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Arcade Archives Sky Skipper (eShop)

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Inside Nintendo 190: Das fast verschollene Nintendo-Spiel: Wie Sky Skipper seinem düsteren Schicksal entging

2021 jährt sich die Erstveröffentlichung von Nintendos „Donkey Kong“-Automaten zum 40. Mal. Das Jump’n’Run ist zweifelsohne das bekannteste Arcade-Spiel aus Nintendos Frühzeit, mitnichten aber das einzige. Die meisten anderen Titel aus dieser Ära sind weitestgehend in Vergessenheit geraten und heute selten geworden – so auch „Sky Skipper“: Das ebenfalls 1981 unter Mitwirkung von Shigeru Miyamoto entwickelte Shoot-’em-Up galt jahrzehntelang als verschollen. Nachdem sich eine Fan-Kampagne um den Erhalt dieses interessanten Exemplars der frühen Nintendo-Geschichte verdient gemacht hatte, wurde „Sky Skipper“ 2018 im Rahmen der „Arcade Archives“-Reihe auf der Switch erstmals einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Doch wie kam es dazu, dass eines der seltensten Nintendo-Spiele aller Zeiten seinem düsteren Schicksal entging? Und warum hat nur ein einziger originaler Automat die Zeiten überdauert?

Offizielles Artwork zu „Sky Skipper“, das den Automaten zieren sollte, gezeichnet vor vierzig Jahren von Shigeru Miyamoto in der Frühphase seiner Nintendo-Karriere.

Nintendos erste Schritte in der Welt der Arcade-Spiele

Im Zuge einer experimentellen Umorientierung versuchte sich Nintendo ab den 1960er-Jahren, damals noch primär als Spielkartenproduzenten tätig, breiter im Spielzeug-Markt aufzustellen. So tat der Konzern auch die ersten Schritte im Bereich der interaktiven elektronischen Unterhaltungsmedien, die damals noch in ihren Kinderschuhen steckten. Nachdem die Japaner ab 1977 mit der Color-TV-Game-Reihe mehrere frühe Videospiel-Konsolen für den Heimbetrieb herausgebracht hatten, folgten ab 1979 erste Spielautomaten für Arcade-Hallen: der „Space Invaders“-Klon „Space Fever“, der Shooter „Sheriff“ und der „Breakout“-Klon „Monkey Magic“. 1980 brachte Nintendo weitere Arcade-Spiele wie „Space Firebird“ oder „Radar Scope“ auf den Markt.

All diese Titel konnten sich in der damaligen Spielelandschaft jedoch kaum von der Masse abheben, sodass ihnen nur ein überschaubarer Erfolg beschieden war. Nintendo startete aber weitere Versuche, und 1981 landete das Unternehmen mit „Donkey Kong“ schließlich einen wahren Überraschungserfolg. Die Geschichte hinter diesem Pionier der Jump’n’Run-Spiele und Grundpfeiler von Nintendos internationalem Durchbruch ist hinreichend bekannt; für eine Zusammenfassung verweisen wir an dieser Stelle auf „Inside Nintendo 34: Donkey Kong – Wie alles begann“. Nur sehr wenige kennen dagegen das zweite Arcade-Spiel mit Gorilla-Thematik, das Nintendo 1981 veröffentlichte: „Sky Skipper“.

Hippe Gorillas inhaftierten Spielkarten-Tiere

Das Wonder Kingdom wurde erobert – von Kopfhörer tragenden, Baseballs werfenden Gorillas, die die Königsfamilie und ihre Haustiere in Käfige eingesperrt haben! Um das Königreich zu retten, schlüpfen die Spielenden in „Sky Skipper“ in die Rolle des Doppeldecker-Piloten Mr. You. Nun gilt es, durch die insgesamt vier Level zu fliegen und die Gorillas mit Bomben zu betäuben, sodass sich die Käfige mit den Inhaftierten öffnen. Solange ein Gorilla bewusstlos ist, kann Mr. You die im Umfeld befindlichen Mitglieder der Königsfamilie und ihre Tiere befreien. Zu achten ist dabei auf den Treibstoff des fliegenden Untersatzes, der kontinuierlich abnimmt, und natürlich auf die Umgebung, denn nach einer Kollision mit einem Hindernis oder einem Gorilla verliert man einen Versuch.

