Musikspiele haben es nicht immer leicht. Einige bieten zahlreiche Musikstücke, dafür aber nur eine schlichte Präsentation. Andere konzentrieren sich auf letzteres, enttäuschen dann aber bei der Auswahl der Musik. Deshalb geht Simogo mit „Sayonara Wild Hearts“ einen anderen weg und konzentriert sich weniger auf traditionelles Gameplay. Stattdessen wird eine einzigartige Reise geboten, die dermaßen viele Emotionen hervorruft, dass man sie kaum beschreiben kann. Wir versuchen es dennoch!
Ein spärliches Spiel
Wo soll man bei der Beschreibung von „Sayonara Wild Hearts“ bloß anfangen? Was die spielerischen Mechaniken angeht, wird nämlich recht wenig geboten. Der Spieler ist manchmal auf einem Skateboard, manchmal auf einer Karte, manchmal auf einem Reh und noch vielen weiteren Untersätzen unterwegs. Vorwärts geht es automatisch, lediglich zur Seite und manchmal auch nach oben und unten muss die Protagonistin bewegt werden, um leuchtende Symbole einzusammeln. Darin besteht auch das spielerische Ziel, denn je mehr von diesen Symbolen eingesammelt werden, desto höher wird die Punktezahl, die nach jedem Level in Bronze, Silber und Gold übersetzt wird.
Das hört sich wenig spannend an, und ist vermutlich die größte Schwäche des Spieles. Das Grundprinzip ändert sich nie, und einzig die Bahnen auf Straßen zu wechseln oder im freien Fall Hindernissen auszuweichen, ist nicht unbedingt das Hoch der Unterhaltung. Dabei gibt es immer wieder Ausnahmen im Level-Design, insbesondere in der zweiten Hälfte der Reise, wenn man sich Bahnen einprägen muss oder Portale zu Schlüsselelementen werden, um den Gold-Rang zu erhalten. Sollte die Protagonistin gegen ein Hindernis laufen, sorgen fair verteilte Rücksetzpunkte für die Frustvermeidung. Nach mehreren Versuchen können Passagen sogar wiederholt werden, doch die wenigsten werden diese Funktion benötigen.
Reise durch die Welten
Das Gameplay würde in einem traditionellen Spiel für ein Schulterzucken sorgen, doch „Sayonara Wild Hearts“ ist kein traditionelles Spiel. Vielmehr handelt es sich dabei um ein interaktives Musikvideo, das von seiner Action und Surrealität lebt. Bereits zu Beginn wird Welt der Protagonistin buchstäblich auf den Kopf gestellt, woraufhin sie mit einem Skateboard eine Fee jagt. Wenige Minuten später reist sie auf einer Karte in eine andere Welt, bekämpft tänzerisch maskierte Bösewichte und rast mit einem Motorrad durch eine Großstadt, die langsam zerstört wird. Haben wir schon erwähnt, dass dies in einer Flugsequenz endet?
Die einzelnen Level sind durchweg verrückt, doch perfekt inszeniert. Jede Bewegung, jede Animation und jeder Szenenwechsel sind derart flüssig und stimmig choreographiert, dass man gar nicht blinzeln möchte. Dabei dürften die meisten Spieler erst merken, dass es plötzlich zum Vorteil wird, dass kein forderndes Gameplay geboten wird, schließlich muss man sich nicht auf ein bestimmtes Element konzentrieren. Die Kombination aus Verrücktheit und Schönheit, insbesondere in den Tänzen, ist regelrecht rührend. Obwohl kaum jemand die Geschichte verstehen dürfte, ist die Bildgewalt einiger Szenen dermaßen beeindruckend, dass Gänsehaut erzeugt wird.
Fantastische Musik, fabulöse Stimme
Natürlich wäre das Geschehen auf dem Bildschirm lange nicht so beeindruckend, wenn der Soundtrack nicht entsprechend großartig wäre. Hier wird allen voran elektronische Musik in all ihren Facetten geboten. Wer diese nicht mag, wird demnach auch die Lobeshymnen nicht nachvollziehen können. Von Bass-intensiven Stücken bis hin zu rührenden Balladen sind alle Arten vertreten, die man sich nur vorstellen kann. Darunter sind sogar einige Ohrwürmer, die einen Kauf des Soundtracks definitiv rechtfertigen.
All das zusammengerührt macht „Sayonara Wild Hearts“ erst aus. Die einzelnen Komponenten passen derart perfekt ineinander, dass man die Erfahrung lediglich als magisch beschreiben kann. Natürlich wäre eine verständlichere Geschichte schöner gewesen, doch hier geht es nicht um Ereignisse, es geht um Emotionen. Zudem werden die wenigen vertonten Sätze von der musikalischen Göttin Queen Latifah gesprochen – was kann man sich noch mehr wünschen?
Die Sache mit dem Umfang
„Sayonara Wild Hearts“ ist ein sehr spezielles Spiel, das nur einer bestimmten Zielgruppe gefallen wird. Dennoch werden selbst diese diversen Kritikpunkten zustimmen müssen, allen voran in Sachen Umfang. Es gibt 23 Level, von denen einige in unter einer Minute beendet sind. Würde die Levelauswahl nicht nach jedem Abschluss auftauchen, würde ein Durchlauf weniger als eine Stunde dauern. Diese lässt sich zwar als künstlerische Perfektion beschreiben, dennoch gibt es danach wenig zu tun. Highscorejagden werden belohnt, sind aber wenig spaßig, da das eigentliche Gameplay schwächelt, wenn man dieselben Level wiederholen muss.
Ansonsten gibt es nach dem Abschluss den Arcade-Modus, in dem jedes Level ohne Pause hintereinander abgespielt wird. Genau dieser Modus wäre aber besser für den ersten Durchlauf gewesen, da er die Reise aufgrund der fehlenden Pausen viel besser darstellt. Zudem gibt es noch einige kryptische Rätsel, die aber auch nur die wenigsten ansprechen. Bei der hohen Qualität kann das Spiel nur durch solche Zusätze gestreckt werden, die sich aber einfach nicht in das Gesamtwerk einfügen wollen.
Bisher gibt es vier Kommentare
http://www.ro.me/
Ich liebe sowas.
Knabber da noch immer dran.
Schade, dass der zusammenhängende Modus nicht von Anfang an verfügbar ist.