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Super Mario Bros.

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Inside Nintendo 177: Die Geschichte von Super Mario Bros., Teil 1: Der König der Cartridges

Die Geburt Jesu Christi, die Reformation, das Ende des Zweiten Weltkriegs – es gab immer wieder Ereignisse, die die Geschichte so stark veränderten, dass sie epochemachend wurden. Für die Videospielgeschichte ist „Super Mario Bros.“ so ein Meilenstein – es hat die erfolgreichste Spielereihe aller Zeiten begründet, die Grundlagen für ein gesamtes Genre festgelegt und eine ganze Industrie wieder aufgebaut. In diesem September jährt sich die Erstveröffentlichung von „Super Mario Bros.“ zum 35. Mal. Aus diesem Anlass begeben wir uns auf die Spuren der Geschichte hinter einem der bedeutendsten Videospiele aller Zeiten.

Der berühmte Anfang von Welt 1-1 aus „Super Mario Bros.“

Klempner auf der Überholspur

Mit dem Arcade-Automaten „Donkey Kong“ von 1981 ist Nintendo in die Sphäre der führenden Unternehmen der noch jungen Videospielbranche und dessen Designer Shigeru Miyamoto in den Rang eines aufstrebenden jungen Talents aufgestiegen. Außerdem etablierte das Spiel mit Mario, der zunächst noch Jumpman hieß, eine Spielfigur mit großem Potenzial. Bereits vor „Super Mario Bros.“ war der italienische Tausendsassa eine beliebte Figur in Nintendos Spielerepertoire; allein 1983 erschien ein Dutzend Spiele, in denen Mario einen Auftritt hatte. Langsam zeichnete sich ab, dass Nintendos Gorilla Donkey Kong keine große Karriere mehr bevorstand. Seinem Rivalen Mario aber fehlte noch der große spielerische Durchbruch.

Miyamotos nachfolgende Produktionen „Donkey Kong jr.“, „Mario Bros.“ und „Donkey Kong 3“ konnten zwar nicht ganz an den Erfolg von „Donkey Kong“ anknüpfen. Sie hielten Nintendo aber über Wasser, während das unaufhaltsam scheinende Wachstum der aufstrebenden Videospielindustrie durch eine Krise abrupt zu einem Halt gebracht wurde. Mit „Mario Bros.“ erschien Mitte 1983 erstmals ein Spiel, das sich allein um den mittlerweile zum Klempner umgeschulten Mario drehte. Da es aber noch auf der veralteten Technik der „Donkey Kong“-Automaten lief, blieb ihm ein größerer Erfolg verwehrt.

Der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit

Nachdem Nintendo zuvor hauptsächlich in Arcade-Hallen vertreten gewesen war, wagte das Unternehmen Mitte 1983 den breiten Einstieg in die Heimkonsolen-Sparte und brachte das Famicom in Japan auf den Markt. Die ersten Spiele für die neue Konsole waren Portierungen von Nintendos damaligen Arcade-Hits. Da Dritthersteller zunächst nicht als Famicom-Entwickler zugelassen waren, lag die Versorgung mit neuer qualitativer Software allein in Nintendos Hand. Zu diesem Behuf rief das Unternehmen im Herbst 1983 die neue Spieleentwicklungsabteilung Nintendo Research & Development 4 (R&D4) ins Leben, als deren Leiter niemand anderes als der damals 30-jährige Miyamoto eingesetzt wurde.

Die ersten R&D4-Projekte stellten die Weichen für alles Darauffolgende – sowohl in Hinblick auf Spielmechaniken (dazu später mehr) wie auch auf das dahinterstehende Personal: Für das „Pac-Man“-artige „Devil World“ arbeitete Miyamoto mit dem neu angestellten Designer Takashi Tezuka, für das Rennspiel „Exictebike“ mit dem Programmierer Toshihiko Nakago vom Unternehmen Systems Research & Development (SRD) zusammen. Beide Spiele kamen im Frühjahr 1984 in Japan heraus. Für das nächste große Projekt taten sich Miyamoto, Tezuka und Nakago erstmals zu dritt zusammen und brachten dabei alle bis dahin erworbene Erfahrung in der Entwicklung von Famicom-Spielen ein. Die drei sollten später als das „Goldene Dreieck“ in die Annalen der Nintendo-Geschichte eingehen.