Mr. Yous Doppeldecker kann frei gesteuert werden und verfügt auch über eine Turbo-Taste. Die Level scrollen sowohl vertikal als auch horizontal – für damalige Spiele eine echte Besonderheit. Ein Level ist abgeschlossen, sobald alle Inhaftierten befreit sind. Sind die vier Level gemeistert, so besteht das weitere Spielziel ebenso wie bei nahezu allen Arcade-Titeln jener Zeit darin, einen möglichst hohen Highscore zu erreichen. Der Clou dabei: Jedes der eingesperrten Tiere ist einer der vier Spielfarben Kreuz, Pik, Herz und Karo zugeordnet. Befreit Mr. You vier Tiere der gleichen Farbe hintereinander, so erhält er Extrapunkte. Die Königsfamilie, die den Spielkarten König, Dame und Joker zugeordnet ist, spielt für diesen Punktebonus keine Rolle.

Drei Screenshots aus „Sky Skipper“. Die Figuren-Sprites sind für die damalige Zeit ausgesprochen detailliert; in Titeln wie „Super Mario Bros.“ wäre dies noch Jahre später undenkbar gewesen. Dafür sind die Hintergrundgrafiken äußerst grob und lassen nur erahnen, was sie darstellen sollen. Am unteren Bildschirmrand werden die noch eingesperrten Tiere und Mitglieder der Königsfamilie mit ihren Kartensymbolen eingeblendet. Bemerkenswert ist, dass in „Sky Skipper“ das erste Mal in einem Nintendo-Spiel ein Schimpfwort auftaucht (rechts).

Automaten-Artworks von Shigeru Miyamoto

Über die Entwicklung von „Sky Skipper“ ist so gut wie nichts bekannt. Entworfen wurde das Spiel von Nintendos Entwicklungsabteilung Research & Development 3 (R&D3), deren Leiter Genyo Takeda an Nintendos ersten elektronischen Spielwaren mitgewirkt hatte und als erster Spieldesigner des Konzerns gelten kann (siehe „Inside Nintendo 93: Genyo Takeda, Nintendos erster Spieldesigner und Technik-Chef“). An „Sheriff“ hatte Takeda zusammen mit dem damals frisch angestellten Grafiker Shigeru Miyamoto gearbeitet. Die Kooperation der beiden setzte sich über weitere Arcade-Spiele fort, sodass Miyamoto, der 1981 mit „Donkey Kong“ sein überaus erfolgreiches Debüt als Spieldesigner feiern konnte, im gleichen Jahr für „Sky Skipper“ die auf dem Automaten prangenden Artworks zeichnete.

Oft wird behauptet, dass Miyamoto auch am Spieldesign mitgewirkt habe, doch lässt sich dies nicht belegen, da es dazu schlicht keine Quellen gibt. Ebenso muss offen bleiben, ob „Sky Skipper“ vor oder nach „Donkey Kong“ entstand und auf den japanischen Markt kam. Dass Nintendo mit der Flugzeugaction an den Erfolg des Jump’n’Run anknüpfen wollte, bleibt reine Spekulation – ebenso wie der Hinweis auf die fortschrittlichere Technik in „Sky Skipper“: Es stimmt zwar, dass der Bildschirm in „Donkey Kong“ noch nicht scrollte, aber dieses Spiel war ja den engen technischen Limitierungen der älteren „Radar Scope“-Automaten unterworfen, was auf „Sky Skipper“ nicht zutrifft.

Der thematische Schwerpunkt auf Gorillas, das Musikstück nach dem Absolvieren des dritten Levels, welches frappierend dem bekannten Jingle am Beginn eines „Donkey Kong“-Levels ähnelt, sowie die zeitliche Nähe weisen darauf hin, dass ein enger Zusammenhang zwischen „Sky Skipper“ und „Donkey Kong“ besteht. Die näheren Einzelheiten aber bleiben – wie so vieles aus der Frühzeit der Nintendo-Spiele – im Nebel der Vergangenheit verborgen. Programmiert wurde „Sky Skipper“, wie die meisten alten Arcade-Spiele aus dem Hause Nintendo einschließlich „Donkey Kong“, wahrscheinlich vom japanischen Hersteller von Rundfunkausrüstung Ikegami Tsushinki, der damals als sogenannter Schattenentwickler umtriebig war. Auch diese Information konnte jedoch, so wahrscheinlich sie zutreffend sein mag, nie eindeutig bestätigt werden.

