Spiele • Switch

We. The Revolution (eShop)

Mehr zum Spiel:

We. The Revolution (eshop)

Historische Settings sind in Mode. „Assassin's Creed Origins“ und „Odyssey“ haben mit ihrer detaillierten Nachbildung der Antike gepunktet. Während die genannten Titel jedoch ihr Setting nur als Schablone für eine fantastische Geschichte benutzen, versucht „We. The Revolution“ ein glaubhaftes Bild der französischen Revolution zu vermitteln.

Lang lebe das Volk!

Die Bastille ist erobert, die Monarchie gebrochen und die Republik Frankreich erhebt sich aus der Asche. Das Volk hat nun endlich die Herrschaft in seiner Hand und die Werte Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit bilden das Fundament für eine gerechte Nation. Der Spieler schlüpft in die Rolle von Alexis Fidèle, der als Tribunals-Richter die neue Ordnung umsetzen, das Volk schützen und die Feinde der Revolution ihrem gerechten Urteil zuführen soll. Zu Beginn des Spiels hat der Familienvater ein zerüttetes Verhältnis zu Frau und Kind und anstatt sich auf seine Pflichten zu konzentrieren, frönt er lieber Alkohol und dem Glücksspiel. 

Weder in den ersten Spielminuten, noch zu einem späteren Zeitpunkt ist Fidele ein Sympathieträger oder fungiert als Identifikationsfigur. Er ist lediglich die Lupe, durch die der Spieler ein eindrückliches Bild des 18. Jahrhunderts gewinnen soll. Schnell wird er in einen Sumpf aus Intrigen, Macht und Mord hineingezogen, in der er lediglich auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist und dafür auch die Konsequenzen tragen muss. Auch ohne klassische Heldenfigur kann der politische Thriller überzeugen und auch der Stil des Spiels trägt zu einer dichten Atmosphäre bei. „We. The Revolution“ inszeniert sich mit kurzen vertonten Comic-artigen Sequenzen, die mit einer punktgenauen Bildsprache und gelungener Farbgebung die Zerrissenheit der Zeit und die persönliche Tragödie des Helden perfekt einfangen. 

Lang lebe die Gerechtigkeit!

Als Richter verbringt Fidele seinen Alltag natürlich im Gericht und setzt die Neue Ordnung um. Vor Beginn eines Prozesses erhält der Spieler Zugriff auf die Akten zum Fall. Dabei kommt allerlei Abwechslungsreiches zur Anklage. Mal hat ein Baufehler den Einsturz eines Hauses zur Folge und die Schuld des verantwortlichen Handwerkers ist zu prüfen. Doch auch Nachbarschaftsstreitigkeiten um gestohlene und verunreinigte Waren oder Diebstähle stehen auf dem Plan. Vertont ist dabei nichts und „We. The Revolution“ zwingt den Spieler zahlreiche Texte zu lesen. Relevante Fakten sind zum Glück hervorgehoben. 

Nachdem die Rahmenbedingungen des Falles bekannt sind, wird der Zeuge aufgerufen und in einem Minispiel müssen die erarbeiteten Fakten mit Aspekten, wie dem Motiv oder dem Tathergang in Verbindung gebracht werden. Dadurch schaltet der Spieler erst die relevanten Fragen frei, um den Tathergang zu rekonstruieren und die Wahrheit herauszufinden. Auch wenn nur ein bestimmtes Kontingent an Fehlversuchen erlaubt ist, gestaltet sich dieser Aspekt vergleichsweise unproblematisch und schnell kann zur Befragung des Angeklagten übergegangen werden. 

Lang lebe die Freiheit!

