Inside Nintendo 9: Die Entwicklung von Xenoblade Chronicles

Als „Xenoblade Chronicles“ bei uns im August 2011 für die Wii erschien, horchten die Fans auf. Unerwartet wurde das Spiel zu einem der besten japanischen Rollenspiele (JRPG) der jüngeren Zeit, und dies ausgerechnet auf einer leistungsschwachen Konsole wie der Wii. Entwickelt wurde es von den Rollenspiel-Spezialisten Monolith Soft unter der Leitung von Tetsuya Takahashi, der vorher bei Square an „Final Fantasy“ und „Chrono Trigger“ mitwirkte und später „Xenogears“ sowie „Xenosaga“ ins Leben rief. Dank der Unterstützung zahlreicher weiterer Studios war „Xenoblade“ ein wahres Mammutprojekt – 300 Personen waren direkt beteiligt und weitere 200 arbeiteten an Übersetzung, Qualitätskontrolle und weiterem. Die Produktion dieses Spiels begann 2008, doch der Ursprung des Projektes kann bis ins das Jahr 2006 zurückverfolgt werden. Damit hatte das in Japan 2010 ersterschienene „Xenoblade“ eine vierjährige Entwicklungsdauer, von der wir in diesem Teil von „Inside Nintendo“ berichten möchten.

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Ein Geistesblitz und zwei skurrile Tonfiguren – Planungs- und Konzeptphase


Im Juli 2006 kam Tetsuya Takahashi eine Idee, während er auf dem Rückweg von einer Konferenz im Zug saß. Seine Idee waren Völker, die auf Körpern von Göttern leben sollten. Hirohide Sugiura, der Präsident von Monolith Soft, und weitere Angestellte hielten diese Idee für interessant. So kam es, dass der als Director der GameCube-RPG-Reihe „Baten Kaitos“ bekannte Yasuyuki Honne Tonmodelle dieser Götter nach Takahashis Vorstellung baute. Dafür standen andere Studiomitarbeiter Pose. Diese Modelle dienten zur Inspiration; eine ausgestreckte Wade könnte für die Bewohner des Körpers eine große Ebene sein, ein der Sonne zugewandter Rücken ein tropischer Dschungel und so weiter.

Monolith Soft steckte gerade mitten in den Arbeiten an „Disaster: Day of Crisis“, einem 2008 für die Wii erschienenem Actionspiel. Dies war das erste Mal, dass das für erstklassige RPGs bekannte Studio ein anderes Genre bearbeitete und dies sorgte dafür, dass sich „Disaster“ um ganze zwei Jahre verspätete. Um so etwas nicht zu wiederholen, entschloss man sich, dass das nächste Wii-Spiel des Studios wieder ein Rollenspiel werden sollte. In dieser Zeit tat sich nicht viel am Projekt, da man sich auf „Disaster“ konzentrierte. Noch bevor die Entwicklung von „Disaster“ die Endphase erreicht hatte, wurden die bisherigen Konzepte zum neuen RPG-Projekt dem Nintendo-Produzenten Hitoshi Yamagami vorgestellt, der die Zusammenarbeit zwischen Monolith Soft und Nintendo organisierte.

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Yasuyuki Honne mit seinen „Xenoblade“-Tonfiguren


Die Arbeiten beginnen


Ein erster Prototyp konnte im April 2007 erstellt werden. Obgleich „Disaster“ immer noch tief in der Entwicklung steckte, begann das spätere „Xenoblade“ Form anzunehmen. Takahashi war ausführender Director, zu dieser Zeit aber wurden ihm zwei zusätzliche Directors zur Seite gestellt. Koh Kojima von Monolith Soft hatte beispielsweise die Handlung von „Baten Kaitos“ verfasst und hatte zum ersten Mal einen Directorposten inne. Der zweite war Genki Yokota von Nintendo. Wie auch der Produzent Yamagami gehört Yokota der Nintendo-Abteilung „Software Planning & Development“ (kurz SPD) an. Diese entwickelt nur sporadisch eigene Spiele; hauptsächlich kooperiert sie mit außenstehenden Studios bei Projekten, die Nintendo veröffentlicht. Bei „Xenoblade“ gingen die Verantwortlichkeiten der SPD deutlich weiter als üblich.

