Spiele zu „One Piece“ gibt es viele. Kein Wunder, schließlich ist die Manga-Reihe eine der erfolgreichsten überhaupt. Dass die Qualität dabei ständig schwankt, ist schon eine andere Geschichte. Mit „One Piece: World Seeker“ soll dem Strohhut endlich ein würdiges Abenteuer geliefert werden, inklusive offener Welt und bekannten Mit- und Gegenspielern. Das klingt auf dem Papier sehr gut, kränkelt aber in der Umsetzung bei den Feinheiten.

Abseits des Log-Port

Die Geschichte passt natürlich überhaupt nicht in den Rahmen der Vorgänger, zumindest die Ereignisse bis zu Whole Cake Island werden dabei anerkannt. Ruffy und seine Crew wollen die berüchtigte Gefängnisinsel unterwandern, um einen Schatz zu erbeuten. Allerdings wird der Truppe schnell klar, dass es sich dabei nur um eine Falle handelt, und sie landen auf Jail Island, die die Marine für sich beansprucht hat. Schnell lernt Ruffy die junge Jeanne kennen, die den Frieden auf der zutiefst zerspalteten Insel wahren möchte. Marinebefürworter und –gegner gibt es nämlich überall, und als dann auch noch bekannte Bösewichte wie die Germa66 eintreffen, scheint der Krieg unvermeidlich.

Leider ist das Treffen mit den bekannten Helden definitiv kein Genuss für Fans der Vorlage. Hier treffen Charaktere zusammen, die sich im Manga wohl erst in einigen Jahren sehen werden. Genau diese Momente speist „One Piece: World Seeker“ in belanglosen, teils sogar langweiligen Dialogen ab. Ruffy und Sabo gegen Sakazuki? Nichts weiter als ein typischer Boss-Kampf und eine unspannend inszenierte Zwischensequenz. Das lässt sich noch halbwegs verkraften, schließlich ist es stets schön, bekannte Gesichter zu sehen. Bewegende Momente gibt es aber keine, und ebenso fehlt der Witz und die Spannung, die eine „Was wäre, wenn“-Handlung gerechtfertigt hätten.

Fragwürdige Neuzugänge

Sowieso gibt es nur wenige Zwischensequenzen. Die zahlreichen normalen Dialoge sind derweil nicht einmal vertont. Bei einem solch fantastischen Cast ist das tragisch, denn der Spieler wird mehrfach dazu verführt, die Texte wegzudrücken, da die Handlung nicht zu fesseln weiß. Hauptsächlich geht es sowieso um Jeanne und den Gefängnisleiter Isaac, beide Figuren sind aber noch klischeehafter, als es in der Vorlage oftmals üblich ist. Deren Konflikt, die Charakterentwicklung, sowie das große Finale wirken unausgereift, insbesondere wegen den Floskel-haften Texten, von „die Schere zwischen arm und reich“ bis hin zu „eine Familie hält zusammen“. Die restlichen Charaktere sind völlig austauschbar und tauchen in einigen Nebenmissionen auf. Da viele Charaktermodelle wiederholt werden und auch hier die Spannung aufgrund fehlender Überraschungen niemals aufkommt, vergisst man die Bewohner recht schnell. Nach über 25 Stunden ist es uns nicht möglich, auch nur einen Bewohner der Insel, abseits der beiden Stars, zu benennen.

Spider-Ruffy

Das alles klingt unglaublich vernichtend, die wahren Stärken von „One Piece: World Seeker“ liegen allerdings in seiner Welt sowie der Steuerung von Ruffy. Der Held ist nämlich wunderbar leichtfüßig und kann einige Fähigkeiten erlernen, die das Erkunden zu einem wahren Fest machen. Natürlich funktioniert es nicht so dynamisch wie in „Spider-Man“, sich von Schild zu Schild und Baum zu Baum zu schwingen, dennoch ist es wahnsinnig befriedigend, die richtige Stelle anzuvisieren und den Strohhut über große Distanzen fliegen zu lassen. Das klappt nicht immer sehr gut, da das Zielen oft etwas schwammig ist, nach einigen Übungswanderungen funktioniert das System aber wunderbar. Noch besser wird das in Kombination mit einem Wirbel, durch den Ruffy eine kurze Zeit lang schweben kann. Die Macher haben verstanden, wie Ruffys Bewegungen funktionieren müssen und dabei wohl die beste Umsetzung des Movesets bislang erschaffen.

Stiller Ruffy?

