Der erste Serienteil erschien vorerst zwar exklusiv für Nintendo DS in Japan, erreichte den Westen aber erst drei Jahre später als „Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin“ für PlayStation 3. Das Spiel bezauberte nicht nur durch seine fantastische Geschichte und bildhübsche Welt, sondern auch durch die Zwischensequenzen, die in Kooperation mit dem legendären Studio Ghibli entstanden. Für den Nachfolger musste Entwicklerstudio Level-5 auf diese künstlerische Unterstützung verzichten, setzt jedoch weiterhin auf eine bezaubernde Welt voller Farben und interessanter Charaktere. Ob „Ni no Kuni II: Schicksal eines Königreichs“ ein würdiger Nachfolger geworden ist, verraten wir euch im Test.

Ein anderes Spiel

Ebenso wie der Spieler wird auch Roland, einer der Protagonisten des Spiels, ohne Vorwarnung in die Welt von „Ni no Kuni“ geworfen. Genauer gesagt sogar das Zimmer der jungen Königs von Katzbuckel, einem Ort, den man bereits aus dem ersten Teil kennt. Die beiden müssen sich schnell arrangieren, denn ein Putsch ist im Gange und Roland entscheidet sich kurzerhand dazu, zusammen mit Evan zu fliehen. Dabei treffen sie nicht nur auf den Bösewicht, der sich zum König erklärt, sondern auch auf freundliche Gesichter. Wie man es schon nach einer kurzen Zeit erwartet, nehmen die Geschehnisse eine tragische Wendung.

War die erste Stunde in „Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin“ noch eine emotionale, perfekt nuancierte Achterbahn der Gefühle versucht der Nachfolger mit ähnlichen Bausteinen, das Selbe zu meistern, was jedoch nicht gelingt. Man arrangiert sich eher mit den Charakteren, die sich allerdings noch zu fremd anfühlen, um wirklich mit ihnen zu fiebern. Die intime Geschichte des Vorgängers konnte durch die ruhigen, realistischen Momente überzeugen, die ein Kontrast zum großen, fantastischen Abenteuer darstellte. Dieser Teil jedoch startet mit einem großen Knall, ähnlich wie in zu vielen anderen Genre-Vertretern.

Wie ein Märchen

Der etwas enttäuschende Einstieg stimmt bereits auf die weitere Geschichte ein. Obwohl es viele tolle Szenen gibt sowie dramatische und interessante Wendungen, wird die Qualität des Vorgängers nie erreicht. Das liegt zum Großteil an den Charakteren, die sehr austauschbar sind. Evan ist dafür ein wunderbares Beispiel, denn bereits nach der ersten Begegnung kann man alle seine Charaktereigenschaften erahnen. Zwar bleibt der wachsende Heldentrupp charmant und man gewinnt alle lieb, jedoch fehlen besondere Persönlichkeiten, um frischen Wind in die JRPG-Formel zu bringen. Zwar ist die Handlung nicht schlecht, durch das starke Gesamtpaket des ersten Ablegers liegen die Erwartungen jedoch naturgemäß höher. Zudem wird keiner überrascht darüber, dass eine finstere Macht im Aufwind ist, wie in jedem anderen JRPG. Eine Stärke stellt jedoch Lofty dar, der durch seinen Humor sowie sein niedliches Design in jeder Zwischensequenz glänzt, wenn er auch nicht den trockenen Humor von Tröpfchen erreichen kann.

Hat man diese Tatsache einmal verkraftet, wird man sich ein weiteres Mal in die Welt von „Ni no Kuni“ verlieben. Die Orte und Städte laden nämlich zum Staunen ein. Jeder Ort bietet zahlreiche und einzigartige Geschichten, die die Kultur der Welt definieren. Das Highlight ist eine Stadt, in der das Gesetz durch einen Würfel entschieden wird. Man bleibt permanent gespannt, was für ein märchenhaftes Abenteuer der Gruppe bevorsteht, und genau diesen Zauber fängt das Spiel perfekt ein. Da, wo es innerhalb der Erzählung Schwächen gibt, können die Welt sowie deren Bewohner vieles ausbügeln und die Reise zu einem sehr belohnenden Abenteuer gestalten. Gerade die Charaktere, die nicht menschlich sind, wecken das Interesse und werden durch starke Dialoge zum Leben erweckt. Obwohl die grundlegende Geschichte nicht zu den Stärken des Spieles gehört können die einzelnen Abenteuer in den Städten, die Dialoge sowie die Charaktere, denen man auf dem Weg begegnet, das alles wieder ausbügeln und die Reise unvergesslich machen.

Schneller und einfacher

Die größte Änderung für Fans wird das Kampfsystem sein. Vorbei sind die langsameren Schlachten, in denen man mehrere Begleiter kontrolliert. Ab sofort kämpft man mit der Heldentruppe, die eine Kombination aus leichten und schweren Schlägen ausführt. Dadurch werden die Kämpfe sehr viel schneller und kurzweiliger, jedoch auch unkomplizierter. Die Geschwindigkeit fühlt sich toll an, nur das Ausweichen ist etwas verzögert und könnte präziser sein. Allgemein funktioniert die Umstellung jedoch gut und zeigt, dass sich die Macher nicht auf den Lorbeeren ausruhen wollten sondern etwas neues ausprobieren, was gelingt. Ob einem das nun besser gefällt als die stärker an rundenbasierten Kämpfen erinnernden Begegnungen aus dem Vorgänger, ist jedem Spieler selbst überlassen, im Test überzeugte die Umstellung jedoch.