„Xenoblade“ war nicht das erste exklusive Wii-JRPG von einem begabten Ex-Square-Entwickler. Das zweite ist „The Last Story“, das parallel von Mistwalker entwickelt wurde – dem Studio des „Final Fantasy“-Gründers Hironobu Sakaguchi. Für beide Spiele kooperierte die SPD, und so haben beide eines gemeinsam. Shinji Hatano, seines Zeichens Präsident der Lizenzabteilung bei Nintendo, schrieb beiden Studios Grundlagen ihrer RPG-Projekte vor. An Monolith Soft richtete er die Bitte, in die Handlung des Projektes romantische Ansätze unterzubringen. Handlung sowie Spielwelt sollen außerdem eine möglichst große Zielgruppe ansprechen.

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Ein Ausschnitt aus dem ersten „Xenoblade“-Trailer von 2009


Die Produktionsphase


Takahashi war nicht nur Executive Director und Konzept-Designer, sondern auch für die Handlung zuständig. In Zusammenarbeit mit dem Manga-Autor Yuichiro Takeda verfasste er das Drehbuch, welches von der SPD-Planerin Yurie Hattori überarbeitet und kontrolliert wurde.

Bemerkenswert an „Xenoblade“ ist, dass das Spielprinzip an die Handlung angepasst ist. Der Hauptcharakter Shulk erhält Visionen, die ein wichtiges Handlungselement darstellen und auch im Kampfsystem zu Tragen kommen. So werden dem Spieler während des Kampfes gelegentlich in der Zukunft liegende Kampfereignisse durch eine Vision offenbart, damit dieser entsprechende Gegenangriffe starten kann. Takahashi zufolge testete man für dieses Konzept ein rundenbasiertes Kampfsystem. Offenbar scheint dieser Test nicht gefruchtet zu haben, denn schließlich entschied man sich zugunsten eines Echtzeitkampfsystemes.

Das Projekt wurde immer umfassender. Besonders für die Vielzahl an Zwischensequenzen war die Hilfe außenstehender Studios von Nöten. Ganze sechs Produzenten – drei von Nintendo SPD, drei von Monolith Soft – verwalteten und koordinierten den gesamten Entwicklungsprozess.

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Die Schulter des Bionis, eine Beta-Map


Was es nicht mehr ins Spiel geschafft hat


Wie bei jeder größeren Videospielproduktion gibt es auch im Falle von „Xenoblade“ manches, das schlicht aus Zeitgründen nicht in das Projekt eingebaut werden konnte. Außerdem hat sich die Handlung im Laufe der Zeit sehr stark geändert, ist laut Takahashi in ihren Grundzügen jedoch gleich geblieben.

Große Schwierigkeiten und Probleme im Produktionsverlauf verzögerten die Arbeiten stark. Ursprünglich plante Takahashi darum, zugunsten des festgelegten Veröffentlichungstermins einige Spielelemente wegzurationalisieren. Der Produzent Yamamagi jedoch äußerte sich dagegen und wies Takahashi an, das Projekt in Ruhe zu Ende zu führen. Takahashi drückte darüber in einem „Iwata fragt“-Interview Dankbarkeit aus:

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich an einer Vielzahl von Spielen mitgearbeitet, und es gab Zeiten, zu denen ich auch alles hinschmeißen wollte. Daher konnte ich dieses Mal für mich akzeptieren, dass ich nicht alles erreichen würde, was ich mir vorgenommen hatte. Mental bereitete ich mich irgendwie schon auf einen Richtungswechsel vor. Aber dann sagte mir Mr. Yamagami, ich solle das Projekt zu Ende führen. Ich war wirklich verblüfft über Nintendos Bereitwilligkeit, so lange an etwas zu arbeiten, bis man wirklich mit dem Ergebnis zufrieden war.