Das seltenste Nintendo-Spiel?

Die Informationslage zu „Sky Skipper“ ist äußerst dürftig – das dürfte bereits hinlänglich deutlich geworden sein, wird sich aber wie ein roter Faden auch durch den Rest dieses Artikels ziehen. Allein die Frage, ob der Automat überhaupt jemals richtig auf den Markt gekommen ist, lässt sich nicht ohne weiteres klären: Obwohl alte japanische Flyer und Werbebroschüren gefunden wurden, die „Sky Skipper“ zeigen, scheint bis heute kein japanischer Automat des Spiels bekannt zu sein.

Was den Weg des Spiels nach Amerika betrifft, wo haben wir dank eines Zeitzeugen etwas mehr Informationen. 2018 plauderte Don James, Mitarbeiter der ersten Stunde bei Nintendo of America, aus dem Nähkästchen und erzählte in einem „Nintendo Treehouse“-Livestream: „Wenn wir ein neues Spiel von unserem Mutterkonzern erhielten, stellten wir es normalerweise zum Test auf. Eines Tages tauchten also zehn dieser ‚Sky Skipper‘-Kabinette auf. Wir stellten sie in mehreren Arcade-Hallen auf und spielten sie auch selber, doch wir haben – aus welchem Grund auch immer – das Spiel nie veröffentlicht. Nur ein originales ‚Sky Skipper‘-Kabinett haben wir in unseren Archiven bei Nintendo of America behalten.“

Ein japanisches Werbeflyer zu „Sky Skipper“, das den Automaten in drei verschiedenen Formaten vorstellt. Zumindest in Japan müsste das Spiel demnach auf den Markt gekommen sein; die Zeiten überdauert hat aber ausschließlich ein einziger Automat von Nintendo of America. In den letzten Jahren wurden zusätzlich einige „Sky Skipper“-Platinen gefunden, auf denen jedoch bereits andere Spiele installiert worden waren (siehe die Übersicht bei skyskipperproject.com).

Warum verschwand Sky Skipper vom Radar?

Auf den übrigen neun „Sky Skipper“-Platinen wurde das Jump’n’Run „Popeye“ installiert, an dem ebenfalls Takeda und Miyamoto mitgewirkt hatten. Damit existierte nur noch ein einziges Exemplar von „Sky Skipper“. Doch weshalb kam es überhaupt dazu? Don James hatte andernorts als Grund angegeben, dass „Sky Skipper“ in den Teststationen keine Aufmerksamkeit erhalten habe. Vermutlich wollte man nach dem spektakulären Flop von „Radar Scope“, der die junge Niederlassung Nintendo of America in den Ruin getrieben hätte, wenn nicht „Donkey Kong“ in die Bresche gesprungen wäre, kein unnötiges Risiko eingehen.

Oft ist die Rede von der vermeintlich mangelnden Qualität des Titels, allerdings entpuppt sich „Sky Skipper“ heute als überraschend spaßiges Actionspiel, das zwar spielerisch keine Offenbarung darstellt, sich im Kontext der Videospiellandschaft von vor 40 Jahren aber auch keineswegs hätte verstecken brauchen. Ebenfalls wurde gemutmaßt, dass das eher gemächliche „Sky Skipper“ neben actionreicheren Shootern in der äußerst kurzweiligen Welt der Arcade-Hallen keine Aufmerksamkeit zuteil geworden wäre. Wieder andere Stimmen behaupten hingegen, der Titel habe damalige Spielerinnen und Spieler überfordern können, denn die Steuerung sei zu schwierig und es sei zu viel auf dem Bildschirm los. Mit einem Worte: Es besteht kein wirklich überzeugender Konsens darüber, warum genau „Sky Skipper“ in der Versenkung verschwinden musste.

Zweite Chance auf dem Atari 2600

Als wäre die Geschichte bis hierhin nicht schon nebulös genug, so wird es nun noch seltsamer. Denn obwohl „Sky Skipper“ als Arcade-Spiel allem Anschein nach nie über die Testphase hinausgekommen ist, existiert eine offiziell von Nintendo abgesegnete Portierung des Titels für eine Heimkonsole, nämlich das Atari 2600. Von Parker Brothers entwickelt, kam die Portierung 1983 auf den Markt. Spielerisch und grafisch mussten bei der Umsetzung angesichts der technisch sehr schwachen Zielplattform erhebliche Einbußen in Kauf genommen werden. Die Level sind viel simpler aufgebaut und ähneln überhaupt nicht der Vorlage, die Gorillas greifen die Spielfigur nicht an und der Bildschirm scrollt nur vertikal.

