In unserer „Inside Nintendo“-Rubrik betrachten wir des Öfteren den
Entwicklungsprozess ausgewählter Nintendo-Produktionen. Diesmal ist
„Super Mario 3D World“ an der Reihe. Als Nintendo das Spiel auf der E3
2013 enthüllte, herrschte zunächst Ernüchterung vor – das neueste
Mario-Jump'n'Run für die Wii U sah aus wie eine HD-Umsetzung von „Super
Mario 3D Land“! Im November 2013 schlug das Spiel schließlich ein wie
eine Bombe. Die Presse feierte es, sodass es auf Metacritic das
bestbewertete 2013 erschienene Spiel der achten Konsolengeneration
wurde. Auch die Verkaufszahlen des Titels lassen sich angesichts der Wii
U-Verkäufe sehen.
„Super Mario 3D World“ baut in der Tat stark auf seinen Vorgänger auf,
erweitert dessen Konzept aber durch viele neue Ideen. Tatsächlich war
der Startpunkt der Entwicklung das 2011 erschienenen 3DS-„Mario“. Wer
mit dessen Entstehung nicht mehr ganz vertraut ist, dem empfehlen wir unseren Artikel zu genau diesem Thema. In diesem erfahrt ihr, was „Super
Mario 3D Land“ mit einem Hamburger gemeinsam hat und wie es von einem
Erdbeben geprägt wurde. Hier geht's jetzt weiter mit der Entwicklung von „Super Mario 3D World“.
Die kreativen Köpfe
Zunächst einmal müssen wir die kreativen Köpfe hinter „Super Mario 3D
World“ vorstellen. Insgesamt sind fünf Personen zu nennen, die an der
Spitze der Produktion standen: Shigeru Miyamoto, Takashi Tezuka und
Yoshiaki Koizumi sowie Koichi Hayashida und Kenta Motokura. Miyamoto
muss man hier hoffentlich niemandem mehr vorstellen. Er und Tezuka, die
beiden „Mario“-Schöpfer, sind die Leiter des Studios Nintendo
Entertainment Analysis & Development, das das Spiel entwickelte.
Damit waren sie hauptsächlich für die Projektverwaltung zuständig.
Die drei übrigen Projektverantwortlichen gehören alle zu Nintendo EAD
Tokyo. Koizumi ist Abteilungsleiter und Produzent der 3D-„Super
Mario“-Spiele. Auf seinem beeindruckenden Lebenslauf befinden sich
innovative Hitspiele wie „Super Mario 64“, „Ocarina of Time“ oder „Super
Mario Galaxy“, deren Regie er übernahm. Bei „3D World“ war er als
Produzent zu Beginn an der Spielplanung beteiligt, während er später
hauptsächlich damit beschäftigt war, neue Personen einzustellen, damit
der Fertigstellungstermin eingehalten werden konnte.
Koichi Hayashida war einer der beiden Regisseure des Spiels. Zuvor hatte
er die Regie für „Galaxy 2“ und „3D Land“ übernommen. Bei „3D World“
allerdings war er tatsächlich vielmehr Berater. Er programmierte das
Bonusspiel „Luigi Bros.“ und war an den Miiverse-Stempeln im Spiel
beteiligt. Die eigentlichen Regieaufgaben übernahm Kenta Motokura, der
diese Aufgaben damit zum ersten Mal übernahm. Bei den vorherigen
3D-„Mario“-Teilen war er leitender Designer.
Miyamoto war diesmal kaum an der direkten Entwicklung beteiligt. Bei
„Super Mario Galaxy“ war er noch stark im Spielkonzept involviert, bei
„Super Mario 3D World“ hingegen fungierte er vielmehr als Supervisor und
gab Ratschläge. Er bestand beispielsweise darauf, im Spiel die
Levelziele durch Zielfahnen zu markieren. Das Entwicklerteam war also
relativ unabhängig. Es bestand zuletzt aus fast 100 Entwicklern von EAD
Tokyo und war somit das größte Team in der Geschichte des 2003
gegründeten Studios. Unterstützt wurde das Team durch mindestens acht
Mitarbeiter des Nintendo-Tochterunternehmens 1-UP Studio.
Eine neue Art von „Mario“-Spielen
Im Mai 2010 kam „Super Mario Galaxy 2“ für die Wii auf den Markt – das
dritte große EAD Tokyo-Spiel, das, wie schon sein Vorgänger, als eines
der besten Videospiele aller Zeiten angepriesen wird. Das daher als
eines der talentiertesten Videospielteams überhaupt gelobte Studio
überlegte zu dieser Zeit bereits eifrig, was der nächste große „Super
Mario“-Ableger werden sollte. Dabei entschied man sich gegen einen
dritten „Galaxy“-Teil. Stattdessen plante man, eine Art Bindeglied
zwischen den zweidimensionalen „New Super Mario Bros.“-Spielen und den
3D-Teilen der Reihe zu erschaffen. Neben neuen Gameplay-technischen
Möglichkeiten waren natürlich auch die Verkaufszahlen ein Grund für
diese Entscheidung: Obwohl „Super Mario Galaxy“ mit bis heute zwölf
Millionen Verkäufen alles andere als ein Flop war, konnte „New Super
Mario Bros. Wii“ diese bereits astronomischen Zahlen verdreifachen (!).
