Es wirkt wie eine unmögliche Aufgabe: Wie kann man eines der beliebtesten, einflussreichsten und wichtigsten Spiele der Geschichte nicht nur modernisieren, sondern neu erfinden? Diese Frage mussten sich zahlreiche kluge Köpfe bei Square Enix stellen, als die Arbeiten an „Final Fantasy VII Remake“ begannen. Die Antwort: Man lässt das originale Team zusammenkommen. Und dieses hat Mut bewiesen, denn es wäre ein Leichtes gewesen, das originale Spiel mit moderner Grafik aufleben zu lassen und damit Top-Wertungen einzufahren. Stattdessen handelt es sich beim Remake um eine Neuinterpretation, die sich sowohl an Neulinge, als auch an langjährige Fans richtet und damit ein Risiko eingeht, das sich glücklicherweise ausgezahlt hat.

Mehr als nur ein Anfang

Die Geschichte ist auf dem ersten Blick genau die, an die sich die Fans erinnern. Zu Beginn wird der Held Cloud als Söldner von Avalanche angeheuert. Dabei handelt es sich um radikale Öko-Aktivisten, die alles dafür tun wollen, die mächtige Shinra-Corporation zu stürzen. Diese kontrolliert die moderne Stadt Midgar, indem sie Strom liefert, das aus Mako gewonnen wird. Mako ist ein Stoff aus der Erde, für den diese ausgebeutet wird. Doch schon beim ersten Einsatz, in dem eine Einrichtung gesprengt werden soll, greift Shinra selbst ein und sorgt dafür, dass es zu einer humanitären Katastrophe kommt.

Auch wenn sich diese Zusammenfassung sehr JRPG-typisch kompliziert anhört, was insbesondere an den Namen liegt, darf sich jeder Spieler beruhigen. Die Konzepte werden vernünftig erklärt und in einem angenehmen Tempo eingeführt, sodass man zu keinem Zeitpunkt überfordert wird. Obwohl das Spiel tiefgründige Themen bearbeitet, profitiert es von einer linearen Erzählung und schafft es deshalb bereits innerhalb der ersten Stunden, jeden Spieler in den Bann zu ziehen.

Ikonische Helden noch besser

Das liegt auch an den Charakteren, hinter denen stets mehr steckt, als es zunächst den Anschein hat. Allen voran wäre da Cloud, der über lange Zeit hinweg kein Interesse an der Weltrettung hat, sondern lediglich für seine Söldner-Arbeit bezahlt werden will. Das ändert sich im Verlauf der Geschichte, auch wenn die größte Charakterentwicklung erst in den kommenden Jahren folgen wird. Doch man hat nicht das Gefühl, dass etwas fehlt, denn „Final Fantasy VII Remake“ erzählt viele persönliche Geschichten. Selbst Jesse, Biggs und Wedge entwickeln sich zu Lieblingen, die deutlich tiefer und nuancierter gezeichnet werden, als es im Original überhaupt möglich gewesen wäre. Es gibt keinen Charakter, der aus der Reihe fällt, und das gilt auch bei den Bösewichten. Natürlich hagelt es hier Klischees, das ist aber nicht schlimm, denn innerhalb der Welt kann man stets nachvollziehen, was ihnen wichtig ist.

In Sachen Charakterentwicklung schafft das Spiel die unmögliche Aufgabe, diese zu einem wichtigen Bestandteil zu machen, obwohl lediglich ein vergleichsweise kleiner Teil des Originals abgearbeitet wird. Das ist der Entscheidung zu verdanken, viele neue Dialoge einzubauen und kleine Momente zu verändern, um die persönlichen Geschichten zu erlauben. Es gibt diese Abweichungen vom Original, deren Auswirkung ist aber für einen Großteil des Abenteuers nicht gravierend. Um den Rest zu erläutern, müssten einige der größten Überraschungen vorweggenommen werden.

Eine klare Linie

Natürlich entfaltet sich das Abenteuer immer weiter, doch glücklicherweise kann man dem Geschehen fast immer problemlos folgen. Es ist bemerkenswert, wie permanent spannend die Reise bleibt, selbst in Kapiteln, in denen das Hauptgeschehen wenig vorangebracht wird. Stattdessen gibt es dann ruhigere Momente, die einen an Charaktere binden. Das Pacing ist, zumindest in Bezug auf die Geschichte, bemerkenswert gelungen und lässt einen so tief in die Spielwelt eintauchen, wie es zuvor nicht möglich war.

