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Xenoblade Chronicles: Die Entstehung von Nintendos Rollenspiel-Epos, Teil 3: Chronik eines Aufstiegs

Als wäre die Entwicklung von „Xenoblade Chronicles“, von der wir in den ersten beiden Teilen der Reportage berichtet haben, nicht schon langwierig und herausfordernd genug gewesen, stand dem Spiel bei seiner Ankündigung noch ein langer und harter Weg bevor. Die Mühe sollte sich aber auszahlen, denn das Spiel erarbeitete sich den Status eines modernen Klassikers und legte das Fundament für eine der größten neuen Nintendo-Marken der letzten Jahre. Diesen weiteren Werdegang von „Xenoblade Chronicles“ werden wir im Folgenden abschreiten. Zunächst aber beginnen wir mit einem genaueren Blick auf den erinnerungswürdigen Soundtrack des Rollenspiels.

Erfahrene Rollenspiel-Komponisten mit besonderen Aufgaben

Die Musik von Nintendos First-Party-Titeln stammt von fest beim Konzern angestellten Komponisten. Ganz anders bei „Xenoblade Chronicles“, dessen Entwickler Monolith Soft keine eigenen Komponisten hat und stattdessen, wie in großen Teilen der Branche üblich, auf freiberufliche Musiker zurückgriff. Das sechsköpfige Komponisten-Team setzte sich sowohl aus namhaften als auch aus noch unbekannten Spielekomponisten zusammen. Wir stellen sie vor und beginnen mit Yasunori Mitsuda, der bereits für „Xenogears“ und „Xenosaga“ Musik geschrieben hatte. Für „Xenoblade“ steuerte er zwar nur ein einziges Stück bei, dafür aber ein sehr wichtiges: Den Song am Ende des Spiels, dem die Aufgabe zukam, das gesamte Spielerlebnis zu einem treffenden Abschluss zu bringen.

Eine weitere bekannte Spielekomponisten-Persönlichkeit war die unter anderem für die Musik von „Mario & Luigi“ und „Kingdom Hearts“ bekannte Yoko Shimomura. Auch ihre Kompositionen haben eine Schlüsselrolle in „Xenoblade Chronicles“; sie sind unter anderem im Titelbildschirm, während des Prologs, in Kolonie 9 sowie während Standardkämpfen zu hören. „Xenoblade“-Projektleiter Tetsuya Takahashi kannte sie zwar wie auch Mitsuda bereits aus seiner Zeit bei Square, hatte aber zuvor noch nie mit ihr zusammengearbeitet. Dass er Shimomura für sein Projekt haben wollte, hatte einen besonderen Grund: „Ich wollte eine andere Atmosphäre erzeugen als bei den Titeln, an denen ich vorher gearbeitet habe.“

Großer Durchbruch für vier Newcomer

Die Musikproduktion übernahm Dog Ear Records, das Unternehmen der Spielmusik-Ikone Nobuo Uematsu, welches auch die übrigen vier Komponisten von „Xenoblade“ an Takahashi vermittelte: Manami Kiyota sowie die aus Tomori Kudo, Hiroyo Yamanaka und Kenji Hiramatsu bestehende Gruppe ACE+. Die nur spärlichen früheren Spielesoundtracks dieser vier Komponisten – Kiyota schrieb zuvor Musik für „PokéPark Wii“, während Yamanaka und Kudo vorher an einem „Tamagotchi“-Spiel für das N64 gearbeitet hatten – dürfen nicht darüber hinwegtäuchen, dass der Großteil der 90 Musikstücke aus „Xenoblade Chronicles“ von ihnen stammt.

ACE+ war insbesondere für die vielfältigen Kampf-Musikstücke zuständig, während ein Großteil der Umgebungsmusik von Kiyota stammt. Wer an einer genauen Zuordnung der Musikstücke an die einzelnen Komponisten interessiert ist, wird bei vgmdb.net fündig. Kiyota und Yamanaka fungierten darüber hinaus auch als Hintergrundsängerinnen, während das Stück von Mitsuda für das Spielende von Sarah Àlainn gesungen wurde. Insgesamt stellte „Xenoblade Chronicles“ eines der bis dahin größten Soundtrack-Projekte für Nintendo dar.