So entstand die Idee zu einer neuen Art von „Super Mario“-Spielen, einem
Hybrid aus 2D- und 3D-Ablegern. Obwohl die drei vorherigen Spiele des
Studios alle für Heimkonsolen erschienen, nahm man sich diesmal zunächst
einen Handheld vor, nämlich den 3DS. Das Team hatte Interesse an einem
„Super Mario“ mit autostereoskopischem 3D-Effekt und begann so Mitte
2010 die Entwicklung des ersten 3D-„Super Mario“-Spiels für einen
Handheld, „Super Mario 3D Land“. Nach nur etwa anderthalb Jahren
Entwicklungszeit kam der Titel im November 2011 auf den Markt.
Im Katzenkostüm auf der E3 2013; links: Produzent Yoshiaki Koizumi; rechts: Director Koichi Hayashida (Bildquelle)
Größer, schärfer, besser
Von Anfang an plante EAD Tokyo auch eine Heimkonsolen-Version des
Konzeptes. Bekräftigt wurde man in diesem Plan aufgrund des Erfolges,
den „3D Land“ auf dem Markt erzielte. Die Geschichte von „Super Mario 3D
World“ reicht somit zurück bis Mitte 2010, die eigentliche Entwicklung
begann aber erst gegen Ende 2011. Die vollständige Entwicklungsphase
dauerte demnach rund drei Jahre an. Sie ging für ein Nintendo-Spiel
recht effizient von Statten: Es wurden keine Teetische umgeworfen; das
heißt, die Entwicklung verlief ohne große Komplikationen.
Da das Grundkonzept des Spiels schon von Anfang an feststand, konnte
sich das Team darauf konzentrieren, neue Ideen einzubauen (so war es
schon bei „Super Mario Galaxy 2“ der Fall). Die offene
Arbeitsatmosphäre, die während der Arbeiten an „3D Land“ vorherrschte,
wurde nun noch einmal gesteigert. Kenta Motokura nämlich erlaubte es
jedem der 100 Teammitglieder, eigene Ideen vorzuschlagen. Die Ideen
sammelte das Team in Form von Post-It-Zettelchen an den Wänden des
Studios. Aus den Ideen wurde nur die Crème de la Crème ausgewählt und in
das Spiel übernommen, wie Hayashida erklärte: „[L]etztendlich gelangt
vielleicht eine von 50 Ideen in das Spiel.“
Die Engine des Spiels ist eine völlig neue, die parallel zum Projekt entwickelt wurde.
Wie Ideen entstehen
Jedes „Super Mario“-Spiel zeichnet sich durch neue Ideen aus, die es in
den Vorgängerspielen noch nicht gab. So gibt es beispielsweise in „Super
Mario 3D World“ komplett neue Items wie die Superglocke, die die
Charaktere in Katzen verwandelt, sowie die verdoppelnde Doppelkirsche.
Doch wie kommt das Team auf solche Ideen?
Zu Beginn der Entwicklung überlegte sich das Team neue Bewegungsabläufe
für Mario. So wollte der Director des Spiels Mario die Möglichkeit
geben, Wände zu erklimmen, damit auch Neulinge einfach Hindernisse
überwinden können. Außerdem experimentierte man damit, die Figuren auf
allen Vieren laufen zu lassen – was zunächst sehr kurios ausgesehen
haben muss. Schließlich verknüpfte man beide Ideen unter dem Deckmantel
einer Katzenverwandlung. Diese sollte zugleich einen Kontrast zum
Tanuki-Anzug aus „3D Land“ darstellen und wurde fortan zum Leitmotiv des
Spiels. Ferner werden durch das neue Item Angriffe im dreidimensionalen
Raum erleichtert.
Die Doppelkirsche entstand erst später – und zwar aufgrund eines
Programmierfehlers, als ein Leveldesigner versehentlich zwei Mal die
gleiche Spielfigur in einem Level platzierte. Die gleichzeitige,
synchrone Steuerung zweier Charaktere funktionierte jedoch wider
Erwarten und sorgte für Spaß, sodass man dieses unvorhergesehene Konzept
mit ins Spiel aufnahm. Tatsächlich existierte die Idee bereits vor dem
Programmierfehler, wurde aber ursprünglich abgelehnt. Und dann wäre da
noch die Gumba-Maske – die Idee zu diesem bei näherer Betrachtung recht
makaberen Item existierte bereits seit fünf oder sechs Jahren!
