Natürlich befand sich bereits ein vollwertiges Abenteuer um den roten Klempner in der Entwicklung, doch ganz so einfach war es dann auch wieder nicht. Am 23. August 2000 präsentierte Miyamoto auf der Nintendo Space World „Super Mario 128“, eine innovative Tech-Demo für den GameCube. Die Spieler gingen davon aus, dass es sich dabei um das nächste „Super Mario“ handeln musste. Immerhin betonte Miyamoto noch in den nächsten Jahren, „Super Mario 128“ werde noch entwickelt. Zu sehen bekamen die Spieler das Projekt aber kein weiteres Mal. Stattdessen gab es 2002 für den GameCube „Super Mario Sunshine“, ein völlig anderes Spiel.

„Sunshine“ gilt noch heute als höchst umstritten. Doch was hat es mit dem geheimnisvollen „Super Mario 128“ auf sich? Jahre später wurde klar, dass die EAD unter diesem Namen zahlreiche Experimente geführt hat. Aus denen entstand schließlich „Pikmin“, ein neues Echtzeit-Strategiespiel und wurde 2001 für den GameCube veröffentlicht. Weitere Teile von „Super Mario 128“ gingen in andere Spiele über, allen voran „Super Mario Galaxy“.

Neues für GameCube und GBA

Der Spielwürfel erhielt natürlich noch einige weitere EAD-Spiele. 2002 bzw. 2004 in Europa erschien „Animal Crossing“ - die Portierung des N64-Spiel „Animal Forest“, Ende 2002 „The Legend of Zelda: The Wind Waker“, 2003 „Mario Kart: Double Dash!!“ und 2004 „Pikmin 2“. Weniger nennenswerte EAD-Produktionen sind „The Legend of Zelda: Four Swords Adventures“ (2004), die Software „Pokémon Box“ (2003) und das leider kaum beachtete „Pac-Man vs.“ (2003).

Wie wir in einem der vorherigen Berichte erwähnt hatten, wurde die ehemalige Prestige-Abteilung Nintendo R&D1 gegen Anfang des SNES-Zeitalters zum Entwickler von Handheldspielen degradiert. Damals kristallisierte sich die EAD als Hauptkonsolenentwicklungsabteilung heraus. Dennoch kamen von der EAD ein paar Game Boy-Spiele. Während der N64-Ära produzierte die Abteilung keine Handheld-Games mehr; das letzte war der Puzzle-Geheimtipp „Mole Mania“ von 1996.

Als 2001 der Game Boy Advance herauskam, änderte sich dies wieder. Zum Launch erschien „Super Mario Advance“, eine Neuauflage des Klassikers „Super Mario Bros. 2“, die von der EAD mitentwickelt wurde. Bis 2003 folgten drei weitere „Super Mario Advance“-Neuauflagen für den GBA. Das war leider auch schon alles, was die EAD für den GBA zu liefern hatte – etwas Neues blieb leider aus. Doch wer sagt, dass dies auch für den GBA-Nachfolger so sein wird?

Bild Der neue Nintendo-Präsident Satoru Iwata strukturierte die EAD um (Foto 2003; Quelle: kino.de)

Die EAD wird umstrukturiert

Die letzte Umstrukturierung der EAD erfolgte 1989 und bedeutete eine Umbenennung der Abteilung in ihren noch heute geläufigen Namen. Danach expandierte die Abteilung immer weiter, die Struktur blieb aber gleich. Shigeru Miyamoto war als Produzent an jeder vollständigen Eigenproduktion der EAD beteiligt, manchmal anstelle seiner Takashi Tezuka. Miyamoto hatte jedoch auch außerhalb der EAD viel bei Nintendo zu tun. Seit 2000 ist er Mitglied des Board of Directors. Die eigentliche Spieleentwicklung wurde von Directors geleitet, die bald quasi ihre eigene Zuständigkeit erhielten. So wurde Eiji Aonuma nach „Ocarina of Time“ zum Chefentwickler der „Zelda“-Reihe, war formal aber trotzdem nur ein Director unter Miyamotos Produzentschaft.