Die sechs Komponisten von „Xenoblade Chronicles“ im „Iwata fragt“-Interview: Yoko Shimomura, Yasunori Mitsuda und Manami Kiyota (oben); Tomori Kudo, Hiroyo Yamanaka (Künstlername CHiCO) und Kenji Hiramatsu, die die Gruppe ACE+ bilden. Die Hälfte des Komponisten-Teams war weiblich besetzt!

Zusammenspiel zwischen Individualität und Kohärenz

Trotz des recht großen Musikteams, das noch nie zuvor miteinander gearbeitet hatte, ist der Soundtrack von „Xenoblade Chronicles“ ziemlich kohärent und vereinigt Klänge, die sich an dem für das Spiel maßgeblichen Gegensatz zwischen organischen Lebewesen und Maschinen orientieren. Doch es war gar nicht so einfach, die musikalische Grundausrichtung festzulegen. Zunächst war eine eher Film-artige Musik angedacht gewesen. Sodann sah eine frühe Vorgabe Takahashis vor, dass „Xenoblade“ nicht wie ein typisches Rollenspiel klingen solle. Er machte den Komponisten viele konkrete Vorgaben und gab ihnen Hörproben für die Art Musik, die ihm vorschwebte, doch dann orientierten sich die Musiker zuerst noch zu eng daran.

Es war Takahashi ein wichtiges Anliegen, „jedem Künstler den Freiraum [zu] geben, die eigene Persönlichkeit zu entfalten, während man darauf achtet, dass das endgültige Produkt eine einheitliche Linie hat.“ Auch das war mit großen Herausforderungen verbunden. „Zuerst waren wir mehrere Teams mit jeweils eigenem Klang“, beschrieb Yamanaka. Die Entstehung der Musik des Spiels muss ein langwieriger Lernprozess gewesen sein – leider sind keine der sicher mehreren verworfenen Versuche und Entwürfe an die Öffentlichkeit gelangt. Ab der Hälfte des Projektes wurde der Soundtrack jedenfalls immer kohärenter.

Takahashi war bei all dem intensiv beteiligt, sodass hauptsächlich ihm die Entscheidung oblag, wann im Spiel welche Stücke zu hören sein sollten. „Jeden Morgen kam ich ins Büro, startete meinen Computer und fragte mich, welche Stücke ich mit welchen Zwischensequenzen und Kampfszenen kombinieren würde“, erinnerte er sich zurück. „Es ist eine schwierige, aber genussreiche Sache, sich darum zu kümmern.“

Mühen, die sich auszahlen

Wer nur das fertige Ergebnis vor Augen hat, hat keinen Eindruck davon, welche Mühen in die Entstehung geflossen sind – diese mögen etwa durch Yamanakas Aussage veranschaulicht werden: „Ms. Kiyota und ich waren täglich den Tränen nahe.“ Und doch empfanden die Komponisten die Arbeit an „Xenoblade“ als erfüllend und zeigten sich dankbar für die Möglichkeit, Teil des Projektes zu sein. „Glücklich und nervös, aber auch ernst habe ich eine große Menge an Musik produziert, während ich das Skript gelesen habe, und Tag für Tag Musik geschrieben“, äußerte Kiyota, die schon als Kind den Traum hatte, Komponistin für Videospielmusik zu werden. „Es war kräftezehrend, aber ich war wirklich durchgehend glücklich.“

Doch die Anstrengungen waren nicht umsonst, denn die Musik von „Xenoblade Chronicles“ wird der majestätischen Spielwelt und der breiten Handlung mehr als gerecht. Takahashi, der sich ja sehr intensiv um die Musik gekümmert hat, äußerte einmal einen Wunsch: „Ich würde mich sehr freuen, wenn die Leute die Musik auch gern einfach nur so anhören würden und sie ihnen im Spiel selber natürlich auch Freude macht.“ Ohne Zweifel ist dieser Wunsch Wirklichkeit geworden, denn souverän hat es das Spiel unter die besten Soundtracks der Nintendo-Geschichte geschafft.

Unter dem Titel „The Music of Xenoblade Chronicles 3D“ hat Nintendo 2015 anlässlich der 3DS-Portierung fünf Musikvideos veröffentlicht, in denen Arrangements beliebter Stücke aus dem Spiel von Musikern eingespielt werden.