Parker Brothers hatte für die Entwicklung ein Cocktail-Kabinett von „Sky Skipper“ erhalten; was aus diesem geworden ist, ist leider nicht bekannt. Steve Kranish, der damals bei Parker Brothers arbeitete, verlor in einem Interview jedenfalls nur wenig schmeichelhafte Worte über die Vorlage: „[‚Sky Skipper‘] war ein wirklich fades Arcade-Spiel; tatsächlich war es so schlecht, dass ich der einzige im Büro war, der überhaupt bereit war, es zu spielen.“ Die Portierung hat Kranish zwar nicht entwickelt, wohl aber beriet er mit seiner Expertise den zuständigen Programmierer. Dass Parker Brothers das Spiel überhaupt auf das Atari 2600 übertrug, erklärte Kranish mutmaßend damit, dass das Unternehmen sich auf diese Weise die Lizenz für weitere Nintendo-Spiele erarbeiten wollte. In der Tat brachte Parker Brothers noch 1983 auch eine Umsetzung von Nintendos „Popeye“ für das Atari 2600 auf den Markt.

Zwei Screenshots aus der Atari-2600-Fassung von „Sky Skipper“. Heute mag es ungewöhnlich erscheinen, aber bevor Nintendo eine eigene große Heimkonsole etabliert hatte, waren Umsetzungen hauseigener Spiele für Konsolen konkurrierender Unternehmen nichts Ungewöhnliches.

(Fast) spurlos verschwunden

Der Verfügbarkeit auf dem Gebrauchtspiele-Markt nach zu urteilen, hat „Sky Skipper“ in seiner Atari-2600-Fassung eine recht weite Verbreitung genießen dürfen, auch wenn es keine genauen Angaben zu Verkaufszahlen gibt. Somit ist die Spielidee an sich doch noch in die Hände einiger Spielerinnen und Spieler gelangt, während Nintendo noch den ein oder anderen Dollar daran verdienen konnte. Die weitaus ausgereiftere Arcade-Fassung ist unterdessen jedoch fast vollständig in Vergessenheit geraten. Flyer, die ein stummes Zeugnis von ihrer Existenz ablegten, waren das einzige, was sie in Kreisen von Arcadespiele-Sammlern und Nintendo-Kennern noch lebendig hielt. Das Spiel selber war lange Zeit jedoch de facto verschollen.

Das Rätsel um Mr. Yous zweiten Auftritt

Nintendo hält die Geschichte seiner frühen Spiele und Konsolen unter anderem durch Anspielungen in den „WarioWare“- und „Super Smash Bros.“-Serien lebendig. Auch „Sky Skipper“ war ein Cameo-Auftritt in einem anderen Spiel vergönnt, wenn auch nur ein einziges Mal. In der Software zur „Game Boy Camera“ sind in einem Bildschirm zwei Mitglieder der Königsfamilie sowie ein Tier aus „Sky Skipper“ zu sehen. Die allermeisten Benutzerinnen und Benutzer der „Game Boy Camera“ konnten mit dieser tief in die Nintendo-Geschichte zurückgehenden Anspielung natürlich nichts anfangen. In „Super Smash Bros.“, das von Haus aus ein wahres Fest der gesamten Nintendo-Videospielgeschichte darstellt, war Mr. You bislang hingegen nirgends zu sehen.

Womöglich hätte der vergessene Held aber in den 1990er-Jahren ein großes Comeback feiern dürfen. Denn im Rahmen des sogenannten Gigaleaks tauchte 2020 unter anderem ein Prototyp namens „Super Donkey“ auf, bei dem es sich vermutlich um einen sehr frühen, experimentellen Vorläufer zu „Super Mario World 2: Yoshi’s Island“ von 1991 handelt. Der Prototyp stellte interessierte Fans vor viele Fragen – darunter jene nach der Identität des Protagonisten.

