Das Entwicklerstudio „Ninja Theory“ war stets für interessante Spiele bekannt. Sein es „Heavenly Sword“, „Enslaved: Odyssey to the West“ oder auch „DmC: Devil May Cry”, jedes ihrer Spiele hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Überraschenderweise feierte das Studio 2017 den bisherigen Höhepunkt mit „Hellblade: Senua’s Sacrifice“, das zusammen mit Experten erschaffen wurde und psychische Störungen in den Mittelpunkt stellte. Das Endprodukt begeisterte und gewann zahlreiche Preise, mit einer Portierung hatte allerdings niemand gerechnet. Zur großen Überraschung ist der Titel mittlerweile auf Nintendo Switch erhältlich, und wer keine Alternativen hat, sollte es sich unbedingt anschauen.
Ein unmögliches Opfer
Anfangs ist noch gar nicht klar, worum es in „Hellblade: Senua’s Sacrifice“ geht. Die Protagonistin reist zu einer verlassenen Insel, und schnell wird klar, dass vor dem Beginn etwas schreckliches Geschehen sein muss. Sie möchte nämlich in die keltische Hölle reisen, um ihren Geliebten wieder in die Welt der Lebenden zu bringen. Das ist zumindest die grundlegende Handlung, denn weitere Details würden einige der spannendsten Momente im Spiel verderben.
Die Geschichte selbst ist gelungen und lebt von ihren Charakteren sowie der Inszenierung. Die zahlreichen Einzelheiten werden oft über Sprachlogs erzählt, doch auf ihrer Reise durch die Unterwelt begegnet Senua fiesen Gestalten, die ihr den Weg erschweren wollen. Und genau hier kommt auch schon die tragende Eigenschaft der Handlung ins Spiel.
Bewegend
Im Kern geht es nämlich um Senuas Bewältigung der eigenen Dämonen. Die junge Frau leidet unter schwerwiegenden psychischen Störungen, am offensichtlichsten sind die Stimmen, die sie ständig hört. Diese muss auch der Spieler immer wieder ertragen, denn selten bleiben diese still. Einige der Stimmen sind freundlich und wollen der Heldin helfen, andere versuchen sie zum Aufgeben zu verleiten und lassen sie ihre Traumata wiedererleben. Die Audio-Gestaltung ist bahnbrechend, denn wer mit Kopfhörern spielt, hört aus allen Richtungen, wie sich die Stimmen miteinander unterhalten, sich streiten und teilweise durcheinander reden. Kopfhörer sind absolute Pflicht, denn das Ziel der Macher war es, diese Krankheit den Spielern realistisch zu vermitteln.
Das schwierige Thema wird allerdings nie plump behandelt. Hier werden keine Klischees abgehandelt, was sicherlich daran liegt, dass Ninja Theory sich nicht einfach in das Thema eingelesen hat. Hier wurden Experten sowie Betroffene mit einbezogen, um das Thema möglich realistisch und zugleich sensibel darzustellen. Dabei geht es nicht ausschließlich um die Stimmen, wie in den rund sechs Stunden mehrfach deutlich wird. Zudem wurden auch Recherchen mit einbezogen, wie die Krankheiten in der nordischen Mythologie behandelt wurden und in einer einzigartigen Form dargestellt. Die Inszenierung ist deshalb selbst dann bombastisch, wenn man die Augen schließt und einfach nur dem Geschehen lauscht.
Actionreich
Dabei hat das Team nicht vergessen, ein spannendes Spiel zu erschaffen. Senua muss regelmäßig gegen zahlreiche Feinde kämpfen, um weiterzulaufen. Meist geschieht dies in kleineren Arealen, die für die Dauer der Wellen-Kämpfe in sich geschlossen sind. Viele Fähigkeiten hat die Kriegerin nicht, denn neben leichten und starken Schlägen kann sie lediglich blocken und ausweichen. Insbesondere das Blocken erweist sich allerdings als Highlight, denn dank einem wunderbaren Spielfluss bleibt es selbst nach zahlreichen Wellen wahnsinnig unterhaltsam, im richtigen Moment einen Gegner ins Wanken zu bringen und ihn mit einem mächtigen Gegenschlag zu besiegen.
Obwohl das Kampfsystem sehr gut ist, sind die meisten Kämpfe selbst relativ eintönig. Insbesondere in der ersten Spielhälfte geht es stets gegen sehr ähnliche Feinde und die Arena-Kämpfe überraschen selten. Sehr stark sind hingegen die Einwürfe der Stimmen, die Senua sogar vor feindlichen Aktionen warnen. Zudem wissen die Bosse stets zu überzeugen und erweisen sich als gelungene Hürde, bei denen einige Tode eingeplant werden können. Gegen Ende der Reise wird die Abwechslung etwas größer, doch regelmäßig wird deutlich, dass die Kämpfe nicht immer gut platziert wurden und weniger Konfrontationen den Spielfluss hätten angenehmer gestalten können.
Mehr als nur laufen und prügeln
Ebenso wichtig wie die Kämpfe sind die Rätsel. Diese werden fast nie erklärt, der Spieler muss sich also selbst in den unterschiedlichen Gegenden umschauen und herausfinden, wie es in den nächsten Bereich geht. Jeder Abschnitt verfolgt ein anderes Konzept und die sehr unterschiedlichen Aufgaben sorgen für regelmäßige Überraschungen. Besonders beeindruckend ist auch hier die Inszenierung, denn Halluzinationen sind ständig präsent, ebenso wie die übernatürlichen Elemente, die ihren festen Platz in der Mythologie haben.