Heimliche Ankündigung statt großer Bühne

Wir wir im Rahmen dieser Reportage schon mehrfach betont haben, ist „Xenoblade“ nicht nur für den Nintendo-Spielekatalog, sondern auch für das Genre der japanischen Rollenspiele ein herausragender Titel, der bei Kennern und Liebhabern auf große Aufmerksamkeit stieß. Doch falls man angesichts der eher moderaten Verkaufszahlen – dazu später mehr – überhaupt von einem Erfolg sprechen kann, dann war es ein Überraschungserfolg. Denn als „Xenoblade“ Mitte 2009 enthüllt worden war, damals noch unter dem Titel „Monado: Beginning of the World“, hat nicht nur niemand mit einem Genre-Meilenstein gerechnet, es hat sogar kaum jemand ernstlich Notiz von diesem Spiel genommen.

Nintendo hat „Monado“ nicht in seiner Pressekonferenz zur E3 2009 vorgestellt, sondern still und heimlich durch die Veröffentlichung eines Trailers auf seiner Homepage enthüllt. Wer damals überhaupt davon mitbekam, wurde ratlos hinterlassen, schien sich der Trailer doch kaum zu bemühen, einen wirklichen Eindruck von dem zu vermitteln, was das spätere „Xenoblade“ ausmachen sollte. Dabei hätte sich ein an Vielspieler gerichtetes Rollenspiel aus dem Hause Nintendo, gleichsam Big Ns lang erwartete Antwort auf „Final Fantasy“ und „Dragon Quest“, und obendrein als Wii-exklusives Spiel ehemaliger Square-Mitarbeiter die Aufmerksamkeit der großen E3-Bühne mehr als verdient gehabt.

Die Kunde macht die Runde

Unter jenen Umständen vermochte die Ankündigung des Spiels nur ein kleines Publikum zu erreichen, welches zudem nur eher verhaltenes Interesse zeigte. Das änderte sich Anfang 2010 mit der Umbenennung von „Monado“ in „Xenoblade“. Und als das Spiel dann am 10. Juni 2010 im Land der aufgehenden Sonne auf den Markt kam – unlängst hatten es Freunde des japanischen Rollenspiels auf der ganzen Welt auf dem Schirm –, verkaufte es sich innerhalb der ersten Woche etwa 80.000 Mal. Bis Jahresende kamen ungefähr noch einmal 80.000 Verkäufe hinzu, womit „Xenoblade“ eines der erfolgreichsten Wii-Spiele des Jahres in Japan war.

„Um ehrlich zu sein, hatten wir mit einer relativ starken Resonanz in Japan gerechnet“, sagte Takahashi. „Aber die Resonanz aus dem Ausland kam für mich schon ziemlich überraschend …“ Die Entwickler hatten zwar von Anfang an gehofft, dass auch westliche Spieler in den Genuss ihres neuesten Projektes würden gelangen können – immerhin haben sie ja auch dezidiert westliche Rollenspiel-Elemente verarbeitet –, doch Hersteller Nintendo war deutlich verhaltener. So blieb völlig unklar, ob „Xenoblade“ überhaupt jenseits Japans herauskommen würde, bis Nintendo of Europa im März 2011 noch für das gleiche Jahr eine Veröffentlichung unter dem erweiterten Namen „Xenoblade Chronicles“ ankündigte.

Dies ist der Trailer, mit dem Nintendo „Xenoblade“ auf der E3 2009 noch unter dem Titel „Monado“ angekündigt hat. Bei 0:24 sieht man kurz ein früheres Aussehen von Fiora; im Kampfmenü werden noch Platzhalter-Grafiken genutzt. Am Ende wird das damalige Spiellogo eingeblendet.

Der Kampf um die Veröffentlichung

Für die englische Sprachausgabe setzte Nintendo auf weitestgehend unbekannte Sprecher, deren teils starker britischer Akzent der Synchronfassung von „Xenoblade“ einen unverwechselbaren Stempel aufdrückte. Insgesamt wurden dazu um die 13.000 Dialogzeilen von 140 Charakteren aus dem Spiel vertont. Außerdem wurden die Bildschirmtexte in die jeweiligen Landessprachen Europas übersetzt, was bei einem großen Rollenspiel wie „Xenoblade“ einen gehörigen Aufwand bedeutet. Mit anderen Worten hat Nintendo of Europe durchaus einiges an Kosten und Mühen in die Lokalisierung eines Spiels gesteckt, das das Unternehmen wohl eher als Nischenspiel eingestuft hat.