Am 31. Mai 2002 trat der damals 74-jährige Hiroshi Yamauchi von der Position des Nintendo-Präsidenten zurück, die er ungefähr ein halbes Jahrhundert lang inne hatte. Yamauchi war eine eigensinnige Persönlichkeit, eine Autorität, die stur ihre eigenen Pläne durchsetzte, koste es, was es wolle. Es heißt sogar, Yamauchi habe nicht einmal ein Spiel seines Konzerns gespielt. Zu seinem Nachfolger wurde Satoru Iwata, der ehemals Programmierer, daraufhin Präsident des Nintendo-Studios HAL Laboratory und zuvor bereits Chef der Nintendo-Planungsabteilung war.

2004 nahm Iwata eine Umstrukturierung seines Konzerns vor, um ihn für die Zukunft zu rüsten und die Entwicklung effizienter zu gestalten. Er löste die Abteilungen R&D1, R&D2 sowie Special Planning & Development auf und führte den Großteil der Abteilungsmitarbeiter der EAD zu. Zur Kooperation mit außenstehenden Studios gründete er eine neue Abteilung Software Production & Development. Die EAD sollte dadurch entlastet werden und nicht mehr für Kooperationen zuständig sein.

Die dadurch enorm angewachsene EAD-Abteilung wurde in mehrere Untergruppen gespaltet. Jedes dieser Teams soll unabhängig voneinander arbeiten. Langjährige Game Directors wie Eiji Aonuma, Katsuya Eguchi oder Hideki Konno wurden zu Produzenten befördert und je einer EAD-Gruppe zugeordnet. Takashi Tezuka wurde übergreifender Manager all dieser EAD-Teams und Shigeru Miyamoto General Manager der gesamten Abteilung.

Ein zweites EAD-Studio

Die EAD war seit ihrer Gründung als interne Nintendo-Abteilung im Hauptquartier des Unternehmens in Kyoto untergebracht. Am 24. November 2000 zog das Nintendo-Hauptquartier in ein Gebäude in der Nähe um, und damit auch die EAD. Doch 2003 wurde eine zweite EAD-Niederlassung gegründet, die sich außerhalb Kyotos befinden sollte. Einige erfahrene Nintendo-Mitarbeiter, die an „Super Mario Sunshine“ gearbeitet hatten, zogen dazu nach Tokyo. EAD Tokyo wurde außerdem mit einigen Neulingen aus der Gegend gefüttert, sodass ein junges, dynamisches Team unter der Aufsicht erfahrener Entwickler entstand. Geleitet wurde EAD Tokyo von den Nintendo-Veteranen Takao Shimizu und Yoshiaki Koizumi, die bereits zuvor oft gemeinsam gearbeitet hatten. Nach 2007 trennte sich EAD Tokyo in zwei Untergruppen, eine von Shimizu, die zweite von Koizumi geleitet. Damit war die EAD an ihre finale Struktur angekommen, die sie bis heute inne hat. Genauer mit der EAD-Entwicklungsstruktur haben wir uns in einem vorherigen „Inside Nintendo“-Bericht auseinandergesetzt.

Bereits Ende 2004 erschien das erste Spiel von EAD Tokyo, „Donkey Kong Jungle Beat“ (GameCube), das dank des Bongo-Controllers ein frisches Spielkonzept umfasste. Das nächste Projekt dieses begabten Teams griff auf eine Idee zurück, die aus der oben erklärten Demo „Super Mario 128“ stammte. Das Ergebnis war das innovative Wii-Jump'n'Run „Super Mario Galaxy“ von 2007, das noch heute als eines der besten Spiele aller Zeiten gilt.

