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Super Mario 64 DS

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Inside Nintendo 195: Super Mario 64 – ein Klassiker wird 25, Teil 4: Ringen um Sequel und Remake

In der extrem schnelllebigen und immer noch recht jungen Welt der Videospiele sind 25 Jahre eine unüberblickbar lange Zeit. Die Anfänge der Industrie liegen nunmehr rund 50 Jahre zurück, sodass die Markteinführung von „Super Mario 64“ im Jahre 1996 mit einer aus heutiger Sicht zentralen zeitlichen Zäsur korreliert. Doch auch hinsichtlich des Spielkonzepts hat der N64-Starttitel eine neue Epoche der Videospielgeschichte miteingeläutet, wie sich argumentieren ließe – Gründe dafür haben wir in unserer Reportage zur Genüge benannt. Im abschließenden Teil möchten wir einen Blick auf die 25-jährige Geschichte des Klassikers seit seiner Erstveröffentlichung werfen, wobei besondere Schwerpunkte auf Nintendos Ringen um einen ebenbürtigen Nachfolger sowie auf dem bis heute einzig wirklichen und offiziellen Remake „Super Mario 64 DS“ liegen werden.

Uneingelöstes Potenzial

„Super Mario 64“ begleitete nicht nur das N64 zu seiner Markteinführung, sondern war auch Nintendos allererstes Entwicklungsprojekt für das 64-Bit-Gerät. Die 3D-Möglichkeiten der neuen Konsole konnten zwar gut unter Beweis gestellt werden, doch natürlich war das Spiel weit davon entfernt, das volle Potenzial seiner Plattform auch nur annähernd auszureizen – dies allein schon infolge des großen Zeitdrucks, dem sich das Entwicklerteam ausgesetzt sah. „Wir haben die Fähigkeiten des N64 nur zu etwa 60 Prozent genutzt“, schätzte Programmierer Hajime Yajima und korrigierte sich direkt nach unten: „Nein, wenn man sich alles ansieht, waren es eigentlich vielleicht nur 40 Prozent.“

Einige Mitwirkende äußerten rückblickend in Interviews, wie sehr die doch ziemlich hohen technischen Hürden ihre Visionen und Ideen einschränkten. Mit dem geplanten Luigi-Zweispielermodus, der den technischen Limitierungen zum Opfer gefallen war, hatten wir uns bereits auseinandergesetzt. Auch sei daran erinnert, dass bei der Ankündigung Ende 1995 noch von mindestens 32 Welten statt wie im fertigen Spiel von 15 die Rede war. Ein weiteres Desiderat benannte Yajima: „Ich wollte Umgebungen machen, die verändert werden können – und dass sich das Spiel diese Veränderung merkt. […] Das N64 ist dazu fähig“. Vielleicht spielte er damit auf das später veröffentlichte Zubehör 64DD an, das dank wiederbeschreibbarer Speichermedien genau dies ermöglichen sollte.

Sonniges Ideensammelbecken

Wer die Entstehungsgeschichte von „The Legend of Zelda: Ocarina of Time“ noch grob im Hinterkopf hat, wird vielleicht ein Déjà-vu bekommen haben, denn bleibende von den Spielenden bewirkte Einflüsse auf die Spielwelt wie gefällte Bäume oder Fußspuren im Sande gehörten auch zu den Plänen für dieses nächste große Projekt des „Super Mario 64“-Teams. Doch da „Ocarina of Time“ schließlich doch nicht mit 64DD-Unterstützung daherkam, konnte die Idee auch hier nicht umgesetzt werden. Zur Realisierung gelangte sie erst, wenn auch in deutlich kompromittierter Form, in „Super Mario Sunshine“, wo Mario bösartigen Schleim beseitigt, der Gegenstände, Figuren und sogar ganze Gebäude verschwinden lässt.

