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Super Mario Bros. (eShop)

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Inside Nintendo 178: Die Geschichte von Super Mario Bros., Teil 2: Pixel-Pionierarbeit

Vor genau 35 Jahren, am 13. September 1985, ist mit „Super Mario Bros.“ nicht nur eines der meistverkauften Videospiele aller Zeiten, sondern auch ein Paradebeispiel für gutes Spiel- und Leveldesign erschienen. Wenn Marios wegweisendes 8-Bit-Abenteuer aber auf heutige Spieler einen eher trivialen Eindruck hinterlässt, so liegt dies daran, dass nahezu alle Elemente seines Spielprinzips gleichsam in die DNA des Jump’n’Run-Genres eingegangen sind. Dies rechtfertigt es, die Genese dieser basalen Spielstrukturen eines gründlichen Blickes zu würdigen.

Das offizielle Artwork zu „Super Mario Bros.“ von der japanischen Verpackung.

Zu Lande, zu Wasser und in der Luft

Da „Super Mario Bros.“ als letztes Famicom-Modulspiel geplant war, hatten sich Shigeru Miyamoto und seine Kollegen Takashi Tezuka und Toshihiko Nakago vorgenommen, einen gelungenen Abschluss abzuliefern und die Modultechnik vollständig auszuloten. Dazu dachten sie sich eine so große, lebendige und dynamische Spielwelt aus, wie sie für Videospiele der ersten Hälfte der 1980er-Jahre unerhört war. Mit dem Projektursprung und der Konzeptfindung haben wir uns im ersten Teil der Reportage befasst und sind zum Schluss beim ursprünglichen Projektentwurf zu „Super Mario Bros.“ von Februar 1985 angelangt.

Damals stand das wesentliche Spielprinzip bereits fest; die grundlegende Vision war schon in Stein gemeißelt, wie Projektleiter Shigeru Miyamoto sie zusammenfasste: „Wir nutzten die technischen Möglichkeiten des Famicom-Systems bis zum Äußersten und haben uns entschieden, ‚Super Mario Bros.‘ auf dem Konzept aufzubauen, dass eine große Figur eine Welt zu Lande, zu Wasser und in der Luft bereist.“ Abseits dieser Grundlagen gab es im Februar 1985 aber noch markante Unterschiede zum finalen Spiel.

A-bwegig: Springen ohne A-Taste

Die Steuerung von „Super Mario Bros.“, die bis heute den unhinterfragten Standard eines gesamten Genres darstellt, fällt denkbar simpel aus: Mit dem Steuerkreuz lässt der Spieler Mario nach links und rechts laufen, die A-Taste fungiert als Sprungtaste und B dient sowohl zum Rennen als auch zum Angreifen mit Feuerbällen. Umso unvorstellbarer wirkt die Tatsache, dass die Spezifikationen von Februar 1985 noch ein ziemlich anderes Steuerungsschema bezeugen, an das sich selbst die Entwickler einige Jahre später, als sie die entsprechenden Dokumente wieder zu Gesicht bekamen, nicht mehr erinnern konnten.

Demnach sollte Mario ursprünglich springen, wenn der Spieler auf dem Steuerkreuz nach oben drückt. Die A-Taste diente indes dem Angreifen, sodass der B-Taste nur die Rennfunktion, nicht aber zwei verschiedene Steuerungsoptionen zugewiesen waren. Auf dem spärlich bestückten Famicom-Controller ließen sich Doppelbelegungen aber generell nur schwer vermeiden, und so wären ja in diesem Steuerungsschema Richtungs- und Sprungsteuerung demselben Eingabeelement zugewiesen gewesen.

Das frühere Steuerungsschema in den Projektspezifikationen zum Spiel belegt: Ursprünglich wurde in „Super Mario Bros.“ mit dem Steuerkreuz gesprungen!

Der Klempner wird handgreiflich

Doch dahinter stand mehr als einfach ein frühes und noch nicht ganz ausgereiftes Steuerungsschema. Nintendo-Präsident Satoru Iwata zitierte aus dem ihm vorliegenden Originaldokument: „Hier steht, dass man mit dem A-Knopf Tritte verteilt, wenn man keine Waffen in der Hand hat, oder ein Gewehr und eine Strahlenkanone einsetzt.“ Skeptisch fragte er: „Soll das wirklich ‚Super Mario Bros.‘ sein?!“ Der Einwand war berechtigt, denn offenbar sollte das Spiel laut den ursprünglichen Planungen einen deutlich stärkeren Schwerpunkt auf Shoot-’em-up-Passagen und Kämpfe setzen.

