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AI: The Somnium Files

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AI: The Somnium Files

Kotaro Uchikoshi ist hierzulande vor allem durch die „Zero Escape“-Reihe bekannt, nach dessen Abschluss „Zero Time Dilemma“ ein neues Projekt herhalten sollte. Bei „AI: The Somnium Files“ versucht er erneut als Director und Writer die Spieler in seinen Bann zu ziehen und dabei aber mehr Interaktion zu bieten. Ob das gelungen ist, verraten wir im Test.

Ein brutaler Mord

Die Geschichte beginnt gewohnt düster. Der Detektiv Kaname Date erreicht einen Tatort, der vor allem durch seine Skurrilität auffällt. Ein Mädchen wurde nicht nur erstochen, sondern an ein Pferdchenkarussell gebunden und zur Schau gestellt. Ein Serienkiller ist unterwegs, und sein aktuelles Opfer ist dem Protagonisten bekannt. Der eigentliche Schock kommt aber erst nach der vorläufigen Untersuchung der Szene, denn in der Mitte der Maschine ist ein Mädchen scheinbar eingesperrt. Woher Date sie kennt, was diese Entwicklung lostritt und welche Ereignisse regelmäßige Wendungen einleiten, fesselt die Spieler von der ersten bis zur letzten Sekunde.

Es wäre eine Genugtuung, an dieser Stelle über einige großartige Momente zu sprechen, oder wie genau die Haupthandlung nach dem Prolog voranschreitet. Genau das würde aber jedem Leser die Überraschungen vorwegnehmen, weshalb man möglichst wenig vor dem Start wissen sollte. Das beschriebene Szenario gibt aber den Ton an, denn die Szenen können durchaus brutal sein und zahlreiche Wendungen enthüllen, die wie Cliffhanger am Ende einer Serienstaffel wirken.

Das Auge ist der Schlüssel

Das erreicht Uchikoshi vor allem durch seinen ganz besonderen Surrealismus. Auch der Ton der Geschichte ist nicht immer erdrückend, denn Date als Hauptcharakter ist häufig so trocken, dass es zu humorvollen Momenten kommt. Auch das Setting trägt dazu bei, denn im futuristischen Tokyo gibt es viele Eigenheiten, die derart perfekt in die Geschichte integriert werden, dass man schnell vergisst, wie schockierend die Handlung eigentlich sein kann. Die Charaktere könnten ebenfalls kaum vielfältiger sein und sorgen für unvergessliche Szenen.

Die Show stiehlt allerdings Aiba, Dates künstliches Auge. Oder besser gesagt: Die KI, die dem Auge innewohnt. Aiba weiß immer mit den richtigen Sprüchen daherzukommen, ist herrlich sarkastisch und gleichzeitig ein extrem nützliches Hilfsmittel. Egal ob Wärmebilder oder Zoom, durch den eine Szene manchmal gar nicht betreten werden muss, einen besseren Begleiter als Aiba kann man sich im Spiel nur schwer vorstellen.

Klassisch, aber gut

Der Ablauf lässt sich als Mischung aus „Ace Attorney“ und Point and Click-Adventures vergleichen. Immer wieder darf der Spieler aussuchen, welche Szenen er zuerst besuchen möchte. Anschließend werden Objekte in der Umgebung per Cursor untersucht, wobei der Spieler häufig beobachten, Dinge benutzen und sich unterhalten kann. Diese Passagen bieten nicht gerade viele Freiheiten, werden aber durch gelegentliche Beweisführungen oder auch Quicktime-Events aufgelockert. Den Kern bilden aber weiterhin die Dialoge sowie die eigentliche Geschichte, die über dem Gameplay stehen.

Praktisch ist zudem, dass ein Ort nicht verlassen werden kann, bevor alles erledigt wurde. Das entfernt die stressige Suche nach dem nächsten Zielort, doch die Cursorführung macht gelegentlich Probleme. Insbesondere, wenn etwas im Hintergrund angeschaut werden soll, muss der Cursor sehr präzise bedient werden, sodass häufige Nachjustierungen keine Seltenheit sind. All das ist nicht dramatisch, sorgt aber für kurze Störungsmomente.

