Zeit spielt für das vor kurzem erschienene Rollenspiel „Cris Tales“ eine große Rolle. Und das nicht nur im Spiel selbst, sondern auch in der Entwicklung, schließlich sollte der Titel ursprünglich bereits letztes Jahr erscheinen und wurde dann zweimal verschoben. Ob Dreams Uncorporated und SYCK die Zeit gut genutzt haben, um „Cris Tales“ den nötigen Feinschliff zu verleihen, lest ihr in unserem Test.
Vom Waisenkind zur Zeitmagierin
Die Geschichte von „Cris Tales" beginnt im kleinen Städtchen Narim, wo die Protagonistin Crisbell mit anderen Kindern in einem Waisenheim aufwächst. Eines Tages stibitzt ein kleiner gelber Frosch eine Rose direkt vor Crisbells Augen. Nachdem sie ihn nach einem kleinen Versteckspiel in der Kathedrale findet, stellt sich der Frosch als Matias vor. Er erklärt Crisbell, sie sei auserwählt und habe die Gabe, in die Vergangenheit und die Zukunft zu schauen. Während Crisbell langsam mit ihren Kräften zurechtkommt, wird Narim unter Leitung der Vulkanschwestern von Monstern angegriffen. Zusammen mit einem bis dahin unbekannten Mitstreiter, der sich als Christopher vorstellt, schlägt Crisbell die Vulkanschwestern und ihre Schergen in die Flucht. Wie sich anschließend herausstellt, steckt die mächtige Zeitkaiserin hinter dem Angriff. Wie bereits vor einiger Zeit plant diese, eine Armee aufzubauen und die Welt zu unterwerfen. Also macht sich die kleine Gruppe, zu der sich auch der jugendlich aussehende Zeitmagier Wilhelm gesellt, auf die Reise, um Crisbells Kräfte zu mehren und die Zeitkaiserin aufzuhalten. Bei der Geschichte von „Cris Tales“ handelt es sich im Kern um eine klassische Heldenreise, bei der es die Gruppe in verschiedene Gegenden verschlägt und sie auf eine Reihe schillernder Gestalten stößt.
Abwechslungsreiche Gebiete
Die verschiedenen Landschaften und Städte überzeugen dabei voll. Da wäre beispielsweise die Arbeiterstadt Cinder, die direkt an einem Vulkan liegt und durch die heiße Lava fließt. Oder Saint Clarity, eine Stadt, die regelmäßig von Wassermassen geflutet wird und droht, ganz unterzugehen. Auch die Charaktere sind zwar ein wenig klischeehaft, dafür aber sehr sympathisch. Das liegt auch an den vollständig vertonten Dialogen, durch die beispielsweise das Geplänkel von Wilhelm und Christopher hervorragend zur Geltung kommt. Im Laufe der Handlung kommen dann sogar noch zusätzliche spielbare Charaktere hinzu, was sowohl die Dynamik innerhalb der Gruppe als auch mögliche Kampfstrategien auffrischt. Nur mit großen Überraschungen sollte man nicht unbedingt rechnen, dafür bleibt die Handlung zu vorhersehbar.
Die Geschichten der kleinen Leute
Schön ist auch, dass die Story nicht nur die mächtigen Helden und Bösewichte betrachtet, sondern auch den normalen Bürgern Aufmerksamkeit schenkt. Insbesondere in den zum Großteil sehr gut geschriebenen Nebenquests lernt man viel über die Bewohner der Welt und hat die Möglichkeit, ihnen bei teils kleinen und teils großen Anliegen zu helfen. Eine besondere Rolle kommt dabei Crisbells Gabe zu. Denn sie kann nicht nur in die Zukunft und Vergangenheit sehen, sondern unter anderem auch den Frosch Matias durch die Zeit schicken, um zum richtigen Zeitpunkt die Weichen für eine bessere Zukunft zu stellen oder Informationen zu beschaffen. Um Spielern und Spielerinnen stets einen Anhaltspunkt zu geben, wie es in der Vergangenheit und Zukunft aussieht, ist der Bildschirm in der Regel dreigeteilt. Auf der linken Seite erkennt man, wie ein Ort oder auch Personen vor einigen Jahren aussahen, auf der rechten Seite ist eine mögliche Zukunft abgebildet und in der Mitte die Gegenwart. Es ist stets motivierend und macht Spaß, anderen Charakteren zu helfen und dann direkt sehen zu können, wie sich dadurch ihre Zukunft verändert hat. Die Nebenquests beeinflussen dabei sogar den Ausgang der Hauptstory, es lohnt sich also, Augen und Ohren offen zu halten.