Die beiden Designer von „Super Mario Bros.“, Shigeru Miyamoto (* 1952) und Takashi Tezuka (* 1960), in einem frühen Nintendo-internen Video aus den späten 1980er-Jahren. Rechts sehen wir Programmierer Toshihiko Nakago (* 1957/1958) auf einem Foto von 1990 (Bildquelle).

Das Beste kommt zum Schluss

Wie bedeutsam das anstehende Projekt werden sollte, konnte den Dreien damals unmöglich bewusst sein. Dennoch hegten sie nicht gerade geringe Ambitionen, denn das nächste R&D4-Spiel sollte etwas Großes werden. Das Famicom stand kurz vor der Ablösung durch das Famicom Disk System; dessen Disketten boten gegenüber den Famicom-Modulen viel mehr an Speicherplatz, dem in jener Zeit kostbarsten Gut eines jeden Spieleentwicklers. Wenn auch die Geschichte anders verlief und sich das Disk System mit seinem neuen Speichermedium nicht bewähren konnte, so schien sich damals doch die Ära der Famicom-Modulspiele dem Ende zuzuneigen. Deswegen nahmen sich Miyamoto, Tezuka und Nakago nicht weniger vor, als den krönenden Abschluss dieser Ära zu entwickeln und die damalige Modultechnik bis zum Äußersten auszureizen.

„Ich wollte ein Spiel entwickeln, das der Höhepunkt aller Famicom-Module sein sollte“, sagte Miyamoto. In einem seiner frühesten Interviews von 1989 hatte er präzisiert: „In der Planungsphase sprachen wir davon, dass wir ein Spiel machen wollten, das die besten Aspekte der Platformer nach ‚Donkey Kong‘ zusammenstellen und einen neuen Standard setzen würde.“ Dies ist die Geburtsstunde von „Super Mario Bros.“ Genau genommen ist es auch jene von „The Legend of Zelda“, denn ursprünglich handelte es sich um ein und dasselbe Projekt. „Es überrascht mich immer wieder, wie viele Fans das nicht wissen“, sagte der spätere Nintendo-Präsident Satoru Iwata, „aber die ersten ‚Super Mario‘- und ‚Zelda‘-Titel wurden gleichzeitig entwickelt, mit derselben Belegschaft.“

Aller Anfang ist klein

Der Beginn des Projekts war aber bescheidenen Ausmaßes, denn jene Innovation, die den ausschlaggebenden Antrieb zur Entwicklung des späteren „Super Mario Bros.“ geben sollte, mutet heute gar nicht wie eine solche an. „Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich Mr. Nakago als erstes gebeten, einen großen, herumspringenden Charakter zu erstellen“, sagte Miyamoto. Damit wollte er herausfinden, wie es sich anfühlen würde, eine große Spielfigur – etwa doppelt so groß wie jene in „Mario Bros.“ – zu steuern. Aus Gründen der technischen Limitierungen konnten die Spielfiguren der meisten damaligen Spiele nämlich nur recht klein dargestellt werden.

So begann im Dezember 1984 eines der bedeutendsten Spieleprojekte der damaligen Zeit mit einem Prototyp von geradezu archaischem Charakter. Bevor Miyamoto und sein Team Mario über den Fernsehbildschirm laufen ließen, tüftelten sie mit einem unspezifizierten Platzhalter. „SRD hat mit einem Rechteck experimentiert, das sich einfach wellenförmig bewegt hat“, so Nakago. Ein Rechteck mit den Maßen 16×32 Pixeln bewegte sich vor einem schwarzen Hintergrund – das war alles. Ob der Spielfiguren-Platzhalter in diesem Prototyp bereits springen konnte, dazu haben Miyamoto und Nakago widersprüchliche Angaben gemacht.