Gleichzeitig gibt es regelmäßig Momente, die sich nicht direkt erklären lassen. Um an dieser Stelle persönlich zu werden: Das lag daran, dass ich das Original nie gespielt habe. Doch gleichzeitig gibt es die Entwarnung: Diese kurzen Szenen stören nicht, denn das Spiel bleibt bis zum finalen Kapitel logisch, und die kurzen Anspielungen kann man dennoch verstehen. So viel sei gesagt: Neulinge können selbst dem Ende problemlos folgen, auch wenn es deutlich beeindruckender daherkommt, wenn man sich anschließend über die entsprechende Stelle im Original informiert. Und da eine der größten Wendungen sowieso den meisten Spielern bekannt sind, werden auch diejenigen über die Hintergründe rätseln, die diese Momente nie selbst erlebt haben.

Ein bisschen Zeit schinden

Der Ablauf ist deutlich linearer, als man es erwarten würde. Es gibt zwar Nebenquests, allerdings nur in drei der insgesamt 18 Kapitel. Meist geht es also durch klar definierte Areale, wobei es natürlich immer wieder die Möglichkeit gibt, diese ausführlich zu erkunden. Dennoch sollte man sich darauf einstellen, häufig im langsamen Tempo zu laufen, Zwischensequenzen zu schauen und sich langsam durch enge Wege zu quetschen. Das ist aber nicht unbedingt ein Nachteil, denn die Zeit wird dazu genutzt, um weitere Dialoge einzubinden.

Leider lassen sich nicht alle Elemente entschuldigen, die natürlich dazu dienen, die Spielzeit zu strecken. Das betrifft insbesondere die Nebenmissionen, die zu häufig nicht spannend gestaltet wurden und Geschichten erzählen, die die Welt nicht bereichern. Ausnahmen bestätigen die Regeln, doch selbst die hier vorhandenen Wendungen sind leider zu offensichtlich, um Spannung zu erzeugen. Auch spielerisch wird kaum Abwechslung geboten, doch bei all der Kritik: Wirklich schlecht ist keine Nebenaufgabe. Hier wurde leider Potential verschwendet, doch da man diese auch ignorieren kann, wird das eigentliche Abenteuer nicht heruntergezogen.

Die Evolution der JPRGs

Eines der zuvor kontroversesten Themen war das Kampfsystem. Schließlich wurde das rundenbasierte Prinzip des Originals aus dem Fenster geworfen, um einen actionreicheren Ansatz zu verfolgen. Überraschenderweise funktioniert das nicht nur, sondern übertrifft die Vorlage. Das liegt am Tempo, denn jeder Kampf ist rasant, wobei es zugleich zahlreiche Optionen gibt. Als Cloud muss man sich zwischen einem großflächigen sowie fokussierten Angriff entscheiden, kann in einen besonders starken, dafür langsamen Modus wechseln und muss rechtzeitig ausweichen und blocken, um nicht zu viel Schaden einzustecken. Das wirkt anfangs komisch, denn bei „Final Fantasy VII Remake“ handelt es sich nicht um ein Spiel aus der „Devil May Cry“-Schiene. Der Spieler muss lernen, dass sich Schaden nicht verhindern lässt, sondern lediglich minimiert werden muss, um jeden Kampf zu gewinnen.

Genau hier kommen die klassischen Rollenspiel-Elemente zum Tragen. Per Knopfdruck lässt sich das Spielgeschehen nämlich extrem verlangsamen, sodass man die Menüs ansteuern kann. Hier lassen sich Items einsetzen, Zaubersprüche nutzen und mächtige Fähigkeiten ausführen, die dringend notwendig sind, um Schaden anzurichten und Schwächen auszuspielen. Somit ergibt sich eine ungewohnte Dynamik, denn zwischen den schnellen Schlägen und Reaktionen kommt es regelmäßig zu einer Auszeit, in der man sich Strategien überlegt. Zudem lässt sich dieser Modus nur aktivieren, wenn zumindest ein sogenannter ATB-Balken gefüllt ist, was die klassische Mechanik transformiert.

Vier eigenständige Kämpfer

Nach der Eingewöhnungszeit, die durchaus einige Stunden anhalten kann, entfaltet sich das Kampfsystem erst. Plötzlich plant man jeden Schritt, wechselt regelmäßig zwischen bis zu drei Charakteren, gibt ihnen Befehle und entdeckt somit Strategien, die nie vorgegeben werden. Es ist wirklich beeindruckend, wie sehr dieses Prinzip fesselt, egal ob gegen große Bosse oder kleine Monster. Natürlich werden weitere Elemente hinzugefügt, denn die Limit-Leiste füllt sich, mit der besonders mächtige Angriffe ausgeführt werden können, während Beschwörungen in einigen Kämpfen einen Verbündeten herbeirufen, der häufig den Unterschied ausmacht.