Ein weiteres Beispiel für das unausgeschöpfte Ideenpotenzial gab Co-Director Yoshiaki Koizumi: „Ich wollte mehr Hilfsmittel, Spielzeuge und Dinge, mit denen Mario herumspielt, haben: Bälle, Autos und so weiter. Ich glaube wirklich, wir hätten viel mehr davon einbauen können.“ Angesichts dieser Aussage ist es wohl kein Zufall, dass das Spielprinzip des von Koizumi geleiteten Nachfolgers „Sunshine“ ganz auf Marios umschnallbare Wasserdüse Dreckweg 08/17 ausgerichtet ist. Diese übrigens diente auch dazu, die Steuerung und Orientierung im 3D-Raum zu erleichtern – ein weiteres Thema, welches das Entwicklerteam seit „Super Mario 64“ nicht losließ und das später etwa zum Planetenkonzept und zur Luftwirbelattacke aus „Super Mario Galaxy“ oder zur autostereoskopischen 3D-Ansicht von „Super Mario 3D Land“ führte.

Was für eine affige Idee: Auch mit diesen frechen Gefährten hatten die Entwickler zunächst mehr vor, als sie umsetzen konnten. „Ich wollte auch mehr Affen haben“, bekannte Tezuka. „In einer früheren Version des Spiels hatten wir sie in mehr Gebieten und man konnte sie herumjagen.“ Miyamoto ergänzte: „Wenn drei von ihnen zusammen waren, verspotteten sie Mario.“ Darauf sagte Tezuka lachend: „Genau, und wenn Mario einen von ihnen erwischte, konnte er ihn von einer sehr hohen Klippe werfen.“

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Es dürfte klar geworden sein: Mit der Fertigstellung von „Super Mario 64“ waren Kreativität und Ambition des Entwicklerteams längst nicht erschöpft. In der Videospielindustrie ist der nächste Schritt damit beinahe vorprogrammiert: „In der Mitte der Entwicklung wurde uns bewusst, dass wir so viel mehr hinsichtlich des Gameplays machen könnten“, sagte Co-Director Takashi Tezuka, „und die Mitwirkenden sagten, sie wollten sich beeilen und eine Fortsetzung machen.“

Im Rahmen der E3 1997 bestätigte Miyamoto, dass die Arbeiten an „Super Mario 64 2“ begonnen hätten. Nachdem es in den folgenden Monaten äußerst still um das Spiel geworden war, bestätigte der Mario-Vater im Januar 1999 in einem Interview, dass die entsprechenden Grundlagen bereits vor über einem Jahr erstellt worden seien, er das Projekt seither aber habe ruhen lassen. Die einzigen bekannten Eckdaten dieses mysteriösen Spiels sind, dass es für das 64DD erscheinen und endlich einen Zweispielermodus umfassen sollte. „Jetzt gerade laufen Mario und Luigi auf dem Bildschirm auf meinem Schreibtisch auf dem Disk Drive“, sagte Miyamoto.

„Super Mario 64 2“ kam nie auf den Markt, ja ist sogar noch nicht einmal der Öffentlichkeit präsentiert worden. Bis zum heutigen Tage bleibt es ein großes Mysterium, zu dem uns nicht mehr als nur einige alte Interviewschnipsel zur Verfügung stehen. So erklärte Miyamoto Anfang 1999 ungewohnt offen: „Die ursprüngliche Idee war, das Spiel [‚Super Mario 64 2‘] auf dem 64DD-System verfügbar zu machen, aber da ich seit ungefähr einem Jahr nichts mehr daran gemacht habe, kann ich nicht sagen, wie genau es sein wird. Vielleicht werde ich andere Leute bitten, daran zu arbeiten, oder vielleicht könnten wir überlegen, es für ein ganz anderes System zu entwickeln – aber zu diesem Zeitpunkt weiß ich es nicht.“

