Aller Anfang ist klein
Der treibende Faktor zu Beginn der Entwicklung von „Ocarina of Time“ war der Schwertkampf. Shigeru Miyamoto experimentierte mit Yoshiaki Koizumi an einer Polygon-Version von „Zelda II“ mit Betonung auf Schwertkampf für das SNES. Leider wurde dieses Projekt nie umgesetzt, aber der Drang, ein „Zelda“ mit Fokus auf Schwertkampf zu produzieren, blieb erhalten. So kam es, dass Takao Shimizu 1995 ein Chanbara-Schwertkampf-Video im „Zelda“-Stil erstellte. Dieses elfsekündige Video wurde auf der Nintendo Space World im November 1995 vorgestellt – es sollte eine Technikdemo sein, die die Leistung des N64 veranschaulichte.
Zu dieser Zeit existierte das damals unter „Zelda 64“ bekannte Projekt aber noch nicht so wirklich, denn Shimizu wurde mit „Star Fox 64“ beauftragt. Um „Zelda 64“ Realität werden zu lassen, ernannte er Toru Osawa zum Director des Projektes und stellte ihm den frisch angestellten Jin Ikeda zur Seite. Dies markierte den Beginn der Entwicklung – „Ocarina of Time“ wurde zu Anfang von nur zwei Personen entwickelt.
Wer konnte ahnen, dass „Zelda 64“ zum größten Projekt der damaligen Videospielgeschichte wurde? Rasch stießen neue Mitarbeiter dem Projekt zu, das gleichzeitig zu „Super Mario 64“ in den Büros der Nintendo EAD entstand. So kommt es, dass „Ocarina of Time“ die Engine von „Super Mario 64“ verwendete. Nach anderthalb Jahren Programmierung war die Engine aber so weit abgewandelt, dass sie eine ganz neue war.
Ein Beta-Screenshot, der noch auf der Engine von „Super Mario 64“ zu basieren scheint
Nur die Spitze des Eisbergs?
Der bereits oben erwähnte Koizumi war als Director von „Super Mario 64“ komplett ausgelastet, machte sich währenddessen aber schon Überlegungen für „Zelda 64“. Mitte 1996 schließlich war das eine Projekt vollendet und er stieß als Director für Charakterdesign und Spielsystem dem „Zelda 64“-Team bei. Nun bestand das Team aus drei Personen: Koizumi, Osawa und Ikeda. Zusätzlich stand Miyamoto als Produzent beratend zur Seite.
Zu dieser Zeit war das Projekt noch für das N64 Disc Drive geplant. Dies war ein Zusatzgerät für das N64, das Disketten schluckte – „Zelda 64“ sollte das Prestigeprojekt für das N64 DD werden. Man versprach sich durch die größere Speicherkapazität und durch die beschreibbaren Disks Großes: Die Spielwelt sollte komplett durch den Spieler beeinflussbar sein; jeder Fußabdruck, jeder durchtrennte Baum, alles sollte für immer gespeichert werden. Außerdem sollte die eingebaute Uhr dem Spiel zugute kommen. Leider offenbarten sich bald die Schattenseiten. Die Ladezeiten des N64 DD waren zu lang und machten die vielen nötigen Animationen unmöglich. Darum, und weil das Disc Drive rasch floppte, wurde das Projekt auf das N64 übertragen.
Ein Beta-Screenshots von Oktober 1996
Dies hatte einerseits eine Verlängerung der Entwicklungszeit zur Folge, andererseits aber mussten viele wichtige Features von „Zelda 64“ wegrationalisiert werden. Wie genau das Spiel als N64-DD-Projekt ausgesehen hätte, wissen wir nicht. Manche Videospielhistoriker aber behaupten, das fertige „Ocarina of Time“ sei nur ein Schatten dessen, was mit dem Disc Drive möglich gewesen wäre. Um das bisherige Spielkonzept zu testen, hat das Team damals Dungeons aus dem ersten „Zelda“, das 1986 für das NES erschienen war, wiederverwendet. Dazu gibt es zahlreiche Screenshots und einen 1996 veröffentlichten Trailer, den wir im Folgenden zeigen. Dabei wird deutlich, dass das „Zelda 64“-Projekt in dieser Zeit kaum etwas mit dem finalen Spiel zu tun hat.
Zeit für Experimente
Die Entwicklung von „Ocarina of Time“ war vor allem von Experimenten geprägt. Miyamoto zufolge waren die Entwickler in den frühen Phasen in fünf Teams unterteilt, die je in ihrem Zuständigkeitsbereich experimentierten. Demnach gab es ein Szenario- und Planungs-, ein Charakter-, ein Kamera-, ein Item- und ein Motion-Capture-Team.