Der Prototyp hat jedenfalls funktioniert und kam mit Miyamotos Worten „ziemlich gut rüber“. Das Experiment scheint für die Entwickler aber keine sonderliche Sensation gewesen zu sein, wenn Miyamoto lapidarisch kommentiert: „Zuerst haben wir ein Quadrat herumgeschoben, dann beschlossen, dass wir demnächst mal etwas in der Art machen würden, und dann haben wir uns anderen Dingen zugewandt.“

So sahen die Teambesprechungen während der Entwicklung von „Super Mario Bros.“ aus: Projektleiter Miyamoto (rechts) stellt die Planungen vor, sein Assistent Tezuka steht daneben und macht sich eifrig Notizen. Die weiteren Teammitglieder sitzen an einem mit Entwicklungsunterlagen übersäten Tisch. Bei den vorgestellten Dokumenten handelt es sich offenbar um die Planungen zur Spielstruktur; das linke Blatt ist uns auch aus einem Scan bekannt. Dieses Bild, das ebenfalls dem Unternehmens-internen Video aus der NES-Ära entstammt, ist also wahrscheinlich noch während der Entwicklung des Spiels selbst entstanden.

Aus eins mach zwei

Aus jenen „anderen Dingen“, von denen Miyamoto 2010 sprach, wurden die Grundlagen des späteren „The Legend of Zelda“. Unter dem Arbeitstitel „Adventure“ haben Miyamoto, Tezuka und Nakago eine Vielzahl an Ideen gesammelt, aus denen sich erst nach einigen Wochen zwei verschiedene Spiele mit klar voneinander differenzierter Ausrichtung herauskristallisiert haben. Die Entwickler teilten ihre Ideen auf je eines der beiden Spiele auf, wobei manche Elemente noch umsortiert wurden – das bekannteste Beispiel ist der Feuerbalken aus „Super Mario Bros.“, der zunächst für das spätere „Zelda“ angedacht gewesen war.

So kam es, dass beide Spiele ein eigenes Profil erhielten. Das eine sollte ein lineares Jump’n’Run-Spiel in der Seitenansicht werden und für das Famicom erscheinen, während das andere als nonlineares Action-Adventure aus der Vogelperspektive für Famicom Disk System und Arcade geplant war. Miyamoto und sein Team gingen davon aus, das Adventure-Spiel als erstes fertigzustellen. Da dessen Konzept aber noch stark erweitert wurde, kam es zu einer Verzögerung der Entwicklung (nähere Informationen zur Entstehung von „The Legend of Zelda“ findet ihr in „Inside Nintendo 104“ von Oktober 2016). Von da an priorisierten die Entwickler ihr Jump’n’Run-Spiel.

Das Team hinter einer Legende

An dieser Stelle möchten wir kurz das Team hinter den beiden Spielen näher vorstellen. Als Projektleiter fungierte Miyamoto selbst; es war tatsächlich schon eines der letzten Male, dass das Nintendo-Mastermind selbst auf dem Regiestuhl saß. Die Rolle des Regieassistenten bekleidete Tezuka, der damals noch ganz frisch bei Nintendo war und bei den folgenden „Mario“- und „Zelda“-Spielen die kreative Leitung übernahm. Miyamoto und Tezuka waren von der Konzeptfindung über die Grafikgestaltung bis zum Leveldesign für alle inhaltlichen Aspekte der Entwicklung von „Super Mario Bros.“ und „The Legend of Zelda“ verantwortlich.

Programmiert wurden beide Spiele unter der Leitung von Toshihiko Nakago beim eng mit Nintendo kooperierenden Unternehmen SRD. Neben Nakago selbst war an „Super Mario Bros.“ ein weiterer Programmierer namens Kazuaki Morita beteiligt. Er hatte zuvor mit „Ice Climber“ sein erstes Videospiel programmiert, war anschließend zusammen mit Nakago einer der wichtigsten Programmierer der „Mario“- und „Zelda“-Reihen und ist noch heute für Nintendo tätig. Für Musik und Ton von „Super Mario Bros.“ und „The Legend of Zelda“ war Koji Kondo zuständig, auf dessen Arbeit wir in einem späteren Teil der Reportage näher eingehen werden.

Hinzu kommen der damalige Nintendo-Präsident Hiroshi Yamauchi als Ausführender Produzent, der wenig bekannte erste R&D4-Manager Hiroshi Ikeda als Produzent sowie Yoichi Kotabe als Illustrator. Ikeda und Kotabe hatten früher beim Animationsstudio Toei Animation an bekannten Animes mitgewirkt. Manche Interviewaussagen von Teammitgliedern erwecken den Eindruck, als seien zusätzlich zu den Genannten weitere Entwickler beteiligt gewesen; diese acht sind jedoch alle, deren Mitwirkung an „Super Mario Bros.“ bestätigt ist.