Zwei nebulöse Nachfolgerprojekte

Da es in den folgenden Monaten und Jahren keine weiteren Neuigkeiten gab, kann davon ausgegangen werden, dass „Super Mario 64 2“ nie über ein sehr frühes Entwicklungsstadium hinausgekommen ist. Als Grund dafür vermuten wir ein Amalgam mehrerer Ursachen: Erstens war ein Großteil der Belegschaft von Nintendo EAD 1997 und 1998 komplett ausgelastet mit „Ocarina of Time“, einschließlich Miyamoto – was zu der Aussage passt, dass er sich „Super Mario 64 2“ das ganze Jahr 1998 über kaum habe zuwenden können. Zweitens kam das 64DD erst mit gehöriger Verspätung auf den Markt und verkaufte sich dann zudem schlecht, sodass die meisten geplanten Spiele entweder auf das reguläre N64 übertragen oder ganz abgebrochen wurden. Und drittens arbeitete Nintendo 1999 bereits mit Hochdruck am GameCube und begann die Planungen für ein ganz neues „Super Mario“-Spiel.

Über Jahre hinweg war unter dem Titel „Super Mario 128“ die Rede von einem zweiten potenziellen „Super Mario 64“-Nachfolger. Auf diesen Namen hörte eine seltsame GameCube-Technik-Demo von August 2000, die insgesamt 128 Marios auf einer sich transformierenden Oberfläche herumlaufen ließ. Auch wenn die im Laufe der Jahre hierzu getätigten Interviewaussagen ein etwas widersprüchliches Bild ergeben, lässt sich zusammenfassen, dass „Super Mario 128“ weniger ein vollwertiges und letztlich abgebrochenes Spieleprojekt als vielmehr eine Sammlung von Ideen war, die später im Echtzeitstrategiespiel „Pikmin“ und noch später in den sphärenförmigen Plattformen von „Super Mario Galaxy“ verwirklicht wurden.

V.l.n.r.: Bildmaterial aus der Tech-Demo „Super Mario 128“ von der Space World 2000; „Super Mario Sunshine“ (GameCube, 2002); „Super Mario Galaxy“ (Wii, 2007).

Erbstreitigkeiten

Als offizieller Nachfolger von „Super Mario 64“ erschien 2002 für den GameCube das schon erwähnte „Super Mario Sunshine“. Eigentlich hätte alles gut gehen müssen: Das Grundsystem von „Super Mario 64“ wurde ausgebaut, verfeinert und um manch neue Idee erweitert; es entstanden deutlich realistischere, sich zusammenhängender und stimmiger anfühlende Spielwelten mit Südsee-Thematik; Marios Bewegungsrepertoire erfuhr massive Erweiterungen; unter anderem durch damals sehr realistische Wassereffekte konnte der GameCube seine Grafikmuskeln spielen lassen; sogar um eine elaboriertere Erzählung war Nintendo bemüht.

Und doch: Obzwar keineswegs ein schlechtes Spiel, ist „Super Mario Sunshine“ nach Ansicht vieler Fans doch ebenso weit davon entfernt, den himmelhohen Erwartungen zu entsprechen, die nach sechs Jahren des Wartens an den Nachfolger von „Super Mario 64“ gerichtet worden waren. Die Gründe dafür haben wir andernorts erläutert. Aus plattformstrategischer Sicht kommt hinzu, dass „Sunshine“ erst gut ein Jahr nach Markteinführung des GameCube veröffentlicht wurde und nach Ansicht mancher Kritiker sogar noch zusätzlicher Entwicklungszeit bedurft hätte.

Wenn man erfüllte Erwartungen als Maßstab anlegt, dann war der wahre Nachfolger von „Super Mario 64“ erst der 2007 erschienene Wii-Titel „Super Mario Galaxy“. Obwohl das unter Regie von Yoshiaki Koizumi entstandene Spiel mit seinem linearen Levelkonzept einen Schritt zurück hinter „Super Mario 64“ darstellt, konnte es durch eigene Akzente, eine eingängige Steuerung und nicht zuletzt einen ungehemmten Ideenreichtum die Kritiker derart überzeugen, dass es als eines der besten Videospiele aller Zeiten angesehen wird – und eben als wahrer Erbe des N64-Klassikers.

