Es war schon eine Überraschung, als „The Outer Worlds“ für Nintendo Switch angekündigt wurde. Der Titel, der bereits im vergangenen Jahr für diverse Konsolen erschien, wurde von Obsidian Entertainment veröffentlicht, und der geistige Nachfolger von „Fallout: New Vegas“ wurde sehr positiv aufgenommen. Eigentlich sollte das Werk schon vor einigen Monaten für Nintendo Switch erscheinen, doch Virtuos, die schon „Dark Souls Remastered“, „Starlink: Battle for Atlas“ und kürzlich „Bioschock: The Collection“ portierten, mussten die Veröffentlichung wegen des Coronavirus verschieben. Doch hat sich diese Wartezeit wirklich gelohnt?
Brave New World
Frisch aus dem Kryoschlaf erwacht weiß der Held, der im detailreichen Charaktereditor erschaffen wird, überhaupt nicht, was mit ihm passiert. Das Chaos resultiert darin, dass er, oder sie, auf einen Planeten geschickt wird, und das nur mit spärlicher Ausrüstung. Schnell wird deutlich, dass sich das Universum verändert hat, denn Konzerne haben Regierungen abgelöst und kontrollieren nun diverse Kolonien. Das nutzen die Macher geschickt zur Kapitalismuskritik, denn Arbeiter werden als Ware gehandelt, dürfen keine Medizin von anderen Unternehmen als Spacer’s Choice nehmen und selbst nach deren Tod gehört ihr Körper dem Arbeitgeber. Erst, wenn der Spieler das Raumschiff funktionstüchtig macht, wird klar, was für große Veränderungen die Zukunft gebracht hat.
Die Macher beschäftigen sich mit ernsten Themen, stellen aber den Humor in den Mittelpunkt. Allen voran die Unternehmen werden derart überspitzt dargestellt, dass die Satire ihre volle Wirkung entfalten kann. In einigen Dialogen kann man sich vor Lachen kaum noch halten, insbesondere die KI des Raumschiffs verdient hier ein großes Lob, denn die erste Konfrontation wird man nicht so schnell vergessen. Natürlich zündet nicht jeder Witz, doch der Mix ist durchweg unterhaltsam, selbst beim erneuten Durchspielen.
(K)ein Roboter
Glücklicherweise gibt es genug interessante Charaktere, die nicht nur wie typische NPCs wirken. Jeder von ihnen hat eigene Geschichten zu erzählen, die man manchmal gar nicht ergründen kann, wenn man sich in den Dialogen nicht geschickt anstellt. Dadurch werden auch diese Charakterwerte besonders wichtig – hier beweisen die Entwickler von Obsidian ihre typischen Stärken. Natürlich entschleunigt es den Titel regelmäßig, doch das Spieltempo fühlt sich nicht gedrosselt an, eben weil man sich gerne mit den Figuren unterhält, Aufgaben annimmt, mehrere Lösungswege erörtert und am Ende neue Freunde oder Feinde macht. Dabei werden auch häufig ernste Töne eingeschlagen, die beweisen, dass hinter der lustigen Fassade eine durchdachte, tragische Welt steckt.
Leider kann die Hauptgeschichte nicht mit den kleineren Erzählungen mithalten. Der rote Faden ist dünn, lässt keine Spannung aufkommen und führt den Spieler eigentlich nur von Region zu Region, wo dann die besseren Geschichten erzählt werden. Das ist schade, denn wenn sich der Titel wie ein Sci-Fi-Western anfühlt, kommt der meiste Spielspaß auf.
Der Weg zur Macht
Bereits zum Start kann der Spieler die ersten Fertigkeitspunkte verteilen und sich für einen passiven Bonus entscheiden, der je einen bestimmten Spielweg fördert. Diese Kontrolle über das Geschehen zieht sich durch das gesamte Abenteuer, denn wie bereits erwähnt, gibt es nicht immer nur eine Lösung für die Aufgaben. Der Verlauf der Hauptgeschichte wird besonders durch eine Entscheidung stark geprägt, doch nahezu jede Nebenquest eröffnet ein moralisches Dilemma. Je nachdem, wie brutal oder freundlich man sich gibt, verändert sich auch die Einstellung der NPCs zum Helden – von denen man die meisten sogar töten kann.
Die Aufgaben werden auch nie langweilig, zumindest was die Erzählung angeht. Obwohl es die typischen „Von A nach B zu A“-Quests gibt, werden diese stets in die kleineren Erzählungen eingebunden, sodass man immer weiß, wieso genau man sich dazu entscheidet, Roboter zu töten oder sich durch Gebäude zu schleichen. Die Vielfalt ist die Stärke, denn obwohl es größere und längere Rollenspiele gibt, steht die Qualität im Fokus.
Fallout: The Outer Worlds
Man könnte bei all den Rollenspiel-Elementen fast vergessen, dass auch Kämpfe eine wichtige Rolle spielen. Es gibt schnelle Schusswechsel in Ego Shooter-Manier, in denen auch der Nahkampf effektiv sein kann. Die Gegnervielfalt ist solide und auch, wenn die KI erst auf den höheren Schwierigkeitsstufen passend reagiert, fügen sich die Schießereien wunderbar in das Geschehen ein. Häufig kann man sie auch komplett umgehen, falls man lieber schleicht oder seine sprachlichen Stärken ausspielt.