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Die Revolution

Das N64 war für Nintendo der Beginn einer kommerziellen Talfahrt, die wider aller Erwartungen und Bemühungen mit dem GameCube fortgesetzt wurde. Mit insgesamt 22 Millionen verkauften Einheiten ist der GameCube die schlechtverkaufteste Nintendo-Konsole mit Ausnahme des Virtual Boy - der in diesem Bericht gar nicht von Belang ist, da die EAD für ihn keine Spiele produzierte. Doch Iwata und Yamauchi, der dem Konzern immer noch beratend zur Seite stand, planten einen genialen Schachzug. Um größere Erfolge zu erzielen, müsste man einfach größere Zielgruppen erreichen – und wenn diese nicht existieren, einfach völlig neue Zielgruppen erschließen! Diese Philosophie kam, wie im vorherigen Bericht ausführlich geschildert, bereits zum Ende der N64-Zeit auf, wurde während der GameCube-Ära aber vernachlässigt.

Das Ergebnis: Der Nintendo DS, der einen regulären Bildschirm und einen Touchscreen umfasst, sowie die Wii, die erstmals Bewegungssteuerung als Kernkonzept umfasste. Die Wii wurde als so revolutionär angepriesen, dass ihr Codename Revolution lautete. Das Konzept selber war jedoch kein neues, denn bereits für das NES veröffentlichte Nintendo eine Bewegungssteuerungsperipherie.

Der DS und die Wii führten Nintendo zum alten Glanz zurück: Mit 150 bzw. 100 Millionen verkauften Einheiten scheffelte der Konzern die Milliarden wie zuletzt Ende der 1990er. Dies war möglich, indem man unkonventionelle „Spiel“ideen umsetzte, die jene Leute ansprechen sollten, die noch nie Videospiele gespielt hatten. Die sogenannte Zielgruppe der Casuals bescherte Nintendo einen Erfolg, mit dem niemand gerechnet hat.

Die EAD revolutioniert die Spieleindustrie

Natürlich würden wir euch dies nicht erzählen, wenn die EAD nicht wesentlich daran beteiligt war. Zum Launch des Nintendo DS - in Amerika und Japan November 2004, in Europa März 2005 - erschien als einziger EAD-Titel die Neuauflage „Super Mario 64 DS“, die sich knapp zehn Millionen Mal verkaufte. Das DS-Jahr 2005 leitete die EAD mit dem mäßigen „Yoshi Touch & Go“ ein, worauf fünf EAD-Megahits hintereinander folgten. Das DS-Denkspiel „Big Brain Academy“ (2005) könnte als geistiger Vorgänger des enorm erfolgreichen „Dr. Kawashima“ gelten, das aber wiederum nicht von der EAD stammte. „Nintendogs“, ebenfalls 2005, war eine neuartige Haustiersimulation, die 25 Millionen Mal über die Ladentheken ging – eine Zahl, von der der Großteil aller Publisher nur träumen kann. Doch damit nicht genug; ein DS-Ableger von „Mario Kart“, der ebenfalls 2005 herauskam, erzielte ähnlich hohe Verkäufe. Das letzte 2005 erstveröffentlichte DS-Spiel von der EAD, „Animal Crossing: Wild World“, erreichte mit 11 Millionen abgesetzten Modulen etwa halb so viele Verkäufe wie die beiden vorherigen EAD-Spiele.

Das war aber erst der Anfang, denn ähnlich erfolgreich sollte für Nintendo das Jahr 2006 werden. Das bis dato meistverkaufte Videospiel aller Zeiten war immer noch „Super Mario Bros.“ mit über 40 Millionen Verkäufen. Danach stagnierten die Verkaufszahlen der „Mario“-Reihe. Warum also nicht das erfolgreiche alte Spielkonzept wiederverwenden? Dies tat das EAD-Team um „Mario“-Veteran Takashi Tezuka auf Basis der Engine von „Super Mario 64 DS“. Das Ergebnis war „New Super Mario Bros.“, das astronomische 30 Millionen Mal verkauft wurde.