So kam „Xenoblade“ am 19. August 2011 unter anderem in Deutschland auf den Markt. Doch Fans in Nordamerika schauten weiterhin in die Röhre, denn Nintendo of America hatte keine Pläne für eine dortige Veröffentlichung. Als Reaktion formierte sich die Fankampagne Operation Rainfall, die sich für eine Nordamerika-Veröffentlichung von „Xenoblade Chronicles“ sowie von „The Last Story“ und „Pandora’s Tower“, zwei weiteren Wii-exklusiven Rollenspielen, einsetzte. Als es daraufhin von Nintendo of America hieß, es gebe weiterhin keine Pläne für eine Lokalisierung der drei Spiele, stieg der Unmut der Fans an. Knapp eine Million Spieler beschafften sich „Xenoblade“ allein im Jahr 2011 stattdessen auf unlauterem Wege.

Das Schicksal selbst in die Hand nehmen

Erst Ende 2011 gab Nintendo of America infolge der guten Verkaufszahlen in Europa nach und kündigte eine Nordamerika-Veröffentlichung der drei Spiele an. Der lang ersehnte Nordamerika-Launch von „Xenoblade“ im April 2012 bot aber wiederum Angriffsfläche für Kritik, da der Titel exklusiv über die Handelskette GameStop sowie den Online-Shop von Nintendo of America vertrieben wurde. Die Art und Weise, wie Nintendo die Ankündigung, das Marketing und die Veröffentlichung von „Xenoblade“ von 2009 bis 2012 gehandhabt hat, war damit insgesamt, gelinde gesagt, unglücklich.

Trotz der widrigen Umstände verbreitete sich die Kunde von „Xenoblade“ und das Spiel erhielt wenn auch nicht herausragende, so doch ganz solide Verkaufszahlen – vor allem angesichts der Tatsache, dass es als Vielspieler-Rollenspiel spät im Lebenszyklus einer eher an Gelegenheitsspieler gerichteten Konsole erschien und keiner bereits etablierten Marke zugehörig war. Offizielle Angaben zu den Verkäufen liegen zwar nicht vor, aber Schätzungen zufolge rangiert „Xenoblade“ ungefähr im Raum von knapp einer Million Verkäufen weltweit. Tendenziell war es im Westen erfolgreicher als in Japan.

Mit „Super Smash Bros. für Nintendo 3DS/Wii U“ betrat „Xenoblade“-Protagonist Shulk den Kampfring. Die Aufnahme in Nintendos beliebte Crossover-Prügelelei bescherte der noch jungen Rollenspiel-Reihe nicht nur weitere Aufmerksamkeit, sondern ging auch mit einer Shulk-amiibo-Figur einher.

Die Immersion der Spielwelt erhöhen

Rasch galt „Xenoblade“ als Geheimtipp und zugleich als eines der besten japanischen Rollenspiele der letzten Jahre. Groß war daher der Wunsch nach einer technisch zeitgemäßeren Neuauflage. Doch anstelle dass Nintendo das Spiel auf der Wii U mit HD-Grafik herausbrachte, sollte es für den 3DS erscheinen. Ausschlaggebend für diese unter den Spielern kontrovers aufgenommene Entscheidung war die Möglichkeit, „Xenoblade“ auf der Mobilkonsole überall sowie in 3D-Grafik zu erleben, die die Spielwelt noch lebendiger wirken lassen sollte. „Als das Thema zunächst aufkam, war ich mir nicht sicher, ob wir die Portierung würden verwirklichen können“, sagte Takahashi. Immerhin ist die Grafikleistung des 3DS ja jener der Wii unterlegen.

Mit dem Projekt, das gegen Herbst oder Winter 2013 begann, wurde das amerikanische Studio Monster Games betraut, das mit „Donkey Kong Country Returns 3D“ im selben Jahr schon eine 3DS-Portierung eines Wii-Spiels hervorgebracht hatte. Auf dem regulären 3DS-Modell hatte Monster Games große Schwierigkeiten, „Xenoblade“ zum Laufen zu bringen. Im Laufe der Arbeiten erfuhr das Studio dann vom New Nintendo 3DS, der das Projekt mit seinen leicht verbesserten Spezifikationen doch noch möglich machte. Damit standen die eigentlichen Mühen aber erst bevor: „Wir mussten immer noch die Grafikengine neu schreiben, alle Grafikelemente neu aufbauen und den ganzen Quellcode und die Spieldaten konvertieren“, erklärte das Studio.