Einmal erweitertes Remake zum Mitnehmen, bitte!

Die erste und bis zum heutigen Tage einzige vollwertige Neuauflage von „Super Mario 64“ kam bereits nach nur acht Jahren auf den Markt. Parallel zu Nintendo innovativem Handheldsystem veröffentlicht, stellte „Super Mario 64 DS“ dessen Leistungsfähigkeit eindrucksvoll unter Beweis: Nicht nur konnte der Klassiker mit nur relativ wenigen Kompromissen auf die beiden kleinen Bildschirme übertragen werden, er erhielt auch zahlreiche neue Inhalte wie neue Welten, welche die Gesamtzahl an ergatterbaren Sternen um 30 auf 150 erweiterten, drei weitere Spielfiguren, einen Mehrspielermodus und eine Reihe kurzweiliger Minispiele. Kurzum: Abgesehen von der erwartbar niedrigeren Auflösung wäre „Super Mario 64 DS“ dem Original in jedweder Hinsicht überlegen – wäre da nicht die Steuerung, die infolge des fehlenden Analogsticks auf dem DS deutlich unkomfortabler ist.

Was die maßgebliche Motivation hinter dem DS-Remake war und warum diese oder jene Entscheidung gefällt worden ist, lässt sich nicht sagen, da in Ermangelung an Entwicklerinterviews kaum etwas über den Entstehungsprozess bekannt ist. Produziert wurde das Spiel jedenfalls intern bei Nintendo EAD, wobei mehrere Mitglieder des Teams, einschließlich des Projektleiters Shinichi Ikematsu, zuvor an „The Wind Waker“ und anschließend an „Twilight Princess“ mitgewirkt haben, sodass es wohl eine Art Nebenprojekt zwischen diesen beiden großen „Zelda“-Spielen war. Der Soundtrack indes wurde um neue Stücke von Kenta Nagata („Mario Kart“; „The Wind Waker“) erweitert.

Bei der Frage, ob die Grafik des DS-Remakes – abgesehen von der naturgemäß niedrigeren Auflösung auf dem DS – besser oder schlechter ausfällt als in der Originalversion, können Vergleiche wie dieser weiterhelfen.

Mehrspieler-Demo für Nintendo DS

Ursprünglich war für das Remake vorgesehen, dass sich die regulären „Super Mario 64“-Level auch im Mehrspielermodus spielen lassen. Damit wäre ein unerfüllter Wunsch aus der Entstehung der Vorlage endlich Wirklichkeit geworden, wobei diesmal sogar ein simultanes Spiel mit bis zu vier Personen angedacht war. Dazu wurden Luigi, Yoshi und Wario als Spielfiguren aufgenommen und auch in den Einzelspielermodus integriert. Entdeckungen in den Spieldaten weisen darauf hin, dass womöglich auch Prinzessin Peach als Spielfigur geplant war.

Erstmals vorgestellt wurde das Projekt am 11. Mai 2004 auf der E3 unter dem Titel „Super Mario 64 x4“. Damals wurde noch nicht kommuniziert, dass daraus ein vollwertiges Remake werden sollte, vielmehr handelte es sich zunächst um eine Tech-Demo, in der vier Spielerinnen oder Spieler in den bekannten Welten des Klassikers gegeneinander antraten und die so die damals brandneue Drahtlosverbindung des Nintendo DS zur Schau stellte. Ob die ambitionierteren Pläne damals schon feststanden oder ob erst in dem folgenden knappen halben Jahr aus der Tech-Demo ein vollwertiges Remake wurde, ist unbekannt. Jedenfalls erfüllte „Super Mario 64 x4“ auf der E3 2004 gemeinsam mit „Metroid Prime: Hunters“, „WarioWare: Touched!“ sowie „PictoChat“ den Zweck, den neu enthüllten DS vorzustellen und sein Potenzial zu demonstrieren.