Natürlich müssen auch die Kämpfe in einem „One Piece“-Spiel stimmen. Dabei haben sich die Macher ganz klar dem Prinzip „weniger ist mehr“ gewidmet. Ruffy kann zwei Haki nutzen, wovon anfangs das Beobachter-Haki am wichtigsten ist. Der Held ist dann besonders schnell, kann Angriffen blitzschnell ausweichen und viele schnelle Schläge austeilen. Zudem darf der Spieler sogar Stealth-Manöver nutzen und die Gegner leise ausschalten. Die Möglichkeiten sind zwar begrenzt, doch durch die Wahrnehmung kann Ruffy Feinde auch durch Wände hinweg beobachten. Im Test ist dabei oft etwas passiert, das den Charakter perfekt verkörpert: Ruffy ist erst leise unterwegs, wird von einem Gegner gesehen und die Schleichpassage wird zu einer wilden Prügelei. Da man nur selten leise sein muss, darf jeder selbst entscheiden, wie er die Gegner überwältigt.

Das Panzer-Haki ist hingegen komplett auf kräftige Schläge aus. Ruffy kämpft dadurch langsamer, teilt aber mit jedem Schlag auch mehr Schaden aus, während ein Blockmanöver den Gummimenschen regelrecht zur Maschine macht. Besondere Kombos gibt es nicht, dafür vier Fähigkeiten, die per Knopfdruck ausgelöst werden. Bereits nach wenigen Kämpfen dürfte jeder die Feinheiten bestens verstehen und sich darauf freuen, Gegner zu verprügeln, die vielfältig genug sind. Mehrere Schützen, Nahkämpfer und sogar Pacifista und Roboter wollen dem Piraten an die Mangel, und obwohl die Kämpfe irgendwann recht eintönig werden, bleiben sie unterhaltsam, da sie stets schnell vorbei sind.

Eine Insel im Krieg

Natürlich wären all diese Fähigkeiten nur bedingt sinnvoll, wenn die Welt selbst nicht interessant wäre. Auf dem Papier klingt sie sogar gar nicht spektakulär, denn hier werden mit Minen, einer Marine-Basis und einigen Städten lediglich die Klassiker geboten. Dafür ist jede Kulisse wunderbar in die Insel eingebunden und es entstehen keine klaren Abgrenzungen, sondern das Bild einer zusammenhängenden, offenen Welt. Besonders in der Stahlstadt wird es nie langweilig, sich von Haus zu Haus zu schwingen, Gegnern aufzulauern und Nebenquests zu erledigen.

Zudem hat der Spieler ständig etwas zu tun. Es können kaum Schritte gemacht werden, ohne dass Ruffy Materialien sammelt, mit denen er Quests erledigen, die Crew auf Erkundungsmissionen schicken und Ausrüstungsteile herstellen kann. Weiter sind überall Schatztruhen versteckt, und obwohl das alles auch so in anderen Open World-Spielen zu finden ist, macht es Spaß, all das mit Ruffy zu erledigen. Es macht regelrecht süchtig, dank Haki die Umgebung zu scannen und die gesamte Welt zu durchforsten.

Auf zum nächsten Gear

Nahezu jede Aktion lässt Ruffy Fähigkeitspunkte verdienen, die sich in einem Fähigkeitenbaum verteilen lassen. Auch dieser ist recht klassisch gehalten: mehr Leben, mehr Schaden in den Haki-Modi, neue Spezialangriffe und Bewegungsmannöver kann Ruffy erlernen, um immer mehr Möglichkeiten beim Erkunden sowie Kämpfen zu erlangen. Das alles ist so nützlich, dass jeder Spieler so schnell wie möglich die Punkte investiert und stets mit spürbaren Verbesserungen belohnt wird. Erneut haben die Macher bewiesen, dass sie die Genre-Grundlagen wunderbar umsetzen konnten, ohne dabei zu viel am Prinzip herumzuschrauben.

Die Genre-Tücken

Leider wurden die Grundlagen so groß geschrieben, dass auch viele Fehler klassischer Genre-Vertreter kopiert werden. Das ist besonders bei den Nebenaufgaben spürbar, die langatmiger kaum sein könnten. Zum einen sorgt die mäßige Handlung dafür, dass auch die kleineren Geschichten keine Spannung erzeugen können. Wenn es nicht darum geht, verfeindete Bürger zu versöhnen, müssen Materialien beschafft oder gegen Charaktere aus der Vorlage gekämpft werden. Auch die Formel ändert sich leider nie. Ruffy spricht mit dem Questgeber, muss anschließend zu Punkt A, um zu kämpfen oder etwas zu sammeln, anschließend mit einem Charakter bei Punkt B sprechen, um an Punkt C das Finale zu erleben. Das wiederholt sich so oft, dass man lieber zur Schnellreise greift, anstatt ständig die immer gleichen Wege zu durchlaufen, und auch spielerisch ist das selten unterhaltsam. Ein wenig Abwechslung gibt es in Form von Schatzkarten oder den Himmelsinseln, die wie Mini-Welten aufgebaut sind. „One Piece: World Seeker“ ist immer dann am stärksten, wenn es die Spieler nicht an den Händen hält und stattdessen die Freiheit gibt, im eigenen Tempo zu erkunden.