Gigantisches Abenteuer auf einem winzigen Bildschirm

Die große Sichtweite der gewaltigen Spielwelten brachte auch den New 3DS an seine Grenzen, sodass sich Monster Games dazu gezwungen sah, viel herumzubasteln, bis die Portierung eine zufriedenstellende Leistung erbrachte. Da es auf den regulären 3DS-Modellen aber einfach nicht realisierbar gewesen wäre, stellt „Xenoblade Chronicles 3D“ eindrucksvoll die verbesserte Leistung des New 3DS zur Schau. Darüber hinaus kommt der zweite Analogstick der Handheld-Revision dem Spiel behufs der Kamerasteuerung sehr zugute, während die NFC-Funktion zur Einbindung des Shulk-amiibo genutzt wird.

Zusammen mit der Hardware-Revision im August 2014 angekündigt, wurde „Xenoblade Chronicles 3D“ dann weltweit im April 2015 veröffentlicht – vorbei waren die Zeiten, in denen um eine westliche Veröffentlichung noch gekämpft werden musste. Es handelt sich um einen von nur einer Handvoll New-3DS-exklusiver Titel, die je auf den Markt gekommen sind. Die Portierung des bis dahin umfangreichsten Nintendo-Spiels auf einen alternden Handheld war zweifelsohne eine beeindruckende Leistung von Monster Games; leider hat das Studio seitdem keine Projekte mehr für Nintendo entwickelt.

Drei Screenshots aus „Xenoblade Chronicles 3D“. Abgesehen von der deutlich niedrigeren Auflösung steht die Portierung dem Originalspiel überraschend nahe. Es war übrigens nicht die einzige „Xenoblade“-Wiederveröffentlichung, die 2015 erfolgte: Anfang September kam die unveränderte Wii-Originalversion als Download im eShop der Wii U heraus.

Größenwahn in HD

Dass „Xenoblade Chronicles 3D“ überhaupt bei einem externen Entwickler und nicht direkt bei Monolith Soft entstand, lag daran, dass das Studio bereits mit Hochdruck an einem anderen Projekt arbeitete. Denn direkt nach der Veröffentlichung der Wii-Version war Monolith Soft ans Reißbrett zurückgekehrt, um einen Nachfolger zu entwickeln. Er sollte all das bieten, was die Entwickler in „Xenoblade“ nicht verwirklichen konnten: Eine noch größere und offenere Welt mit weniger Übergängen, flugfähige Kampfroboter und eine zeitgemäßere Grafik. Hinzu kam ein Online-Modus, dem eine vorgegebene Spielfigur sowie eine elaboriertere Handlung zum Opfer fielen. Im Detail könnt ihr die Entwicklungsgeschichte in unserer zweiteiligen Reportage „Open World, Mechs, Online – Making of Xenoblade Chronicles X“ nachlesen.

„Xenoblade Chronicles X“ war keine direkte Fortsetzung, sondern ein geistiger Nachfolger und kam 2015 für die Wii U auf den Markt. Es konnte die seit dem ersten Trailer von Januar 2013 sehr hohen Erwartungen nur zum Teil einlösen, was aber keineswegs bedeuten soll, dass „Xenoblade X“ kein gutes Spiel gewesen sei. Seine offene Spielwelt, die in Sachen Gigantomanie die des Vorgängers in den Schatten zu stellen vermochte, war damals die wohl größte, die je von Hand für ein Videospiel gestaltet worden war. Die Musik, diesmal aus der Feder von Anime-Komponist Hiroyuki Sawano, ging indes in eine völlig andere Richtung.

Vollwertige Rückkehr trotz Sparflammen-Besetzung

Die eher durchmischten Stimmen zu „Xenoblade Chronicles X“ beeinflussten Monolith Soft in der Entwicklung des dritten „Xenoblade“-Spiels, die bereits Mitte 2014 begann, als „X“ noch längst nicht fertiggestellt war. Diesmal konzentrierte sich das Team um Tetsuya Takahashi, Genki Yokota und Koh Kojima, die erneut die Leitung übernahmen, wieder mehr auf das Erzählen einer Handlung, und auch das Spielprinzip orientierte sich stärker am ersten „Xenoblade“. Darüber hinaus kehrten mit Ausnahme von Yoko Shimomura alle Komponisten des ersten Teils zurück. Da war es nur recht und billig, dass das neue Spiel auf den Namen „Xenoblade Chronicles 2“ getauft wurde, auch wenn es hinsichtlich Handlung und Spielwelt keine Fortsetzung darstellt.