Die Himmelsabschnitte waren sogar dergestalt vorgestellt, dass Mario auf einer Rakete durch die Wolken fliegt und sich mithilfe von Geschossen seiner Feinde erwehrt. Aus der Rakete wurden später Wolkenplattformen, doch auch diese fanden in das fertige Spiel nicht wie eigentlich geplant Eingang. Überbleibsel dieser Himmels-Passagen sind die auf Wolken angesiedelten Bonus-Abschnitte, die Mario über versteckte Bohnenranken erklimmen kann. Diese Idee stammt von Tezuka, der hierbei die Geschichte „Hans und die Bohnenranke“ vor Augen hatte und sich als großer Verfechter der Himmelabschnitte erwies.

Jene frühen Ideen, die aus „Super Mario Bros.“ wohl ein ziemlich anderes Spiel gemacht hätten, sind unter anderem einem einheitlicheren Fokus auf die Jump’n’Run-Ausrichtung zum Opfer gefallen. Marios zentrale Angriffsmöglichkeit in „Super Mario Bros.“ ist daher sein Sprung, während aus der Schusswaffe der Feuerball geworden ist, der zudem nicht in gerader Linie durch die Luft saust, sondern über den Boden hüpfelt. Ob bewusst oder nicht, sind jene ursprünglichen Konzepte aber in späteren „Mario“-Spielen doch noch verwirklicht worden: Die Raketen-Levels mit Shoot-’em-up-Elementen in „Super Mario Land“, Tritte und Schläge in „Super Mario 64“.

Nicht beim Laufen schießen!

Aber wie wurde nun A zur Sprungtaste? Dass Springen und Steuern beide dem Steuerkreuz zugeordnet waren, hätte sich als äußerst unpraktikabel erwiesen, wo doch ein actionreiches Jump’n’Run auf die präzise Eingabe der Richtungs- und Sprungbefehle angewiesen ist, aber das war anscheinend nicht der springende Punkt. Vielmehr bestand in den Augen der Entwickler darin ein Problem, dass Mario während des Rennens beliebig viele Projektile abschießen konnte, da ja Rennen und Schießen auf zwei separate Tasten aufgeteilt waren. Das hätte den Klempner zu mächtig gegenüber Gegnern und damit das Spiel zu einfach gemacht.

Daher legten die Entwickler beide Funktionen auf dieselbe Taste. Von nun an konnte Mario zwar beim Stillstehen und Gehen mehrere Feuerbälle hintereinander abschießen, nicht mehr aber während des Rennens. „Das machte die A-Taste frei, und wir machten daraus die Sprungtaste“, so Miyamoto. Dem alten Steuerungsschema scheint er trotz seiner offensichtlichen Schwächen durchaus noch hinterherzutrauern: „Ich wollte wirklich, dass A die Aktionstaste wird und man mit ‚oben‘ springt, aber so klappte es schlussendlich besser für Mario.“

Diese Zeichnung aus der Entwicklung des Spiels wurde kurz in einer französischen Dokumentation von 1994 gezeigt, die im Mai 2020 auf YouTube hochgeladen wurde. Was ist hier zu sehen? Hält Mario vielleicht eine Schusswaffe in der Hand, sodass diese bislang kaum bekannte Grafik den Vorläufer von Feuerblume und Feuerball zeigt?

Son Goku, Marios wahrer Bruder?

Die Himmels- und Unterwasserabschnitte gehörten von Anfang an zum Konzept der dynamischen Spielwelt von „Super Mario Bros.“ Die Unterwassersteuerung basiert auf jener von „Balloon Fight“, das von Nakagos Team programmiert worden war. Damals hatte der spätere Nintendo-Boss Iwata, der ja von Haus aus Programmierer war, Ratschläge zur Programmierung einer flüssigeren und geschmeidigeren Bewegung der Spielfigur gegeben. Dieses Wissen fand auch bei der Entstehung von „Super Mario Bros.“ Anwendung, sodass Iwata indirekt zu einem „Mario“-Spiel beigetragen hat. „Als ich das herausgefunden habe, war ich sehr glücklich!“, sagte er einmal dazu.