Die unbenannte Spielfigur sieht aus wie ein Pilot, kann durch die Level fliegen und weist auch vom Aussehen her frappierende Ähnlichkeiten zu Mr. You aus „Sky Skipper“ auf. Sollte es sich wirklich um dieselbe Spielfigur handeln, dann stellen sich weitere Fragen: Wer kam auf die Idee, diesen nahezu vergessenen Charakter wiederzubeleben? War es nur ein Platzhalter, eventuell sogar ein interner Scherz der Entwickler? Da „Super Donkey“ nie fertiggestellt worden war und erst durch den Gigaleak ans Tageslicht gelangt ist, wird es auf diese Fragen wohl so schnell keine Antwort geben.

Links: Figuren aus „Sky Skipper“ in einem Menü der „Game Boy Camera“ – der bislang einzig bekannte Cameo-Auftritt, der diesem Kleinod der frühen Nintendo-Arcadespiele vergönnt war. Rechts die unbenannte Spielfigur aus dem Prototyp „Super Donkey“ im Vergleich zu Mr. You. Bestätigt ist die Verbindung zwischen beiden nicht, aber keine andere Nintendo-Figur weist so große Ähnlichkeiten auf. Ausführlich über „Super Donkey“ berichteten wir in „Inside Nintendo 187: Die spektakulärsten Entdeckungen des Nintendo-Gigaleaks 2020 (Teil 2)“.

Wie Sky Skipper zu Factor 5 gelangte

Von einer weiteren interessanten Station aus der obskuren Geschichte von „Sky Skipper“ erzählte Julian Eggebrecht, Gründer des Studios Factor 5 und passionierter Arcade-Sammler, 2017 in einem Interview. Demnach habe er einmal bei Nintendo of America das dortige „Sky Skipper“-Kabinett gesehen und daraufhin darum gebeten, dieses für seine studioeigene Arcade-Halle ausleihen zu dürfen. Tatsächlich wurde Eggebrecht dies zugesagt – unter der Bedingung, dass Factor 5 das exklusive GameCube-Spiel „Star Wars: Rogue Squadron II – Rogue Leader“ rechtzeitig fertigstelle.

Factor 5 konnte das Spiel rechtzeitig abliefern, Nintendo of America hielt das Versprechen, und so erhielt das Studio den einzig erhaltenen „Sky Skipper“-Automaten als Leihgabe. Zwar war der Automat grundsätzlich funktionstüchtig, jedoch zeigte er aufgrund eines defekten elektronischen Bauteils die Farben nicht richtig an. Eggebrecht kontaktierte den an der Entstehung des Spiels beteiligten Takeda, der damals eng mit Factor 5 zusammenarbeitete, und dieser konnte in Nintendos Archiven Daten aufspüren, anhand derer Eggebrecht den Automaten zu reparieren vermochte. „[Takeda] erinnerte sich liebevoll an ‚Sky Skipper‘“, so Eggebrecht; das Spiel sei ihm besonders aufgrund der Zusammenarbeit mit Miyamoto im Gedächtnis geblieben.

Unverhofftes Lebenszeichen nach 20 Jahren

20 Jahre lang blieb „Sky Skipper“ für die Öffentlichkeit unzugänglich – bis irgendwann um 2002 auf dem Arcade-Emulator MAME das vollständige ROM des Spiels hochgeladen wurde. Es ist gut vorstellbar, dass eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von Factor 5 dahinter steckte; zeitlich passt dies gut und ansonsten hatte damals ja nach heutigem Kenntnisstand niemand außerhalb von Nintendo Zugriff auf das Spiel. Bestätigt ist das aber natürlich nicht. Die Wenigen, die damals davon Notiz nahmen, erfuhren dadurch jedenfalls, dass es irgendwo auf der Welt noch zumindest ein erhaltenes Exemplar der Arcade-Fassung von „Sky Skipper“ geben müsse. Dieses Lebenszeichen weckte in ambitionierten Sammlern den Wunsch, dieses verschollen geglaubte Kuriosum, gleichsam der Heilige Gral aus Nintendos Frühgeschichte, aufzuspüren.

Einer von ihnen, Alex Crowley aus dem Vereinigten Königreich, begann 2015 zur Vervollständigung seiner Nintendo-Arcade-Sammlung die Suche nach einem „Sky Skipper“-Automaten. Nachdem seine Recherchen über lange Zeit ergebnislos verliefen, entdeckte er bei einer Lagerräumung in Newcastle völlig unvermittelt eine Arcade-Platine, die er anhand des Produktionscodes „TNX“ eindeutig als „Sky Skipper“-Platine identifizieren konnte. Jedoch war sie zu „Popeye“ umgewandelt worden, und ohne Dokumentation hielt Crowley es für nahezu unmöglich, die Platine in ihren Originalzustand zurückzuversetzen. Doch der neugierige Sammler gab nicht auf; sein Eifer war durch den Fund umso stärker entfacht worden.