Da die „Fallout“-DNA jederzeit zu spüren ist, darf auch eine Sondermechanik nicht fehlen. Zwar gibt es kein V.A.T.S., dafür eine Zeitlupe, die den schnelleren Spielfluss unterstreicht. Sie dient vor allem dazu, Angriffen auszuweichen, sich einen Überblick über die aktuelle Situation zu verschaffen und genauer zu zielen, echte taktische Vorteile erhält der Spieler aber nicht. Glücklicherweise gibt es dermaßen viele Waffen, dass der Action-reiche Ablauf nie zu eintönig wird.
Klassisch bleibt klasse
Und dann wären da natürlich die klassischen Rollenspielelemente, die bei jedem Levelaufstieg an die Menüs binden. Hier verdienen die Macher bereits ein großes Lob: Die Textgröße lässt sich anpassen, sodass man keine Probleme hat, die Beschreibungen zu lesen. Jeder Levelaufstieg bringt Punkte mit, die man in Stärke, Intelligenz, Dialogfähigkeiten und mehr investieren kann. Das bestimmt dann auch den Spielstil, denn wer möglichst wenig kämpfen möchte, wird sich in Dialogen austoben können – ist dann aber in hitzigen Situationen auf seine Kameraden angewiesen, die einen begleiten und Befehle entgegennehmen.
Zudem gibt es optionale Boni, durch die man zum Beispiel schneller wird, die dann aber auch eine negative Eigenschaft wie größeren Fallschaden mitbringen. Die Strafen sind nie allzu gravierend, doch man muss vorsichtiger spielen, wenn man sich für diese entscheidet.
Zwischen außerirdischen Pflanzen und Generatoren
Die Welt ist wirklich einzigartig. Besonders die Mischung macht es auch, denn eigenartige Kreaturen und exotische Pflanzen stellen einen starken Kontrast zu den Fabriken und technologischen Städten dar. Dabei sind die Orte nie zu groß, als dass man sich verlaufen könnte, ganz im Gegenteil. Durch das detaillierte Leveldesign muss man nicht lange Herumlaufen, um etwas Interessantes zu entdecken. Das lässt die Ortschaften realistisch erscheinen und hält den Unterhaltungswert hoch.
Auch das eigene Raumschiff ist nicht zu vernachlässigen. Hier nimmt man wichtige Anpassungen vor, unterhält sich mit seiner Crew und kann weitere Gespräche mit der KI genießen. Optisch hebt sich dieses zwar nicht vom Standard ab, es ist aber immer wieder schön, zu seinem Hort zurückzukehren und zu sehen, dass auch dieses nicht einfach nur eine leere Hülle darstellt.
Ein weiterer Erfolg für Virtuos?
„The Outer Worlds“ auf Nintendo Switch ist leider hässlich. Die Auflösung im Handheld-Modus ist derart gering, dass aus detaillierter Fauna eine matschige Textur-Fläche wird, die der Welt ihre Identität raubt. Schon auf PlayStation 4 Pro war der Titel keine Grafikwucht, doch die Kompromisse, um es auf Nintendo Switch spielbar zu machen, waren einfach zu groß. Gegner in der Ferne lassen sich nur durch ihre Lebensbalken klar erkennen, was vor allem an der Texturenanpassung liegt. Steht man direkt vor Pflanzen, NPCs oder Gegnern, sehen diese gar nicht unbedingt schlecht aus, doch schon bei einer geringen Distanz werden die Details derart stark zurückgeschraubt, dass wahrlich matschige Flächen entstehen. Das ist wahnsinnig schade, denn die Welt lebt von ihrer Liebe zum Detail, die teilweise gelöscht wurde. Dennoch bleibt anzumerken: Der Titel wird zu keinem Zeitpunkt unspielbar, und die grafische Enttäuschung sorgt zumindest dafür, dass die Bildrate nur dann instabil wird, wenn man in Städten oder dicht besiedelten Umgebungen unterwegs ist, was im späteren Verlauf aber sehr häufig der Fall ist. Zumindest bleiben die Menüs gestochen scharf und durchweg lesbar. Leider gibt es aber zahlreiche Ladezeiten, selbst dann, wenn man die offenen Gebiete bereist.
Ein weiteres Problem, das den Spielspaß leider einschränkt, ist eine Eingabeverzögerung. Somit wird das Zielen in besonders schnellen Gefechten zu einer wahren Qual, selbst wenn diese eigentlich gar nicht so herausfordernd wären. Hier muss möglichst schnell ein Patch folgen, denn selbst die ansonsten gute Bewegungssteuerung ist von der Verzögerung betroffen. Darunter leidet leider auch der TV-Modus, der grafisch unter denselben Problemen leidet, auch wenn die Auflösung höher zu sein scheint. Motion Blur darf man derweil vergessen. Ansonsten wurde das gesamte Abenteuer auf die portable Konsole gebracht, inklusive toller Musik und erstklassigen, englischen Sprechern.
https://www.youtube.com/watch?v=3AI_u_0oJRQ
Bisher gibt es elf Kommentare
:/
Zum einen Frage ich mich also, ob es zu diesem zweiten Patch Infos gibt oder ob es ihn überhaupt gibt.
Zum anderen würde mich interessieren, wie sehr es sich lohnt den 3,8 GB-Patch zu laden, da ich mit dem Speicherplatz haushalten muss.
ich weiß ... ich muss wieder die alte Platte auflegen aber ... wer sagt das Grafik absolut nix mit Spielspaß zu tun hat braucht neue Tabletten
Das Spiel sieht einfach nicht fertig aus bzw hätte vielleicht niemals geportet werden sollen.