Als ob das alles nicht schon motivierend und komplex genug wäre, spielen sich die insgesamt vier Charaktere auch noch sehr unterschiedlich. Während Cloud eine Mischung aus verschiedenen Kampftypen darstellt, ist Tifa vor allem im Nahkampf eine Maschine und kann den Schaden erhöhen, sobald Feinde kampfunfähig werden. Barret hingegen weiß aus der Ferne anzugreifen, kann mit der richtigen Waffe aber auch die Rolle des langsamen, starken Tanks einnehmen. Aerith spezialisiert sich hingegen auf die Unterstützung, kann mit dem richtigen Timing aber ebenfalls ganze Gegnerhorden auslöschen. Diese große Abwechslung garantiert, dass niemals Langeweile aufkommt und man regelrecht traurig ist, wenn man das Abenteuer beendet hat. Es gibt nichts, was wir an dieser Stelle kritisieren könnten, denn das Team hat, was das Kampfsystem angeht, die Perfektion erreicht.

Feinde aus einer anderen Welt

Das Gegnerdesign ist eine weitere, beeindruckende Stärke des Titels. Egal ob Monster oder Mensch, die Liebe zum Detail ist auf den ersten Blick zu erkennen und selbst die kleineren Feinde unterscheiden sich markant voneinander. Diese stellen dann auch spielerisch eine Herausforderung dar, denn wenn schnelle Soldaten, die nahezu jedem Angriff ausweichen, mit Schildträgern gepaart werden, kann man nicht einfach in die Menge schlagen. Somit werden viele Kämpfe zu kleinen Puzzles, die durchaus mehrere Lösungswege haben.

Regelrecht sprachlos machen die Boss-Kämpfe, deren Anzahl überraschend hoch ausfällt. Diese sind zum einen cineastisch inszeniert und werden von Zwischensequenzen zwischen den Phasen aufgemischt, zum anderen sind sie auch die Momente, in denen das Kampfsystem seine größten Stärken ausspielt. Anders als bei vielen kleinen Gegnern müssen die Strategien hier über einen längeren Zeitraum effektiv bleiben. Die zahlreichen Wendungen beschäftigen und garantieren, dass sich kein Kampf wie ein anderer anfühlt. Das ist in einer Zeit, in der Bosskämpfe gleich mehrfach verwendet werden, eine überraschend befriedigende Tugend. Natürlich stechen einige stärker heraus, doch wir wollen an dieser Stelle die Überraschungen nicht vorwegnehmen – besonders einen Boss sollte jeder selbst daheim erleben.

Ein wenig zu klassisch?

Bei all dem Lob darf man nicht vergessen, dass „Final Fantasy VII Remake“ zwar ein gutes Spiel ist, aber kein perfektes. Das wird in den Dungeons deutlich, von denen es nun deutlich mehr in Midgar gibt. Waren zuvor einige Gebiete noch in einer Minute bestritten, kann das nun eine ganze Stunde dauern. Natürlich wurden die Gebiete sinnvoll erweitert, und einige davon sind sehr unterhaltsam geraten. Da wäre zum Beispiel der Zugfriedhof oder ein gewisses Labor, deren Gameplay-Ideen unterhalten und für eine perfekte Atmosphäre sorgen.

Leider sind nicht alle Dungeons solche Volltreffer, zum Beispiel ein gewisser Tunnel. Hier kommt es zu einem kleinen Mini-Spiel mit mechanischen Händen, das leider keine Herausforderung darstellt, dafür aufgrund des unfassbar langsamen Tempos die Nerven strapaziert. Auch ein später Dungeon, in dem zwischen Charakteren gewechselt werden muss, wurde bewusst so gestaltet, um den Spieler möglichst lange an einen Ort zu binden, anstatt ihn auch bestens zu unterhalten. Das zahlt sich zwar beim Boss-Kampf aus, doch diese Momente kratzen am ansonsten so grandiosen Pacing. Glücklicherweise machen genügend andere Kapitel diese wieder wett, denn insbesondere das eher von der Handlung getriebene neunte Kapitel dürfte in die Geschichte eingehen. Was die Macher hier in Sachen Atmosphäre, Charaktere und Darstellung der Queer-Gemeinde geleistet haben, verdient einen Orden.

