Spiele • Switch

Resident Evil 6

Mehr zum Spiel:

Resident Evil 6

„Eine Schande!“, „Der schlechteste Teil der Reihe!“, „Was ist nur aus ,Resident Evil‘ geworden?!“: All diese Statements durfte sich der sechste Hauptteil der legendären Reihe anhören. Kein Wunder, schließlich plagten zahlreiche Probleme das Spiel, während der Horror-Anteil kleiner war als jemals zuvor. In den Jahren danach ist die Kritik abgeebbt, auch weil neuere Teile deutlich besser bei Fans ankamen. Wir haben uns deshalb passend zur Veröffentlichung auf Nintendo Switch einmal mehr in das vollgestopfte Abenteuer gestürzt. Dabei wurde klar: „Resident Evil 6“ ist das lustigste Spiel der Reihe.

Zombies, Monster und eine Reise um die Welt

Eines ist sicher: „Resident Evil 6“ ist ein langes Spiel. Das liegt daran, dass gleich vier vollwertige Kampagnen geboten werden. Dabei sollte sich jeder einer wichtigen Sache bewusst sein, denn bei dem Titel handelt es sich nicht um ein Survival-Horror-Spiel. Zwar müssen die Helden einige schaurige Ortschaften durchkreuzen, insgesamt liegt der Fokus aber deutlich mehr auf Action, Schießereien und atmosphärischen Kulissen. Das gilt zwar in gewissen Teilen auch für Teil vier und fünf, doch diese Diskussion sparen wir uns für ein anderes Mal auf.

Das hat Serienfans damals abgeschreckt, und wird es auch heute tun. Der sechste Teil bricht ungleich allen anderen Ablegern mit den Traditionen, noch stärker als der fünfte, doch das muss nichts Schlechtes sein. Vielmehr setzten die Macher vollständig auf das neue Konzept und versuchten gar nicht erst, dies zu verschleiern. Einst war dieser Ansatz gerade deshalb unbeliebt, weil Fans die Sorge hatten, die Reihe würde nun für immer den Horror vernachlässigen. „Resident Evil 7“ und das Remake des zweiten Hauptteils haben mittlerweile bewiesen, dass Capcom gewillt ist, auf genau diese Spieler zu hören. Mit diesem Hintergedanken lässt sich Teil sechs deutlich differenzierter und als eigenständiger Titel bewerten, anstatt dass das Spiel für einen endgültigen Bruch steht.

Chris Redfield, Actionheld

Bei der Kampagne rund um Chris Redfield handelt es sich um eine sehr konsequente Fortsetzung zu „Resident Evil 5“. Einmal mehr schlüpfen die Spieler in die Rolle von Chris Redfield, der seinen Kummer lieber ertränkt, als sich seiner Vergangenheit zu stellen. Unterstützt wird er dabei von Piers Nivans, doch die Einführung in die Geschichte ist etwas verworren. Chris hat nämlich seine Erinnerungen verloren und muss diese erst auffrischen, bevor es in den Kampf gegen einen neuen Virus geht. Die Geschichte klingt klischeebehaftet – und das ist sie auch –, dennoch bleibt man durchweg an den Charakteren interessiert. Sowohl Chris als auch Piers haben tolle Charaktermomente, während die Ereignisse sich immer wieder übertreffen.

Spielerisch handelt es sich bei „Resident Evil 6“ um einen Third-Person-Shooter, dessen Action-Fokus in der Kampagne von Chris am offensichtlichsten ist. Hier geht es durch sehr abwechslungsreiche und wunderbar gestaltete Szenarien, während man die Gegnerhorden besiegt. Besonders diese können im Design punkten, denn oftmals handelt es sich um normale Menschen, deren Mutation erst beginnt, sobald ihnen Gliedmaßen fehlen. Somit geht es durch die linearen Level, in denen die Feinde nach und nach ausgeschaltet werden, während man lächerlich explosive Szenen genießen darf.

Ein schnelleres Spiel

Allen voran die Spieldynamik kann punkten. Hier wurden nämlich einige Neuerungen eingeführt, zum Beispiel die Möglichkeit, beim Zielen zu laufen. Das ist auch dringend notwendig, denn der Spielfluss ist schnell und die Anzahl der Gegner dementsprechend hoch. Chris und Piers verfügen bereits zum Start über mehr als nur eine Pistole, deshalb kann das Kugelgewitter starten. Auch der Nahkampf ist gut gelöst und besonders mächtig, manchmal können nämlich gleich vier Gegner mit einem Roundhouse-Kick erledigt werden. Damit das nicht zur einzigen Lösung mutiert, werden diese Aktionen über eine Leiste beschränkt. Ist diese leer, sind die Helden erschöpft und deutlich anfälliger für gegnerische Treffer, was insbesondere deshalb kritisch wird, weil ihnen gerne Flügel wachsen.