„Der verrückteste Crunch meiner Karriere“

Einen Einblick aus erster Hand in die Arbeiten verdanken wir dem ehemaligen Nintendo-Mitarbeiter Motoi Okamoto, seines Zeichens Director des Minispielbereichs von „Super Mario 64 DS“. „In jenen Tagen kam Miyamoto um elf Uhr abends, nachdem er all seine Arbeiten als Vorstandsmitglied erledigt hatte, zu uns und sagte: ‚Es ist Mario-Zeit.‘ Dann begannen wir ein Planungsmeeting, das bis zwei Uhr morgens dauerte. Miyamoto ging dann nach Hause und verließ uns mit den Worten: ‚Sie sollten auch bald heimkehren, Ihrer Gesundheit zuliebe.‘ Die nächsten zwei oder drei Stunden schrieben wir Gamedesign-Dokumente“.

Seine unverblümten Erinnerungen beschließend, sagte Okamoto: „Es war die verrückteste Crunchzeit, die ich je in meiner Entwicklerkarriere erlebt habe. Aber konnten wir aufgeben, wo doch der Gott der Spiele so viel arbeitete? Miyamoto hatte unglaubliche Ausdauer.“ Es erfordert kein sonderlich ausgeprägtes Vorstellungsvermögen, um zu verstehen, dass in einer solchen, von extremem Zeitdruck geprägten Atmosphäre Kompromisse eingegangen werden mussten. Das Entwicklerteam sah sich dazu gezwungen, erneut seine Mehrspielerambitionen herunterzuschrauben: Wohl in einer schon fortgeschritteneren Projektphase wurde aus dem geplanten Mehrspielermodus ein gesonderter, Minispiel-artiger Bereich, in dem die Spielerinnen und Spieler in vier kleineren Arenen um Sterne kämpfen.

Der zweite Screenshot von links zeigt einen früheren Projektstatus von „Super Mario 64 DS“, der grafisch noch stärker der N64-Version ähnelt. Zum Vergleich links daneben die Szene im N64-Original, rechts daneben in der finalen „Super Mario 64 DS“-Version. Enthalten war das Bild auf der Debug-Cartridge „Aging Card NTR“, die auf den 18. August 2004 datiert, doch der Screenshot stammt offenkundig aus einer Version des Spiels von vor der E3. – Ganz rechts ein auf der E3 2004 veröffentlichter Screenshot zu „Super Mario 64 x4“, der die vier Spielfiguren in Bob-Ombs Bombenberg zeigt und so beweist, dass damals noch sämtliche Spielwelten im Mehrspielermodus erkundbar sein sollten.

Wegbereiter noch größerer Erfolge

Die Resonanz auf der E3 2004 war etwas verhalten ausgefallen, insbesondere infolge der relativ ungelenken und ungenauen Steuerung wahlweise via Steuerkreuz oder Touchscreen. Daran änderte auch die Daumenschlaufe nichts, die Nintendo später für das Spiel anbot. Zusammen mit dem DS kam „Super Mario 64 DS“ in Nordamerika am 21. November 2004 auf den Markt; in Japan debütierten Spiel und Konsole erst am 2. Dezember, während es in Europa am 11. März 2005 so weit war. Die neuen Inhalte und der Umstand, dass einer der größten N64-Klassiker nun immer und überall gespielt werden konnte, überwogen die Steuerungstücken, sodass der Titel insgesamt sehr zu überzeugen wusste.

„Super Mario 64 DS“ leistete wertvolle Starthilfe für Nintendos erfolgreichste Plattform überhaupt und ging im Laufe der Jahre offiziellen Angaben zufolge 11,06 Millionen Mal über die Ladentheken. Diese Zahl kommt interessanterweise den Verkäufen der N64-Version sehr nahe, doch während diese das meistverkaufte Spiel ihrer Plattform war, reichte es beim Remake wegen der um ein Vielfaches größeren Hardwarebasis des DS nur für den zehnten Platz. Später wurden einige Elemente des Remakes wie die Spielfiguren oder die Minispiele, für die ihr Director Okamoto übrigens zur Inspiration zahlreiche Flash-Spiele ausprobiert hatte, für „New Super Mario Bros.“ übernommen, sodass „Super Mario 64 DS“ einen nicht unerheblichen Beitrag zur erfolgreichsten DS-Veröffentlichung aller Zeiten leistete.

