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Travis Strikes Again: No More Heroes

„No More Heroes“ gehört zu den großen, unterschätzten Marken der Videospielindustrie. Es ist schon beinahe kriminell, dass es nur zwei Ableger gab, die an Verrücktheit und Stil kaum zu überbieten sind. Glücklicherweise ist Suda51 zurück und will Auftragskiller-Otaku Travis Touchdown eine weitere Chance geben, sich in das Herz der Spieler zu… schnetzeln? Ebenso wie seine Vorgänger ist der Ableger „Travis Strikes Again: No More Heroes“ übertrieben, verrückt und sehr weit von der Perfektion entfernt. Wieso die Demo-Version, die auf einige Events anspielbar war, glücklicherweise nicht das gesamte Werk repräsentiert, verraten wir euch im Test!

Verrückter geht es kaum

Normalerweise sollte man klar sagen können, worum es in der Geschichte eines Videospieles geht – nicht so bei „Travis Strikes Again: No More Heroes“. Der Titelheld lebt mittlerweile zurückgezogen im Wald, wo ihn der Killer Bad Man aufsucht, um sich für den Mord an seiner Tochter zu rächen. Bei dieser handelt es sich um einen der verrücktesten Charaktere des ersten Serienablegers, und das soll schon etwas heißen. Soweit, so klar, allerdings werden die beiden in ein Videospiel gezogen, dank einer Konsole, die ihre Spieler in andere Welten befördern kann. Anschließend sucht Travis nach den sogenannten Death Balls, die gleichzeitig die Spiele für das Death Drive Mk II darstellen. Sind alle davon gefunden, wird einem ein Wunsch erfüllt – die Anspielung versteht sich von selbst. Gleichzeitig geht es aber auch um die Erfinderin der Konsole, eine Regierungsverschwörung, die eigenen Emotionen sowie vieles, vieles mehr.

Klasse Humor dank wunderbarer Lokalisierung

Wem das schon zu wirr war, der darf sich auf etwas gefasst machen. Die Geschichte ist meist verwirrend, unlogisch, möchtegern-emotional, episch und überdreht zugleich, was außergewöhnlicherweise perfekt funktioniert. Travis besticht durch seine Sprüche, die Charaktere sind wahrlich einzigartig und die vierte Wand wird so oft gebrochen, dass man sich fragt, ob es sie jemals gegeben hat. Am Ende dürfte sich jeder Spieler nach dem Sinn der Ereignisse fragen, und vielleicht gibt es auch eine tiefgründige Antwort. Alle anderen werden die Menge an Humor entweder als Meisterwerk feiern oder verteufeln.

Besonders lobenswert ist die deutsche Übersetzung, in der nicht einfach die Witze 1:1 übernommen wurden. Eigene Wortwitze, die nur in der deutschen Sprache möglich sind, lassen sich ebenso vorfinden wie Begriffe, bei denen man gleich doppelt gucken muss, für welche Konsole der Titel exklusiv erscheint. An einigen Stellen wird man dank der deutschen Texte sogar mehr lachen müssen als in der englischen Fassung – ein größeres Lob ist nur schwer vorstellbar. Am Ende lässt sich zusammenfassen, dass Fans der Reihe komplett auf ihre Kosten kommen werden.

Ein Mann und sein Beat Katana

Bei „Travis Strikes Again: No More Heroes“ handelt es sich überwiegend um ein Hack and Slash-Spiel. Mit seinem treuen Beam Katana kann Travis einen leichten Schlag ausführen, mit dem er zwar wenig Schaden macht, dafür führt er ihn beim gedrückthalten des Knopfes unendlich lange aus und kann große Gegnerwellen auslöschen, solange diese nicht allzu stark sind. Die zweite Option ist ein schwerer Schlag, der beim zweiten Mal noch mehr Schaden austeilt, dafür aber auch sehr langsam ist, weshalb ein direktes Ausweichen im Anschluss nur mit einer Verzögerung stattfindet. Alle Schläge verbrauchen Energie, die sich nach einem Knopfdruck durch Schütteln der Controller schnell oder langsamer durch Bewegung des rechten Sticks aufladen lässt, natürlich mit der traditionellen Animation. Das war es dann auch schon mit den Grundlagen, denn neben einem aufladbaren Angriff gibt es keine Kombos, die man ausführen kann.

Langweilig werden die Kämpfe dennoch nicht, was an den Skill-Chips liegt. Bis zu vier davon lassen sich ausrüsten und verleihen Travis besondere Fähigkeiten, die den Ablauf des Kampfes dramatisch verändern. Seien es Blitze, die er abfeuert, Bomben, die an Feinden kleben bleiben oder Geschütztürme: Die unterschiedlichen Fähigkeiten unterhalten bestens und man tauscht sie immer wieder gerne aus, um den Ablauf der Kämpfe zu verändern. Deshalb ist es schade, dass die Gegnervielfalt nicht unbedingt groß ist. Obwohl es durchaus verschiedene Typen gibt, kommen sie in allen Welten vor und verändern sich dann auch optisch nicht. Insbesondere gegen Ende hat man sich an ihnen satt gesehen, weshalb es nicht förderlich ist, dass sich auch die Mini-Bosse optisch wenig voneinander unterscheiden.