Kein nutzloses Item

Zu einem Rollenspiel gehören auch Menüs, und diese wird man in „Final Fantasy VII Remake“ häufig ansteuern müssen. Das beginnt schon bei den Waffen, denn jede davon besitzt einen eigenen Fähigkeitenbaum, der regelmäßig erweitert wird. Tatsächlich ist keine Waffe schlechter als eine andere, denn jede bringt eigene Boni mit, die für bestimmte Situationen besser geeignet sind als andere. Dafür muss man jedoch auch alle davon regelmäßig verbessern, weshalb man durchaus 15 Minuten in langweiligen Bildschirmen verbringen muss. Dann wäre da noch die ständige Anpassung der Materia, durch die die Charaktere anschließend Zaubersprüche verwenden können oder wichtige Boni erhalten. All das beansprucht viel Zeit, weil man das Set je nach vorhandener Gruppierung anpassen muss.

Sowieso wird hier ein weiteres kontroverses Thema deutlich, denn zu keinem Punkt kann der Spieler aussuchen, welche der vier Charaktere der eigenen Party angehören. Das verhindert natürlich die spielerische Freiheit, gleichzeitig ermöglicht es aber auch noch spannendere Boss-Kämpfe. Wenn plötzlich Cloud nicht mehr dabei ist oder man zwei Fernkämpfer steuern muss, wird das Erlernte auf den Kopf gestellt. Noch funktioniert das, doch spätestens in der Fortsetzung, die hoffentlich weniger linear ist, muss an diesem Konzept gerüttelt werden.

Unvergessliches Midgar

Die Welt selbst ist wunderschön anzusehen. Obwohl das gesamte Abenteuer in Midgar stattfindet, sind die Orte vielfältig und wirken groß, ohne dass die Spielwelt selbst mit dem Problem einer Open World konfrontiert wird. Im letzten Kapitel vor dem finalen Akt darf man die Welt sogar relativ frei erkunden und merkt dabei erst, dass die zahlreichen Stunden zuvor das beste aus den Kulissen gemacht haben. Häufig bleibt man stehen, um die Atmosphäre einzusaugen – weshalb es schon eine Schande ist, dass der Fotomodus fehlt.

Auch die Musik ist legendär, denn sie modernisiert die klassischen Stücke und ergänzt den Soundtrack um neue Werke, die sich problemlos einfügen. Es gibt sogar 31 Variationen bekannter Stücke, die als CDs in der Welt versteckt sind. Die englischen Sprecher verdienen natürlich ein Lob, denn sie erwecken die Charaktere noch effektiver zum Leben, als der Cast aus „Final Fantasy VII: Advent Children“. Die deutsche Version kommt leider nicht einmal im Ansatz auf dieses Niveau und übertreibt besonders in den emotionaleren Momenten hin und wieder, lässt sich aber insgesamt als zufriedenstellend abstempeln.

Fast perfekt auf PlayStation 4

Auf der technischen Seite wird alles aus der PlayStation 4 herausgeholt, was diese hergibt. Die Charaktermodelle, die mechanische Welt und auch die Natur sehen beeindruckend aus, und selbst das Kantenflimmern begrenzt sich auf einige wenige Gebiete, in denen es wirklich auffällt. Störend ist leider ein Problem beim Laden der Texturen, denn diese benötigen manchmal mehrere Sekunden, was natürlich ein hässliches Bild ergibt. Besonders schlimm ist das bei einigen Türen, denn diese Texturen werden gar nicht geladen – hier müssen Spieler auf einen Patch hoffen, denn das ansonsten bildhübsche Abenteuer erhält dadurch unnötige Kratzer.

Ansonsten gibt es kaum etwas zu beanstanden. Die Ladezeiten zwischen den Kapiteln sind kurz, und allen voran die Übergänge von Zwischensequenzen ins Gameplay sehen permanent grandios aus. Ein besseres Spielgefühl kann man sich kaum vorstellen, denn trotz der wenigen Kritikpunkte gibt es keinen Moment, in dem man den Controller zur Seite legen will. Wer alle Nebenmissionen erledigen möchte, benötigt auf dem normalen Schwierigkeitsgrad 35 Stunden, wobei anschließend der Hard Mode in der Kapitelauswahl verfügbar wird, der einige exklusive Kämpfe bietet. Und sogar optionale Szenen, von denen man im ersten Durchlauf nicht alle sehen kann, bringen Abwechslung in den zweiten Durchlauf.