Agatha Christie hat mit ihren Kriminalromanen und ihren Kultfiguren, etwa Miss Marple, Klassiker geschaffen und weltweite Berühmtheit erlangt. Im Glanz dieser glorreichen Werke möchte sich „The Raven Remastered“ platzieren und die Gunst von Krimibegeisterten und Rätselfreunden erlangen. Ob die Ermittlungen gegen den namensgebenden Raben von Erfolg gekrönt sind oder sich das ganze auf dem Niveau einer handelsüblichen „CSI“-Folge befindet, klären wir im Review.


Alle Wege beginnen im Orientexpress

Der Rabe war der meistgesuchte Kunstdiebs Europas. Bei seinen Überfällen führte er die Polizei an der Nase herum, hinterließ nur eine Feder am Tatort und verletzte dabei noch keine Menschenseele. Als der Polizist Legrand den Gesuchten auf dem Dach eines Museums gestellt hatte, stürzte der Verbrecher zu Tode und die Fallakten schienen in den Archiv zu verschwinden. Doch ein weiterer Einbruch erschütterte die Kunstwelt. War der Rabe zurückgekehrt oder handelte es sich um einen Trittbrettfahrer? Um den Verbrecher hervorzulocken, sollte ein wertvoller Edelstein, das Auge der Spyhnx mit dem Orientexpress durch Europa transportiert und anschließend über dem Seeweg nach Kairo transportiert werden. Auf dieser Reise sollte dem Verbrecher eine Falle gestellt werden.

Der Spieler schlüpft nicht etwa in die Rolle des Superpolizisten, sondern steht diesem als Wachmeister Anton Jakob Zellner zur Seite. Obwohl schon im fortgeschrittenen Alter, ist er mit größtem Elan an den Ermittlungen beteiligt, denn während seiner Laufbahn konnte er sich nie beweisen und versucht sich in einem letzten Ansturm seine Sporen zu verdienen.

Dabei erweist er sich als wertvolle Unterstützung, denn bereits im Zug wird der Startschuss für ein unterhaltsames Krimidrama gegeben. Der Inspektor verfügt zwar über seine gesunde Auffassungsgabe, abseits dessen jedoch über keine besonders nennenswerten Eigenschaften. Er ist der nette Nachbar, der im Urlaub auf die eigenen Haustiere aufpasst. Überraschend ist dieser Aspekt nicht negativ ins Gewicht gefallen, sondern wirkt bodenständig und unterstreicht den Eindruck, der Wachmeister sei auch nur unbeabsichtigt in diesen Fall hineingeraten. Er wäre nicht der einzige gewesen, der denn Fall hätte lösen können, aber er war nunmal an Ort und Stelle.

Das Böse unter der Sonne 

Nicht nur bei der Wahl seines Protagonisten hält sich „The Raven“ an klassische Tugenden, sondern auch die Handlung präsentiert sich als entschleunigter Kriminalfall abseits bombastischer Inszenierung. Garniert wird die Handlung mit einigen Wendungen und Anspielungen an die Meisterin des Kriminalromans persönlich. Das Spiel fängt die dargestellte Zeit glaubhaft ein und bildet einige Marotten der Zeit humorvoll ab. Auch wenn die Auflösung nachvollziehbar bleibt, wirken einige der erlebten Ereignisse im Rückblick nicht ganz schlüssig. Um die Inszenierung der Geschichte nicht zu gefährden, wurden einige kleine Logiklöcher in Kauf genommen. Dieser Punkt beeinträchtigt das Gesamterlebnis aber nur geringfügig. Als Kritikpunkt könnte man anführen, dass sich „The Raven“ trotz eines positiven Gesamteindrucks an das Einmaleins des Krimis hält und wenig Innovationen hinzufügt. Für Fans der Werke von Agatha Christie sollte dennoch ein spaßiger Genretrip herauskommen.

Ermittlungsarbeit

Als Abenteuerspiel verbringt der Spieler einen Großteil des Abenteuers mit der Erkundung der Schauplätze, Befragung von Zeugen und Nebenfiguren und natürlich einigen Rätselaufgaben. In den Gesprächen hat der Spieler wenig Spielraum. Bis auf wenige Fragespielchen, in denen die Ergebnisse korrekt zusammengefasst werden sollen und auch bei falschen Angaben keine Konsequenz droht, wird nur zugehört und Hinweise aufgenommen. Die Gespräche versprühen dabei jedoch viel Flair und Liebe zum Detail und sorgen für viel Spaß. In den klassischen Gewändern seiner Geschichte verpackt das Spiel seine Aufgaben als typische Kombinationsrätsel. Die Spieler suchen die Umgebung nach nützlichen Gegenständen ab, kombinieren sie über ein Inventar und setzten sie für den Spielfortschritt ein. Die Rätsel lassen sich als Genredurchschnitt zusammenfassen. Wenige der Rätsel erschließen sich erst auf dem zweiten Blick und fordern die grauen Zellen der Spielerschaft. Das bodenständige Setting limitiert auf dieser Ebene die Freiheiten des Rätseldesigns. Mehrstufiges Eindringen in ein Computersystem oder Schalterrätsel in antiken Tempelanlagen würden fehl am Platz wirken. Etwas anspruchsvollere Aufgaben als das Ablenken eines Wachmeisters oder dem Bauen einer Fackel unter Verwendung brennbaren Alkohols wäre dennoch wünschenswert gewesen.

Technik

Obwohl es sich um ein Remaster handelt, muss sich „The Raven Remastered“ immer noch mit einigen technischen Unzulänglichkeiten herumschlagen. Einige Zwischensequenzen laufen nicht unbedingt flüssig ab und trüben den Genuss des Krimidramas. Starre Gesichts- und hölzerne Bewegungsanimationen wirken altbacken und nehmen dem spannenden Krimidrama einen Teil seiner Ausdruckskraft. Kleinere Bugs oder flackernde Texturen drücken den Gesamteindruck weiter. Effekte und Umgebungen wirken ebenfalls nicht auf dem neusten Stand.

Obwohl in dem gemächlichen Abenteuerspiel keine komplizierten Eingaben der Steuerung nötig sind, stört es dem Spielspaß, dass die Spielfigur sich nur träge in Bewegung setzt und die Erkundung der Schauplätze dadurch hakeliger als nötig ausfällt. Zwischen eben diesen Schauplätzen wird der Spielfluss immer wieder durch Ladezeiten unterbrochen, die in ihrer Frequenz störend auffallen. Addiert führen diese beiden Faktoren zu einem trägen Spieltempo, dass nicht unbedingt nötig gewesen wäre.

Der Soundtrack begleitet punktuell die Ereignisse, bleibt aber immer im Hintergrund und lässt die Dialoge im Vordergrund wirken. Die sanften Klänge des Orchester unterstützen die oft zitierte bodenständige und entspannende Natur des Titels. Die Vertonung ist gelungen und die deutschen Sprecher hauchen der Geschichte Leben ein.

https://www.youtube.com/watch?v=70Mas1UFCzg