Weltenreise

Die großen Stars sind die Spiele im Spiel, die gleichzeitig die Welten darstellen, die Travis bereist. Hier wurden zahlreiche Ideen verwendet, denn während der Killer mal klassisch von A nach B läuft, muss er woanders Rätsel lösen, Rennen durch Gangschaltung absolvieren und sogar in einer Seitenansicht kämpfen. Man freut sich jedes Mal darauf, die sehr kreativen Welten zu bereisen, und wird bis zum Ende derart überrascht, dass man aus Schock, vor Freude und vor lautem Lachen aufpassen muss, die Controller oder gar die Konsole nicht fallen zu lassen. Hier hat sich Suda51 richtig ausgetobt und erneut bewiesen, was für einen einzigartigen Stil er verpacken kann. Hinzu kommen noch Boss-Kämpfe, die durch die Geschichte der jeweiligen Videospielwelten stets einen interessanten Hintergrund erhalten und dringend benötigte Abwechslung in die Kämpfe bringen.

Feinschliff? Fehlanzeige

Wirklich perfekt sind die tollen Welten nämlich nicht. Bis auf eine Ausnahme ziehen sie sich gewaltig und dauern zu lange an. Zwar gibt es immer wieder abgewandelte Mechaniken oder neue Schauplätze, insgesamt ändert sich innerhalb der Spiele aber zu wenig, um konsequent zu unterhalten. Man wünscht sich bei der Hälfte der Level, sie wären deutlich kürzer, denn trotz guter Ideen sind diese nicht gut genug, um über längere Zeit zu fesseln. Zwar freut man sich bei jedem Spiel über die Unterschiede, nach einer gewissen Zeit hat man allerdings alles gesehen, was diese herzugeben haben. Das ist wie erwähnt nicht bei jeder Welt der Fall, stört das Pacing allerdings enorm.

Auch das Kampfsystem ist alles andere als perfekt geraten. Durch die begrenze Vielfalt bei den Gegnern sowie den wenigen Standardangriffen machen die Spieler oft immer wieder das gleiche, ohne wirklich viel Abwechslung. Für Travis geht es von A nach B, und dabei bekämpft er in eingegrenzten Gebieten, die man schon als Arenen bezeichnen darf, immer wieder auf dieselbe Art dieselben Gegner. Das Level-Design behebt gravierende Probleme, da es aber auch hier innerhalb der Welten an Abwechslung mangelt fragt man sich zwangsläufig, ob das Spiel insgesamt nicht besser gewesen wäre, wenn es kürzer gewesen wäre. Die Steuerung ist zudem auch nicht immer präzise und die Verzögerung beim Ausweichen sorgt bei dem rasanten Kampfsystem dafür, dass man die Feinarbeit in Sachen Spielfluss vermisst. Das sind alles keine Punkte, die „Travis Strikes Again: No More Heroes“ zu einem schlechten Spiel machen, sie verhindern allerdings, dass die Qualität anderer Genre-Vertreter in Sachen Gameplay erreicht werden kann.

Back Again

Abseits der Reise durch die Videospiele hat Travis einiges zu tun. Die Suche nach den Death Balls stellt allerdings das genaue Gegenteil zur Action dar, denn um eine neue Welt freizuschalten, muss der Spieler „Travis Strikes Back: No More Heroes“ starten, das wiederum erst ein neues Kapitel erhält, wenn ein Videospiel abgeschlossen wird. Bei dem ähnlich betitelten Spiel im Spiel, bei dem man die Spiele im Spiel erhalten kann, handelt es sich um eine Visual Novel, die in dieser Form auch auf alten DOS-PCs möglich gewesen wäre. Der Artstil ist sicherlich nicht jedermanns Sache, der Humor der Texte bleibt dafür auf einem großartigen Niveau und verfügt über dermaßen viele Popkultur-Referenzen sowie Sätze, die direkt an den Spieler gerichtet sind, dass man sich immer wieder auf die neuen Kapitel freut, die sich in Sachen Länge stark voneinander unterscheiden. Zudem kommt hier auch Jeane vor, die sogar sprechen kann und sich als äußerst eitel beweist. Wer die bisherigen Werke von Suda51 verfolgt hat, wird sich zudem mehr als nur ein Mal freuen. Diese Abschnitte eignen sich perfekt als Pause zwischen den sehr actionreichen Passagen und beweisen wieder eine sehr eigene Qualität.