Obwohl nicht jede Rätselpassage völlig umhaut, weiß die Abwechslung durchweg zu überzeugen. Besonders die Kreativität und das Zusammenspiel der Handlung mit der Erkundung sorgen für eine überraschend lebendige Welt, der man zugleich niemals trauen kann. Die Spielzeit mag einigen etwas kurz wirken, doch sie wird bestens genutzt, um ein ausgeglichenes Pacing zu ermöglichen.
Zusammenspiel aller Faktoren
Es ist einfach, das Spiel auf seine Mechaniken sowie seine Struktur herunterzubrechen, doch das wird dem Titel definitiv nicht gerecht. Das Spielgefühl ist schlichtweg einzigartig, noch nie dagewesen und innovativ. Die Stimmen, die eindrucksvollen Szenerien sowie die schrecklichen Zwischensequenzen können einige Spieler regelrecht verstören, weshalb eine entsprechende Warnung vor dem Start eingeblendet wird. „Hellblade“ ist regelmäßig mehr als nur ein Spiel, und alleine die bemerkenswerte Behandlung der Themen verdient es, von jedem Spieler erlebt zu werden.
Dass das Kampfsystem selbst stark ist, und in der zweiten Spielhälfte zudem dank einiger neuer Fähigkeiten sowie einigen Überraschungen deutlich abwechslungsreicher daherkommt, hilft der Spielenatur. Es wäre sehr einfach für die Macher gewesen, einen Walking Simulator zu erschaffen, doch das Gesamtpaket mit all seinen Stärken macht Senuas Reise umso eindrucksvoller. Zudem wäre da noch die Korruption, die mit einer relativ kontroversen Nachricht eingeführt wird. Wer die Diskussionen nach der Veröffentlichung nicht mitbekommen hat, sollte das Spiel definitiv spielen, ohne genaueres darüber zu lesen.
Bestmögliche Portierung?
Es ist ein Wunder, dass „Hellblade: Senua’s Sacrifice“ für Nintendo Switch erschienen ist. Natürlich erfordert das einige Opfer, insbesondere bei der visuellen Qualität. Die Auflösung am TV ist merklich heruntergeschraubt, die Texturen können matschig sein und die Umgebung leidet an mitunter fehlenden Details sowie verschwommenen Objekten. Im direkten Vergleich sind die Unterschiede deutlich sichtbar, doch dank des düsteren Stils und einer fantastischen Inszenierung wird das Spiel auch auf Nintendo Switch niemals hässlich. Vielmehr gewöhnt man sich an die Einschränkungen, und wenn man keine Alternative hat, gibt es kaum Gründe sich zu beklagen. Auch die Bildrate ist bemerkenswert stabil, auch wenn es kleine Ruckler beim Wechsel zu Zwischensequenzen gibt, und auch kleinere Grafikfehler sind manchmal sichtbar.
Wahrlich bemerkenswert ist das Spiel im Handheld-Modus. Hier wird die Auflösung noch weiter runtergeschraubt und einige Szenen verlieren leider an Atmosphäre, doch diese Momente halten sich in Grenzen. Das gesamte Spiel bleibt wunderbar spielbar und insbesondere mit Kopfhörern bleibt die Reise genauso beeindruckend, wie auf anderen Konsolen. Die Macher haben fast alles aus Nintendo Switch herausgeholt, und dank der guten Performance war es trotz der grafischen Qualität ein tolles Erlebnis, Senua auf dem kleinen Bildschirm begleiten zu können. Wer hingegen die Wahl zwischen mehreren Plattformen hat, und am TV spielen möchte, sollte vielleicht zur schlichtweg besseren Konkurrenz greifen.
Bisher gibt es sechs Kommentare
Einen Grund, der für die PS4-Version spricht, habt ihr aber nicht erwähnt: Das hervorragende Making-Of-Video, dass es wohl nur auf Disk gibt.
Zur Story und zum Gameplay bleibt mir nur eins zu sagen WHAT THE F*CK!?!
Sowas geiles hab ich glaube noch nie erlebt! Ich muss aber auch sagen, dass es wahrscheinlich nicht für jeden ist. Das Spiel bietet dem Spieler die Erfahrung wie es sich anfühlt an einer Psychose zu leiden...kompromislos und in allen Bereichen. Leute die einfach nur ein Adventure Spiel mit Rätzlen und spannenden Kämpfen spielen wollen werden hier nicht wirklich pfündig. Das Konzept zieht sich durch das komplette Spiel und manch einer wird die sich Wiederholenden Rätzel zu eintönig finden, aber so ist das nun mal für eine psychotische Person.
Ich jedoch habe das Spiel echt geliebt. Die Emotionen, das Setting, das einfache, aber doch komplexe Kampfsystem, die Musik, die Atmosphäre, die geschichtlich akkurate Schilderung...wenn es ein Spiel gibt, das ich als wirkliches, bewusteinserweiterndes Meisterwerk bezeichnen würde, dann wäre es auf jeden Fall Hellblade.
Und vergesst nicht mit Kopfhörern zu spielen. Als Switch only Besitzer bin ich wirklich super happy mit der Umsetzung und find es toll, das einmal mehr gezeigt wird, was die Switch tatsächlich leisten kann.