Komponist Koji Kondo (* 1961) auf einem Bild von 1990 (Bildquelle); Programmierer Kazuaki Morita (* 1965) auf einem Bild von 1991 (Bildquelle); Illustrator Yoichi Kotabe (* 1936) auf einem Foto von 2019 (Bildquelle).

Wie aus dem Rechteck Mario wurde

Im Fokus der Aufmerksamkeit des Teams hinter jenem Projekt, aus dem später „Super Mario Bros.“ und „The Legend of Zelda“ hervorgingen, standen innovative Spielkonzepte, die die verfügbare Technik auf kreative Weise ausreizen sollten. Über die Spielfiguren geschweige denn die Handlung hatten sich Miyamoto und Co. zunächst noch keine Gedanken gemacht. Aus heutiger Sicht mag es naheliegend gewesen sein, dass der damals schon bekannte Hüpfheld Mario als Spielfigur des Jump’n’Run-Projekts erkoren werden würde. Dieser Eindruck täuscht aber, wie die heute so gut wie vergessene Figur Conkichi zeigt, die Nintendo damals im Marketing als Famicom-Maskottchen auftreten ließ.

Dass aus dem Rechteck-Platzhalter der ersten Prototypen Mario wurde, ist zu einem großen Teil Co-Designer Tezuka zu verdanken. Er hatte in einer Plauderei mit dem Leiter der Verkaufsabteilung erfahren, dass sich „Mario Bros.“ für das Famicom gut verkaufte. „Ich dachte: ‚Dieser Mario ist ziemlich beliebt‘“, erzählte Tezuka. „Ich erinnere mich, dass ich zu Mr. Miyamoto gesagt habe, dass sich Mario konstant gut verkauft, und er sagte: ‚Mario scheint die perfekte Wahl zu sein.‘“ Es ist aber keineswegs so, als habe der junge Assistent den „Mario“-Vater überreden müssen, die Platzhalter-Spielfigur durch Mario zu ersetzen, wie Tezuka einräumte: „Ich glaube, er hat schon mit dem Gedanken gespielt, Mario herzunehmen, nachdem er aber die Verkaufszahlen gesehen hat, wurde er wohl zuversichtlicher, dass dies der richtige Weg war.“

Und er sah, dass es gut war

Der erste Prototyp des späteren „Super Mario Bros.“ von Dezember 1984 hatte nicht nur keine Spielfigur, sondern auch noch keinen Hintergrund – oder präziser ausgedrückt: Wie in den meisten damaligen Videospielen war der Hintergrund einfach eine schwarze Fläche. Doch „Super Mario Bros.“ ist ein überaus buntes Videospiel; die meisten Level erstrahlen vor einem klaren blauen Himmel. Dies ist ein weiteres aus heutiger Sicht unspektakuläres Charakteristikum, durch das sich Miyamotos neues Werk in der damaligen Spielelandschaft abzugrenzen vermochte.

Nakago erzählte: „Ich kann mich noch genau erinnern, wie zu Beginn der Entwicklung der blaue Himmel auf dem Bildschirm erschienen ist. Damals war nur der blaue Himmel mit den weißen Wolken und dem Boden auf dem Bildschirm zu sehen […]. Ich habe noch nie so ein Spiel gesehen. Als ich dieses Bild sah, war es schon spät am Abend, aber ich habe Mr. Miyamoto sofort angerufen und ihm gesagt: ‚Wir haben etwas Unglaubliches hinbekommen!‘“

Die Erfahrung, die Miyamoto und R&D4 durch die Entwicklung ihrer früheren Projekte gesammelt hatten, kulminierte in „Super Mario Bros.“ Oben: „Donkey Kong“ (1981), „Donkey Kong jr.“ (1982) und „Mario Bros.“ (1983). Unten: „Devil World“ (1984), „Excitebike“ (1984) und „Ice Climber“ (1985).

Bis zum Bildschirmrand und noch viel weiter!

Was die Spielmechaniken anbelangte, so hatte sich Miyamoto das Ziel gesetzt, wieder die Oberhand im von ihm mitbegründeten Jump’n’Run-Genre zu gewinnen und neue Standards zu setzen. Die Spielwelt sollte dazu nicht mehr auf die Grenzen des Fernsehbildschirms begrenzt, sondern viel größer sein – das Scrollen des Bildschirms machte es möglich. „Super Mario Bros.“ war zwar keineswegs das erste seitlich scrollende Jump’n’Run, es sollte dieser Technik durch die besonders flüssige Umsetzung aber zum endgültigen Durchbruch verhelfen.