Eine weitere wichtige Inspirationsquelle für „Super Mario Bros.“ war der klassische chinesische Roman „Die Reise nach Westen“. Dessen in Japan einflussreiche Figur des Affenkönigs Sun Wukong, der von Wolke zu Wolke springt, diente als Inspiration für das ursprünglich geplante Konzept der Himmelsabschnitte, während der Spielbösewicht Bowser auf dem Ox King aus dem Anime zur Geschichte basiert.

„Unterbewusst haben sich die Entwickler Dingen zugewandt, die sie von Animes und Mangas aufgenommen haben“, kommentierte Masayuki Uemura, der leitende Hardwareentwickler des Famicom/NES bei Nintendo. „Wir hatten wohl Glück, dass Fremde die Dinge, auf die wir unsere Ideen basierten, nicht gesehen hatten.“ Übrigens erschien fast zur gleichen Zeit in Japan ein weiteres bedeutendes Werk der Popkultur, das lose von „Die Reise nach Westen“ inspiriert wurde, nämlich der weltbekannte Manga „Dragon Ball“.

Marathon oder Hindernisparcours?

Ihre großen und lebendigen Spielwelten hätten Miyamoto und Tezuka ohne Side-Scrolling wohl nicht realisieren können. Wie neu diese Technik damals war, spiegelt sich in folgender Anekdote aus der Entwicklungsphase von „Super Mario Bros.“ wider. Miyamoto hatte festgesetzt, dass jeder Level etwa eine Minute Spielzeit beanspruchen solle. Da die Spielfigur ungefähr innerhalb einer Sekunde den Bildschirm zu überqueren vermag, rechnete Nakago damit, dass er pro Level nicht weniger als 60 Bildschirmflächen programmieren müsse.

Der Programmierer erinnerte sich zurück: „Mr. Miyamoto hat geantwortet: ‚Alle möglichen Dinge werden dazwischen passieren, so dass wir mit 20 Bildschirmen für einen einzelnen Level klarkommen müssten.‘ Damals konnte ich noch nicht begreifen, was Mr. Miyamoto gemeint hatte.“ Denn natürlich sind die Level mit Hindernissen, Fallen und Gegnern gespickt, aber auch mit hilfreichen Power-ups, Abkürzungen und Geheimnissen versehen. Schließlich sind die einzelnen Spielabschnitte nicht sonderlich lang ausgefallen, aber sie wurden so dicht mit Inhalten befüllt, dass der Spieler in den meisten von ihnen deutlich mehr als nur eine Minute verbringen kann.

Dies ist das Planungsdokument für die Spielstruktur von „Super Mario Bros.“ Deutlich zu erkennen ist noch, dass das Papier ursprünglich so präpariert war, dass Programmierer Nakago nur die ersten fünf Welten zu Gesicht bekam.

Spielwelt-Entfaltung dank Entfaltungs-List

Ohnehin war die Größe der Spielwelt von „Super Mario Bros.“ in der damaligen Videospiellandschaft einzigartig. 32 verschiedene Level, aufgeteilt in acht Welten, stellten damals einen extrem großen Umfang dar. Außerdem verfolgt in „Super Mario Bros.“ jeder Spielabschnitt ein anderes Kernkonzept, wohingegen sich in vielen damaligen Spielen die Level, wenn es derer überhaupt mehrere gab, einander stark ähnelten.

Das ganze Vorhaben war für damalige Verhältnisse so ambitioniert, dass Miyamoto seine Programmierer dazu mithilfe eines Tricks überreden musste. Der junge Chef-Designer erstellte ein Dokument, das seine Vorstellungen zur Spielstruktur visualisierte, faltete es jedoch derart, dass Nakago zunächst nur fünf Spielwelten zu Gesicht bekam. Als der Programmierer grünes Licht zur technischen Umsetzung gab, entfaltete Miyamoto das Papier, sodass die drei weiteren Welten zum Vorschein kamen. Ganz ohne Wiederverwendung von Spielelementen ließen sich die 32 randgefüllten Level aber nicht auf das Modul bannen. Denn um möglichst viele Inhalte innerhalb der sehr begrenzten Speicherkapazität der damaligen Speichermedien unterbekommen zu können – auf dieses Thema werden wir in Teil 3 der Reportage zurückkommen –, wurden manche Levelabschnitte mit veränderter Gegneranordnung übernommen.

