Obsidian Entertainment gehört zu den Hochkarätern unter den Entwicklerstudios. Egal ob „Neverwinter Nights“, „South Park“ oder „Pillars of Eternity“, die RPGs der Spieleschmiede werden stets von Fans gefeiert. Viele zeigten sich deshalb enttäuscht, dass das Studio nicht an einem Nachfolger zu „Fallout: New Vegas“ arbeiten durfte. „The Outer Worlds“ ist aber nicht nur ein guter Ersatz, sondern übertrifft das postapokalyptische Abenteuer sogar.

Eiskalter Humor

Die Prämisse wirkt erstmal nicht gerade innovativ. Der Spieler erwacht aus einem Kyroschlaf, der viel zu lange angedauert hat, und erlebt eine Welt, in der Theodore Roosevelt niemals Präsident war. Mitten im Weltall wird man von einem verrückten Wissenschaftler begrüßt, und ehe man „Was zur Hölle passiert hier eigentlich“ sagen kann, landet man auch schon auf einem Planeten. Dort lernt man sehr schnell, dass die Welt von Konzernen regiert wird. Als erstes geht es in eine Spacer’s-Choice-Kolonie, deren Waffenproduktion zwar einen schlechten Ruf hat, dafür aber regelrecht religiös über die Bevölkerung herrscht. Wer zu krank ist, erhält keine Medikamente, wer sich umbringt, begeht Sachbeschädigung, da jeder Arbeiter Firmeneigentum ist. Auf der Reise durch mehrere Welten kommt der Spieler dann einer Verschwörung auf die Spur, wie man es von Rollenspielen kennt.

All das könnte sehr trocken und langweilig werden, schließlich wird nicht unbedingt mit den Konventionen gebrochen. Glücklicherweise haben sich die Autoren aber dafür entschieden, eine riesige Portion Humor einzubringen. Natürlich gibt es auch ernste Momente, man wird aber deutlich mehr lachen, als man es erwartet. Egal ob Bewohner, die die Wiedersprüche der Lebensregeln nicht erkennen oder die Raumschiff-KI, die uns dermaßen zum Lachen gebracht hat, dass Tränen gefallen sind – das Spiel nimmt sich gerade noch ernst genug, um nicht zu einer vollständigen Parodie zu werden. Und natürlich dürfen auch Firmen-Maskottchen nicht fehlen, die eine bessere Wirkung haben als Vault Boy seit der Einführung von Mikrotransaktionen.

Der wahrgewordene Traum

Die ersten Minuten kommen sehr verwirrend daher, und auch im weiteren Verlauf wird deutlich, dass die Hauptgeschichte nicht unbedingt die stärkste ist. Das dürfte daran liegen, dass sie lediglich den roten Faden darstellt, damit der Spieler einen Grund hat, die Welten zu bereisen und sich mit den Bürgern zu unterhalten. Die Strukturen der Firmen-Gesellschaft sind durchweg kurios und man fragt sich immer wieder, wer so ein Leben führen möchte. Zugleich wird immer wieder deutlich, dass die Macher einen Sci-Fi-Western erschaffen wollten, was ihnen bestens gelungen ist.

Genau da rücken die fantastischen Charaktere ins Rampenlicht. Jede Persönlichkeit, der man begegnet, hat eigene Geschichten parat, ist wunderbar abgedreht und hat natürlich mehrere Dialogmöglichkeiten, sodass es zu interessanten Gesprächen kommt. Das zieht sich über das gesamte Abenteuer, weshalb man sich gerne die Zeit nimmt, mit NPCs zu sprechen, anstatt schnell dem nächsten Questmarker hinterherzujagen. Zudem beginnen einige Gespräche lustig, entwickeln sich dann aber zu ernsten Angelegenheiten, sodass es auch tragische Handlungen gibt. Erst diese Ausgewogenheit macht das Spiel aus, und auch in Sachen Begleiter werden starke Persönlichkeiten geboten. Es gibt sogar Dialoge für jede Begleiterkombination, wodurch sich die eigene Mannschaft stets wie ein Team anfühlt.

Persönliche Grauzone

Der Spielablauf erinnert allen voran an „Fallout: New Vegas“. Der Spieler läuft durch die verschiedenen Welten, erledigt Haupt- und Nebenquests und erlebt dabei zahlreiche Abenteuer, immer verbunden mit interessanten Geschichten. Natürlich kommt es hier immer wieder zu schwierigen Entscheidungen, die den Verlauf diverser Quests stark verändern können. Im gesamten Abenteuer gibt es keine wirklich langweilige Aufgabe, denn immer wieder kommt man mit verrückten Persönlichkeiten in Kontakt, erledigt moralisch fragwürdige Aufträge und darf dabei seinen eigenen Charakter formen.