Jede Frage gehört dabei zu einer von drei Kategorien: Todesstrafe, Gefängnis oder Freispruch. Jede Antwort des Angeklagten auf die jeweilige Fragenkategorie lässt die Geschworenen in diese Richtung tendieren. Daran wird bereits deutlich, dass im Gerichtsaal nicht die Wahrheit im Vordergrund steht, sondern die Manipulation der Geschworenen relevantes Spielelement wird. Denn jedes Urteil verändert den Ruf des Protagonisten bei einer von drei Fraktionen. Das einfache Volk, die Revolutionäre und die Aristokraten teilen sich die Macht in Paris. Verscherzt es sich der Richter mit einer der Fraktionen, so endet das Spiel abrupt, denn Fidele verliert dann selbst seinen Kopf. Dementsprechend wählt man nur die Fragen, die das gewünschte Urteil zur Folge haben und balanciert damit zwischen allen drei Fraktionen. Spielerisch entsteht dadurch zunächst das Problem, dass sich durch simples Zusammenklicken die nötigen Urteile erreichen lassen und dann der Titel schnell seinen Reiz verliert. Die Abhängigkeit von bestimmten Urteilen macht auch die Figuren und Fälle in den meisten Fällen scheinbar unwichtig für die Handlung, zumal nie eindeutig aufgelöst wird, was tatsächlich vorgefallen ist. Richtig mitfühlen kann man mit den Zeugen und Angeklagten daher nie.

Lang lebe die Revolution! 

Doch der Schein trügt, denn zunächst vermitteln die authentisch geschriebenen Dialoge und Schriftstücke ein glaubhaftes Bild der Zeit. Die Irrelevanz und spätere Gleichgültigkeit der Wahrheit entlarven die Gegensätze der Zeit. Der Anspruch der Nationalversammlung, eine gerechte Nation für das Volk aufzubauen, wird in diesen Momenten karikiert, da die Rechtsprechung für eigennützige Zwecke missbraucht wird. Doch auch die wachsende Paranoia der Revolutionäre, die in blanken Fanatismus und blinde Wut umschlägt, wird hervorgehoben. So soll ein Handwerker als Royalist zum Tode verurteilt werden, weil er ein Schachspiel hergestellt hat, in dem bekanntlich der König die zentrale Figur ist. Besonders im späteren Spielverlauf wird deutlich, dass Einzelschicksale und Gerechtigkeit keine Bedeutung mehr haben. Ohne Verfahren entscheidet der Spieler auf Basis kurzer Zusammenfassung, welches Urteil zu sprechen ist und richtet nur aufgrund der resultierenden Rufveränderung. Am Ende hat Justitia selbst ihren Kopf unter dem Fallbeil verloren.

Der Kopf muss ab!

Der Urteilsspruch gipfelt in den meisten Fällen in einer Hinrichtung durch die Guillotine. Bevor der Verurteilte sein Denkzentrum durch die scharfe Klinge vom Rumpf getrennt bekommt, kann der Spieler die Massen durch eine geschickte Rede auf seine Seite ziehen. Auf spezifische Gefühlszustände der Bevölkerung kann der Spieler auf eine von vier Arten antworten. Neben einer sorglosen saloppen Antwort kann er demütig an das Volk appellieren. Weiterhin steht auch eine aggressive Vorgehensweise neben einer unterschwelligen Manipulation zu Verfügung. Zu jedem Gemütszustand passen immer zwei der vier Antwortmöglichkeiten, die der Spieler nach einer kurzen Eingewöhnungsphase bereits auswendig kann. Den vergleichsweise geringen Anspruch machen auch hier die treffend geschrieben Dialoge wieder wett. 

Einmal Stempel, bitte

Neben den genannten Faktoren punktet das Gameplay von „We. The Revolution“ mit einer greifbaren Physis. Die Dokumente wollen zunächst auf dem Tisch geordnet werden und Kernpunkte des Verfahrens ins Protokoll eingetragen werden. Anschließend wird die Unterschrift per Knopfdruck unter das Formular gesetzt, bei jedem Vorgang das entsprechende Geräusch eines Füllers eingespielt, der über das Papier gleitet. Danach wird das Dokument stilecht mit einem Siegel versehen, dass man sich aus einigen Auswahlmöglichkeiten zusammenbauen muss. Spielerisch sind diese Elemente in keinster Weise anspruchsvoll, doch verleihen sie dem Geschehen eine greifbare Note. 