Vom Zeichenbrett zum digitalen Code

Die konkrete Gestaltung der einzelnen Spielabschnitte von „Super Mario Bros.“ oblag Miyamoto und seinem Assistenten Tezuka. Das Leveldesign, jenes Herzstück bei der Entstehung eines Jump’n’Run-Titels, war damals aber noch ein weitaus umständlicherer Vorgang als heute in der Ära „Super Mario Maker“. „Mr. Tezuka oder Mr. Miyamoto haben die Level auf einem riesigen Blatt Millimeterpapier gezeichnet“, erklärte Nakago. „Wir mussten die Daten akribisch von Hand eingeben.“

Die tägliche Routine sah so aus, dass Nakago und sein Kollege Kazuaki Morita morgens zu Arbeitsbeginn neue Levelzeichnungen von Miyamoto und Tezuka erhielten und diese dann im Laufe des Tages einprogrammierten. „Anschließend, so gegen 10 Uhr abends, wenn wir fertig waren“, fuhr Nakago fort, „haben wir die Daten auf eine ROM gebrannt, damit die zwei Herren den Level probespielen konnten.“ Damit war ein Level aber noch längst nicht abgeschlossen: „Wenn es dann irgendwelche Änderungen gab, habe ich sie am nächsten Morgen erhalten. Dieser Vorgang wurde immer wieder wiederholt.“

Hier sehen wir originale Zeichnungen für die Untergrund-Bonusabschnitte. Weitere Levelentwürfe aus der Entwicklungsphase findet ihr in der Galerie am Ende des Artikels. – Man muss sich das damalige Prozedere der Levelerstellung sehr mühselig vorstellen; etwa so, als würde man einen Text schreiben und müsste nach dem Entwurf der Rohfassung für jede Überarbeitung mit einem Tag Verzögerung rechnen.

Eine kleine Leveldesign-Lehrstunde

Man kann nicht angemessen über das Leveldesign von „Super Mario Bros.“ sprechen, ohne näher auf Welt 1-1 einzugehen. Obwohl – oder gerade weil – dieser Level der erste des Spiels ist, war er, so Nakago, „auch der Level, den wir bis zur letzten Minute angepasst haben.“ Das war nicht ohne Grund so, denn Miyamoto und Tezuka wollten dem Spieler zu Beginn die Grundlagen von „Super Mario Bros.“ einzig vermittels des Leveldesigns beibringen.

Als subtiles Tutorial ganz ohne Worte ist Welt 1-1 ein Paradebeispiel für gutes Leveldesign. Lassen wir Satoru Iwata die Brillanz jenes Levels erläutern: „Wenn man das Spiel zum ersten Mal spielt und keine Vorkenntnisse besitzt, läuft man in einen Gumba hinein und verliert gleich einen Versuch. Und dann, wenn der Spieler dem Gumba aus dem Weg springen möchte, kommt es manchmal vor, dass sein Timing nicht stimmt und er stampft auf einen drauf. Auf diese Weise lernt er, dass er sie so besiegen kann.“

Dabei wird es jedoch sehr wahrscheinlich vorkommen, dass Mario gegen einen Item-Block springt, aus dem dann das Pilz-Power-up hervorkommt. Miyamoto und Tezuka haben sichergestellt, dass der Spieler, der ja noch gar nichts von der Bedeutung dieses Pilzes weiß, ihn zwangsläufig einsammelt. „Natürlich, wenn er an der Röhre ankommt, macht der Pilz kehrt!“, fuhr Iwata fort. „Selbst, wenn man zu diesem Zeitpunkt in Panik gerät und versucht aus dem Weg zu springen, trifft man den Block über seinem Kopf. Und dann, gerade als man denkt, Mario hat sich verabschiedet, zittert er auf einmal und wächst! […] Man springt und stellt fest, dass man höher springen kann und die Blöcke über sich zerstören kann, sehr schnell wird einem klar, dass [Mario] viel mächtiger geworden ist.“