Natürlich werden die simplen Mechaniken erweitert, erst durch Skills und dann durch Gnuffies, kleine Helfer, die im Kampf gewisse Aktionen verstärken. All das täuscht leider nicht darüber hinweg, dass die Herausforderung fehlt. Selbst in späteren Kämpfen wird man höchstens bei den Bossen eine gewisse Herausforderung spüren, ansonsten kommt man mit simplen Taktiken leicht bis ans Ende. Genau hier fehlt der Tiefgang des Kampfsystems aus dem Vorgänger. Schöner ist hingegen, dass die Kämpfe abseits der Oberwelt immer direkt stattfinden, und nicht in eine separate Arena gewechselt wird. Das passt zum schnelleren Ablauf und vermeidet unnötige Ladezeiten. Wer sich gerne in Menüs aufhält darf nicht nur entscheiden, wie sich die Gruppe im Kampf verhält, sondern auch welche Art von Belohnungen der Spieler erhält. Das ist eine tolle Möglichkeit, das in vielen Spielen langwierige Grinden minimal zu halten.

Ein Königreich für einen König

Ein großer Aspekt von „Ni No Kuni II: Schicksal eines Königreichs“ ist das eigene Königreich, dass Evan erbauen möchte. Hier baut man aus der Vogelperspektive Gebäude auf, verbessert diese und beauftragt Bürger mit der Waffenherstellung oder Forschung. Im Grunde genommen ist das eine vereinfachte Städtesimulation, für die man haufenweise Materialien aus den Kämpfen einsetzen kann, um sein Reich zu vergrößern. Wirklich tiefgründig sind diese Systeme nicht, jedoch entsteht somit ein schönes Ziel für die vielen Kämpfe und man kehrt immer wieder gerne zurück, um sein Reich zu verbessern. Einzig nervig ist, dass einige Aktionen eine gewisse Zeit benötigen, mit Kronen aber beschleunigt werden können. Obwohl man dafür nicht in seine echte Tasche greifen mussm erinnert das zu sehr an kostenlose Smartphone-Spiele. Das lässt sich jedoch verschmerzen, denn das Königreich ist mit vielen Handlungen verbunden und der Spieler wird auf viele Weisen belohnt, wenn er Fortschritte macht.

Der Krieg wird durch den Skirmish-Modus symbolisiert. Hier läuft man als Chibi-Version mit seiner Armee durch ein Schlachtfeld und lässt seine Soldaten auf die Feinde treffen. Die Kämpfe laufen halbwegs automatisch ab und werden nach dem Stein-Schere-Papier-Prinzip entschieden, wobei man auf die eigene Position achten muss. Dreht man seine Einheiten in die falsche Richtung, müssen möglicherweise Bogenschützen gegen Nahkampfeinheiten antreten, was immer schlecht endet. Wer jedoch die Übersicht behält, wird hier durchmarschieren können, denn meist ist die angezeigte Kampfstärke wichtiger als das eigene Verhalten. Wer also nicht zu verschwenderisch mit seinen Ressourcen umgeht, wird keinerlei Probleme haben. Leider werden die Schlachten deshalb auch weniger interessant. Glücklicherweise muss man nur eine handvoll davon zwingend bestreiten, was als Abwechslung zwischendurch Spaß bereitet. Leider fühlen sich die Geschichte, das Königreich und die Schlachten nicht wie Teil des selben Spieles an, sondern eher wie Bausteine, die nicht so ganz zusammenpassen wollen.

Malerisch

Optisch ist „Ni no Kuni II“ eine Wucht. Der malerische Stil punktet zwar weniger auf der Oberwelt, dafür umso mehr in den Städten. Jeder Ort ist direkt durch seinen Stil wiedererkennbar und lässt einen in die fantastische Welt eintauchen. Das wäre nur halb so atmosphärisch ohne den großartigen Soundtrack, von dem man niemals genug bekommen wird. Leider sieht das Spiel in den Skirmishes sowie auf der Oberwelt nicht wirklich ansehnlich aus, was bei den Charaktermodellen startet und durch die matte Welt bestätigt wird. Dafür sieht es bei der Synchronisation besser aus, die durch gute englische Sprecher besticht. Die deutsche Übersetzung sticht sich jedoch mit dieser. Zwar wurden die Sätze sinngemäß und verständlich übersetzt, hört man dabei jedoch die englische Version fehlen entweder einige unwichtige Aussagen oder es wurde mehr dazugedichtet, als eigentlich gesprochen wurde. Den Abschluss macht die Bildrate, die sich öfter Aussetzer erlaubt, allgemein jedoch nie zum spielerischen Problem wird.