Verjüngungskur à la Crisbell
Außerhalb der Städte müssen sich Crisbell und ihre Begleiter oftmals in Zufallskämpfen gegen eine Vielzahl von Gegnern behaupten, zu denen Schleime, Wölfe und bewaffnete Wachen gehören. Die Kämpfe laufen dabei klassisch rundenbasiert ab. Ist einer der eigenen Charaktere an der Reihe, so lassen sich verschiedene Attacken, Fähigkeiten und Items einsetzen. Jeder Charakter bringt dabei eigene Stärken und Schwächen mit sich. Christopher beispielsweise setzt auf Elementarmagie, während Wilhelm Samen pflanzt, die irgendwann sprießen und dann Verbündete heilen oder Gegnern schaden. Um besonders viel Schaden auszuteilen oder auch, um gegnerische Attacken abzuschwächen, kann man im richtigen Moment einen Knopf drücken. Je nach Animation der Attacke fällt dies mal mehr und mal weniger intuitiv aus.
Wie schon in der Oberwelt nimmt auch in den Kämpfen Crisbells Gabe zunächst eine zentrale Rolle ein. Denn hier kann sie Gegner in die Vergangenheit oder Zukunft schicken. Dadurch kämpft sie dann auf einmal nicht mehr gegen einen kräftigen Ritter, sondern gegen einen tattrigen Greis, der beispielsweise weniger Schaden aushält. Besonders interessant wird Crisbells Zeitmagie in Kombination mit anderen Fähigkeiten. Vergiftet man beispielsweise einen Gegner und schickt ihn dann in die Zukunft, so hat das Gift bereits gewirkt und der Gegner erheblichen Schaden genommen.
Langwierige Kämpfe
Zu Beginn des Spiels lernt man einige kreative Anwendungsmöglichkeiten dieses Zaubers. Leider wird das Konzept im Laufe des Spiels nur wenig weiterentwickelt, sodass man immer wieder auf die gleichen Tricks zurückgreift. Bei den kleineren Gefechten lohnt es sich zudem meist gar nicht, diese zu nutzen, da dadurch nur die ohnehin schon etwas zu lang wirkenden Kämpfe noch weiter in die Länge gezogen werden. Letzteres trifft auch auf die Bosskämpfe zu. Diese sind zwar teilweise wirklich fordernd und erfordern eine passende Strategie und Teamzusammensetzung. Selbst nachdem man diese Kämpfe allerdings durchblickt hat, dauert es in der Regel länger als erwartet, bis man den Boss besiegt hat. Hier hätte dem Spiel eine etwas ausführlichere Testphase gutgetan. Ansonsten machen die Kämpfe aber besonders aufgrund der sehr verschiedenen Charaktere Spaß. Auch die Tatsache, dass man mit Ausrüstungsgegenständen die Schwächen der Charaktere ausgleichen oder ihre Stärken besonders herausstellen kann, trägt seinen Teil dazu bei.
Verbesserungspotenzial
Für Frust sorgt dagegen hin und wieder das Speichersystem. Denn es gibt weder ein automatisches Speichersystem noch die Möglichkeit, an jeder beliebigen Stelle zu speichern. Im Zweifelsfall darf man also nach einem verlorenen Kampf noch einmal eine ordentliche Strecke zurücklegen, bevor man am Ort des Ablebens ankommt. Zudem hätten einige der Gebiete mehr Rätsel vertragen können, um Abwechslung von den Kämpfen zu bieten.
Handgezeichnete Schönheit
Visuell gleicht „Cris Tales“ einem wunderschönen Diorama. Die handgezeichneten Charaktere, Städte und Landschaften erwecken die Fantasy-Welt förmlich zum Leben und geben dem Spiel einen ganz eigenen Stil. Auch die Musik bietet ein durchaus breites Spektrum an aufputschenden und ruhigeren Melodien, nur die Übergänge sind teilweise sehr abrupt. Lob verdient „Cris Tales“ für die bereits erwähnte Vertonung der Dialoge, wodurch diese deutlich an Unterhaltungswert gewinnen sowie für die fantastisch inszenierten Zwischensequenzen. Zu kritisieren sind dagegen die langen Ladezeiten. Gerade, da diese sowohl vor als auch nach den Kämpfen vorkommen, verbringt man hier viel zu viel Zeit wartend. Auch die Framerate kann in den Städten hin und wieder sichtbar schwanken, auch wenn das beim Spielen nicht allzu störte.
Bisher gibt es drei Kommentare
Wenn es so gut ist muss ich mal schauen ob ich es bald aufmache, aber erstmal ein paar Spiele abschließen.