Wie Pilze aus dem Boden schießen

Dass Mario durch den Verzehr magischer Pilze an Größe und Stärke gewinnt, gehört heute zum kleinen Einmaleins der „Super Mario“-Reihe. Doch warum sind es ausgerechnet Pilze? Verbreitet und eigentlich auch naheliegend ist die Erklärung, Miyamoto habe sich von „Alice im Wunderland“ inspirieren lassen. Vor ein paar Jahren stellte er aber selber klar, dass diese Behauptung auf einer missverstandenen Interviewaussage von ihm beruhe. Die Inspirationsquelle für die Pilze war demnach nicht konkret „Alice im Wunderland“, sondern eine allgemeinere Vorstellung: „Es gab schon immer eine Verbindung zwischen Pilzen und magischen Welten“, so Miyamoto. „Deshalb habe ich entschieden, dass Mario einen Pilz benötigt, um Super Mario zu werden.“

Die Pilz-Thematik hat dann von den Pilz-ähnlichen Mushroom Retainern (später als „Toads“ bezeichnet) über Pilzplattformen bis hin zum Pilzkönigreich an allen möglichen Stellen von „Super Mario Bros.“ ihre Spuren hinterlassen. Woher das Aussehen der übrigen Items stammt, ist indes schwieriger zu erklären. Dass Mario ausgerechnet mit einer Blume Feuerbälle schießen kann, verdankt sich wohl einem Wortspiel im Japanischen. Noch unklarer ist dagegen das Stern-Item, das Mario unverwundbar macht. Der Funktion nach dürfte es jedenfalls auf den mächtigen Hammer aus „Donkey Kong“ zurückgehen.

Konzeptstudien für das Pixeldesign des Protagonisten. Die Zeichnungen, auf deren Grundlage Tezuka die Sprites entwarf, weisen noch in die Richtung des Mario-Designs aus „Donkey Kong“. Die Bilder links und in der Mitte hat Tezuka 2015 bei einem Interview gezeigt, das rechte war in der französischen Doku von 1994 zu sehen.

Ein Blick in den Klempner-Kleiderschrank

Für die Grafikgestaltung von Elementen wie Spielfigur, Gegnern und Items hat überwiegend Tezuka verantwortlich gezeichnet. Vor allem war er es, der das bis heute legendäre Pixel-Design von Mario erstellt hat. In „Donkey Kong“ trug Mario noch rote Latzhosen und einen blauen Overall, doch da in „Super Mario Bros.“ der Hintergrund ebenfalls blau war, musste das Farbdesign des Helden einer Veränderung unterzogen werden. Infolge der begrenzten Möglichkeiten zur Farbdarstellung auf dem Famicom kam Tezuka nicht umhin, Marios Overall dieselbe Farbe zu verpassen wie seinen Haaren und Augen.

Daraus erklärt sich die etwas seltsame braune Farbe von Marios Overall in „Super Mario Bros.“, während das Klempner-Kleidungsstück in Marketing-Materialien zum Spiel blau ist. Dass Marios Aussehen stark von der jeweiligen Hardware abhängig war, hat durchaus Tradition, denn bekanntermaßen ist seine von Mütze, Bart und Latzhose geprägte Gestaltung für „Donkey Kong“ in erster Linie zwecks einer besseren Darstellbarkeit gewählt worden. Kurz nach „Super Mario Bros.“ wurde zu allem Überfluss noch die Farben von Latzhose und Overall vertauscht, sodass die praktischen Beinkleider des Klempners seitdem die passendere Farbe blau tragen.

Miyamotos Mario-Malstunde

Das hübsche Artwork, welches die Spielverpackung von „Super Mario Bros.“ ziert und auch am Beginn dieses Artikels zu bewundern ist, stammt von Miyamoto höchstpersönlich. Er erklärte dazu, dass er eigentlich geplant habe, „einen professionellen Manga-Künstler oder bekannten Zeichner zu beauftragen, aber uns lief die Zeit davon und so habe ich das Bild […] selbst gezeichnet.“ Gegenüber dem Mario aus der „Donkey Kong“-Ära sieht der Klempner deutlich eher wie der aus, den wir bis heute kennen und lieben.