Game of Paris

Die Manipulation der Urteile nutzt Alexis Fidèle, um seine eigene politische Machtposition aufzubauen. Diese Handlungen lassen politische Gegner auf den Plan rufen, denen nur mit eigenen Verbündeten und inszenierten Intrigen beizukommen ist. Um etwa den korrupten Bürgermeister von Paris zu diskreditieren, gilt es zunächst schmutzige Geheimnisse über die Liebschaften seiner Tochter herauszuarbeiten. Spielerisch ist dieser Vorgang zunächst wenig anspruchsvoll, da nur ausgewählt wird, ob das Problem diplomatisch, gewaltsam oder im Geheimen gelöst werden soll. Im Anschluss spuckt das Spiel eine Erfolgschance aus und nach einer festgesetzten Zeit wird das Ergebnis präsentiert. Doch was an spielerischem Anspruch vermisst wird, fängt das Spiel durch die Gewichtung der Entscheidungen auf, denn diese beeinflussen die Handlung zum Teil massiv. Auch abseits der Intrigen kommen derartige Entscheidungen zum Einsatz. Ähnlich wie bei der Manipulation der Massen werden auch potentielle Verbündete über einen Dialog rekrutiert und auch an dieser Stelle punkten die packenden Dialoge. 

Bunte Mischung aus 100 Jahren Geschichte

Außerhalb dieser Elemente greift „We. The Revolution“ auf zahlreiche Minispiele zurück, um keine Monotonie aufkommen zu lassen. Mal wird über ein Brettspiel-artiges Abbild von Paris die Kontrolle über die Großstadt verteidigt und kleine Figuren bewegt, damit der Bau einer eigenen Statue geschützt ist. Ein anderes Mal muss ein politischer Gegner erst in einem Würfelspiel besiegt werden, damit er nötige Informationen preisgibt. Auch bei der Rundenstrategie bedient sich „We. The Revolution“ und lässt kleine Kontingente von Soldaten gegeneinander antreten. Zuletzt will das Verhältnis zur eigenen Familie repariert werden und gemeinsame Unternehmungen mit Frau und Kindern sorgen für mehr Einflusspunkte. Herausfordernd sind jegliche dieser Mechaniken nur in den seltensten Fällen, doch gestaltet der scheinbar überladene Genre-Mix den gesamten Spielablauf zwischen den packenden und dichten Handlungsabschnitten abwechslungsreich. 


Nicht so angestaubt wie die Dokumente

Anders als die angestaubten Dokumente in französischen Archiven präsentiert sich „We. The Revolutiom“ zeitgemäß. Die Comic-Sequenzen sind in einem Zeichenstil mit starken Kanten eingekleidet und werden durch einen wandelbaren Soundtrack untermauert. In einem Moment unterstreicht er gekonnt die Dramatik, während er sich in ruhigen Momenten dezent Im Hintergrund abspielt.  Auch die Synchronsprecher machen ihre Sache gut und bei der Aussprache der französischen Begriffe kommt es nicht zu Peinlichkeiten. Auch die technische Ebene kann überzeugen, denn neben einer stabilen Bildrate konnten auch keine schwerwiegenden Bugs festgestellt werden. Lediglich die geringe Schriftgröße einiger Texte sorgt im Handheld-Modus für Probleme. Auf dem Fernseher im Docked-Modus gestaltet sich die Lesearbeit daher etwas angenehmer.

Weiterführende Links: Forum-Thread

Fazit & Wertung

Man kann den vergleichsweise geringen Schwierigkeitsgrad von „We. The Revolution“ kritisieren. Die abwechslungsreichen Mechaniken verhindern dabei, dass die Handlung aufgrund monotoner Gameplay-Elemente zu einer langweiligen Diashow verkommt. Daher gelingt es dem Titel ein glaubhaftes und dichtes Bild der Französischen Revolution zu zeichnen und eine packende Geschichte voller Doppelmoral, politischen Intrigen und persönlichen Tragödien zu erzählen.

Das sagen unsere Leser

Du bist nicht angemeldet. Logge dich ein oder registriere dich, um kommentieren zu können.