Frustrierende Designentscheidung

Völlig abgedreht wird es in den sogenannten Somnia. Dabei handelt es sich um die Traumwelten von Personen, in denen Aiba aus der dritten Person heraus gesteuert wird – die sich natürlich dort in ein halbnacktes Mädchen verwandelt. Hier müssen Blockaden entfernt werden, und das auf unlogische Weise. Aiba kann mit diversen Objekten interagieren, diese verhalten sich allerding nicht realistisch, sondern wie in einem Traum. Somit kann der Kopf eines Skeletts abfallen, wenn eine Lampe getreten wird, woraufhin eine Tür geöffnet werden kann – und das ist noch ein bodenständiges Beispiel. Die Kreativität gepaart mit den surrealen Momenten ist beeindruckend – wird aber durch die spielerische Komponente heruntergezogen.

Es gibt nämlich ein zeitliches Limit, das schneller verstreicht, wenn Aiba sich bewegt. Zwar lassen sich Items einsammeln, durch die Zeit hinzugefügt wird, es ist aber schlichtweg nicht möglich, alle Interaktionsmöglichkeiten auszukosten, zumindest in einem Durchlauf. Sollte man scheitern, muss man die Szene erneut von Beginn an starten, was genauso sperrig ist, wie es klingt. Zudem gibt es für einige Aktionen sogar einen Zeitabzug, was das Erforschen der Welten noch unspannender gestaltet. Es ist eine Tragödie, dass die größte Stärke durch unnötigen Druck so stark heruntergezogen wird.

Nach dem Ende ist vor der Auflösung

Es kann durchaus passieren, dass das Ende der Reise mehr Fragen als Antworten aufwirft. Das gehört aber zum Spielablauf von „AI: The Somnium Files“, da es möglich ist, zu den Somnium-Szenen zu springen, die man bereits bewältigt hat. Die Aktionen hier dienen zugleich auch als Entscheidungen und verändern den Ablauf, zum Beispiel wenn Charaktere neue Informationen erhalten. Das vollständige Geheimnis ist erst aufgedeckt, wenn man sowohl die guten als auch schlechten Enden gesehen hat. Doch selbst diejenigen, die nur zwei oder drei Durchläufe absolvieren, können sich ein zufriedenstellendes Gesamtbild machen. Zudem sind diese Wiederholungen nicht dramatisch, schließlich springt man direkt zu den Abzweigungen.

Voller Charakter

Optisch kann das Spiel definitiv überzeugen. Das liegt zum einen am futuristischen Stil, zum anderen an den fantastischen Charaktermodellen. Jede Persönlichkeit wurde bestens gezeichnet und umgesetzt, während die Ausdrücke dank starker Animationen kaum besser sein könnten. Auch die Synchronsprecher wurden bestens gewählt, während die Musik das Paket perfekt macht. Hier wird gewohnte Qualität geboten, die so überragend ist, wie man es von Uchikoshi erwarten würde.

Weiterführende Links: Forum-Thread

Fazit & Wertung

„AI: The Somnium Files“ ist ein spannender Trip durch ein futuristisches Japan, das durch seine Traumwelten bereits Interesse schürt. Die eigentliche Handlung sowie die Charaktere gepaart mit brutalen Szenen und Wendungen, die einen sprachlos machen, sind aber die wahren Highlights. Es fällt schwer, die Konsole aus der Hand zu legen, denn bis zum Finale bleibt die Spannungskurve permanent hoch. Einzig die spielerischen Elemente können durch den Zeitdruck nicht überzeugen, abseits davon gibt es aber keine Gründe, sich nicht in den Kriminalfall zu stürzen.

Bisher gibt es zwei Kommentare

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  • Avatar von Starkirby
    Starkirby 31.10.2019, 00:21
    Auf meiner auch. Bin gespannt drauf.
  • Avatar von Sepp
    Sepp 30.10.2019, 16:54
    Steht weit oben auf meiner Liste!