Der Luigi unter den Mario-Meilensteinen?

Mit immer leistungsfähigeren Spielekonsolen in den folgenden Jahren nahm das Potenzial einer zeitgemäßen Neuauflage von „Super Mario 64“ und damit auch das Drängen der Fans auf eine solche zu. Nintendo aber ließ es mit unveränderten Wiederveröffentlichungen im Rahmen des Virtual-Console-Angebots bewenden: Ab 2006 war die N64-Version als Download auf der Wii und ab 2015 auch auf der Wii U erhältlich. Als auf Letztgenannter später auch DS-Spiele in das Virtual-Console-Angebot aufgenommen wurden, erschien 2016 auch „Super Mario 64 DS“ neu, wobei die niedrige Bildauflösung des Originals beibehalten wurde.

Inzwischen hatte Nintendo für den 3DS Remakes einiger N64-Titel herausgebracht, darunter von den „Zelda“-Titeln „Ocarina of Time“ und „Majora’s Mask“ sowie von „Star Fox 64“. Eine Aufnahme in diese Riege sollte „Super Mario 64“ jedoch verwehrt bleiben. Dafür wurde 2010 in „Super Mario Galaxy 2“ eine ganze Welt des Klassikers nachgebaut, inklusive eines von einer Big Band eingespielten Arrangements der Hauptmusik, und in „Super Mario Odyssey“ erstrahlte 2018 immerhin eine aufgebohrte Version von Peachs Schlossgarten in HD, während sich Marios Polygonmodell aus „Super Mario 64“ als Outfit freischalten ließ.

Diesen beiden Hommagen, so liebevoll sie auch umgesetzt sein mögen, steht die unüberblickbare Anzahl der Ehrerbietungen an das erste „Super Mario Bros.“ entgegen, seien es nun die mannigfaltigen Anspielungen in Videospielen, Produkte wie amiibos und ein spezielles Lego-Set oder die zahlreichen Wiederveröffentlichungen, Neuauflagen und Variationen. Besondere Aktionen etwa zu runden Jubiläen wie dem 25. in diesem Jahr gab es dagegen für „Super Mario 64“ nicht. Die Aufnahme in „Super Mario 3D All-Stars“ 2020 (dazu später noch mehr) sowie die Wiederveröffentlichung im Oktober 2021 im Rahmen des Erweiterungspacks von „Nintendo Switch Online“ sind immerhin kleine Lichtblicke. Insgesamt aber kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dem Spiel bei Nintendo nicht ganz jener Kultstatus zugesprochen wird, der ihm eigentlich zusteht und der sich zuletzt erst im Juli 2021 darin manifestiert hat, dass ein originalverpacktes Exemplar für rekordverdächtige 1,5 Millionen Dollar versteigert worden ist.

Links: Die Rückblende-Galaxie aus „Super Mario Galaxy 2“, die auf Wummps Wuchtwall aus „Super Mario 64“ basiert. Rechts: Mario im „Super Mario 64“-Outfit in der Pilzkönigreich-Welt von „Super Mario Odyssey“ mit Peachs berühmtem Schloss aus dem N64-Klassiker.

Die Grenzen des Machbaren ausloten

2021 erschien immerhin ein aus 2064 Teilen bestehender Lego-Bausatz, der Welten aus „Super Mario 64“ darstellt, enthalten in einem der berühmten Fragezeichenblöcke – ironischerweise jedoch nicht mit jenem Design, das im N64-Klassiker zu sehen ist. Während Nintendo selber „Super Mario 64“ also nicht ganz die Aufmerksamkeit und Liebe schenkt, die der Bedeutung des Spiels entsprechen, hat sich eine sehr aktive Fangemeinde um den Klassiker geschart, die sich insbesondere mit Speedruns und besonderen Herausforderungen beschäftigt. Erst im April 2021 wurde ein neuer 120-Sterne-Weltrekord aufgestellt, der bei 1:38:21 liegt. Speedrunnern ist es sogar möglich, mit null Sternen nach weniger als sechs Minuten zum Abspann zu gelangen.