Insgesamt ist das Figurendesign des Covers – ganz im Duktus der in der damaligen Zeit üblichen und alles andere als einheitlichen Mario-Designs – stark cartoon-lastig. Miyamoto war vor allem mit seiner Version von Bowser nicht zufrieden. Der Bösewicht basiert ja eigentlich auf dem Ochsenkönig aus dem Anime „Alakazam the Great“, welcher wiederum auf dem Buch „Die Reise nach Westen“ aufbaut. Tezuka aber warf Miyamoto vor, dass seine Zeichnung eher wie eine Schildkröte aussehe. „Ich hatte da etwas Unverständliches gezeichnet“, gab Miyamoto zu, „einen Schildkrötenkörper mit einem Ochsenkopf drauf!“

Diese bislang völlig unbekannte Zeichnung wurde ebenfalls 1994 in der französischen Dokumentation gezeigt. Der Vergleich mit dem offiziellen Artwork ganz oben zeigt, dass es sich wohl um eine grobe Skizze dazu handelt. Man beachte die sehr frühen Designs von Mario, Bowser und Peach. Die erst später ins Spielkonzept integrierten Elemente Feuerblume, Bohnenranke und Gumba datieren das Bild in die spätere Entwicklungsphase. Dafür aber stellen sich noch große Fragen: Was ist das für ein Gegner, auf den Mario springt? Wer ist der alte Mann unten links, der wie ein Zauberer aussieht, und was hält er in der Hand?

Was Mario mit Heidi verbindet

Es war Yoichi Kotabe, der später anhand von Miyamotos Entwürfen der wichtigsten Figuren aus „Super Mario Bros.“ die bis heute bekannten Designs schuf und damit dem Pilzkönigreich wesentlich seinen Stempel aufdrückte. Kotabe hatte in den 1960er- und 1970er-Jahren bei Toei Animation mit Anime-Legenden wie Hayao Miyazaki und Isao Takahata an bekannten Serien und Filmen mitgewirkt, unter anderem als Animator bei „Alakazam the Great“ – ein interessanter Zufall, da doch auf just jenem Anime Miyamotos Bowser-Design basierte – sowie als Charakterdesigner und leitender Animator bei „Heidi“.

Kotabe war nicht der erste Animator, mit dem Nintendo zusammengearbeitet hatte – zuvor hatte Takao Kozai, ebenfalls von Toei, Zeichnungen für „Punch-Out!!“ erstellt. Wohl aber wurde Kotabe als erster professioneller Illustrator direkt beim Unternehmen angestellt. Er war vom damaligen R&D4-Leiter und „Super Mario Bros.“-Produzenten Hiroshi Ikeda, einem weiteren Toei-Veteranen, angeheuert worden. „Allerdings hatte ich vor, nur ein oder zwei Jahre bei Nintendo zu verweilen“, erzählte Kotabe einmal. „Daraus wurden 21 Jahre!“ Mehr über Yoichi Kotabe, Hiroshi Ikeda und Nintendos eigenartige Verbindung zu Toei Animation haben wir vor sechs Jahren in „Inside Nintendo 52: Nintendos unbekannte Anime-Urgesteine“ zusammengetragen.

Luigi hat mal wieder das Nachsehen

Im Zuge seiner Überarbeitung der Miyamoto-Entwürfe hat Kotabe vor allem Bowsers Aussehen in enger Abstimmung mit Miyamoto stark angepasst. Darüber hinaus prägte er das Design für Prinzessin Toadstool – eine weitere für „Super Mario Bros.“ neu eingeführte Figur; in Japan trug sie den Namen „Peach“, auf den sie später auch im Westen hörte. Miyamoto hatte großen Wert darauf gelegt, dass die Prinzessin „stur, aber auch ein wenig niedlich“ wirkt und ihre Augen wie „die einer Katze“ aussehen. Spielprotagonist Mario hat sich währenddessen übrigens nicht sehr verändert, da Miyamoto bereits eine ziemlich genaue Vorstellung von ihm hatte.

„Wenn ich mich recht entsinne“, erzählte Miyamoto außerdem, „war die erste Animation, die Mr. Kotabe für uns gezeichnet hat, eine von Luigi, der sich im Kreis dreht. Wir konnten nicht so viele Frames einbauen und konnten sie leider nicht in einem Spiel verwenden.“ Ob diese Animation aber in „Super Mario Bros.“ hätte verwendet werden sollten, muss unklar bleiben. Die erste von Kotabe erstellte Animation, die tatsächlich in einem Spiel Verwendung fand, war erst etwas später in „Doki Doki Panic“ zu sehen, auf dem das westliche „Super Mario Bros. 2“ basiert.

