In einer Zeit, in der die Evolutionstheorie angezweifelt wird, ist es gut, dass ein Spiel wie „Ancestors: The Humankind Odyssey“ erscheint. Schließlich möchte das Spiel das Konzept der Evolution veranschaulichen und mit interessanten Mechaniken verbinden, um ein völlig innovatives Erlebnis zu bieten. In den besten Momenten ist den Machern genau das gelungen – ohne Schwächen kommt diese einzigartige Erfahrung aber nicht aus.

Das Leben eines Affen

Nach einer bemerkenswert starken Eröffnungssequenz, in der die Brutalität der Tierwelt in den Fokus gerückt wird, beginnt das Spiel mit einer Art Tutorial. Dabei werden einige der Grundmechaniken erklärt, gleichzeitig aber nicht zu viel vorweggenommen. Als Primat muss der Spieler nämlich versuchen, zu überleben und seinem eigenen Stamm zu helfen. Dabei kann er klettern, durch verschiedene Sicht-Modi Gefahren und Verstecke entdecken sowie durch den Wald springen, um alle möglichen Orte zu erreichen. Schnell offenbaren sich diverse Survival-Mechaniken, denn Nahrung muss erst untersucht werden, bevor sie auch verzehrt werden kann. Selbst die Fortpflanzung ist eine eigene Spielmechanik, sodass man sich auf einen guten Mix aus Erkundung und Realismus freuen darf.

Immersion hoch 20

Der Spieler soll vollends in die Welt eintauchen, was aber auch bedeutet, dass ihm möglichst wenig geholfen wird. Glücklicherweise haben die Macher diese Einstellung leicht zurückgefahren, sodass nun zumindest die wichtigeren Mechaniken ordentlich erklärt werden. Wie man sie einsetzt, und was die Welt ansonsten so zu bieten hat, bleibt dennoch ein Geheimnis. Statt eine Karte zu beobachten, muss der Spieler sich den Rückweg selbst merken, sodass es durchaus zu einer mehrfachen Gefahr wird, sich zu weit von seinem Lager fortzubewegen.

All das klingt nach einem schwierigen Einstieg, und je nach Spielertyp ist er das auch. Viele werden sich bereits in den ersten Stunden langweilen, schließlich sind die Aktivitäten recht begrenzt, wenn man kein Risiko eingeht. Ein Risiko hingegen kann durchaus dazu führen, dass der Primat stirbt, woraufhin man die Kontrolle über ein anderes Stammesmitglied übernimmt. Sind alle fort, ist die Evolutionsreise beendet, doch insbesondere auf den leichteren Schwierigkeitsstufen passiert das sehr selten.

Der erste Erbauer

Besonders interessant ist auch das Crafting-System. Alles muss langsam getan werden, vom Spitzen eines Stockes bis hin zum Transport der Nahrung. Dabei gibt es kein Inventar, sondern nur die eigenen zwei Hände. Natürlich schränkt das die Bewegung ein, sodass man sich stets überlegen muss, wie viel Sinn es eigentlich macht, in die Tiefen des Dschungels einzutauchen. Doch während einige von diesen Stolpersteinen genervt werden, erleben andere in den ersten Stunden ständig Überraschungen. Dabei ist der Erkundungstrip selbst die Belohnung, denn die Welt ist lebhaft, abwechslungsreich und natürlich gefährlich.

Die Kämpfe enttäuschen dabei leider auf ganzer Linie. Ab einem gewissen Punkt wird es zu einfach, sich gegen Angreifer zur Wehr zu setzen, wenn man schnell genug reagiert. Das gesamte Kampfsystem basiert deshalb weniger darauf, sich geschickt anzustellen, sondern ihnen aus dem Weg zu gehen. Das mag anfangs noch interessant sein, nutzt sich aber viel zu schnell ab.

Die Evolution der Vorfahren

Die Evolution ist überaus wichtig und nach gewissen Punkten wird die Zeit um mehrere tausend Jahre vorgespult. Jedes Mal muss dann ein Skilltree erweitert werden, der die eigene Spezies formt. Zwar können einige Fähigkeiten festgehalten werden, und eingeleitete Mutationen sorgen für weitere Boni in der nächsten Stufe, doch ansonsten wird dieser Baum stets zurückgesetzt. Das sorgt leider dafür, dass man ständig zurückgesetzt wird, auch wenn geschickte Planung das minimiert. Diese ist aber sowieso erst möglich, wenn man das System vollends verstanden hat, was in den ersten Stunden schlichtweg unmöglich ist.

Alles andere als zugänglich

Leider entpuppen sich immer mehr Schwächen in späteren Spielverlauf. Vor allem die fehlende Abwechslung schadet „Ancestors“ enorm, denn irgendwann gibt es keine neuen Mechaniken mehr, die man entdecken kann. Stattdessen wird immer dasselbe wiederholt, ohne wirklich Spielspaß zu bieten. Zwar eröffnet ein Kulissenwechsel neue Möglichkeiten, doch sogar das nutzt sich zu schnell ab, als dass man bis zum unspektakulären Finale dranbleiben möchte.

Dabei ist das Thema, gerade in der heutigen Zeit, überaus wichtig. Kaum ein Spiel hat das Prinzip der Evolution derart nachvollziehbar veranschaulicht. Ebenso wie die Primaten muss der Spieler die leichtesten Aktionen erst lernen, weiß nichts vom Feuer und lernt aus Erfahrungen, mit der Umwelt umzugehen. Hier beißt sich leider der Realismus und Lerneffekt mit dem Spielspaß, denn der schmale Grad wird nur in den ersten Stunden gehalten, in denen das Spiel in der Entdeckung seine Stärken ausspielen kann.

Solide Portierung

Rein von den Texturen her merkt man dem Spiel durchaus an, dass nicht das größte Budget hinter steckt. Dennoch wirkt der Wald überaus authentisch, denn er ist dicht, wirkt realistisch und erzeugt eine starke Atmosphäre. Auch das Tier-Design fällt positiv auf, selbst wenn die Animationen der Hauptcharaktere leider häufig unbeholfen wirken. Die Geräuschkulisse kann das Paket vervollständigen und sorgt für eine der spannendsten Spielwelten, in denen man sich verlieren kann. Auch die Bildrate kann dabei mithalten, während keinerlei Bugs aufgetreten sind.