Ein Indie-Fest

Ansonsten gibt es viele kleine Details, die man schätzen lernt. Zum Beispiel wären da Beschreibungen zu den Videospielen, die wie in einem Magazin abgedruckt sind – inklusive Hinweise und Cheats. Wer die Level erneut spielen möchte, darf sogar Travis Katze suchen, die sich dort verlaufen hat. Besonders beeindruckend sind ebenfalls die T-Shirts, die sich durch das erspielte Geld kaufen lassen und zum Großteil auf anderen Videospielen basieren. „Undertale“ und „Hotline Miami“ sind prominente Beispiele. Dass sogar Titel wie „Golf Story“, „The American Dream“ und „Just Shapes & Beats“ vertreten sind, ist eine gelungene Überraschung. Natürlich darf auch die Speicheranimation nicht fehlen, inklusive Balken. Die Liebe zum Detail ist einzigartig und wenn es ein Spiel schafft, den Spieler durch Ramen-Reviews zu unterhalten, muss es eine ganze Menge richtig gemacht haben.

Gar nicht so Bad-Man

Bisher noch gar nicht erwähnt wurde der Mehrspieler-Modus, obwohl dieser ein prominentes Feature darstellt. Nicht nur Travis, auch Bad-Man lässt sich als spielbarer Charakter auswählen und erhält andere Dialoge und Reaktionen von den Bewohnern der Welt. Spielerisch unterscheidet er sich kaum vom ikonischen Helden, lediglich ein Spezialangriff ist anders, und auch einige Skill-Chips kann nur er ausrüsten. Problematischer ist da schon die Verteilung der Erfahrungspunkte, die man frei verteilen kann. Spielt man alleine, wird der gewählte Held zwar stärker, steigt ein zweiter Spieler ein, müssen allerdings die Erfahrungspunkte geteilt werden, weshalb ein Abstimmen notwendig ist. Zudem sollte man einen separaten Spielstand für den kooperativen Durchlauf wählen, denn ein übermächtiger Travis mit einem schwachen Bad-Man ist nicht gerade ein Garant für Spielspaß.

Ansonsten macht das Abenteuer natürlich mehr Spaß mit einem Freund, auch wenn einige Level nicht unbedingt besser werden. Insbesondere beim Side-Scroller sorgt die Kamera in den Geschicklichkeitspassagen für Frust, denn verlässt ein Spieler den anderen und somit den Bildausschnitt, wird er zurückgebeamt. Das stört zwar nur auffällig in einem Level, sollte aber bedacht werden. Insgesamt bietet der Mehrspieler-Modus gute Unterhaltung und macht die mitunter fehlende Abwechslung wett.

Aus einer anderen Zeit

Kommen wir nun zum größten Kritikpunkt: Fast allen technischen Aspekten. Der Artstil sieht zwar gut aus, die Texturen erinnern allerdings in einigen Leveln an die erste PlayStation, und das ist nicht gerade ein Vorteil. Die Kulissen sind stets verwaschen und beeindrucken deutlich weniger als die beiden Hauptteile der Reihe zuvor. Hier wurde eine Menge Potential verschenkt, denn Nintendo Switch ist zu deutlich mehr fähig, als die Macher erreicht haben. Umso ärgerlicher, dass die Bildrate nicht immer mitspielt, die Gründe dafür können wir allerdings nicht bieten. Manchmal laufen Kämpfe voller Effekte mit zahlreichen Gegnern und vielen Spezialangriffen butterweich ab, in einer leeren Passage kann es hingegen zu heftigen Rucklern kommen. Das stört den Spielablauf zwar nie, sieht dennoch furchtbar aus und schreit förmlich nach einem Patch.

Viel besser ist das schon der Soundtrack, wobei grandiose Stücke ausbleiben. Leider wurden kaum Dialoge vertont, und bis auf einige Sprüche darf man zuhören, wie die Charaktere in einer Sprache sprechen, die sie vermutlich in „Animal Crossing“ gelernt haben. Es ist stets ersichtlich, dass das Spiel ein begrenztes Budget hatte, dafür wird aber ein charmanter Stil abgeliefert, bei dem es ordentlich an Feinschliff fehlt. Anders sieht das bei der HD-Vibration aus, die perfekt auf die Situationen abgestimmt wurde und den Kämpfen noch mehr Energie verleiht.

Weiterführende Links: Forum-Thread

Fazit & Wertung

„Travis Strikes Again: No More Heroes“ ist ein wahres Fest für Videospielfans. Die kreativen Level, der einzigartig verrückte Stil und der pure Spielspaß bieten mehr als genug Gründe, sich in das neueste Abenteuer von Travis Touchdown zu wagen. Man sollte allerdings keinen Feinschliff erwarten, denn sowohl die Technik als auch einige Design-Entscheidungen sind weit von der Perfektion entfernt. Wenn es ein Spiel dennoch schafft, bis zur wortwörtlich letzten Sekunde bestens zu unterhalten und den Spieler regelmäßig zum Jubeln zu bringen, kann nur eine Empfehlung ausgesprochen werden – man sollte lediglich seine Erwartungen anpassen.

Bisher gibt es einen Kommentar

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  • Avatar von Anonym 20200811
    Anonym 20200811 14.07.2019, 12:15
    Edit.
    Habe mir die Frage schon selbst beantwortet.