Möglich macht dies das massive Ausnutzen von Programmierfehlern und technischen Unsauberkeiten, wie sie bei „Super Mario 64“ als einem der frühesten 3D-Spiele massenhaft enthalten sind. Um diese aufzuspüren und so die Grenzen des innerhalb der Software Machbaren auszuloten, wurde „Super Mario 64“ wie nur wenige andere Spiele von Hackern auseinandergenommen. Wohl am eindrucksvollsten sind die Analysen von „pannenkoek2012“, der in zahlreichen YouTube-Videos alle erdenklichen Details erklärt, verblüffende und hochkomplexe Tricks wie die Reise durch Paralleluniversen einführt und fast alle Missionen ohne einen einzigen Druck der A-Taste bewältigt. Nicht nur für die Speedrun-Szene sind diese Videos äußerst interessant und erhellend; sie ermöglichen jedem Spielefan einen faszinierenden Einblick darin, wie die Illusion einer 3D-Videospielwelt erzeugt wird.

Zu zeitlos, um veraltet zu sein

Bis zum heutigen Tage lässt eine Neuauflage des Klassikers auf sich warten. Gerüchte um eine solche hatte es erst 2020 gegeben – und wenigstens zum Teil erfüllten sie sich ja auch: Anlässlich des 35. Geburtstages der „Super Mario“-Reihe erschien die Spielesammlung „Super Mario 3D All-Stars“ zeitlich limitiert für Nintendo Switch. Enthalten waren „Super Mario 64“, „Super Mario Sunshine“ sowie „Super Mario Galaxy“, die allesamt erstmals offiziell in HD erstrahlten, jedoch nicht aufwändig neu entwickelt, sondern softwareseitig hochskaliert. Während die beiden jüngeren Titel von der Grafik her einen überraschend zeitgemäßen Eindruck machten, wirkte „Super Mario 64“ optisch sehr schlecht gealtert – wie es bei der ersten Generation an 3D-Spielen zu erwarten ist. Auch die komplett unveränderte Steuerung sowie die veraltete 4:3-Auflösung verstärkten diesen Eindruck, und entgegen der Wünsche vieler Fans waren auch nicht die Neuerungen des DS-Remakes übernommen worden.

Interessanterweise handelt es sich bei der in „3D All-Stars“ aufgenommenen Fassung um die japanische „Shindo Pak Taio“-Version, bei der in Echtzeit die lokalisierten Texte und manch hochskalierte Textur eingeblendet werden. Unterm Strich hat Nintendo eine längst nicht hinreichend, aber doch leicht aufgebohrte Neuauflage verfügbar gemacht – wenn sie auch unverständlicherweise nur für einen Zeitraum von einem halben Jahr erhältlich gewesen ist –, die Millionen von Spielerinnen und Spielern erreichte, und das ist doch immerhin auch etwas. Viele davon kehrten aufs Neue zurück in die Welten, die sie in ihrer Kindheit lieben gelernt hatten, während eine ganze Generation erstmals ein einflussreiches Stück Videospielgeschichte selber erleben durfte. Manch einer davon wird überrascht worden sein, wie zeitgemäß die zugrundeliegenden Strukturen und wie zeitlos die Ideen hinter dem antiquierten Äußeren sind. Vielleicht würde ein von Grund auf neu entwickeltes Remake nur Gefahr laufen, diese Qualitäten, jenen historischen Innovationsgrad des Meilensteins zu verdunkeln.