Mit flüssigem Bildschirmscrollen hatte R&D4 zuvor bereits in „Excitebike“ Erfahrung sammeln können. In „Ice Climber“ scrollte die Ansicht dagegen nur bildschirmweise. Einem vagen Hinweis zufolge war ursprünglich auch für „Super Mario Bros.“ zunächst nur diese simplere Technik vorgesehen gewesen, wie ja auch in „The Legend of Zelda“ nur bildschirmweises Scrollen möglich ist. Mit der Entscheidung für Side-Scrolling entfiel jedenfalls die Möglichkeit eines simultanen Zweispielermodus, wie es ihn noch in „Mario Bros.“ gegeben hatte. Stattdessen bietet „Super Mario Bros.“ für zwei Personen nur einen rundenbasierten Spielmodus – ausschließlich hier taucht der bereits aus dem Vorgänger bekannte Mario-Bruder Luigi auf.

Wie dem auch sei, neben „Ice Climber“ und „Excitebike“ erwiesen sich auch die anderen früheren Miyamoto-Spiele als wichtige Inspirationsquellen für Technik und Spielkonzept von „Super Mario Bros.“ Beispielsweise hatte es eine große Spielfigur schon in „Devil World“ gegeben. Darüber hinaus sollten laut den Projektspezifikationen Elemente aus „Donkey Kong“, „Donkey Kong jr.“ und „Mario Bros.“ in verbesserter Weise Eingang finden, etwa Aufzüge, Sprungfedern und grüne Röhren oder Fließbänder, Leitern, Seile und POW-Blöcke, wobei von letzteren im finalen „Super Mario Bros.“ jedoch jede Spur fehlt.

Wachstumsschub

Die große Spielfigur, der farbige Hintergrund und die großen, scrollenden Spielwelten, die allesamt die technische Leistungsfähigkeit des Famicom unter Beweis stellen sollten, sind die drei Säulen, auf denen „Super Mario Bros.“ fußt. Mit einer Sache aber waren die Entwickler noch nicht zufrieden: Wenn sich die Spielfigur während des gesamten Spielverlaufs im großen Zustand befinden würde, so wäre dieser eigentlich nichts Besonderes mehr. Miyamoto zufolge war es Nakago, der die Idee eines kleinen Mario einbrachte und so dafür sorgte, dass die Spielfigur in zwei verschiedenen Größen auftaucht.

„Und dann haben wir entschieden, dass man einen Versuch verliert, wenn der kleine Mario in einen Gegner rennt“, erzählte Miyamoto. „Wenn der große Mario in einen Gegner rennt, wird er nur kleiner. Das war eine brandneue Spielmechanik“. Ein Fehler seitens des Spielers würde damit nicht mehr zwangsläufig zum sofortigen Bildschirmtod führen; außerdem kann der große Mario die in der Spielwelt anzutreffenden Blöcke zerstören. Geboren war damit die Idee von Power-ups, die Marios Zustand dauerhaft verändern und ihm zusätzliche Kräfte gewähren. Zugleich war dies die Geburtsstunde des schließlich titelgebenden „Super Mario“, denn diese Differenzierung ergibt ja nur dann Sinn, wenn es auch einen normalen Mario gibt.

Dies ist ein Dokument aus der Entstehung von „Super Mario Bros.“ In diesem Stadium war anscheinend noch eine Quasi-3D-Ansicht geplant, wie man an der räumlichen Tiefe des Bodens erkennen kann. Außerdem wird hier deutlich, was in den Leveln tatsächlich dargestellt sein soll: Büsche im Vorder- sowie große Berge mit Bäumen im Hintergrund.

Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt

„Super Mario Bros.“ war für Miyamoto die erste Gelegenheit in seiner Karriere, ein größeres neues Spiel auf einer halbwegs zeitgemäßen Plattform zu entwickeln. Außerdem unterlag er diesmal weniger engen Fristen und Deadlines. Dies erst bahnte den Weg für seine Ambition, alle bis dahin gesammelte technische Erfahrung einzubringen, um einen Höhepunkt der Ära der Modulspiele vor dem Durchbruch des Disk System zu entwickeln und dabei zugleich einen neuen Standard für Jump’n’Run-Spiele zu etablieren. Dementsprechend begnügten er und sein Team sich nicht einfach damit, schlichte Hindernisparcours zu entwerfen – sie wollten eine ganze virtuelle Spielwelt auf den Bildschirm zaubern.