Die Level sind sehr gut gestaltet und können trotz Linearität durch wunderbare Ideen überzeugen. Insbesondere in den Bosskämpfen werden hier einige Hochs der Reihe präsentiert, wobei spielerisch nicht allzu viele neue Ideen eingeführt werden. Leider sind die Level etwas zu lang geraten, sodass man sich gegen Ende immer wieder wünscht, einen Szenenwechsel zu erleben. Wahrlich schlecht ist lediglich die Deckungsmechanik, denn dafür müssen so viele Knöpfe gedrückt und gehalten werden, dass man sie eher ignoriert, anstatt sie taktisch in die Gefechte miteinzubeziehen.

Leon im Reich der Zombies

Auch Leon S. Kennedy ist erneut am Start, der zu Beginn den Präsidenten der Vereinigten Staaten töten muss. Schuld daran ist natürlich ein Virus, der die Stadt Tall Oaks in ein Zombie-Gebiet verwandelt. Zusammen mit Neuzugang Helena Harper sowie die bekannte Hunnigan im Ohr, geht es also einmal mehr durch düstere Kulissen, wobei die Geschichte so einige Überraschungen beinhaltet. Auch hier haben es die Macher geschafft, einen alten Helden mit einer neuen Protagonistin so zu paaren, dass man sich um das Schicksal der beiden sorgt.

Obwohl auch in dieser Kampagne viele Schussgefechte und Action-Sequenzen vorhanden sind, dürfte die Inszenierung alten Hasen der Reihe gefallen. Die Macher legen den Fokus auf Horror, wobei das nicht bedeutet, dass man sich an jeder Ecke gruselt. Vielmehr gibt es mehr Schock-Momente, düstere Kulissen und häufigere Isolation. Die Orte sind regelrecht nostalgisch, denn neben der neuen Stadt, die sich als Racoon City 2.0 beschreiben lässt, geht es auch in eine alte Kathedrale, die schlicht wunderbar aussieht. Hier wird kein Horror im Sinne von „Resident Evil 2“ geboten, doch die Kombination aus gruseligen, atmosphärischen Kulissen und Schießereien in engeren Korridoren überzeugt bis zum Finale.

Der neue Regenschirm

Das dritte Szenario dreht sich um Jake Muller – klingt erstmal unbedeutend. In Wirklichkeit ist der dritte im Bunde aber ein Mitarbeiter von Neo-Umbrella, was ihn nicht gerade zum Helden macht. In Edonia trifft er auf Sherry Birkin, nun eine erwachsene Frau, die weiß, dass sein Blut das Gegenmittel gegen den neuen Virus darstellt. Anstatt aber eskortiert zu werden, geraten die beiden in eine Notsituation und werden selbst zu Gefangenen, die sich befreien müssen. Die Geschichte birgt das größte Risiko, schließlich ist sie die einzige, in der kein ehemaliger Protagonist im Team ist. Dafür freundet sich der Spieler schnell mit Jake an, dessen pessimistische Sprüche gepaart mit seiner Vergangenheit überraschend mitfühlend präsentiert werden. Insbesondere zusammen mit Sherry entfaltet sich sein Charakter, weshalb er eine erstklassige Ergänzung des Heldenteams darstellt.

Auch hier wird eine andere spielerische Ausrichtung geboten. Insbesondere die Action-Sequenzen erinnern nämlich an Spiele wie „Uncharted“ oder „Tomb Raider“, sodass optische Abwechslung geboten wird, während es seichte Sprung- und Kletter-Passagen gibt. Die beiden können auch Waffen nutzen, Jake darf aber auch einfach seine beiden Fäuste nutzen, um Feinde zu verprügeln. Das hört sich komisch an, spielt sich aber wunderbar flüssig, auch wenn Schläge gerne mal ins Nichts gehen. Es ist schön, dass nicht immer die Feuerkraft am wichtigsten ist, sondern das Spiel während der gesamten Kampagne einen anderen Ansatz verfolgt. Zudem gibt es einen neuen Mutanten, der Nemesis Konkurrenz macht, und zu einigen Versteckspielen führt. Diese passen gut in den Spielfluss, auch wenn sie keine einzigartigen Mechaniken einführen und die Optionen sehr limitiert sind.