Ein besonderes Merkmal ist auch hier, dass die Nebenquests ausgesprochen gut geraten sind. Sie übertreffen häufig sogar die Hauptaufgabe, deren Wendungen ohne große Überraschungen auskommen. Es geht immer wieder um die tiefe Zeichnung der Welt und Charaktere und weniger um eine Handlung, die ohne die äußerlichen Einflüsse fesselt.

Eigene Dynamik

Wenn man sich nicht gerade in Unterhaltungen verstrickt, geht es auf in die Welten. Diese hängen nicht zusammen, sondern bestehen aus überschaubaren Arealen, die dafür sehr abwechslungsreich geraten sind. Man sollte also nicht erwarten, zahlreiche Stunden mit der Reise durch die Wildnis zu verbringen. Dafür wird das Spiel nicht künstlich gestreckt, denn überall gibt es etwas zu entdecken oder zu erledigen. Abgesehen davon lässt sich das Spiel bestens mit „Fallout: New Vegas“ vergleichen – nur ohne V.A.T.S.

Natürlich dürfen Schussgefechte nicht fehlen. Diese kommen actionreich daher, denn Präzision ist durchaus gefragt. Ansonsten geht es mit einem schnellen Ausweichmanöver sowie der Koordination der Begleiter dynamisch zu. Die Waffenvielfalt ist groß, und da sich auf Knopfdruck eine Zeitlupe aktivieren lässt, ist die strategische Planung ebenso wichtig, wie es die schnellen Reaktionen sind. Selten ist die Mischung aus Shooter und Rollenspiel so spaßig geraten!

Ein echtes Rollenspiel

Natürlich dürfen vielfältige Rollenspiel-Mechaniken nicht fehlen. Bei jedem Levelaufstieg werden Punkte verteilt, die auch in den Gesprächen neue Optionen eröffnen können. Somit kann man den Charakter nach dem eigenen Spielstil anpassen, es bleibt jedoch nicht dabei. Waffen lassen sich verbessern, Perks sorgen für zusätzliche Effekte und natürlich bleibt es motivierend, immer neue Ausrüstung zu finden, die neben dem Verteidigungswert auch eine sekundäre Fähigkeit mitbringt.

Besonders spannend wird es, wenn besondere Boni angeboten werden. Diese können nämlich auch einen Nachteil mit sich bringen, der fortan fester Bestandteil des Spielflusses wird. Allzu schädlich sind sie nie, doch man spielt deutlich vorsichtiger, wenn der Fallschaden höher ausfällt. Um dennoch Vielfalt zu bieten, darf man auch die Fähigkeit von Begleitern nutzen, um Schlösser zu knacken oder Gesprächspartner einzuschüchtern.

„Firefly“ lässt grüßen

Das eigene Raumschiff ist zwar nicht imposant gestaltet, doch da sich dort die eigene Crew trifft und die Schiffs-KI einzigartig ist, kehrt man immer wieder gerne zurück. Es lässt sich bestens mit „Mass Effect“ vergleichen, denn auch hier gibt es einzigartige Unterhaltungen sowie Möglichkeiten, seine Ausrüstung zu verstauen und Waffen zu verbessern. Wer neben der Hauptquest immer wieder einige Nebenaufgaben einschiebt, dürfte rund 30 bis 35 Stunden beschäftigt sein, was angenehm ist. Nicht jedes Spiel muss über die 50-Stunden-Marke schreiten, insbesondere, wenn es so prall gefüllt ist.

Tolle Welt in viel zu klein

Einen Schönheitspreis wird „The Outer Worlds“ nicht gewinnen. Die Texturen sind annehmbar, die Gesichter und Animationen etwas veraltet, und dennoch sieht das Spiel gut aus. Das liegt am Artstil sowie den kräftigen Farben, während das Charakterdesign stets gelungen ist. Das Spiel beweist, dass es nicht allein auf die Optik ankommt, und dank der flüssigen Bildrate kommt es nicht zu Rucklern. Was noch bemerkenswerter ist: Es dürfte sich um das erste westliche 3D-Rollenspiel handeln, das wir ohne Bugs beendet haben.

Etwas weniger gelungen sind die langen Ladezeiten, selbst auf PlayStation 4 Pro. Zudem kann es auch während der Erkundung zu Ladepausen kommen, was durchaus stört. Es bleibt zu hoffen, dass ein Patch Abhilfe schafft, schließlich wird dadurch ein großer Vorteil kleinerer Welten zunichte gemacht. Dafür ist der Soundtrack stets atmosphärisch, und obwohl es nur englische Sprecher gibt, verkörpern diese ihre Charaktere perfekt. Inakzeptabel ist lediglich die viel zu kleine Schriftgröße, die es selbst mit Brille schwierig macht, Untertitel zu lesen und durch die Menüs zu navigieren.