Für die frühen Phasen sind außerdem einige tiefgreifende Veränderungen im Spielkonzept dokumentiert, die glücklicherweise nicht in das finale Spiel aufgenommen wurden. Beispielsweise wollte Miyamoto, dass das Spiel eine First-Person-Ansicht bietet. Dies wurde rasch wieder verworfen, da bereits ausführliche Charaktermodelle für Link erstellt worden waren, die die Entwickler unbedingt einbauen wollten. Ein anderer nicht umgesetzter Vorschlag sah vor, aufgrund der angeblich zu geringen Speicherkapazität nur Ganons Schloss als Spieloberwelt zur Verfügung zu stellen. Ähnlich wie in „Super Mario 64“ hätte Link von hier aus dann andere Teile der Spielwelt betreten können. Infolge der zu Beginn verwendeten „Mario 64“-Engine stand in den frühen Phasen eine interessante Funktion zur Verfügung, und zwar gab es eine Sprungtaste für Link. Später wurde die Sprungtaste aber zugunsten einer Autosprungfunktion wegrationalisiert.
Schon während der Produktion von „Super Mario 64“ stießen die Entwickler auf ein Problem, das durch den Eintritt in den dreidimensionalen Raum entstand: Es war schwierig, genau auf einen Gegner zu springen; häufig verfehlte man ihn. Vor diesem Problem stand das Team auch bei „Ocarina of Time“, wobei hier wegen des Kampfsystemes eine dringende Lösung von Nöten war. Diese kam Osawa, Ikeda und Koizumi, als sie einen Ausflug zum Toei Kyoto Studio Park machten. Die drei schauten sich damals eine Ninjashow an. Dabei benutzte ein Kämpfer eine japanische Waffe namens Kusarigama und umwickelte seinen Gegner mit der Kette dieser Waffe. Dadurch konnte sich der Kämpfer kreisförmig um seinen Gegner bewegen, ihn also quasi anfixieren. Dies lieferte die Inspiration für das zu seiner Zeit innovative Z-Anvisieren in „Ocarina of Time“. Im Spiel visiert man seine Gegner quasi mit einer unsichtbaren Kusarigama an.
Ebenfalls von dieser Show kam die Idee, dass nur der anvisierte Gegner angreift und die anderen brav warten. Um zu visualisieren, was der Spieler anvisiert, gestaltete das Team zunächst eine schlichte Markierung. Daraus entwickelte sich die Idee zu einer Fee namens Navi (vom Wort „navigieren“), die Link als ständige Begleiterin zur Seite stehen sollte und entsprechend in die Handlung integriert wurde.
Das Ende naht – die späteren Entwicklungsphasen
Der Drehbuchautor von „Ocarina of Time“, Toru Osawa, behauptet, die Handlung schon sehr früh verfasst zu haben. Miyamoto zufolge aber wurde erst das Spielprinzip und danach die Handlung erdacht. Was tatsächlich stimmt, wissen wir nicht, aber eines ist Fakt: Bis zum Frühjahr 1997 war die Handlung noch komplett anders, denn bis jetzt gab es nur einen erwachsenen Link. Zu dieser Zeit jedoch schlugen mehrere Teammitglieder vor, auch einen jüngeren Link einzubauen. Um sowohl den erwachsenen als auch jugendlichen Link im Spiel zu haben, wurde die Handlung umgeschrieben – das Element der Zeitreise kam ins Spiel.
Recht spät wurde dem Team ein gewisser Eiji Aonuma zugeordnet, der damals noch nicht verheiratet war und auf den Nachnamen Onozuka hörte. Er gestaltete Dungeons und Bosskämpfe. Aonuma war der letzte der nun insgesamt fünf Macher des Projektes. Später erhielt er die Verantwortung für einen Nachfolger und ist heute Produzent der „Zelda“-Reihe, aber das ist eine andere Geschichte. Das Entwicklerteam war derweil rasant angewachsen. Das Projekt wurde immer gewaltiger und beanspruchte bald den Großteil der EAD-Mitarbeiter. So wurde „Ocarina of Time“ in den letzten Phasen von einem Kernteam von vierzig bis fünfzig Personen produziert. Inklusive Unterstützern steigt diese Zahl auf gut 120 Mitwirkende, sogar Motion-Capture-Schauspieler für realistische Charakteranimationen waren an Bord.