Und dennoch finden sich tief in den Spieldaten versteckt zahlreiche Elemente, die im finalen Spiel nicht verwendet werden – dies ist typisch für „Xeno“-Spiele. Eine Übersicht dieser ungenutzten Spielinhalte gibt es bei der Website The Cutting Room Floor. Herausstechend ist eine Map, die fast final ist, aber im Spiel nicht begehbar ist. Ohnehin sind alle Landschaften im Spiel gewaltig, doch diese als „Bionis' Schulter“ bekannte Map ist noch weitaus größer. Interessanterweise ist sie kurz in einer Zwischensequenz zum Spielende zu sehen. Das folgende Video zeigt eine vollständige Übersicht über Bionis' Schulter:


Schön anzusehen, jedoch wenig aussagekräftig sind frühe Storyboards, die auf der Gamedisc enthalten sind:

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Frühes Storyboard, in dem Shulk das Monado hält


Etwas für die Ohren


90 Stücke umfasst der Soundtrack des Spiels. Sechs Videospielkomponisten zeichneten dafür verantwortlich. Der wohl bekannteste von ihnen ist Yasunori Mitsuda. Takahashi wählte ihn aus, da Mitsuda bereits die Musik für frühere „Xeno“-Spiele komponiert hatte. Tatsächlich stieß Mitsuda bei dem Projekt aber erst sehr spät hinzu und komponierte nur ein einziges Stück. Es handelt sich um „Beyond The Sky“, das Ending Theme, dessen Text von Takahashi verfasst und von Sarah Àlainn gesungen wurde. Yoko Shimomura, ebenfalls eine bekannte Komponistin, wirkte auch mit; sie war für Stücke zu Beginn des Spiels und gegen Ende verantwortlich. So stammen beispielsweise das „Main Theme“, das auf dem Titelbildschirm zu hören ist, sowie die zweiteilige Prolog-Musik von ihr.

Den Großteil des Soundtracks verfassten aber ganz andere Komponisten, die in der Branche weniger bekannt sind. Es handelt sich um die Komponistin Manami Kiyota sowie die Musikgruppe ACE+, die aus den Musikern Hiroyo, Tomori Kudo und Kenji Hiramatsu besteht. Sie wurden von einem Unternehmen namens Dog Ear Records dem Projekt zugeteilt; Dog Ear Records ist das vom bekannten Videospielkomponisten Nobuo Uematsu geleitete Musiklabel und war für die Musikproduktion für „Xenoblade“ zuständig.

Wie es sich für ein gutes JRPG gehört, sind alle wichtigen Dialoge in „Xenoblade“ vertont. Einige der japanischen Synchronsprecher, sogenannte Seiyū, genießen in Japan große Bekanntheit. Für die englischsprachige Audioversion nahm ein Londoner Tonstudio 13.000 Dialogzeilen für insgesamt 140 Spielcharaktere auf, wobei hauptsächlich wenig bedeutsame Synchronsprecher mit britischem Akzent zum Einsatz kamen.

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Ein Blick in die Zukunft


„Xenoblade Chronicles“ war ein Mammut-Projekt, wie man es gerade auf der Wii nicht erwartet hätte. Glücklicherweise hat sich die lange Arbeit der vielen Beteiligten gelohnt, denn anders als viele vorherige Monolith-Soft-Titel ist „Xenoblade“ auch kommerziell ein großer Erfolg. Monolith Soft und Nintendo wollen aber offenbar noch einen drauf setzen, denn seit 2010 entwickelt das Studio bereits einen „Xenoblade“-Nachfolger für die Wii U. Dieser wird allem Anschein nach alles bisher Gesehene in den Schatten stellen. Alles über dieses bislang als „X“ bekannte Projekt findet ihr hier.
Weiterführende Links: Forum-Thread