Weltweit kam „Xenoblade Chronicles 2“ am gleichen Tag, nämlich am 1. Dezember 2017, für Nintendo Switch auf den Markt. So konnte es früh im Lebenszyklus der neuen Hybrid-Konsole zeigen, was diese alles auf dem Kasten hat, und sich überdies rasch den Rang einer der wichtigsten Veröffentlichungen für die Plattform sichern. Umso beachtlicher wird diese Leistung angesichts der Tatsache, dass nur ein eher kleines Team innerhalb von Monolith Soft am Spiel beteiligt war, da der Großteil des Studios bei der Entwicklung von „The Legend of Zelda: Breath of the Wild“ mitwirkte und einen nicht unerheblichen Teil zu dessen atemberaubender offener Spielwelt beitrug.

Bereits Mitte 2018 lagen die weltweiten Verkaufszahlen von „Xenoblade Chronicles 2“ bei 1,73 Millionen. Damit ist es der mit Abstand größte Erfolg für Monolith Soft, das sich mit seinen „Xenoblade“-Spielen inzwischen einen festen Platz in Nintendos Studiohierarchie erarbeitet hat. Die sehr positive Resonanz und der Erfolg beflügelten das Unternehmen zur Entwicklung der Erweiterung „Torna – The Golden Country“, die im September 2018 als kostenpflichtiger Download für „Xenoblade Chronicles 2“ erschien.

Screenshots aus „Xenoblade Chronicles X“ (links), das sich um einen realistischeren Grafikstil bemüht hat, und „Xenoblade Chronicles 2“ (rechts), dessen Figuren optisch stark einem Anime ähneln. Dieser Grafikstil wurde auch zur Grundlage der „Definitive Edition“ des ersten Teils der Reihe.

Ein Remake und ein Nachfolger

Das aktuellste Werk von Monolith Soft ist nun das vor Kurzem veröffentlichte Switch-Remake des ersten „Xenoblade Chronicles“. Anders als das 3DS-Remake entstand das Projekt intern – und das, obwohl Takahashis Team zur gleichen Zeit die Arbeiten am nächsten großen Spiel begonnen hatte. Zum Abschluss unserer Reportage möchten wir dazu noch ein paar weitere Worte verlieren.

Bereits Ende 2017 begannen die Planungen für die „Definitive Edition“, der Projektplan wurde dann im Mai 2018 fertiggestellt, zur gleichen Zeit wie jener für Takahashis neues Spiel. Beide entstanden seitdem in der ersten Entwicklungsabteilung von Monolith Soft, wobei das neue Spiel bis heute seiner Enthüllung harrt. Als Projektleiter des Remakes fungierte Shigekazu Yamada, der leitende Level-Designer von „Xenoblade Chronicles X“.

Auf dem Weg in die Zukunft

Gegenüber dem Originalspiel sollte die „Definitive Edition“, so setzte es sich Monolith Soft zum Ziel, flüssiger zu spielen, einfacher zu verstehen und hübscher anzusehen sein. Dazu haben die Entwickler viele kleine Komfort-Änderungen eingebaut, während die Grafik auf Grundlage der Engine von „Xenoblade Chronicles 2“ einer enormen Frischzellenkur unterzogen wurde. Insbesondere die von Grund auf neu erstellten Charaktermodelle profitierten davon enorm. Andere Grafikelemente wie Waffen, Ausrüstungen, Gegner und Landschaften wurden dagegen nur konvertiert, da die Entwicklung des Spiels engen Budget- und Zeitbegrenzungen unterworfen war.