Ganz klassisch mit Post-It-Zettelchen wurden die Ideen gesammelt (Bildquelle).
A Link to 3D Land
Ein weiteres neues Element des Spiels ist der Vierspielermodus – der
erste simultane Mehrspielermodus in einem 3D-Jump'n'Run überhaupt. Für
Nintendo war der Mehrspielermodus in „Mario“-Spielen schon immer eine
schwierige Angelegenheit. Seit „Super Mario Bros. 3“ (1989) wollte man
einen vollwertigen simultanen Mehrspielermodus in einem 2D-Jump'n'Run
umsetzen, was erst mit „New Super Mario Bros. Wii“ (2009) gelang – 20
Jahre später! Mit einem gleichzeitigen Mehrspieler in einem
dreidimensionalen Hüpfspiel experimentierte Nintendo seit „Super Mario
64“ (1996), konnte ihn aber erst 17 Jahre später verwirklichen.
Dazu war auch viel Arbeit erforderlich. Insbesondere in die
Kamerasteuerung investierte das Team von „3D World“ viel Zeit. Kurios:
Ursprünglich war ein Mehrspielermodus für „3D Land“ geplant, der dort
aber aufgrund des 3D-Effektes verworfen werden musste. Die Idee konnte
das Team schließlich im Nachfolger unterbringen.
Schon früh in der Entwicklung legte sich das Team auf den Titel „Super
Mario 3D World“ fest. Man wählte ihn als Hommage an den 16-Bit-Klassiker
„Super Mario World“, dessen Titel mit Heimkonsolen-Ablegern der Reihe
identifiziert wird. Trotzdem enthält das Spiel kaum Referenzen auf den
Klassiker.
Fast schon dreist: Die Idee eines direkten „3D Land“-Nachfolgers stand
schon während der Arbeit an dem Originalspiel im Raum und auch den Titel
legte man früh fest. Dennoch leugnete Hayashida im März 2012 einen
direkten Nachfolger – obwohl man tatsächlich bereits eifrig an diesem
arbeitete.
Ein weiteres Kuriosum: Ein IGN-Journalist konfrontierte Hayashida im März 2012 mit der Idee eines „Super Mario 3D World“; der Entwickler
lachte darauf nur, was heute nicht logischer erscheinen könnte.
Fazit
Nintendo wollte von Anfang an eine größere Heimkonsolen-Version von
„Super Mario 3D Land“ entwickeln. Doch das Resultat übertraf die
nüchternen Erwartungen. Vor allem die vielen neuen Ideen konnten
überzeugen. EAD Tokyo konnte seinen Ruf als kreative und begabte
Schmiede weiter einbauen. Übrigens: Obwohl man sich früh gegen ein
drittes „Super Mario Galaxy“ aussprach, heißt das nicht, dass es dieses
nie geben wird. Tatsächlich scheint bei den Entwicklern dazu der Wunsch
zu bestehen. Und seit einigen Monaten werkelt das Team schon am nächsten
großen „Mario“-Ableger. Welche Richtung dieser wohl einschlagen wird?
Abwarten und Tee trinken!
Die wesentlichen Quellen für diesen Bericht waren das „Iwata fragt“-Interview zum Spiel sowie ein Making-of-Bericht in der Edge.
Entwicklungsskizzen zum Spiel im Nintendo-Guide 2014 für Mitarbeiter; Bildquelle
Bisher gibt es zwölf Kommentare
Ich will nach Sternen suchen und nicht gegen ne Fahne springen.. Das haben wir jetzt schon in letzter Zeit oft genug gemacht.
NSMBDS, NSMBW, NSMBU, 3D Land, 3D World... Es wird irgendwann einfach langweilig, da kann das Spiel noch so gut sein und tolle Ideen beinhalten.
Als ich 3D World zum esten Mal gesehen habe war ich überhaupt nicht begeistert. Sah wirklich aus wie eine aufgebohrte 3DS Version. Als dann aber die Reviews einschlugen musste ich es einfach kaufen (mit Konsole) und es ist ein verdammt gutes Jump N Run.
Ich hoffe das neue 3D Mario wird weder ein Galaxy 3 noch ein Sunshine 2 und schon gar kein 64 / Sunshine Remake. Da muss etwas neues kommen - eben wie damals bei 64, Sunshine und Galaxy. Ob es etwas offener wird wie Sunshine oder eher linear wie 64 und Galaxy, ist mir dabei relativ egal. Vielleicht wird's ja sogar ein richtiges "Open World" Spiel.^^
Ab Welt 10 kann ich es aber wirklich nichtmehr als zu einfach beschreiben. Die letzte Welt würde ich teilweise sogar als zu schwer bezeichnen.