So haben die Entwickler das Aussehen des Titelbildschirms entworfen.

Nachdem es in Teil 1 um die konzeptuellen Grundlagen von „Super Mario Bros.“ und im nun endenden zweiten Teil um die Gestaltung von Leveln und Grafiken ging, werden wir uns im folgenden dritten Teil mit der Entstehung von Musik und Ton des Spiels sowie mit der Programmierung befassen.


Quellen für Inhalte und Zitate: „Iwata fragt: Nintendo DSi“, Teil 8: „Ein Animationslehrgang“, „3: Einladung von Nintendo“, „4: Zeichnen Sie einen Teppich!“, Nintendo, 2008; „Iwata fragt: New Super Mario Bros. Wii“, Teil 1, „4: Alle sollten wissen, es ist ein guter Pilz!“, Teil 2, „1: Alles begann 1984“, „4: Levelanpassungen im täglichen Zyklus“, Nintendo, 2009; „Iwata fragt: The Legend of Zelda: Spirit Tracks“, Teil 2: „Die Geschichte der Zelda-Spiele für die Handheld-Konsole“, „Bonus 2: Die zweite Suche“, Nintendo, 2009; Kevin Gifford: „Super Mario Bros.' 25th: Miyamoto Reveals All“, 1UP, 20. Oktober 2010, archivierte Version vom 21. Juli 2011; „Iwata fragt: Super Mario Bros. 25. Jahrestag“, Teil 5: „Die ursprünglichen Entwickler von Super Mario“, „1: Springen mit dem Steuerkreuz“, Nintendo, 2010; William Audureau: The History of Mario, 2014, bes. S. 217–234. Die meisten im Artikel und der Galerie gezeigten Dokumente aus der Entwicklung hat Nintendo in mehreren „Iwata fragt“-Interviews, einem Interview der „Asashi Shimbun“ mit Takashi Tezuka vom 12. September 2015 sowie einem Videointerview vom 13. September 2015 gezeigt; sie sind gesammelt und kommentiert bei Ethan Johnson: „Super Mario Bros Development Files“, Gaming Alexandria, 16. Juni 2019. Weitere Quellen und Verweise sind im Fließtext verlinkt.

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Bisher gibt es vier Kommentare

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  • Avatar von virus34
    virus34 15.09.2020, 10:17
    Ich muss zugeben ich hab keine Ahnung was das für ein Typ sein soll. Vielleicht sollte der noch eingebaut werden und hat es aber nicht ins Spiel geschafft. Eine leichte Ähnlichkeit besteht zu dem Bürgermeister aus Super Paper Mario.... also naja... sind beide alt und haben nen Stock... da aber mal 20-30 Jahre dazwischen liegen, haben die mit Sicherheit nichts miteinander zu tun. An sich sind ja alte Leute dort im Kulturkreis sehr geschätzt vielleicht sollte er eingebaut werden um jemanden Respekt zu zollen und hat es aber mangels sinnvoller Einbindung nicht geschafft.
  • Avatar von Tobias
    Tobias 14.09.2020, 17:55
    Vielen Dank euch beiden!

    Mich fasziniert am meisten diese frühe Konzeptskizze (zweites Bild von unten), vor allem, weil diese noch nahezu unbekannt ist. Wenn jemand einen Vorschlag hat, was das unten links für ein Typ sein soll, gerne her damit
  • Avatar von virus34
    virus34 14.09.2020, 11:59
    Vielen Dank wieder für den tollen Bericht.
  • Avatar von Anonym_230216
    Anonym_230216 13.09.2020, 13:21
    Guter Artikel! Interessant finde ich auch, was aber nur bedingt damit zu tun hat, wie sich das Artwork verändert hat. Mario ist natürlich auch mit der Zeit gegangen aber sofort wieder zuerkennen, was man von Bowser absolut nicht behaupten kann. Der hat sich über die Jahre optisch positiv verändert! Und die Bauchnabel der Toads sehen echt weird aus!