Wie vorhin erwähnt, wurde das Entwicklerteam von fünf Directors geleitet. Diese hatten je ihren eigenen Zuständigkeitsbereich – dieses Vorgehen war damals ein Novum für die EAD. Toru Osawa gehörte, wie wir nun wissen, zu den ersten drei Mitwirkenden des Projektes und war Storydirector. Yoichi Yamada verantwortete das Spielsystem. Eiji Aonuma war Director für Dungeon- und Bossgegnerdesign und Yoshiaki Koizumi leitete das 3D- und Kamera-System sowie die Charaktergestaltung. Toshio Iwawaki schließlich war zuständiger Director für die Programmierung, die vom bereits lange mit EAD zusammenarbeitenden Unternehmen SRD bewerkstelligt wurde. Diese fünf Herren unterstanden der Aufsicht von Miyamoto, der laut eigener Aussage phasenweise selbst einen directorartigen Posten einnahm. Weitere nennenswerte Mitwirkende sind Starkomponist Koji Kondo sowie die langjährigen „Zelda“-Mitentwickler Takashi Tezuka und Toshihiko Nakago, die Supervisor waren.
Die letzten Monate der Entwicklung waren von ständigen Verschiebungen geprägt; ursprünglich sollte das Spiel nämlich gegen Mitte 1997 erscheinen. Viel später als geplant, im Februar 1998, erreichte die Produktion offiziell die Betaphase. Zu dieser Zeit veröffentlichte Screenshots beweisen, dass das Spielsystem finalisiert war, aber trotzdem noch zahlreiche Detailänderungen vorgenommen wurden. „Ocarina of Time“ erschien schließlich weltweit Mitte November 1998, nach über drei Jahren der Entwicklung. Als bis dato aufwändigste Videospielproduktion stiegen die Erwartungen der Fans bis dahin bis ins Unmessbare. Erstaunlicherweise konnte das Spiel sie vollkommen erfüllen und gilt noch heute als bestes Videospiel aller Zeiten.
Wir hoffen, euch eine interessante Übersicht zur Konzeption und Produktion von „Ocarina of Time“ geboten zu haben! Behaltet dabei bitte im Hinterkopf, dass dies nur ein Teil dessen ist, was alles über die Produktion bekannt ist. Die vielen weiteren interessanten Details würden nämlich den Rahmen dieses Berichtes eindeutig sprengen. Hier findet ihr eine möglichst vollständige Sammlung aller bekannten Beta-Screenshots zu „Ocarina of Time“, womit man sich einen sehr guten Überblick über die zahlreichen Änderungen während der Entwicklung machen kann. Außerdem empfehlen wir diese dreiteilige Videodokumentation in englischer Sprache auf YouTube, die ausgesprochen gut recherchiert ist.
Bisher gibt es 21 Kommentare
@intendo-nerd: Dass die N-Zone schlecht ist, sollte eigentlich jeder Nintendo-Fan wissen bzw. aufgefallen sein.
Umso erfreulicher wie viel Arbeit DU dir machst. Bin immer wieder erstaunt wie umfangreich die Artikel sind.
Aber bei Nintendo ist das oft der Fall, dass während der Entwicklung sehr viel geändert wird. Wer sich das Beta-Video von Super Mario Sunshine aus dem Jahre 2001 ansieht, wird ein komplett anderes Spiel entdecken; Super Mario 128 war nie in der Entwicklung und wurde doch acht Jahre entwickelt und wurde doch nie ein fertiges Spiel - sehr interessante Sachen alles.
@Tiago: In einem Interview mit der N-Zone gab Aonuma mal bekannt, dass OoT mehr Tempel haben sollte: http://gonintendo.com/?p=108029
Was meint ihr eigentlich mit Lichttempel? Hab da schon einiges von gehört oder gelesen, habs aber nicht mehr genau auf dem Schirm...
Der Bericht ist wirklich sehr interessant. Einiges wusste ich gar nicht. Wirklich sehr informativ
@DaRealRiku, da gebe ich dir absolut Recht. Der Eingang vom Lichttempel existiert ja. Aber ich bin auch mit dem "abgespeckten" OoT sehr zufrieden gewesen und auch immer noch.
Die Videodokumentation auf YouTube werde ich mir auf jeden Fall zu Gemüte führen.
Klar das nichts Neues dazu kommt, wenn das die einzig bekannten Infos sind^^
Finde den Artikel sehr interessant, echt toll das du dir die Arbeit gemacht hast, Tobi, alles zusammenzufassen