Dieselben Begrenzungen sorgten dafür, dass auch die Überarbeitung des Soundtracks nach Prioritäten erfolgen musste. Wichtige Musikstücke wurden neu aufgenommen, während weniger zentrale Stücke nur kleine Verbesserungen und eine Erhöhung der Tonqualität erfuhren. Dazu kehrten übrigens mit Ausnahme von Shimomura alle Original-Komponisten zurück. Neben dem überarbeiteten kann der Spieler der „Definitive Edition“ natürlich auch den originalen Soundtrack wählen. Die größte Neuerung ist indes das Epilog-Kapitel „Die verbundene Zukunft“, für das ein großes unvollendetes Gebiet aus dem Originalspiel – mehr dazu in Teil 1 der Reportage – fertiggestellt wurde. Inhaltlich dreht sich die Episode um Melia, die in der Haupthandlung des Spiels alles andere als gut wegkommt.

Der Vergleich offenbart, wie sehr „Xenoblade“ optisch von der Überarbeitung der Charaktermodelle profitiert. Die nun erstmals in HD erstrahlende Spielwelt verblasst angesichts dessen beinahe, stellt aber ebenfalls einen großen grafischen Fortschritt dar.

Rückblick nach einer langen Reise

So wie jeder „Xenoblade“-Teil eine große Reise für die Spieler bereithält, bedeutete die bisherige Geschichte der Reihe einen langen Weg für die Entwickler. Wenn wir nun nach über zehn Jahren innehalten und zurückblicken, sehen wir, wie groß der von „Xenoblade“ seitdem zurückgelegte Weg wirklich ist. Spätestens jetzt ist es nicht übertrieben, Nintendos eigene Hardcore-RPG-Serie als überzeugende Antwort auf Genregrößen wie „Final Fantasy“ oder „Dragon Quest“ zu bezeichnen.

Entwickler Monolith Soft hat in den letzten zehn Jahren einen starken Imagewandel durchgemacht und dabei dem Genre der japanischen Rollenspiele neue Impulse gegeben. Während das Studio immer weiter anwächst, bleibt nur abzuwarten, welche komplexen Handlungen, welche gigantischen Spielwelten, welche faszinierenden Universen uns Takahashi und sein Team als nächstes erkunden lassen werden. Diese Reise wird wohl so schnell nicht vorbei sein.


Quellen für die gesamte Reportage: Anoop Gantayat: „All About Xenoblade“, Andriasang, 17. Februar 2010, Zugriff via xenoverse.xenotensei.com im Internet-Archiv vom 23. Juni 2011. „Iwata fragt: Xenoblade Chronicles“, dreiteiliges Entwicklerinterview, Nintendo.de, 2011. „Iwata fragt: Ein Gespräch mit Takahashi & Sakaguchi“, Nintendo.de, 2011. „Xenoblade Chronicles: The Origin of an Epic“, vierteiliges Video-Interview mit Tetsuya Takahashi und Koh Kojima von Nintendo TV (UK), 2011. Jeremy Parish: „What Xenoblade Chronicles Gets Right“, 1UP, 5. April 2012, archivierte Version vom 8. Mai 2012 im Internet-Archiv. „Monolith Soft Tried Using A Turn Based Battle System For Xenoblade Chronicles“, Siliconera, 7. April 2012. Matt Helgeson: „Interview: Inside The Development Of Xenoblade Chronicles 3DS“, Game Informer, 15. April 2015. „Iwata fragt: Xenoblade Chronicles 3D“, Nintendo.de, 2015. Interview der Famitsu mit Tetsuya Takahashi, Mai 2020, Übersetzung bei xenomira.wordpress.com, 21. Mai 2020. Entwicklernotizen für den Original Soundtrack von „Xenoblade Chronicles“, übersetzt von vgmonline.net. „Xenogears and Xenosaga Study Guide: The History of Xenogears and Xenosaga“, xenoverse.xenotensei.com, archivierte Version vom 12. November 2012 im Internet-Archiv: sehr umfangreiche Reportage über die Geschichte der gesamten „Xeno“-Reihe bis „Xenoblade Chronicles“, hier besonders Teil 4: „Monolithsoft and Nintendo“, leider mit stark negativer Sicht auf „Xenoblade“. The Cutting Room Floor. Zusätzliche Quellen sind an den entsprechenden Stellen im Fließtext als Links angegeben.

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  • Avatar von virus34
    virus34 26.07.2020, 17:45
    Danke wieder mal für den tollen Bericht. Für mich immer noch eines der besten RPGs aller Zeiten. Steht für mich auf einer Stufe mit Secret of Mana und Terranigma.