Hinter den Kulissen

Als ob drei vollwertige Kampagnen noch nicht reichen, gibt es noch eine vierte mit Ada Wong. Diese sollte man aber als letztes angehen, denn die Ereignisse dort nehmen große und spannende Enthüllungen vorweg. Ada muss mehr Rätsel lösen als der Rest, es fehlen aber die genialen, bemerkenswerten Momente, die die anderen Geschichten sowohl inszenatorisch als auch spielerisch ausmachen. Das ganze lässt sich als eine Art Epilog sehen, weshalb es auch passt, dass diese Handlung die kürzeste ist.

Natürlich spielen die Handlungen zur selben Zeit, weshalb es immer wieder Überschneidungen gibt. Diese profitieren von der Aufteilung, denn spielt man die Kampagne von Chris, versteht man sehr gut, wieso er Jake gegenüber aggressiv ist. Als Spieler gibt es erst die Kehrtwende, sobald man die volle Geschichte von Jake in seiner Kampagne erlebt, und die neue Perspektive gibt derselben Begegnung, die sich dann natürlich wiederholt, eine völlig neue Bedeutung. Zwar heißt das, dass sich einige Kämpfe ebenfalls wiederholen, doch meist bietet die neue Perspektive auch spielerische Eigenheiten, sodass man nicht das Gefühl hat, Kapitel zu wiederholen.

Action mit Pausen

Das klingt alles sehr gut, und wenn man einige Pausen zwischendurch einlegt, um nicht übersättigt zu werden, wird über 30 Stunden lang bestens unterhalten. Die Action ist völlig überladen, doch genau diese Verrücktheit macht das Spiel aus. Wenn Autos von einer Flammenwelle getragen werden, Hubschrauber ganze Gebäude zerstören oder eine kleine Explosion eine Kettenreaktion auslöst, kann man sich das Lachen nicht verkneifen. All das wird dann wiederum mit wirklich guten Geschichten und tollen Charakteren kombiniert, sodass sich ein Feuerwerk ergibt, das etwas Einzigartiges erschafft.

Leider sorgen diese wunderbar inszenierten Situationen dafür, dass die schlimmste Mechanik immer wieder Überhand nimmt, nämlich die Quick-Time-Events. Bereits in der Einleitung muss man häufiger Knöpfe im richtigen Moment drücken, als gegen Gegner zu kämpfen. In einigen Kapiteln ufert das völlig aus, sodass man die absurden Sequenzen gar nicht genießen kann, sondern sich auf spielerischen Leerlauf konzentrieren muss. Dabei werden die Events so stark aufgesetzt, dass selbst die simpelsten Aktionen plötzlich das wiederholte Tippen eines Knopfes erfordern. Das macht keinen Spaß, doch glücklicherweise lassen sie sich komplett ausschalten. Das ist eine durchaus bemerkenswerte Option, denn sie sorgt für ein deutlich besseres Abenteuer.

Keine Freiheiten

Leider sind alle Level sehr linear gestaltet, sodass es sich meist nicht lohnt, die Umgebungen zu erkunden. Das ist insbesondere in der besten Kampagne, jener von Leon, enttäuschend, denn das Gefühl von „Resident Evil 2“ kommt immer wieder auf, ohne dieselbe Komplexität zu bieten. Zudem sorgt die Kamera in engen Gängen immer wieder für Verwirrung, was zu einigen unfreiwilligen Treffern führt. Auch die KI ist häufig unbeholfen – mal wollen Partner keinen Bogen machen, um eine Tür zu erreichen, mal bleiben Gegner stehen, anstatt anzugreifen. Nichts davon beeinträchtigt den Spielspaß, dennoch fallen diese Momente auf.

Eine weitere Mechanik, die viel Potential verschenkt, sind die Skills. Nach jedem Kapitel lassen sich ausrüstbare Fähigkeiten erwerben, die manchmal die Verteidigung erhöhen, manchmal dafür sorgen, dass der Partner einen automatisch heilen kann. Leider beeinflusst nichts davon den Spielstil allzu groß, sodass es einem nichts ausmachen würde, die Skills komplett zu ignorieren.