Bisher gibt es elf Kommentare

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  • Avatar von mithos630
    mithos630 23.04.2014, 20:48
    Yeah, über 320 h hab ich in der Welt von Xenoblade verbracht.
  • Avatar von Finn
    Finn 10.03.2013, 17:31
    Krass wie gut das Spiel aussieht und wie rieisig es ist für ein Wii Spiel. Kein wunder das mich der Nachfolger für die WiiU so umgehauen hat. Die Entwickler scheinen einiges auf dem Kasten zu haben, ich bin schon sehr sehr gespannt. Zu Schade das es so ein Japano RPG ist, vielleicht zwing ich mich doch dazu es einfach mal zu spielen
  • Avatar von rowdy007
    rowdy007 09.03.2013, 22:37
    müsste eigentlich gehen probier doch einfach aus deinen Speicherstand zu kopieren. kann ja nichts schiefgehen.
  • Avatar von Taurin
    Taurin 09.03.2013, 21:56
    hmm. doofe frage, kann ich den speicherstand von meiner wii ganz einfach ja quasi per sd karter auf meine wii u übertragen über den v.wii modus . Dann versuchs ich doch noch mal weiter zu spielen wo ich aufgehört habe, habe bestimmt 30 std auf der wii verbracht

    spiel is ja schon traumhaft, das letzte mal als mich ein spiel - rollenspiel so gefesselt hat, war noch zu playstation zeiten - FF 7 - 9 oder breath of fire 3 und dergleichen
  • Avatar von padlord
    padlord 09.03.2013, 21:42
    Spiels gerade noch und es ist Genial. Hab jetzt 40 Stunden und 10 kommen ca. noch dazu. Leider fehlt die Zeit für die ganzen Nebenquests, aber es macht einfach Spaß und man ist gespannt wie es weiter geht.
  • Avatar von nostri
    nostri 09.03.2013, 20:10
    Der Bericht ist wirklich gut geschrieben, danke.

    Bin schon soooo auf den Nachfolger gespannt.
  • Avatar von ponte360
    ponte360 09.03.2013, 17:58
    Danke für den tollen Bericht - Das Video kannte ich auch noch nicht.
    Wirklich das beste Rollenspiel der letzten Jahre!
  • Avatar von rowdy007
    rowdy007 09.03.2013, 16:49
    Das Spiel ist einfach episch weil einfach alles stimmt. Die Soundtracks die man sich damals als Premium Käufer runterladen konnte hör ich mir heute immernoch an wenn ich am PC sitze. Allein die Musik macht das ganze Spiel zu etwas besonderem.



    Zitat Zitat von Taurin Beitrag anzeigen
    so ein hammer spiel, schande das ich es nicht durchspielen konnte. Als Vati hat mann nicht mehr die zeit für so mammut spiele, war lange nimma dran und habe von vorne angefangen auf die wii u.
    Ich hatte damals nach ca. 60 Stunden Spielzeit auch ein 3/4 Jahr Unterbrechung aber ich fand den wiedereinstieg bei Xenoblade relativ gut. Normal fange ich RPGs die ich so lange nicht gespielt habe auch wieder von vorne an, bei Xenoblade bin ich aber sehr gut wieder reinngekommen und konnte es dann nach ca. 110 Std. durchspielen.


    Der Bericht ist mal wieder top! Das Spiel ist einfach ein wahres Meisterwerk und ich wünschte mir sie hätten es sich für die Wii U aufgehoben als Launchgame. Hätte den Verkäufen sicher auch keinen abbruch getan.
  • Avatar von Taurin
    Taurin 09.03.2013, 14:38
    so ein hammer spiel, schande das ich es nicht durchspielen konnte. Als Vati hat mann nicht mehr die zeit für so mammut spiele, war lange nimma dran und habe von vorne angefangen auf die wii u.
  • Avatar von Tobias
    Tobias 09.03.2013, 13:30
    @SuperPokémonGalaxy: Relativ gesehen schon. War zwar auch nur unterhalb einer Millionen, aber weitaus mehr als die vorherigen Spiele von Monolith Soft. Und Xenoblade wurde ja so gut wie kaum beworben und erschien zu einem ungünstigen Zeitpunkt zu einer Konsole mit einer eigentlich anderen Zielgruppe.
  • Avatar von SuperPokémonGalaxy
    SuperPokémonGalaxy 09.03.2013, 12:48
    Xenoblade war auch kommerziell ein Erfolg?
    Wusste ich gar nicht