Whitney Roberts vom „Sky Skipper Project“ neben einem rekonstruierten Automaten auf der Southern Fried Gaming Expo 2017 (Bildquelle: Wikimedia Commons).

Zu Gast bei Nintendo of America

Später erwarb Crowley von einem schwedischen Sammler eine weitere „TNX“-Platine, auf der ebenfalls „Popeye“ installiert worden war. Er vertraute die Platinen einem befreundeten Programmierer an, dem es nach monatelanger Tüftelei schließlich gelang, „Sky Skipper“ wieder vollständig und fehlerfrei zum Laufen zu bekommen. Crowley hatte nun zwei funktionstüchtige, originale Platinen des Spiels, nicht aber den vollständigen ursprünglichen Automaten. Daher schloss er sich mit Whitney Roberts zusammen und rief das „Sky Skipper Project“ ins Leben. Über den „Donkey Kong“-Weltrekordspieler Billy Mitchell stellten die beiden Kontakt zu Nintendo of America her und erreichten das scheinbar Unmögliche: Sie erhielten eine Einladung in das Unternehmensarchiv, wo sie den einzigen noch erhaltenen „Sky Skipper“-Automaten unter die Lupe nehmen durften.

Crowley und Roberts haben ihre Erfahrungen mit Nintendo of America und den Tag im Archiv in einem ausführlichen und sehr lesenswerten Artikel beschrieben. Von den beiden hausinternen Archivaren, die sich als sehr engagiert und kooperativ zeigten, erhielten sie die Erlaubnis, die am Automaten befindlichen Artworks einzuscannen. Mit diesen vormals fehlenden Puzzlestücken in der Tasche konnte sich das „Sky Skipper Project“ nun an die Arbeit machen, um originalgetreue „Sky Skipper“-Automaten zu rekonstruieren. Zwei Exemplare davon führte Crowley 2017 voller Stolz auf Ausstellungen in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich vor.

Vom Archiv in den Nintendo eShop

Die Geschichte des beinahe verschollenen Arcade-Spiels, von dem zwei rekonstruierte Exemplare der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, verbreitete sich in der Fanszene. Auf einmal erhielt „Sky Skipper“ eine Aufmerksamkeit, wie sie dem Spiel 1981 nie zuteil geworden wäre. Dies ging auch an Nintendo nicht vorüber. „Plötzlich kam dieses heiße Interesse an ‚Sky Skipper‘ auf, an diesem unbekannten Spiel“, erklärte Don James, „und wir [bei Nintendo of America] erhielten einen Anruf, das Spiel hervorzukramen, die ROMs zu kopieren und nach Japan zu senden“. Am 14. Juni 2018 wurden im Rahmen eines Treehouse-Livestreams zur Spielemesse E3 dann zwei aufsehenerregende Neuzugänge für die Reihe „Arcade Archives“ des japanischen Entwicklers Hamster angekündigt: „Donkey Kong“ und „Sky Skipper“.

Videospielpräservisten auf der ganzen Welt frohlockten, denn beide Spiele wurden erstmals in ihrer originalen Arcade-Fassung wiederveröffentlicht. Spekulationen zufolge könnten Lizenzprobleme mit Ikegami Tsushinki, dem Schattenentwickler hinter den Titeln, für das lange Zurückhalten gesorgt haben; bestätigt ist dies jedoch nicht. Seit dem 20. Juli 2018 steht „Arcade Archives: Sky Skipper“ nun im eShop der Nintendo Switch zum Kauf zur Verfügung. Das lange Zeit für nahezu verschollen gehaltene Spiel wurde damit erstmals offiziell einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Ohne das „Sky Skipper Project“ wäre es wohl nie dazu gekommen – auch wenn Nintendo den Namen der Kampagne nie erwähnt hat –, was umso bemerkenswerter ist angesichts des eher reservierten Verhaltens, das der Konzern Faninitiativen üblicherweise entgegenbringt.

Gameplay-Video zu „Sky Skipper“ auf Nintendo Switch.