Ein besseres und schlechteres Multiplayer-Spiel

Das gesamte Spiel lässt sich sogar im kooperativen Mehrspieler-Modus genießen, wobei zumindest lokal ein großer TV benötigt wird. Besonders interessant ist, dass das sogar im Tabletop-Modus geht – was wohl so gut wie niemand nutzen wird. Ob man die Abenteuer mit einem Freund bestreiten sollte, muss jeder für sich entscheiden. Durch die lineareren Areale wird nicht die taktische Vielfalt von „Resident Evil 5“ geboten, dafür wird das Zusammenspiel deutlich besser in die Action-Momente eingebunden. Manchmal trennen sich die Charaktere sogar, sodass es besonders interessant wird, sich mit einem Freund abzusprechen.

Natürlich macht es weiterhin Spaß, das Spiel zu zweit zu bestreiten. Insbesondere Jakes Kampagne bietet sich bestens dafür an, denn während er Kombos abliefert, kann Sherry die Situation mit etwas Abstand kontrollieren. Das Leveldesign bei Chris und Piers ist derweil darauf ausgelegt, die Wellen mit einem zweiten Spieler zu bestreiten, doch es wirkt nie so, als ob eine Absprache wirklich notwendig sei. Eine echte Überraschung ist Leons Kampagne, denn der Kampf gegen Zombies macht auch zu zweit Spaß, ohne die sehr dichte Atmosphäre zu brechen.

Das Ende ist nicht das Ende

Selbst nach dem sehr langen Hauptspiel gibt es Inhalte für diejenigen, die nicht genug vom Gameplay bekommen können. Zum einen wäre da der klassische Söldner-Modus, in dem Spieler in einer bestimmten Zeit möglichst viele Feinde besiegen müssen, um neue Ausrüstungen zu kaufen. Dieser Modus macht durch das überarbeitete Gameplay so viel Spaß wie nie zuvor und bietet auch genügend Inhalte, um über lange Zeit zu begeistern.

Ein interessantes Konzept ist, als Monster das Spiel eines anderen Spielers unsicher zu machen, aufgrund der chaotischen Steuerung erweist sich die Idee aber als besser als die Ausführung. Die restlichen Modi sind alle kurzweilig – mal darf man den Nemesis-Verschnitt steuern, mal Gegnerwellen überleben. Allzu motivierend bleiben sie aber nicht, sodass man sich am längsten am Sölder-Modus aufhängen wird.

Überall die Welt retten

Es hat etwas Beeindruckendes, ein Spiel dieser Größe auf Nintendo Switch zu sehen. Das Alter erweist sich hier als fördernd, denn die Städte sehen insbesondere im Handheld-Modus großartig aus, die Actionsequenzen sind stimmig und die Lichtgebung in Leons Kampagne ist schlichtweg großartig. Am TV ergibt sich leider ein anderes Bild, denn dort fällt das Alter deutlich stärker auf und matschige Texturen sind deutlich präsenter. Deshalb sollte man eher im Handheld-Modus bleiben, wo auch die Bildrate stabiler bleibt, wobei die Aussetzer nicht stören.

Insgesamt handelt es sich also um eine kompetente Portierung des Spieles, ein Zusatz entpuppt sich aber als wahrer Segen. Eine Bewegungssteuerung wurde nämlich implementiert und funktioniert extrem gut. Zwar ist die Spieldynamik so gut, dass auch die Sticks bestens funktionieren, zum Nachjustieren eignen sich die feinen Bewegungen aber bestens, insbesondere für Kopfschüsse.

Weiterführende Links: Forum-Thread

Fazit & Wertung

„Resident Evil 6“ ist ein Action-Feuerwerk, das sich selbst immer weiter übertrifft. Alle vier Kampagnen fühlen sich sehr unterschiedlich an, profitieren aber vom selben starken Gameplay, das sowohl die Kämpfe gegen Zombies in düsteren Gebäuden als auch gegen Menschen in Kriegsgebieten unterhaltsam gestaltet. Hinzu kommen einige der besten Handlungen der Seriengeschichte, während sowohl Inszenierung als auch Vielfalt der Kulissen bemerkenswert sind. Es hängt alles von der Erwartungshaltung ab, denn wer Action statt Survival-Horror erwartet, wird bestens in der guten Portierung unterhalten.

Das sagen unsere Leser

Du bist nicht angemeldet. Logge dich ein oder registriere dich, um kommentieren zu können.