Fun Fact zum Abschluss der Reportage: Marios berühmten und oft missverstandenen Ausruf „So long, eh Bowser!“ werden Spielerinnen und Spieler bei Kämpfen gegen den Koopakönig in der „3D All-Stars“-Fassung nicht zu hören bekommen. Es handelt sich zwar um eine der Sprachaufnahmen, die für die englische Version des Originals angefertigt worden sind – doch diese wurden doch eigentlich für die „Shindo Pak Taio“-Version, auf der die „3D All Stars“-Fassung basiert, übernommen – oder? Nun, ausgerechnet diese Zeile ist dabei weggelassen worden, da der Bösewicht im Japanischen auf den Namen „Koopa“ hört.

Quellen für die gesamte Reportage: Interview mit Shigeru Miyamoto, Mario Mania, Mai 1991 (Zugriff via miyamotoshrine.com, archivierte Version vom 19. Mai 2004 im Internet-Archiv); Interview mit Shigeru Miyamoto und Takashi Tezuka, Nintendo Power 80 (Januar 1996) (Zugriff via miyamotoshrine.com, archivierte Version vom 19. Mai 2004 im Internet-Archiv); Vorschau zu Super Mario 64, in: Edge 29 (Februar 1996), S. 38–41; Interview mit Shigeru Miyamoto, Nintendo Power, Oktober 1996 (Zugriff via miyamotoshrine.com, archivierte Version vom 19. Mai 2004 im Internet-Archiv); zwei Interviews mit dem Entwicklerteam aus japanischen Lösungsbüchern von 1996, übersetzt von shmuplations.com; Matt Casamassina, Peer Schneider: „Sensei Speaks: Shigeru Miyamoto Interview“, IGN, 30. Januar 1999; Steven L. Kent: The Ultimate History of Video Games, 2001, S. 530; Brandon Boyer, Leigh Alexander: „MIGS 2007: Nintendo’s Koizumi On The Path From Garden To Galaxy“, Gamasutra, 27. November 2007; „Iwata fragt: New Super Mario Bros. Wii“, Teil 1, 6.: „Eine Medaille für hervorragende Spieler“, Nintendo.de, 2009; Mark Green: „The Making Of Super Mario 64 – full Giles Goddard interview (NGC)“, pixelatron.com, 13. September 2010 (ungekürzte Fassung eines ursprünglich 2001 geführten Interviews); „Iwata fragt: Super Mario Bros. 25. Jahrestag“, Teil 3: „Die Entwickler der Super-Mario-Reihe (1)“, 4.: „Gesten in der Nacht“, Nintendo.de, 2010; „Iwata fragt: Super Mario All-Stars“, Teil 1: „Super Mario History-Soundtrack-CD“, 5.: „Musik-Kommentar von Koji Kondo (2)“, Nintendo.de, 2010; „Iwata fragt: Super Mario 3D Land“, 2.: „Der Brückenschlag zwischen 2D- und 3D-Mario“, Nintendo.de, 2011; „Iwata fragt: Super Mario 3D World“, 7.: „3D Super Mario auf seinem Höhepunkt“, Nintendo.de, 2013; Thomas Whitehead: „The Unreleased Super Mario 64 DD Edition Appears to Have Been Uncovered“, Nintendo Life, 26. Juni 2014; Chris Kohler: „Q&A: Design lessons learned from a decade at Nintendo’s EAD“ (Gespräch mit Motoi Okamoto), Gamasutra, 5. April 2017; Keza MacDonald: „Super Mario at 35: Mario’s makers on Nintendo’s most enduring mascot“, The Guardian, 14. September 2020; Rachel Hall: „Mint condition Super Mario 64 game sells for record $1.5m“, The Guardian, 12. Juli 2021; Artikel zu „Super Mario 64“ und „Super Mario 64 DS“ bei The Cutting Room Floor.

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Bisher gibt es zwei Kommentare

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  • Avatar von Claw
    Claw 24.11.2021, 05:26
    Danke fur die tolle Berichtreihe. Sehr interessant und Nostalgie-erweckend
  • Avatar von virus34
    virus34 21.11.2021, 18:53
    Vielen Dank für den tollen Bericht!