Sky Skipper und der Erhalt historischer Videospiele

Die Geschichte hinter „Sky Skipper“ ist nicht nur ein interessantes Kapitel aus der Frühphase der Nintendo-Videospiele, sondern auch ein Paradebeispiel dafür, wie mühsam aber auch lohnenswert Maßnahmen zur langfristigen Erhaltung von Videospielen sind. Wie auch andere Bestandteile der Kultur müssen Videospiele kommenden Generationen zugänglich bleiben, was sich aus rechtlichen und technischen Gründen leider oft als große Herausforderung erweist. Insbesondere frühe Arcade-Spiele sind heute, wenn man Emulatoren als rechtliche Grauzone außen vor lässt, in der Regel kaum zugänglich.

Dass nun ausgerechnet ein Nintendo-Spiel, von dem nur ein einziges originales Exemplar den Lauf der Zeit überstanden hat, auf diese Weise gerettet werden konnte, ist eine große Erfolgsgeschichte. Retro-Begeisterten können wir nur empfehlen, diese Gelegenheit zu nutzen und „Sky Skipper“ 40 Jahre nach seiner Entstehung auf Nintendo Switch eine Chance zu geben. Es bleibt zu hoffen, dass Nintendo in Zukunft noch ältere Spiele aus seiner Vergangenheit erstmals einem breiteren Publikum zugänglich macht.

Quellen: Scott Stilphen: Interview mit Steve Kranish von Parker Brothers, ataricompendium.com, 2007 (Version vom 2. April 2019 im Internet-Archiv); „Sky Skipper: Nintendo’s Long Lost Arcade Game“, arcadeblogger.com, 20. Mai 2016; „Retroradar: Discovering Sky Skipper“, in: Retro Gamer 170 (Juli 2017), S. 6–7; Nintendo Treehouse @ E3 2018, Day 3 (14. Juni 2018; Gespräch mit Don James); Artikel zu „Sky Skipper“ bei gaminghell.co.uk; skyskipperproject.com.

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Bisher gibt es fünf Kommentare

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  • Avatar von Jannik @derofa.de
    Jannik @derofa.de 07.09.2021, 13:28
    Super interessant. Habs verschlungen :-). Danke für die Reportage.
  • Avatar von BIGBen
    BIGBen 06.09.2021, 22:17
    Mega interessant!
  • Avatar von Tobias
    Tobias 06.09.2021, 18:48
    Eigentlich hatte ich für dieses Jahr eine umfangreiche Reportage zum 40-jährigen Jubiläum des ersten Donkey Kong geplant, doch aus zeitlichen Gründen wurde daraus nichts, zumal es 2014 dazu ja bereits einen Artikel gab. Sky Skipper hatte ich erst gar nicht auf dem Schirm. Davon gehört hatte ich wohl mal, aber erst durch die Arbeiten an der Reportage zum Gigaleak sind mir das Spiel und seine Geschichte richtig bewusst geworden. Irgendwie hat mich das Spielchen sehr interessiert, ich hab's direkt gekauft, viel Spaß beim Spielen gehabt und mir gedacht, dass sich da sicher auch gut etwas zu schreiben ließe.

    Zitat Zitat von virus34 Beitrag anzeigen
    Vielen Dank wieder mal für den klasse Bericht. Bedingt durch Corona und meine Tätigkeit im Pflegeheim hatte ich echt lange keine Freizeit mehr, aber es tut gut wieder etwas von dir zu lesen und ich werd mir in Ruhe alle vergangenen Artikel der letzten Monate durchlesen.
    Vielen Dank! Ich hatte mich schon gewundert, dass ich einige Zeit nichts von dir gehört hatte. Dann hoffe ich mal, dass demnächst bei dir wieder eine etwas ruhigere Zeit einkehrt!
  • Avatar von YU-GI-OH!
    YU-GI-OH! 06.09.2021, 18:44
    Laut der Nintendo Website, wurde das Spiel 1981 veröffentlicht. Ob es wirkloch sonwar wissen die sicher selber nicht mehr.
  • Avatar von virus34
    virus34 05.09.2021, 09:09
    Vielen Dank wieder mal für den klasse Bericht. Bedingt durch Corona und meine Tätigkeit im Pflegeheim hatte ich echt lange keine Freizeit mehr, aber es tut gut wieder etwas von dir zu lesen und ich werd mir in Ruhe alle vergangenen Artikel der letzten Monate durchlesen.