Ebenfalls 2006 erschien die Wii, mit der die EAD abermals die Industrie revolutionierte. Doch damit sowie mit der Gegenwart und Zukunft der EAD werden wir uns erst im nächsten, abschließenden Teil von „Inside Nintendo: Die Geschichte der EAD“ befassen.

Weiterführende Links: Forum-Thread

Bisher gibt es 14 Kommentare

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  • Avatar von Galactus
    Galactus 09.05.2013, 18:22
    ja wollte es auch grad schreiben der gamecube reiht sich in sachen leistung zwischen ps3 und xbox ein
  • Avatar von Raffaele
    Raffaele 09.05.2013, 17:28
    *Klugscheiß* Der GameCube war der Xbox nicht an Leistung überlegen. Aber ansonsten echt interessant
  • Avatar von SaschaT
    SaschaT 06.05.2013, 12:17
    Demnach muss man sich wohl fragen, wie erreicht man die "Casuals" auch mit der Wii U, es ist auch nicht so recht erklärlich, warum die Neue Bewgungssteuerung bei der Wii so gut an kam und jetzt das neue Pad UND die Bewegungssteuerung, die existiert ja immer noch, nicht so gut läuft.

    Hier besteht scheinbar definitiv ein Informationsmangel in Richtung des Kunden/der Casual-Zielgruppe. Man wird sehen, was die kommende gebündelte Werbekampagne bewirken wird.
  • Avatar von Sepo
    Sepo 05.05.2013, 19:20
    Viele regen sich zwar darüber auf, dass Nintendo mit der Wii und dem DS v. a. auf die Casuals fokussiert war, aber ohne diesen Schritt würde es Nintendo vielleicht gar nicht mehr geben. Und solange die klassischen Reihen auch noch weiter produziert werden, soll es mich nicht stören.
  • Avatar von Garo
    Garo 05.05.2013, 02:07
    Toller Bericht und gerade der Hintergrund von Super Mario 128 hat endlich für mich Klarheit über das Projekt geschaffen.
  • Avatar von Cyberboy
    Cyberboy 04.05.2013, 21:43
    Über super Mario 128 würden sich sicher viele freuen. Der Name würde dann Sinn ergeben,wenn das Mario im Pilzkönigreich spielt und sich an Mario64 orientieren würde.
  • Avatar von Foxray
    Foxray 04.05.2013, 21:17
    Cool ging ja schnell
  • Avatar von Basti
    Basti 04.05.2013, 21:07
    Zitat Zitat von Foxray Beitrag anzeigen
    Die Nummer auf dem Spotlight-Bild stimmt nicht
    Schon fix geändert, danke
  • Avatar von Foxray
    Foxray 04.05.2013, 20:57
    Die Nummer auf dem Spotlight-Bild stimmt nicht
  • Avatar von tiki22
    tiki22 04.05.2013, 18:34
    Der Name sollte aber auch irgendwo etwas mit dem Spiel zu tun haben! Und da die Ideen von Super Mario 128 schon anders verbraucht wurden, wird das nächste Mario auch nicht heißen.
  • Avatar von K1rby
    K1rby 04.05.2013, 17:13
    Sunshine 2 wäre mal vernünftig.
  • Avatar von Taurin
    Taurin 04.05.2013, 16:30
    genau darum ja, wenn es nie ein mario 128 gegeben hat, ist es auf jeden fall vom namen her den nächsten Teil so zu benennen. Möglich ja, aber hört sich nich gut an, hauptsache kein Galaxy mehr, reicht ja schon auf der wii.
  • Avatar von tiki22
    tiki22 04.05.2013, 16:11
    @K1rby
    Es gibt doch garkein Super Mario 128... Das war eine Techdemo und die Ideen sind in andere Spiele eingeflossen wie es auch in dem Bericht steht. Daraus ist z.B. Pikmin erschienen.
  • Avatar von K1rby
    K1rby 04.05.2013, 11:44
    Wie wohl das 3D-Mario für die U wird? Vllt wird es ja Super Mario 128. Aber es wird auf jeden Fall die U pushen.