Mario sollte Untergrundbereiche, wie sie ihm schon aus „Mario Bros.“ vertraut waren, betreten und außerdem schwimmen können. Damit war die Kreativität des ehrgeizigen jungen Teams aber noch lange nicht erschöpft. Miyamoto erzählte: „Mr. Tezuka war damals neu, aber er nahm kein Blatt vor den Mund. Er sagte Dinge wie: ‚Ich will auf einer Wolke durch den Himmel fliegen.‘ Und ich erwiderte dann: ‚Na, dann zeichnen Sie das!‘“ Mario sollte also sogar die Lüfte unsicher machen, auch wenn sich diese Idee am Ende nicht ganz so wie von Tezuka vorgesehen umsetzen ließ.

Das Fundament ist gelegt

Nach und nach nahm das Projekt Gestalt an. Die Planungen waren schließlich so weit fortgeschritten, dass Miyamoto am 20. Februar 1985 die Projektspezifikationen für „Super Mario Bros.“ zu Papier brachte. „Dabei stand ich ganz schön unter Druck von Seiten Mr. Nakagos“, berichtete er. „Ich sollte mich beeilen und mich endlich für etwas entscheiden. Also habe ich die ganzen Spezifikationen in einem Rutsch geschrieben“. Den damaligen Projektstand fasste Tezuka wie folgt zusammen: „Das ursprüngliche Konzept von ‚Super Mario [Bros.]‘ hat von einem dynamischen, athletischen Spiel gehandelt, das auf dem Land, zu Wasser und in der Luft gespielt wird, und bei dem eine große Figur gesteuert wird.“

Die originalen Projektspezifikationen vom 20. Februar 1985 und weitere Materialien aus der Entstehung des Spiels wie Konzeptskizzen, Grafikentwürfe und Levelzeichnungen sind bis heute in Nintendos Archiven erhalten. Zu unterschiedlichen Anlässen hat das Unternehmen mehrere Seiten dieser videospielgeschichtlich überaus bedeutsamen Dokumente veröffentlicht. Dies gewährt uns tiefe Einblicke in die Entstehung des Spiels, dessen Konzept sich damals in vielen Punkten noch drastisch vom fertigen Produkt unterschied, obwohl dieses bereits etwa ein halbes Jahr später auf den Markt kam. Damit werden wir den zweiten Teil unserer Reportage eröffnen.

Dies ist eine Seite aus den von Miyamoto handgeschriebenen Projektspezifikationen zu „Super Mario Bros.“, datiert auf den 20. Februar 1985. Das Dokument wurde 2010 im Heftchen zur für Wii erschienenen „Super Mario Bros. 25th Anniversary Collection“ abgedruckt. Eine englische Übersetzung ist auf glitterberri.com zu finden. Die bunten Pixelgrafiken gehören natürlich nicht zum Originaldokument.

Quellen für Inhalt und Zitate: Japanisches Interview mit Shigeru Miyamoto von 1989, englische Übersetzung bei shmuplations.com; „Iwata fragt: New Super Mario Bros. Wii“, Teil 1, „4: Alle sollten wissen, es ist ein guter Pilz!“, Teil 2, „3: Ein Rechteck, das sich bewegte“, „4: Levelanpassungen im täglichen Rhythmus“, Nintendo.de, 2009; „Iwata fragt: Super Mario Bros. 25. Jahrestag“, Teil 5: „Die ursprünglichen Entwickler von Super Mario“, „1: Springen mit dem Steuerkreuz“, „2: Auch die Neuen“, „3: Der große Höhepunkt“, Nintendo.de, 2010; William Audureau: The History of Mario, 2014, bes. S. 141–214; „Interview zu Nintendo Classic Mini: NES – Teil 3: Super Mario Bros.“, Nintendo.de, 21. November 2016.

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  • Avatar von virus34
    virus34 07.09.2020, 04:58
    Danke wieder mal für diesen tollen Bericht.