Keine Karma-Punkte

Das Karma-System spielt eine prominente Rolle. Dadurch können nämlich optionale Gespräche mit zahlreichen Charakteren freigeschaltet werden, was allerdings Arbeit verlangt. Ruffy muss nämlich bestimmte Aufgaben erledigen, um bei den verschiedenen Fraktionen Pluspunkte zu erlangen. Sei es eine bestimmte Anzahl an besiegten Gegnern oder die Nutzung eines bestimmten Angriffes bei einem bestimmten Feind, die Herausforderungen sind gute Anreize, den eigenen Spielstil anzupassen. Leider scheint es so, als ob bei verpasster Chance bestimmte Herausforderungen unlösbar sind. Zum Beispiel muss Ruffy Fujitora mit drei Attacken angreifen. Hat er sie vorher nicht erlernt, kann er sie natürlich in dem entsprechenden Kampf nicht verwenden. Eine Wiederholung der Missionen ist nicht möglich, und somit muss bereits von Beginn an geplant werden, um die Liste zu vervollständigen. Dadurch wird das motivierende System zu einer Qual, die eher bestraft, statt zu belohnen.

Demotivierendes Finale

Auch der Abschluss ist nicht perfekt gelungen. Ab einem gewissen Punkt kann der Spieler nur noch die Hauptmission verfolgen und nicht schnellreisen, was durchaus verständlich ist. Es folgt dann eine Reihe von recht langweiligen Kämpfen, bevor drei unterhaltsamere Boss-Kämpfe das Finale darstellen. Danach verlässt die Crew die Insel und anstatt sie im Anschluss weiter zu erkunden und Nebenquests zu erledigen, landet der Spieler wieder in Kapitel 14, direkt vor der letzten Reihe an Hauptmissionen. Das bedeutet dann auch, dass bestimmte Karma-Herausforderungen zurückgesetzt werden, schließlich steht die Begegnung mit einem Charakter noch aus. Anstatt nach der Haupthandlung also die 100 Prozent zu erreichen, muss der Spieler danach erneut die langwierige Schlussphase absolvieren – oder direkt ein neues Spiel starten und sich vorher notieren, welche Aufgaben erledigt werden müssen für das Karma-System.

Fantastische Grundlage

Obwohl „One Piece: World Seeker“ einige schwere Fehler begeht, stellt es auch eine sehr solide Grundlage dar. Sollte ein Nachfolger erscheinen, der an Missionsvielfalt und Geschichte schraubt, könnte eines der besten Anime-Spiele auf die Fans losgelassen werden. Doch auch in seiner aktuellen Form ist das Abenteuer sehr unterhaltsam, denn Questmarker abzuarbeiten, die Welt zu erkunden und mit Ruffy herumzuschwingen fühlt sich so fantastisch an, dass man den Controller gar nicht zur Seite legen kann. Nach 25 Stunden lief der Abspann, die restlichen Nebenmissionen dürften die Spielzeit allerdings auf 30 aufstocken.

Solide Umsetzung

Natürlich lassen sich Bugs in offenen Welten nicht vermeiden, allzu viele Probleme gab es im Test allerdings nicht. Clipping gibt es sehr häufig, und zwei Mal ist das Spiel am Funkturm abgestürzt, ansonsten gab es keine technischen Stolpersteine. Vielmehr passt das Gesamtbild, denn die detaillierten Charaktere sehen fantastisch aus und fügen sich gut in die Welt ein, deren matschige Texturen überraschend selten stören. Viel tragischer ist da schon die Vertonung, denn Stimmen hört der Spieler selten. Die Bildrate auf PlayStation 4 Pro hat kleine Aussetzer, bleibt über die meiste Zeit aber stabil.

Das Speichersystem ist da schon problematischer. Das Spiel speichert immer nach Missionen und Schnellreisen, was löblich ist. Stirbt Ruffy, landet er jedoch nicht einfach an einem Ort Nahe seines Ablebens, sondern am letzten Speicherpunkt. Nun ist im Test das geschehen, was sich viele denken werden: Wir haben zwei Stunden lang die Welt erkundet, Schätze gesammelt und Gegner verprügelt, dabei aber vergessen, manuell zu speichern. Dieser Fortschritt war dann dahin, das Speichersystem muss deshalb dringend überarbeitet werden, da es den besten Aspekt des Spiels vermiesen kann.